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07.01.2014 · IWW-Abrufnummer 140386

Finanzgericht Köln: Urteil vom 28.05.2013 – 15 K 259/12

Bürgschaftszahlungen eines GmbH-Geschäftsführers für eine insolvente GmbH sind als Werbungskosten abziehbar, sofern ein Zusammenhang
mit seiner nichtselbständigen Tätigkeit besteht. Dies kann der Fall sein, wenn erhebliche Gehalts- und Tantiemezahlungen von
der Bürgschaftshingabe abhängig sind. Ein Verlust aus wesentlicher Beteiligung entsteht nur dann, wenn der Geschäftsführer
nicht nur mittelbar an der insolventen Gesellschaft beteiligt ist.


Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 15. Senat in der Besetzung: Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher
Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 28.05.2013 für Recht erkannt:
Tatbestand
Es ist strittig, ob Aufwendungen des Klägers im Zusammenhang mit dem Konkurs der A & B GmbH Werbungskosten bei den Einkünften
des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit sind. Die Kläger sind Eheleute und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger erklärte in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2009 einen Verlust in Höhe von 163.400 EUR bei seinen
Einkünften aus Gewerbebetrieb.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war in der Zeit vom 01.01.2001 bis 31.12.2010 Gesellschafter und Geschäftsführer der E Engineering C & D GmbH (im
Folgenden: E) und am Stammkapital mit 50 % = 25.000 EUR beteiligt. Weiterer Geschäftsführer und Gesellschafter war Herr C.
Die Tätigkeit der Gesellschaft erstreckte sich überwiegend auf die Projektierung, Entwicklung sowie das Betriebsmanagement
im Bereich „…”. Dem Kläger oblag innerhalb der Gesellschaft die komplette Betriebsleitung einschließlich des betriebswirtschaftlichen
Controllings.
Mit Gesellschaftsvertrag vom 14.02.2006 beteiligte sich der Kläger (mit 20 v.H. nominell 11.900 EUR am Stammkapital von 59.500
EUR) an der neu gegründeten F Management GmbH (im Folgenden F GmbH genannt). Gleichzeitig wurde die F Industries GmbH & Co.
KG a. A. gegründet, in der die F GmbH vollhaftender Gesellschafter war. In dieser Gesellschaft war der Kläger zuletzt mit
5,71 % = 240.000 EUR unmittelbar am Grundkapital beteiligt.
Mit Datum vom 14.06.2007 übernahm die F KG aA die G AG, die zeitgleich alleinige Gesellschafterin der A & B GmbH (A & B) war.
Herr H wurde Geschäftsführer der A & B und der Kläger übernahm die komplette Vertriebsleitung innerhalb der A & B. Dabei wurde
die Arbeitsleistung des Klägers der A & B durch die E zur Verfügung gestellt. Grundlage hierfür war der „Dienstleitungsvertrag
Interimsmanagement” zwischen E und AB vom 02.04.2008. Dieser war befristet bis zum 31.12.2008.
Am 05.06.2008 wurde zwischen der AB und dem Kläger ein Geschäftsführeranstellungsvertrag geschlossen, mit dem der Kläger ab
dem 01.01.2009 zum „Geschäftsführer-Vertrieb” berufen wurde. Ab dem 01.01.2009 erhielt der Kläger ein Geschäftsführergehalt
von monatlich 15.000 EUR von der A & B, entsprechend der Vergütungsregelung im o.g. Vertrag, auf den ergänzend Bezug genommen
wird.
Um die A & B nach Ausarbeitung eines Sanierungskonzepts mit notwendigem Kapital auszustatten, wurden ihm seitens der Hausbanken
Darlehen gewährt. Die Volksbank K gewährte dabei mit Datum vom 13.10.2008 ein Betriebsmitteldarlehen von 4 Mio EUR und einem
Kontokorrentkredit von 1 Mio EUR. Gesichert wurden diese Darlehen u.a. durch eine Bürgschaft des Landes NRW. Voraussetzung
für die Gewährung dieser Landesbürgschaft war jedoch, dass sich auch die in der operativen Führungsebene tätigen Geschäftsführer
– u.a. der Kläger – ebenfalls durch Bürgschaften engagierten, die noch vor der Bürgschaft des Landes zum Tragen kommen sollten.
Der Kläger verbürgte sich sodann selbstschuldnerisch mit Datum vom 25.09.2008 zunächst mit einem Betrag von 120.000 EUR und
unter dem Datum vom 24.10.2008 mit einem weiteren Betrag von 43.400 EUR gegenüber der Volksbank K/P, insgesamt also mit 163.400
EUR.
In den ersten Monaten des Jahres 2009 geriet die A & B in eine Auftrags- und Liquiditätskrise, die dazu führte, dass trotz
positiver Prognose Mitte des Jahres 2009 Insolvenz wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zu beantragen war.
Mit Beschluss vom 02.07.2009 wurde das Insolvenzverfahren über die A & B eröffnet. Ebenfalls wurden Insolvenzanträge für die
F GmbH und die F Industries GmbH & Co. KG aA gestellt. Aufgrund der Insolvenz der A & B sowie der F Firmengruppe wurde der
Kläger von Seiten der Hausbank in Anspruch genommen (vgl. Schreiben der Volksbank K vom 19.08.2009 über eine Inanspruchnahme
in Höhe von 163.400 EUR). Dieser Betrag wurde vom Kläger
in Höhe von 120.000 EUR am 03.11.2009,
in Höhe von 20.000 EUR am 27.12.2010 und
in Höhe von 43.400 EUR am 30.03.2011 beglichen.
In seiner Einkommensteuererklärung 2009 machte der Kläger diese Zahlungen als Verlust im Rahmen seiner Einkünfte nach § 17
EStG geltend.
Im Einkommensteuerbescheid vom 22.10.2010 ließ der Beklagte die Verluste aus der Bürgschaftsinanspruchnahme unberücksichtigt.
Auch in dem mit Datum vom 25.07.2011 gemäß § 175 AO geänderten Steuerbescheid unterließ der Beklagte die Verlustberücksichtigung.
Den deshalb erhobenen Einspruch des Klägers vom 22.11.2010 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 06.01.2012 als
unbegründet zurück, da eine Verlustberücksichtigung bei einer wie vorliegend lediglich mittelbarer Beteiligung nicht erfolgen
könne.
Mit ihrer Klage machten die Kläger zunächst geltend, dass die Zahlungen in der Gesamtsumme von 163.400 EUR als Werbungskosten
bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit berücksichtigt werden müssten.
Die Kläger tragen hierzu vor, der Kläger habe sein erhebliches Geschäftsführergehalt nur deshalb sichern können, weil er die
entsprechende Bürgschaft für A&B abgegeben habe. Alleine durch die Abgabe der Bürgschaft habe er diesen Arbeitsplatz mit der
versprochenen Gehaltszusage halten und bekommen können.
Im weiteren Klageverfahren vertreten die Kläger nunmehr die Ansicht, dass es sich bei den Aufwendungen um Werbungskosten bei
den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit handele, soweit sie im Streitjahr auf die Bürgschaft gezahlt haben
(120.000 EUR).
Die Kläger beantragen,
der Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.1.2012 wird mit der Maßgabe abgeändert, dass weitere
Werbungskosten in Höhe von 120.000 EUR bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit berücksichtigt werden,
hilfsweise im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen.
Der Beklagte ist der Ansicht, der Kläger sei die Bürgschaften nicht wegen seines Anstellungsvertrages mit der A & B, sondern
wegen seiner gesellschaftlichen Verbundenheit eingegangen. Damit stehe die Bürgschaft mit den gesellschaftlichen Verbindungen
im Vordergrund. Da es sich hierbei jedoch nur um eine mittelbare Beteiligung handele, könnten daraus entstandene Verluste
nicht nach § 17 EStG berücksichtigt werden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Kläger werden durch den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 25.07.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 06.01.2012 in ihren
Rechten verletzt, da diese rechtswidrig sind.
Die Zahlungen, die der Kläger im Streitjahr in Höhe von 120.000 EUR aufgrund seiner Bürgschaftsinanspruchnahme geleistet hat,
stellen sich als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, § 19 des Einkommensteuergesetzes – EStG
– dar.
Werbungskosten sind nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dazu rechnen
alle Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerlicher Einnahmen veranlasst sind (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH
vom 28. November 1977 GrS 2 – 3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105).
a) Veranlasst in diesem Sinne sind Aufwendungen, wenn sie in einem Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten
beruflichen Tätigkeit stehen und zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit getragen werden. Werbungskosten bei
den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit liegen danach vor, wenn die Aufwendungen den Beruf des Arbeitnehmers im weitesten
Sinne fördern. Zu diesen Aufwendungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zählen alle Vermögensabflüsse in Geld und Geldeswert
(vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2011 VI R 97/10, BFHE 236, 61, BStBl II 2012, 343).
b) Diese Grundsätze gelten auch für nachträgliche Werbungskosten, die entstehen können, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung
des Dienstverhältnisses Aufwendungen im Zusammenhang mit demselben erbringen muss. In einem solchen Fall muss bereits zu dem
Zeitpunkt, in dem der Grund für die Aufwendungen gelegt wird, der dargestellte berufliche Zusammenhang bestehen. Danach können
grundsätzlich auch Ausgaben zur Tilgung einer Bürgschaftsverpflichtung Werbungskosten sein. Werden sie als nachträgliche Werbungskosten
geltend gemacht, muss demgemäß bereits die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung beruflich veranlasst gewesen sein (vgl.
BFH a.a.O. m.w.N.).
Dies ist vorliegend der Fall.
Ist der Steuerpflichtige nicht nur Arbeitnehmer einer Gesellschaft, sondern auch deren Gesellschafter, kann die Übernahme
der Bürgschaft auch durch seine Gesellschafterstellung veranlasst sein. Stehen Aufwendungen mit mehreren Einkunftsarten in
einem objektiven Zusammenhang, sind sie bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, zu der sie nach Art und Weise die engere
Beziehung haben (vgl. BFH a.a.O. mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Maßgebend sind hierbei die Gesamtumstände des jeweiligen
Einzelfalles.
Soweit der Bundesfinanzhof bisher entschieden hat, dass die Übernahme einer Bürgschaft weniger durch die berufliche Tätigkeit,
sondern eher durch die Gesellschafterstellung veranlasst ist, wenn der Gesellschafter/Geschäftsführer nicht nur unwesentlich
am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt ist, war stets Voraussetzung, dass ein steuermindernder Abzug der Aufwendungen
aus einer Anwendung des § 17 EStG möglich war.
Nach dieser Rechtsprechung, der der Senat folgt, erfüllen die vom Kläger geltend gemachten, im Streitjahr tatsächlich getragenen
Kosten zur Tilgung der Verpflichtungen aus der Bürgschaftsübernahme die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Übernahme
der Bürgschaft stand im Zusammenhang mit dem Beruf und der Arbeitnehmerstellung des Klägers bei der A & B. Die Darlehen waren
nur mit der Landesbürgschaft zu erhalten. Das Land war aber nur bereit sich zu verbürgen, wenn auch die Gesellschafter und
damit der Kläger eine Bürgschaft abgaben. Damit hingen aber wiederum die erheblichen Gehalts- und Tantiemezahlungen, die der
Kläger aufgrund seines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages erzielen konnte, von seiner Bürgschaftshingabe ab. Die Bürgschaft
wurde vom Kläger auch aus diesem Grund abgegeben.
Der Kläger hat die Bürgschaft auch nicht lediglich abgegeben, um ein rein auf der Vermögensebene stattfindendes Engagement
abzusichern.
Wäre der Kläger nicht lediglich mittelbar an der A&B beteiligt gewesen, so wären seine Aufwendungen aufgrund der Bürgschaft
wohl als Auflösungsverlust im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen gewesen.
Dass der Kläger lediglich mittelbar an der A & B beteiligt war, verdrängt deshalb den beruflichen Zusammenhang hier nicht.
Der Senat folgt insoweit einer der Kernaussagen im Urteil des BFH vom 16.11.2011 (a.a.O.) nach der der steuermindernde Abzug
der im steuerbaren Bereich angefallenen Aufwendungen zwingend erforderlich ist. Ihre Beurteilung als einkommenssteuerrechtlich
irrelevante Ausgaben widerspricht dem das Einkommensteuergesetz prägenden objektiven Nettoprinzip (BFH-Urteil vom 16.11.2011,
a.a.O. Tz. 2.).
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO wegen der Frage zuzulassen ob bei mittelbarer Beteiligung wie bei einer fehlgeschlagenen
Beteiligung (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2011 VI R 97/10, BFHE 236, 61, BStBl II 2012, 343) eine Berücksichtigung der Verluste
als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erfolgen muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 S. 1 FGO.

VorschriftenEStG § 17, EStG § 9 Abs 1 Satz 1

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