22.12.2000 · IWW-Abrufnummer 001451
Landgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 23.06.2000 – 2-21 0 319/99
Verletzt eine Vermögensberaterin Ihren Beratungsvertrag, indem sie eine nicht anlegergerechte Kapitalanlage empfiehlt, ist sie zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Aktenzeichen: 2-21 0 319/99
lt. Protokoll
Verkündet am 23. Juni 2000
Jae Stornfels
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
Landgericht Frankfurt am Main
Urteil
Im Namen des Volkes
hat das Landgericht Frankfurt am Main ? 21. Zivilkammer
durch Vorsitzenden Richter am Landgericht Sunder,
Richterin am Landgericht Henrich,
Richterin Dr. Küls
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2000
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 21.844,86 nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 29.09.1999 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreit hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 27.000,- vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Sicherheitsleistung durch unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung.
Die Klägerin wurde seit 1997 durch Frau Hilscher von der Beklagten beraten. Frau Hilscher ist als Vermögensberaterin bei der Beklagten tätig.
Auf Empfehlung von Frau Hilscher erwarb die Klägerin zunächst im Juni 1997, Anteile an dem DIT-Fonds Industria und im Dezember 1997 weitere Anteile an dem DIT-Fonds Multimedia. Beide Fonds entwickelten sich in den Folgemonaten positiv. Im Rahmen eines Servicebesuchs der Frau Hilscher bei der Klägerin Anfang 1998 erklärte Frau Hilscher, dass die in der Vergangenheit erzielten Gewinne beider Fonds in absehbarer Zukunft nicht mehr zu erwarten seien, da die Fonds vermutlich einen gewissen Höchststand erreicht hätten. Frau Hilscher empfahl daher im Rahmen dieses Gespräches eine Umschichtung es Anlagekapitals, wobei der genaue Inhalt des Gespräches zwischen den Parteien streitig ist. Nachdem letztlich die Wahl auf den Thornton-Lux Tiger Fonds gefallen war, veräußerte die Klägerin im März 1998 sämtliche Fondsanteile und erwarb am 10.03.1998 für DM 64.826,12 von der Deutschen Investment-Trust GmbH Fondsanteile des Thornton-Lux Tiger Fonds. Hierbei handelt es sich um eine Anlage, die in Unternehmen investiert, die in der pazifischen Region ? insbesondere in Hongkong, Singapur und Taiwan ? angesiedelt sind.
In den nachfolgenden Monaten entwickelte sich der Fonds negativ. Nachdem die Klägerin einem Merkblatt der Dresdener Bank entnommen hatte, dass es sich bei der betreffenden Anlage um eine spekulative Anlage handele, veräußerte sie am 16.09.1998 die Fondsanteile und erzielte dafür einen Erlös in Höhe von DM 42.981,44.
Den Differenzbetrag in Höhe von DM 21.844,86 verlangt sie nunmehr von der Beklagten ersetzt.
Sie behauptet, sie sei in Sachen Geldanlage unerfahren und habe Frau Hilscher gegenüber immer wieder deutlich gemacht, dass Sie nur Anlagen mit einem geringen Risiko suche. Nachdem sie auch zunächst in sichere Investmentfonds investiert hatte, habe Frau Hilscher sie zu einem Beratungsgespräch gebeten und ihr mitgeteilt, dass einige Umschichtungen erforderlich seien. Frau Hilscher habe ihr sodann ausdrücklich empfohlen, die bisher gehaltenen Fonds zu verkaufen und das gesamte Anlagekapital in den Thornton-Lux Tiger Fonds einzubringen. Von der Risikostruktur des Thornton-Lux Tiger Fonds sie dabei mit keinem Wort die Rede gewesen.
In einem sp äteren Gespräch zwischen ihr, ihrem Sohn und Frau Hilscher habe diese auch eingeräumt, dass die nicht erfolgte Beratung und die fehlenden Risikohinweise ein Fehler ihrerseits gewesen sei.
Die Klägerin beantragt daher,
die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 21.844,86 nebst 4 % Zinsen per anno hieraus seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet zunächst jegliche gegen sie gerichtete Ansprüche, indem sie die Ansicht vertritt, die Beklagte sie als Vertreterin gem. §§ 84, 92 HGB tätig geworden. Sie sei eine rechtlich verselbständigte Vertriebsorganisation des Aachener und Münchener Versicherungskonzerns mit Sitz in Frankfurt. Nach Aufgabe und Stellung im Konzern falle es ihr zu, Vermögensanlagen aller Art zu vermitteln und zu vertreiben. Hierzu habe sie mit namhaften Unternehmen der deutschen Finanzwirtschaft Agenturverträge im Sinne von §§ 84 ff HBG abgeschlossen, so auch u.a. mit der Deutschen Investmenttrust Gesellschaft für Wertpapieranlagen mbH (im folgenden: DIT). Der Vertriebsweg sei so organisiert, dass sie einerseits mit ihren Partnergesellschaften Agenturverträge abgeschlossen habe, also selbst Handelsvertreterin bzw. Versicherungsvertreterin sei, und andererseits selbstständige Versicherungsvertreter für ihre Vertriebstätigkeit einsetze. Hierzu beschäftige sie mehrere tausend Vertreter i.S.d. §§ 84,92 HGB, zu denen auch Frau Hilscher zähle. Im übrigen behauptet die Beklagte, die Kl ägerin sei umfassend von Frau Hilscher beraten und aufgeklärt worden. Bereits bei der ersten Kontaktaufnahme im Juni 1997 habe Frau Hilscher die Klägerin umfassend beraten und ihr auch im Detail erläutert, wie ein Investmentfonds ?funktioniere?. Vor der Umschichtung habe Frau Hilscher die Klägerin dann darauf hingewiesen, dass ihre Fonds vermutlich einen gewissen Höchststand erreicht hätte und daher in absehbarer Zeit wohl nicht mehr mit den überdurchschnittlichen Kursschwankungen wie in der Vergangenheit zu rechnen sei. Es stelle sich daher für die Klägerin die Frage, ob sie ihr Geld in den beiden Fonds belassen oder ob sie die Gewinne realisieren wollen, um das Kapital in einem anderen Fonds anzulegen, der auch für die Zukunft Wachstumschancen verspreche. Diese Frage sei sehr eingehend mit der Klägerin besprochen worden und die Klägerin habe sich daraufhin entschieden, das Kapital in einem anderen Fond anzulegen, der auch für die Zukunft weitere Wachstumschancen verspreche. Daraufhin seien erneut die verschiedenen Fonds, die der DIT anbietet, vorgestellt und die Anlageschwerpunkte besprochen worden. Daraufhin sei die Wahl relativ schnell auf den Thornton Lux Tiger Fonds gefallen. Frau Hilscher habe der Klägerin den Anlageschwerpunkt und die Entwicklung des Fonds in der Vergangenheit dargelegt. Dieser Fonds hätte aufgrund der ?Asienkrise? zuvor im Kurs stark nachgegeben. Da man die Krise aber für überwunden hielte, habe man eine künftige Kurssteigerung erwartet. Bei der Besprechung habe Frau Hilscher die Klägerin aber auch darauf hingewiesen, dass möglicherweise der Fonds in den nächsten Wochen und Monaten noch weiter abfallen könne. Die besonderen Risiken dieses Fonds, seine überdurchschnittliche Kursabhängigkeit und eben die Gefahr, dass der Fonds auch nach seinem Erwerb noch erhebliche Kursverluste verzeichnen könne, seien der Klägerin im Detail erläutert worden. Auch habe Frau Hilscher der Klägerin ein Faltblatt über den Thornton-Lux Tiger Fonds überlassen, in dem sämtliche Informationen enthalten gewesen seien.
Erwartungsgemäß sei der Fonds auch inzwischen, nach dem Verkauf durch die Klägerin, erheblich gestiegen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst beigefügten Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 25.02.2000 Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Anne Rose Hilscher und Rene Kühn. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vom 11.05.2000 (Bl. 104 ? 114 d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung des Vermögensberatungsvertrages.
Zwischen den Parteien ist ein Vermögensberatungsvertrag begründet wurden. Dieser kann nicht nur durch ausdrückliche Vereinbarung, sondern auch konkludent zustande kommen, wenn gleichgültig auf wessen Initiative ? im Zusammenhang mit der Anlage eines Geldbetrages tatsächlich eine Beratung stattfindet. Indem Frau Hilscher die Klägerin sowohl im Juni 1997 als auch im März 1998 über die Frage der Umschichtung beriet, ist zwischen der Klägerin und der Beklagten, vertreten durch Frau Hilscher, ein Beratungsvertrag mit den daraus folgenden Rechten und Pflichten zustande gekommen.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin letztlich eine Anlage tätigte, die von dem DIT vertrieben wurde. Hinsichtlich des Erwerbes der Fondsanteile war der DIT unstreitig Vertragspartner der Klägerin. Die dem Erwerb vorgelagerte Beratung war indes eine Leistung, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Anteilserwerb stand, sondern hiervon rechtlich unabhängig von der Beklagten erbracht wurde. Nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont konnte und musste die Klägerin davon ausgehen, dass die Beratung der Frau Hilscher eine selbständige Leistung der Beklagten und nicht etwa eine Leistung des DIT darstellte. Wie auch immer die rechtlichen und konzerninternen Verbindungen zwischen der Beklagten und dem DIT gestaltet sind, ist Frau Hilscher als Mitarbeiterin der Beklagten an die Klägerin herangetreten und hat diese beraten. Schon die Firmierung der Beklagten als ?Deutsche Vermögensberatung? lässt für den verständigen Bürger den Anschein entstehen, dass die Beratung durch die ?Deutsche Vermögensberatungs AG? erfolgt und nicht für das Unternehmen, dessen Anlageformen letztlich erworben werden. Die Klägerin durfte daher davon ausgehen, dass die Beklagte die Anlageberatung als eigenständige Dienstleistung begreift. Auch geht regelmäßig das Interesse des Kunden dahin, die Beratung von einer ?neutralen? Institution zu erhalten, in der Erwartung, dass diese nicht grundsätzlich nur die Anlageobjekte einer Gesellschaft empfiehlt. Auch trifft der Kunde regelmäßig erst nach Abschluss der Beratung die Entscheidung, zu einem bestimmten Unternehmen in vertragliche Beziehungen zu treten, indem er dessen Anlagen erwirbt.
Die mit diesem Beratungsvertrag begründeten Pflichten, hat die Beklagte durch ihre Mitarbeiterin Frau Hilscher in schuldhafter Weise verletzt.
Im Rahmen eines Beratungsvertrages ist der Berater zur fachkundigen Beratung und Beurteilung verpflichtet. Er hat die Tatsachen fachmännisch zu bewerten, daraus Schlüsse zu ziehen und im Ergebnis unter Berücksichtigung der Anlageziele, der Risikobereitschaft und der Risikofähigkeit des Kunden positive oder negative sachgerechte Empfehlungen zu geben. Er hat als individueller Berater differenziert und fundiert unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Kunden diesen zu beraten und aufzuklären. Dabei muss die Beratung sowohl anleger-, als auch objektgerecht sein.
Hierbei erfordert eine anlegergerechte Beratung die Kenntnis und ? soweit erforderlich ? Exploration des Kunden sowie ein dem Explorationsergebnis nach Form, Inhalt und Empfehlung gerecht werdendes Beratungsgespräch. Dabei muss sich die Exploration auf die Anlageziele einschließlich der Risikobereitschaft des Kunden, auf seine Erfahrungen und Kenntnisse mit Wertpapieranlagen und auf seine finanziellen Verhältnisse beziehen. Hieraus folgt, dass der Berater durch Befragung des Kunden zum einen das Anlageziel des Kunden zu ermitteln hat. Er muss erfragen, ob der Kunde etwa eine kurz ? oder langfristige Anlage, eine sichere Anlage oder Spekulation, Erzielung von laufenden Ausschüttungen oder von Steuervorteilen sucht und ob er eine hohe Risikobereitschaft aufweist.
Die daneben geschuldete objektgerechte Beratung erfordert zudem eine zutreffende, aktuelle, vollständige, gedanklich geordnete, klare und verständliche Information über das Anlageobjekt. Negative Tatsachen dürfen nicht verschwiegen werden. Der Inhalt und Umfang der Beratung hängt dabei von den Erfahrungen und den Fachkenntnissen des Kunden und von den Eigenschaften und den Risiken des angebotenen Produktes ab.
Diesen Anforderungen an eine anleger- und objektgerechte Beratung genügte die Beratung der Zeugin Hilscher nicht.
Wie die Zeugin Hilscher im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung aussagte, hatte die Klägerin ihr gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass es ihr darum ging, ihren Vermögensbetrag, den sie geerbt hatte, zu erhalten. Mit der zu erzielenden Rendite wollte die Klägerin ihre Rente aufbessern. Vor der erstmaligen Anlagevermittlung durch Frau Hilscher im Juni 1997 hatte die Klägerin, wie sie Frau Hilscher auch mitgeteilt hatte, zwei Anlagen, und zwar eine Anlage in einem offenen Immobilienfonds und ein Bonus-Sparbuch.
Bereits aufgrund dieser persönlichen Verhältnisse der Klägerin musste für Frau Hilscher erkennbar sein, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine erfahrene Anlegerin handelte. Vielmehr stellte sich die Klägerin als eher unerfahren in Wertpapierangelegenheiten dar, die zudem keine hohe Risikobereitschaft zeigte, vielmehr eine sichere Anlage zur Aufbesserung der Rente suchte. Auch war für die Zeugin Hilscher erkennbar, dass die Klägerin den aus einer Erbschaft erlangte Betrag in Höhe von zunächst 49.000,- DM und im Dezember 1997 nochmals 5.000,- DM angelegen wollte und darüber hinaus kein wesentliches Geldvermögen vorhanden war.
Ungeachtet dieses persönlichen Bildes, welches sich die Zeugin Hilscher von der Klägerin machen konnte und musste, hat Frau Hilscher der Klägerin eine Anlage empfohlen, die mit den vorgegebenen persönlichen Anlagezielen nicht übereinstimmte. Die Anlage in dem Thornton-Lux Tiger Fonds entsprach weder dem Anlageziel noch der Risikobereitschaft der Klägerin. Es handelte sich weder um eine sichere noch um eine zur Aufbesserung der Rente geeignete Anlage.
Zudem hat die Zeugin Hilscher über die allgemeinen Risiken eines Aktienfonds sowie über die speziellen Risiken der Anlage nicht zutreffend und vollständig aufgeklärt. Wie sich der Aussage der Frau Hilscher entnehmen lässt, hat diese der Klägerin gegenüber im Juni 1997 die Meinung vertreten, dass ?sämtliche angebotenen Fonds; auch wenn sie einmal schwächer notieren, doch immer wieder anstiegen. Dies folge daraus, dass die Fonds ja gemanaget würden und das Management dann bei einer schwächeren Entwicklung in einem Wirtschaftsbereich Aktien aus einem besser prosperierenden Wirtschaftsbereich erwerbe?. Das allgemeine Risiko einer Anlage in einem Aktienfonds, nämlich dass der dem betreffenden Fonds zugeordnete Aktienmarkt insgesamt nachhaltig an Wert verliert oder das Management die ?falschen? Aktien erwirbt, hat die Zeugin damit nicht erkannt und der Klägerin dementsprechend auch nicht erläutert.
Auch im Rahmen der Beratung, die zum Erwerb der Anteile am Thornton-Lux Tiger Fonds führten, hat die Zeugin Hilscher diesen Irrtum nicht aufgeklärt. Sie hat die Klägerin, als sie ihr diese Anlage empfahl, weder über das generelle Risiko, dass der Aktienmarkt längerfristig eine Rezession erlebt und den seinerzeitigen Stand auch nach der Rezession in überschaubarer Zeit nicht mehr annähernd erreicht, informiert, noch hat sie diese über die besonderen Risiken des Thornton-Lux Tiger Fonds aufgeklärt. Sie hat der Klägerin gesagt, dass die Aktien in Südostasien ihren Tiefststand erreicht hätten. Dies leitete sie daraus ab, dass einer grafischen Darstellung zu entnehmen war, dass in der Vergangenheit die Kurse den derzeitigen Stand nicht unterschritten hatten. Damit hat sie die Klägerin indes darüber in Unkenntnis gelassen, dass man nie weiß, ob der aktuelle Kurs schon der Tiefstkurs ist. Ferner gibt es keine geltende Regel, die besagt, dass der Kurs nicht unter den in der Vergangenheit tiefsten Kurs sinken kann. Zwar kann der Zeugin Hilscher zugestanden werden, dass von den ihr zugängigen Informationsquellen die Prognose aufgestellt wurde, dass die Kurse in Kürze wieder steigen würden. Für spekulationsfreudige Anleger wäre der Fonds daher gegebenenfalls empfehlenswert gewesen. Für einen konservativen Anleger wie die Klägerin indes, ist eine Anlage in Werte, die sich noch in der Baisse befinden, ungeeignet.
Zudem hat die Zeugin Hilscher das Risiko, welches einer risikoreicheren Anlage innewohnt, allein als Schwankungsrisiko bagatellisiert. Als risikobewusst hat sie die Bereitschaft angesehen, eine größere Schwankungsbreite in Kauf zu nehmen. Der Kunde müsse dann bereit sein, abzuwarten, bis die sinkenden Kurse wieder anstiegen. Aufgrund dieser Beschreibung musste die Klägerin den Eindruck gewinnen, auch wenn sie eine risikoreiche Anlage tätige, liege ihr Risiko allein darin, dass die Kurse stärker und häufiger nach oben und unten wechseln, nicht hingegen darin, dass die Kurse nachhaltig fallen. Ein ?dauerhaftes? Verlustrisiko hat die Zeugin Hilscher ganz außer Betracht gelassen.
Hinzu kommt, dass der empfohlene Thornton-Lux Tiger Fonds überwiegend in Aktien von Unternehmen in Hongkong investierte. Die politischen Rahmenbedingungen in Hongkong stellten einen weiteren Unsicherheitsfaktor für die Kursentwicklung dar. Auch Anfang 1998 konnte noch nicht sicher eingeschätzt werden, ob die bis zur Übergabe Hongkongs im Juli 1997 an China dort ausgeübte freie Marktwirtschaft ohne größere Irritation weitergeführt würde und in welchem Umfang ausländische Unternehmen ihr Kapital aus Hongkong zurückziehen würden. Dieses besondere Risiko hat die Zeugin Hilscher völlig unerwähnt gelassen.
Auch über das bestehende Währungsrisiko hat die Zeugin Hilscher nicht hinreichend aufgeklärt. Die Zeugin Hilscher konnte sich nicht mehr erinnern, ob sie mit der Klägerin über das Währungsrisiko gesprochen hatte, und vertrat zudem die Ansicht, dass der Hongkong Dollar seine Höhen und Tiefen habe wie jede andere Währung auch. Insbesondere da die Klägerin zuvor Fondsanteile besaß, die in deutsche Werte investierten, hätte die Zeugin Hilscher über das ?zusätzliche? Risiko des Thornton-Lux Tiger Fonds, dass sich unabhängig von der Entwicklung der Aktienkurse der Unternehmen in Südostasien, die Wechselkurse negativ entwickeln könnten, aufklären müssen. Im Rahmen dieser Aufklärung hätte es auch nicht genügt, der Klägerin mitzuteilen, dass der Hongkong Dollar seine Höhen und Tiefen habe wie jede andere Währung auch. Aufgrund der politisch und wirtschaftlich unsicheren Lage in Hongkong barg gerade der Hongkong Dollar zum damaligen Zeitpunkt besondere Unsicherheiten mit dem Risiko nachhaltiger Kursverluste in sich. Er war daher nicht mit ?jeder anderen? Währung vergleichbar.
Nach alledem stellte sich die empfohlene und getätigte Anlage als eher risikoreiche Anlage dar, die zum einen nicht dem Anlagerprofil der Klägerin gerecht wurde und über deren Risiken nicht vollständig und korrekt informiert wurde.
Ein schadensminderndes Mitverschulden der Klägerin gemäß § 254 Abs. 1 BGB ist nicht ersichtlich. Der Klägerin war ein weiteres Zuwarten auf eine Kursänderung nicht zuzumuten. Es kann von einem Anleger nicht erwartet werden, dass er noch weitere Kursverluste in Kauf nimmt, in der Hoffnung, dass der Kurs wieder steigt. Aus Sicht der Klägerin, war eine Kursänderung weder zu erwarten noch vorherzusehen. Der Klägerin kann daher nicht angelastet werden, dass sich die Anteile möglichst schnell veräußerte, um nicht noch weitere Kursverluste hinnehmen zu müssen. Ein Mitverschulden der Klägerin ist daher mangels Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht erkennbar.
Die Beklagte ist mithin verpflichtet, den aufgrund der Verletzung des Beratungsvertrages entstandenen Schaden zu ersetzen. Hierzu hat sie die Klägerin gemäß § 249 BGB so zu stellen, als wäre der zum Schadensersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten. Hätte die Klägerin keine Fondsanteile an dem Thornton-Lux Tiger Fonds erworben, hätte sie den Kaufpreis in Höhe von 64.826,12 DM nicht verauslagt. Diesen Betrag, abzüglich des von ihr erzielten Erlöses in Höhe von 42.981,44 DM, hat die Beklagte der Klägerin als Schaden zu ersetzen.
Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1. ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf §§ 709, 108 Abs. 1 ZPO.
Sunder
Henrich
Dr. Küls