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11.12.2013 · IWW-Abrufnummer 141836

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 23.10.2013 – 2 K 2096/11

1. Der Verlust, der dadurch eintritt,
dass Aktien aufgrund der Insolvenz der Kapitalgesellschaft wertlos
werden, fällt schon begrifflich nicht unter die Werbungskosten,
so dass die Beschränkung des Werbungskostenabzugs gemäß § 20
Abs. 9 Satz 1 EStG nicht greift.
2. Der Verlust von Aktien aufgrund der Insolvenz
der Kapitalgesellschaft ist ein Veräußerungsgeschäft
gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn die Aktien (nach
US-amerikanischem Recht) im Insolvenzverfahren eingezogen und auf
die Gemeinschaft der Gläubiger übertragen werden.
Dass der Aktionär eine – nachrangige – Ausgleichsforderung
erwirbt, ist steht der Annahme der Entgeltlichkeit des Veräußerungsgeschäfts
nicht entgegen, wenn er mit dieser Ausgleichsforderung ausfällt.
3. Die in der Einziehung von Gesellschaftsanteilen
liegende Teil-Liquidation, die zu einem endgültigen Verlust
der Kapitalbeteiligung geführt hat, muss im Wege verfassungskonformer
Auslegung der Veräußerung i. S. des § 20 Abs.
2 EStG gleich gestellt werden.


Tatbestand
Strittig ist, ob Aktien, die im Hinblick auf die Insolvenz der
Aktiengesellschaft als wertlos ausgebucht wurden, zu einem steuerlich
anzuerkennenden Verlust führen.
Der Kläger, ein Maschinenbautechniker, erwarb am 3.
November sowie am 9. und 10. Dezember des Streitjahres 2009 insgesamt
300.000 Aktien der „C Group Inc.” (nachfolgend
C genannt) für einen Gesamtpreis in Höhe von 12.884,06 € (Blatt
50-53 ESt-A). Laut Mitteilung der ”... Broker AG & Co. KG” (Blatt
49 ESt-A) wurden diese Aktien am 22. Dezember 2009 als wertlos ausgebucht.
Bei der C handelte es sich - nach den Feststellungen des Beklagten
(Blatt 73 ESt-A) - um eine US-amerikanische Finanzdienstleistungsgruppe,
deren Kunden vor allem kleine und mittelständische Unternehmen
waren. Im Zuge der Finanzkrise geriet die C in Schwierigkeiten.
Im Juli 2009 wurde ein Antrag auf Staatshilfe abgelehnt, weshalb
Insolvenz drohte. Im August 2009 konnte die Insolvenz durch einen
privaten Kredit von 3 Milliarden US-Dollar vorerst abgewendet werden.
Nach dem Scheitern einer Umstrukturierung der Schulden des Unternehmens
meldete die C am 1. November 2009 Gläubigerschutz nach Chapter
11 das amerikanischen Insolvenzrechtes an. Die Verbindlichkeiten beliefen
sich auf fast 65 Milliarden US-Dollar. Trotzdem gelang es der C,
die notwendigen Mehrheiten der Gläubiger zur Zustimmung
zu einem Insolvenzplan zu bewegen. Dieser beinhaltete die Reduzierung
der Schulden um rund 11 Milliarden US-Dollar; im Gegenzug erhielten
die Gläubiger die Aktien des Unternehmens. Die bisherigen
Aktionäre verloren als letztrangige Gläubiger alles.
Mit Bestätigung des Insolvenzplans durch den Insolvenzrichter
wurde das insolvenzrechtliche Gläubigerschutzverfahren
nach nur fünf Wochen am 9. Dezember 2009 beendet (siehe
hierzu die Ausführungen in der Enzyklopädie Wikipedia,
dort unter ...; Blatt 55 ESt-A).
Die erlittene Vermögenseinbuße von 12.884,06 € machte
der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung
und in seiner Erklärung zur Feststellung des verbleibenden
Verlustvortrages vom 3. November 2010 (Blatt 1-53 ESt-A) für
das Streitjahr 2009 als Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften
geltend (Blatt 23/24
ESt-A).
Unter Hinweis darauf, dass die wertlose Ausbuchung der C-Aktien
nicht als Veräußerungsvorgang im Sinne des § 20
Abs. 2 EStG beurteilt werden könnte (so auch die OFD laut
Gesprächsnotiz vom 18. Januar 2011; Blatt 56 ESt-A), lehnte
der Beklagte im Einkommensteuerbescheid 2009 vom 2. Februar 2011 (Blatt
57-60 ESt-A) eine Berücksichtigung des erklärten
Vermögensverlustes ab. Dadurch errechneten sich Einkünfte
aus privaten Veräußerungsgeschäften durch
Aktienverkäufe in Höhe von 6.658 €, die
mit dem Verlustvortrag zum 31. Dezember 2008 in Höhe von
2.415 € verrechnet wurden (Blatt 58 ESt-A). Ausgehend von
einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 60.409 € setzte
der Beklagte die Einkommensteuer 2009 auf einen Betrag in Höhe
von 9.807 € fest.
Des Weiteren erließ der Beklagte unter dem Datum vom
2. Februar 2011 auch einen Bescheid über die gesonderte
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember
2009. Darin verrechnete er den verbleibenden Verlustvortrag zum
31. Dezember 2008 ebenfalls mit den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften
des Streitjahres 2009 und stellte den verbleibenden Verlust zur
Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009 auf 0 € fest (Blatt
61/62 ESt-A).
Sowohl der Einkommensteuer- als auch der Verlustfeststellungsbescheid
ergingen jeweils unter der Steuernummer 22/545/30466.
Seinen am 19. Februar 2011 erhobenen Einspruch „zum
Steuerbescheid, Steuernummer 22/545/30466 vom
02.02.2011” (Blatt 63 ESt-A) begründete der Kläger
damit, dass ihm ein Verkauf nicht möglich gewesen sei,
da etwa eine Woche nach dem Erwerb die Aktien gesperrt und bis zur
wertlosen Ausbuchung nicht mehr für den Handel freigegeben
worden wären. Sollte eine Berücksichtigung des
Verlustes nach § 20 Abs. 2 Einkommensteuergesetz - EStG
- nicht möglich sein, bitte er um Berücksichtigung
nach § 17 Abs. 4 EStG (Blatt 66 ESt-A).
Der Beklagte behandelte den Einspruch des Klägers als
Einspruch gegen den Einkommensteuer- und gegen den Verlustfestellungsbescheid.
Am 2. August 2011 erließ er eine - einheitliche - Einspruchsentscheidung
sowohl in Bezug auf den Einkommensteuerbescheid 2009 als auch in
Bezug auf den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 2009,
die er wie folgt begründete: Gemäß § 20
Abs. 2 Nr. 1 EStG gehöre der Gewinn aus der Veräußerung
von Anteilen an einer Körperschaft i. S. des § 20
Abs. 1 Nr. 1 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen.
Der Begriff der Veräußerung sei dabei identisch
mit dem Veräußerungsbegriff des § 23
Abs. 1 Nr. 1 EStG. Danach seien Veräußerungsgeschäfte
grundsätzlich Rechtsgeschäfte, die die entgeltliche Übertragung
von den in Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-8 genannten Kapitalanlagen auf einen
anderen Rechtsträger zum Inhalt haben. Im Allgemeinen werde
unter einer Veräußerung die Übertragung
einer Sache oder eines Rechts auf einen Dritten verstanden. Das
Veräußerungsgeschäft sei gekennzeichnet
durch das Begriffspaar „Anschaffung” und „Veräußerung” desselben
Wertpapiers, derselben Kapitalbeteiligung oder derselben Forderung.
Beide Begriffsmerkmale entsprächen einander. Wenn als Anschaffung
nur der Erwerb von einem Dritten anzusehen sei, könne als
Veräußerung auch nur die Übertragung
des Wirtschaftsguts an einen Dritten und nicht eine Verwertung in
der Weise, dass ein Wirtschaftsgut untergehe, verstanden werden
(mit Hinweis auf Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach,
EStG, Rz 421 zu § 20). Nach diesen Grundsätzen fehle
es im hiesigen Streitfall an einer Veräußerung.
Zwar habe der Kläger die Aktien im Dezember 2009 entgeltlich
erworben, eine entgeltliche und vom Willen des Klägers
getragene Übertragung der Aktien auf einen Dritten habe jedoch
nicht stattgefunden. Die bloße „wertlose Ausbuchung” aus
dem Depot des Klägers begründe keinen nach § 20
Abs. 2 Nr. 1 EStG steuerbaren Vorgang. Es liege auch kein der Veräußerung
gleichgestellter Sachverhalt vor. Nach § 20 Abs. 2 Satz
2 EStG gelte als Veräußerung auch die Einlösung,
Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft.
Die Wertlosigkeit selbst begründe keine Veräußerung
in diesem Sinne. Für den insoweit vergleichbaren Fall eines
Forderungsausfalles gelte, dass dies keine Veräußerung im
Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG sei und folglich die
Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten der Forderung einkommensteuerrechtlich
ohne Bedeutung seien (mit Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 22.
Dezember 2009, BStBl
I 2010 Seite 94, Rz 60). Die Beteiligung an der C falle
auch nicht unter § 17 EStG, da der Kläger nach Aktenlage
nicht zu mindestens 1% an der C beteiligt gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung
vom 2. August 2011 verwiesen.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger weiterhin die Berücksichtigung
des durch die Ausbuchung der C-Aktien entstandenen Verlustes sowohl
bei der Einkommensteuerfestsetzung als auch bei der Feststellung
des verbleibenden Verlustvortrages. Hierzu hat der Verfahrensbevollmächtigte
für den Kläger vorgetragen:
Der Kläger habe keine Möglichkeit gehabt, die
in Rede stehenden Wertpapiere zu veräußern. Ein
Verkauf sei nicht mehr möglich gewesen, da diese durch
ein eingeleitetes Insolvenzverfahren als wertlos festgestellt worden
seien. Der Kläger habe somit im Kalenderjahr 2009 wegen
Vermögensverfalls der Schuldnergesellschaft einen nachgewiesenen
Verlust in Höhe von 12.884,06 € erlitten, wobei
der Verlust für ihn unvermeidbar gewesen sei. Hierdurch
sei dem Kläger nur wenige Wochen nach der Anschaffung ein
endgültiger Verlust seiner Anschaffungskosten entstanden,
der im Wege des Vortrages in dem besonderen Verlustverrechnungskreis
berücksichtigt werden müsse. Der Beklagte habe
zu Unrecht die Anerkennung dieses Verlustes sowohl unter dem Gesichtspunkt
des § 23 EStG als auch unter dem Gesichtspunkt des § 20
EStG abgelehnt, da keine „Veräußerung” stattgefunden
hätte. Hiermit sei der Kläger nicht einverstanden, da
die getätigten Aufwendungen in Zusammenhang stünden
mit den geplanten Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften
i. S. des § 23 EStG und/oder mit geplanten Einkünften
aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG, sodass der
Kläger vergebliche Aufwendungen getätigt habe,
die steuerlich zu berücksichtigen seien. In dem Zusammenhang
werde auf eine Entscheidung des FG München vom 8. Oktober
2009 (15 K 1050/09, EFG 2010 Seite 222)
Bezug genommen. In diesem Fall habe das FG München die
Anschaffungskosten für ausgebuchte Optionsscheine als vergebliche
bzw. fehlgeschlagene Aufwendungen anerkannt. Nach Ansicht des FG
München sei ein Abzug als Werbungskosten im Rahmen der
Einkünfte gemäß § 23 EStG innerhalb
der einjährigen Spekulationsfrist möglich, da
die Aufwendungen für den Erwerb getätigt worden
seien, um in Erwartung einer positiven Kursentwicklung einen Gewinn
zu erzielen.
Der Totalausfall der Aufwendungen nach Ausbuchung wegen Vermögensverfalls
der Schuldnergesellschaft müsse wie der Tatbestand der
Einlösung und Veräußerung als anzuerkennender
Verlust berücksichtigt werden, da ab diesem Zeitpunkt dem
Gläubiger ohne Verschulden jegliche Handlungsmöglichkeit entzogen
sei. Andernfalls werde dieser Gläubiger sachwidrig ungleich
behandelt im Verhältnis zu dem Gläubiger, der
auf den Kursabfall noch habe reagieren können bzw. überhaupt
noch irgend eine Handlungsmöglichkeit gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
1. den Einkommensteuerbescheid 2009
vom 2. Februar 2011 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung
vom 2. August 2011 zu ändern und diejenige Einkommensteuer
für 2009 festzusetzen, die sich ergibt, wenn die Anschaffungskosten
der erworbenen Aktien der C Group Inc. in Höhe von 12.884,06 € als
Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften
im Sinne des § 23 EStG, hilfsweise als Verluste bei den
Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20
EStG berücksichtigt werden,
2. den Verlustfeststellungsbescheid zum 31.
Dezember 2009 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung
zu ändern und denjenigen Verlustvortrag zum 31. Dezember
2009 gesondert festzustellen, der sich ergibt, wenn die Anschaf fungskosten
der erworbenen Aktien der C Group Inc. in Höhe von 12.884,06 € als
Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften
im Sinne des § 23 EStG, hilfs weise als Verluste bei den
Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20
EStG berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat auf seinen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung
Bezug genommen und ergänzend vorgetragen:
Soweit der Kläger nunmehr unter Verweis auf das Urteil
des FG München vom 8. Oktober 2009 auf den Begriff der „vergeblichen
Aufwendungen” abstelle, führe auch dies nicht
zum Erfolg. Soweit Anschaffungskosten auf Aktien überhaupt
Werbungskosten sein könnten, sei zwar anerkannt, dass auch
Aufwendungen, die nicht zu dem beabsichtigten Erfolg führten,
die Abziehbarkeit als Werbungskosten unberührt ließen.
Unberücksichtigt bleibe hierbei aber, das nach Einführung
der Abgeltungssteuer ein Abzug tatsächlicher Werbungskosten
regelmäßig ausgeschlossen sei (§ 20 Abs.
9 EStG). Ebenfalls unberücksichtigt bliebe bei dieser
Betrachtung, dass erst die „Veräußerung” der
Aktien im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG die Zuweisung
zur Einkunftsart „Einkünfte aus Kapitalvermögen” begründe
und darüber hinaus im Verlustfall ein besonderer Verlustverrechnungskreis
zu bilden sei (§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG). D. h., erst durch
die Veräußerung der Aktien werde ein Besteuerungstatbestand
geschaffen und erst dann werde durch die spezielle Norm des § 20
Abs. 4 Satz 1 EStG eine Verrechnung mit den Anschaffungskosten angeordnet.
Der generelle Werbungskostenbegriff, der auch die Grundlage für
die Zuweisung vergeblicher Aufwendungen zu den verschiedenen Einkunftsarten
sei, müsse dahinter zurücktreten. Die vom Kläger
beabsichtigte Ausweitung des Veräußerungsbegriffs
und der damit verbundenen gesetzlichen Definitionen des Gewinns
in § 20 Abs. 4 EStG verstoße gegen die Tatbestandsmäßigkeit
der Besteuerung.
Auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung
haben die Beteiligten übereinstimmend verzichtet, der Kläger
im Schreiben vom 18. September 2013 (Blatt 42 PA) und der Beklagte
im Schreiben vom 19. September 2013 (Blatt 46 PA).
Gründe
I.
Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 und den Verlustfestellungsbescheid
zum 31. Dezember 2009 ist zulässig und begründet.
1. Wenn gleich auch § 10d
Abs. 4 Satz 4 EStG i. d. F. des Jahres 2009 bestimmt, dass Feststellungsbescheide
zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern sind, soweit der
entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern
ist, folgt hieraus nicht die Unzulässigkeit der Klage gegen
den Verlustfestellungsbescheid zum 31. Dezember 2009.
a) Das wäre der Fall, wenn der entsprechende Steuerbescheid
(hier: der Einkommensteuerbescheid 2009) Grundlagenbescheid des
Verlustfeststellungsbescheids 2009 wäre, da das Ergebnis
im Einkommensteuerbescheid wegen der bestehenden Bindungswirkung
171 Abs. 10 S. 1 AO) dann dem Verlustfeststellungsbescheid
zugrunde gelegt werden müsste; in diesem Fall würde
der Klage gegen den Verlustfeststellungsbescheid das erforderliche Rechtsschutzinteresse
fehlen. Zwischen dem Einkommensteuerbescheid und dem Verlustfeststellungsbescheid
besteht aber kein Abhängigkeitsverhältnis (vgl.
z.B.: BFH-Beschluss vom 26. August 2010 X B 219/09, BFH/NV
2011 Seite 50 m. w. N.); vielmehr ist das Verfahren der
gesonderten Feststellung nach § 10d Abs. 3 EStG gegenüber
dem Festsetzungsverfahren selbständig (vgl. z. B.: BFH-Urteil
vom 14. Juli 2009 IX
R 52/08, BStBl II 2011 Seite 26 m. w. N.).
b) Hieran hat sich durch das Jahressteuergesetz - JStG - 2010
vom 8. Dezember 2010 (BStBl I 2010 Seite 1768) für
den Streitfall nichts geändert.
Zwar hat der Gesetzgeber dort in § 10d Abs. 4 Satz 4
EStG n. F. unter entsprechender Anwendung des § 171 Abs.
10 und § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO angeordnet, dass bei der Feststellung
des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so
zu berücksichtigen sind, wie sie den Steuerfestsetzungen
des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag
festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag
vorgenommen werden kann, zugrunde zu legen sind. Der Gesetzgeber
hat damit der Einkommensteuerfestsetzung - in Abänderung der
bisherigen Rechtsprechung - eine inhaltliche Bindungswirkung für
die Verlustfeststellung gleich einem Grundlagenbescheid zuerkannt
(näher dazu z. B. L. Schmidt/Heinicke, EStG, 31.
A. 2012, Rz 47 zu § 10d). Allerdings gilt die Neufassung
des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG nach § 52 Abs. 25
Satz 5 EStG n. F. erstmals für Verluste, für die
nach dem 13. Dezember 2010 eine Erklärung zur gesonderten
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages abgegeben worden
ist.
Vorliegend wurde die Feststellungserklärung zusammen
mit der Einkommensteuererklärung am 3. November 2010 und
somit rund 4 Wochen vor dem Stichtag für die Anwendung
der gesetzlichen Neuregelung abgegeben. Die bisherige Rechtslage
ist deshalb auf den Streitfall weiter anzuwenden.
2. Durch die Versagung der Berücksichtigung
des Verlustes, der dem Kläger infolge der eingetretenen
Wertlosigkeit seiner 300.000 Aktien der C im Veranlagungszeitraum
2009 entstanden ist, wird der Kläger rechtswidrig in seinen
Rechten verletzt. Von daher ist der Einkommensteuerbescheid 2009
und der Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 2009 insoweit
zu ändern (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Klage nicht
etwa deshalb begründet, weil die Fehlinvestition in die
Aktien der C in entsprechender Anwendung des Urteils des FG München
vom 8. Oktober 2009 (15
K 1050/09, a. a. O.; nachgehend BFH-Urteil vom 26.
September 2012 IX
R 50/09, BStBl II 2013 Seite 231) als Werbungskosten
in Form sogen. vergeblichen Aufwendungen im Rahmen eines beabsichtigten
privaten Veräußerungsgeschäftes (§ 23
EStG) zu qualifizieren wären. Diese Entscheidung ist nicht
einschlägig. Abweichend zum Urteil des FG München geht
es hier nicht um private Veräußerungsgeschäfte
in Form wertlos gewordener Optionen bei einem Termingeschäft.
Vorliegend resultieren die vom Kläger erlittenen Verluste
aus seiner Beteiligung an einer US-amerikanischen Kapitalgesellschaft.
Gewinne bzw. Verluste aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft
sind entweder nach § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG bzw.
nach § 17 EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder
nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen.
a) Bei Geschäften mit Wertpapieren kann eine gewerbliche
Vermögensverwaltung im Sinne des § 15 EStG nur
- ausnahmsweise - angenommen werden, und zwar dann, wenn der Steuerpflichtige
sich wie ein Händler verhält. Anzeichen für
eine Zuordnung zum „Bild des Wertpapierhändlers” sind
beispielsweise der Umfang der Geschäfte, das Unterhalten
eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung
von Geschäften, das Ausnutzen eines Marktes unter Einsatz
beruflicher Erfahrungen, das Anbieten von Wertpapiergeschäften
gegenüber einer breiteren Öffentlichkeit und andere
für eine private Vermögensverwaltung ungewöhnliche
Verhaltensweisen (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 172/83, BStBl II 1984
Seite 132; BFH-Urteil vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BStBl II 1991
Seite 66; BFH-Urteil vom 1. Juni 2004 IX R 35/01, BStBl II 2005
Seite 26; BFH-Urteil vom 19. August 2009 III R 31/07, BFH/NV
2010 Seite 844).
Dass für eine gewerbliche Vermögensverwaltung
sprechende Umstände gegeben sein sollen, hat der Kläger
nicht vorgetragen; solche sind nach Lage der Akten auch nicht ersichtlich.
Das Gegenteil ist der Fall. Der Kläger war im Veranlagungszeitraum
2009 als Maschinenbautechniker nichtselbständig beschäftigt.
Er konnte seine Wertpapiergeschäfte folglich nur in den
wenigen Stunden ausführen, in denen er nicht durch seine
Tätigkeit als Maschinenbautechniker in Anspruch genommen
war. Insoweit spricht die Aktenlage dafür, dass der Wertpapierhandel
vom Kläger nicht als Haupttätigkeit, sondern lediglich
als Nebentätigkeit ausgeübt wurde.
Infolgedessen kann die Aktienbeteiligung des Klägers
an der C nicht als Betriebsvermögen behandelt und seiner
wertlos gewordene Aktienbeteiligung daher auch nicht durch eine
Teilwertabschreibung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) Rechnung
getragen werden.
b) Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG
scheiden ebenfalls aus, da der Kläger nach dem unwidersprochen
gebliebenen Vortrag des Beklagten nicht, wie es nach Abs. 1 Satz
1 des § 17 EStG erforderlich ist, zu mindestens 1% am
Kapital der C unmittelbar beteiligt war. Die Beteiligungsgrenze von
1% i. S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist verfassungsgemäß (BFH-Urteil vom
24. Oktober 2012 IX
R 36/11, BStBl II 2013 Seite 164).
c) Weil keine gewerblichen Einkünfte gegeben sind, bestimmt
sich die Abzugsfähigkeit des Verlustes der Beteiligung
an der C als Folge des am 9. Dezember 2009 beendeten Insolvenzverfahrens
gemäß § 20 Abs. 8 EStG vorliegend - ausschließlich
- nach den durch das Unternehmersteuerreformgesetz 2008 geschaffenen
Neuregelungen für Einkünfte aus Kapitalvermögen.
aa) In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Klärung,
ob das Werbungskostenabzugsverbot in § 20 Abs. 9 Satz 1
EStG verfassungsgemäß ist (siehe dazu näher
z.B.: Weber-Grellet, DStR 2013 Seite 1357 ff, 1359 dort
unter 2.1.3). Hierauf kommt es ebenfalls nicht maßgeblich
an, denn es liegen - entgegen der Ansicht des Klägers -
begrifflich schon keine Werbungskosten vor.
Werbungskosten sind alle Aufwendungen, die durch die Erzielung
steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Das gilt auch für
Einkünfte aus Kapitalvermögen und unabhängig
davon, ob sie mit Hilfe einer wesentlichen Beteiligung oder mit
Hilfe anderer Kapitalanlagen erzielt werden (vgl. z. B.: BFH-Urteil
vom 2. Mai 2001 VIII
R 32/00, BStBl II 2001 Seite 668, m. w. N.). Anschaffungskosten,
einschließlich der Anschaffungsnebenkosten einer Vermögensanlage,
gehören demgegenüber nicht zu den abzugsfähigen
Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
(vgl. z. B.: BFH-Urteil vom 17. April 1997 VIII R 47/95, BStBl II 1998
Seite 102; BFH-Urteil vom 20. April 2004 VIII R, BStBl II 2004
Seite 597).
Den Anschaffungskosten unterfallen nach der Legaldefinition des § 255 Abs.
1 Satz 1 HGB alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand
zu erwerben. Die Leistung, die der Kläger zur Erlangung der
Aktien an der C aufwendete, ist der im Streit befindliche Kaufpreis
von 12.884,06 €. Bei dem Kaufpreis von 12.884,06 € handelt
es sich begrifflich aber um Anschaffungskosten (vgl. z. B.: L. Schmidt/Weber-Grellet,
a. a. O., Rz 156 zu § 17, dort unter Anschaffungspreis).
bb) In Abweichung zu den Werbungskosten können Anschaffungskosten
auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft nicht sofort abgezogen
werden. Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft
finden seit dem 1. Januar 2009 (§ 52a Abs. 10 Satz 1 EStG)
ihre steuerliche Berücksichtigung erst im Falle der Veräußerung
von Anteilen an einer Körperschaft i. S. von 20 Abs. 2
Nr. 1 EStG, denn der Gewinn i. S. des Absatzes 2 ist nach der Legaldefinition
des § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG der Unterschied zwischen den
Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen,
die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen,
und den Anschaffungskosten. Von einer Veräußerung
i. S. des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist vorliegend nach Auffassung
des erkennenden Senats - entgegen der Ansicht des Beklagten - indes
auszugehen.
(1) Der Begriff der Veräußerung ist in § 20
Abs. 2 EStG nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung
zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, der die Veräußerung
von Wertpapieren bisher erfasste, wird unter Veräußerung das
obligatorische Rechtsgeschäft verstanden, das auf die entgeltliche Übertragung
des rechtlichen oder zumindest wirtschaftlichen Eigentums an einer Kapitalbeteiligung
gerichtet ist (vgl. z.B.: BFH-Urteil vom 8. Dezember 1981 VIII R 125/79, BStBl II 1982
Seite 618). Da die Veräußerung nicht
freiwillig sein muss, liegt ein Veräußerungsgeschäft
auch dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Anteile im Wege der
Zwangsversteigerung entzogen werden (BFH-Urteil vom 10. Dezember
1969 I R 43/67, BStBl II 1970
Seite 310: zu § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder aufgrund
eines hoheitlichen Eingriffs (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1999 I R 43-44/98, BStBl II 2000
Seite 424: zu § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG); auf die
Motive für die Veräußerung kommt es nicht an
(Kirchhof/Kube, EStG, 11. A. 2012, Rz 14 zu § 23
m. w. N.). Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegt
eine Veräußerung vor.
Das Rechtsgeschäft, das auf die Übertragung
des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums der C-Aktien gerichtet
war, ist im Streitfall in der Einziehung der C-Aktien und in der Übertragung
der eingezogenen C-Aktien auf die Gläubiger der C im Wege
der Insolvenz zu sehen. Mit der Übertragung der zwangsweise
eingezogenen Aktien verloren die bisherigen Aktionäre ihr
Eigentum endgültig. Eine derartige zwangsweise Einziehung von
Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ist einer Kapitalherabsetzung
vergleichbar, denn die zwangsweise Einziehung erfolgt gegen eine
Ausgleichszahlung zu Lasten des Bilanzgewinns; es handelt sich bei
einer Zwangseinziehung von Gesellschaftsanteilen deshalb um eine
entgeltliche Veräußerung (vgl. z.B.: Kirchhof/Gosch,
a. a. O., Rz 54 zu § 17 m. w. N.).
Dass der Kläger als letztrangiger Gläubiger
im Insolvenzverfahren mit seiner Ausgleichsforderung ausgefallen
ist, lässt die Entgeltlichkeit nicht im nachhinein entfallen.
Die Abgrenzung zwischen einem entgeltlichen oder ein unentgeltliches
Kausalgeschäft bemisst sich danach, ob eine Gegenleistung
vereinbart wird und ob die Anteile wertlos sind. Nur dann, wenn überhaupt
ein positiver Verkehrswert vorhanden ist, lässt sich bei
fehlender Gegenleistung ein unentgeltlicher Vorgang annehmen; andernfalls
ist der Tatbestand der Veräußerung erfüllt
(Kirchhof/Gosch, a. a. O., Rz 40 zu § 17). Vorliegend
fiel der Kläger mit seiner Ausgleichsforderung als letztrangiger
Gläubiger aus. Ein solcher Forderungsausfall im Insolvenzverfahren ist
eine unfreiwillige Vermögenseinbuße, die mit einem
freiwilligen Verzicht auf eine werthaltige Gegenleistung nicht vergleichbar
ist.
(2) Folgt man demgegenüber der Gegenmeinung, dass die
Einziehung von Gesellschaftsanteilen eine Teil-Liquidation sei (Nachweise
bei Bordewin/Brandt/Zimmermann-Schwier, EStG,
Loseblattsammlung Stand September 2010, Rz 222 zu § 17),
wäre nach Auffassung des erkennenden Senats dann ein veräußerungsgleicher
Vorgang anzunehmen.
Zwar unterfällt die Teil-Liquidation einer Kapitalgesellschaft
weder dem Veräußerungsbegriff i. S. des § 20
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG noch den einer Veräußerung
gleich gestellten Ersatztatbeständen i. S. des § 20
Abs. 2 Sätze 2-3 EStG wie Einlösung, Rückzahlung,
Abtretung, verdeckte Einlage, Vereinnahmung eines Auseinandersetzungsguthabens
und Anschaffung oder Veräußerung der Beteiligung
an einer Personengesellschaft. Jedoch gebietet eine am allgemeinen
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG orientierte Auslegung, die
Teil-Liquidation über den Wortlaut des Gesetzes hinaus
zumindest dann wie eine Veräußerung zu behandeln,
wenn der Steuerpflichtige seine Kapitalanteile einbüßte
(a. A.: BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C
1-S 2252/08/1004, 2009/0860687, BStBl I 2010
Seite 94 ff, dort unter Rz 60: Forderungsausfall und Rz
63: Liquidation einer Kapitalgesellschaft; ohne nähere
Begründung).
Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl
des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen
weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche
Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen,
an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die
es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird im Bereich des Einkommensteuerrechts
vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt:
durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast an der finanziellen
Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit.
Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit
darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit
auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit),
während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer
Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen
angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen
Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung
folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden.
Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen
eines besonderen sachlichen Grundes (ständige Rechtsprechung;
vgl. z.B.: BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126,
268, Rz 36, mit weiteren Nachweisen). Gemessen hieran muss
die Teil-Liquidation, die zu einem endgültigen Verlust
der Kapitalbeteiligung geführt hat, im Wege verfassungskonformer
Auslegung der Veräußerung i. S. des § 20
Abs. 2 EStG gleich gestellt werden.
Mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 (BGBl I 2007 Seite
1912) hat der Gesetzgeber in dem neuen § 20 Abs.
2 EStG nun auch den Vermögensstamm, der in § 20
Absatz 1 EStG genannten Kapitalanlagen der Besteuerung unterworfen.
Nach dem vom Gesetzgeber selbst als „Auffangtatbestand” bezeichneten § 20
Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG (BT-Drucksache 16/4841, Seite
56) gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen
nunmehr auch der Gewinn aus der Veräußerung von
Kapitalforderungen jeder Art. Als Veräußerung
gilt gemäß § 20 Absatz 2 Satz 2 EStG
die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte
Einlage in eine Kapitalgesellschaft und gemäß § 20
Abs. 2 Satz 3 EStG auch die Veräußerung einer
unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft.
Hierzu hat der Gesetzgeber zur Begründung im Gesetzgebungsverfahren
u. a. ausgeführt (BT-Drucks. 16/4841, Seite 56):
„Zu Satz 2 ... Mit dieser Regelung wird eine vollständige
steuerliche Erfassung aller Wertzuwächse im Zusammenhang
mit Kapitalanlagen erreicht. ... Eine vollständige steuerliche
Erfassung aller Wertzuwächse wird auch durch die Erweiterung
des Veräußerungsbegriffs auf das Auseinandersetzungsguthaben
in den Fällen der Auseinandersetzung bei stillen Gesellschaftern bezweckt;
Zu Satz 3 ... Damit wird erreicht, dass die Veräußerung
eines Gesamthandsanteils an einer Personengesellschaft, die Wirtschaftsgüter
- z.B. Wertpapiere im Sinne dieser Vorschrift - hält, zu
den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört,
um eine ansonsten auftretende Besteuerungslücke zu schließen.
...”
(Zitat). Der Gesetzgeber hat also deutlich erkennen lassen, dass
mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 bezweckt worden ist,
möglichst alle Wertzuwächse bei Kapitalforderungen
steuerlich zu erfassen. Eine derart umfassende steuerliche Verstrickung
der Wertzuwächse bei Kapitalforderungen jeder Art führt
nach Auffassung des erkennenden Senats unter dem Gesichtspunkt der
Folgerichtigkeit dazu, dass es beim Vermögensstamm keine
steuerlich irrelevante Vermögensebene (mehr) gibt und der
Untergang einer privaten Kapitalanlage konsequenterweise steuerlich
berücksichtigt werden muss. Für dieses Ergebnis
streitet zudem das Prinzip der Leistungsfähigkeit, denn
derjenige, der einen Totalausfall seiner steuerverstrickten Kapitalanlage
endgültig erleidet, ist in seiner Leistungsfähigkeit
genauso beeinträchtigt, wie derjenige, der für
seine wertlose Kapitalanlage wenigstens noch eine Rückzahlung
von 1 € erlangen kann (kein Gestaltungsmissbrauch; siehe
dazu z.B.: BFH-Urteil vom 5. März 1991 VIII R 163/86, BStBl II 1991
Seite 630; BFH-Urteil vom 29. Mai 2008 IX R 77/06, BStBl II 2008
Seite 789). Sachliche Gründe für eine
Ungleichbehandlung des 1 €-Verkaufs wertlos gewordener
Aktien und des unmöglich gewordenen Verkaufs der Aktienanteile
infolge Zwangseinziehung sind für den erkennenden Senat nicht
ersichtlich. Das gilt erst Recht, wenn man die Regelung des § 20
Abs. 6 Satz 5 EStG 2009 in die Betrachtung mit einbezieht. Danach
dürfen Verluste, die aus der Veräußerung
von privat gehaltenen Aktien entstehen, nur mit Gewinnen aus der
Veräußerung von privat gehaltenen Aktien ausgeglichen
werden. Unkalkulierbare Risiken für den Haushalt sind hiernach
nicht zu befürchten, wenn man den Begriff der Veräußerung
i. S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG verfassungskonform
dahingehend auslegt, dass hierunter auch die entschädigungslose
zwangsweise Einziehung der Aktien im Rahmen eines Insolvenzverfahrens
fällt (im Ergebnis ebenso - teilweise zum Forderungsausfall
- z. B.: Frotscher/Moritz, EStG, Loseblattsammlung Stand 14.12.2012;
Bode, DStR
2009, 1781 ff; Blümich/Ratschow, EStG,
119 A., Rz 391 zu § 20; wohl auch Schmidt/Weber-Grellet,
EStG, 32. A. 2013, Rz 126 zu § 20; Kirchhof/von
Beckerath, a. a. O., Rz 144 zu § 20; Harenberg in Hermann/Heuer/Raupach,
EStG, Loseblattsammlung Stand Februar 2010, Rz 531 zu § 20,
dort unter „Erlöschen von Rechtspositionen”;
Schmidt-Hohmann, BB
2010 Seite 351 ff; jeweils mit weiteren Nachweisen).
3. Nach alledem ergibt sich folgendes Ergebnis:
a) in Bezug auf die Einkommensteuer 2009
Soweit der Kläger aus privaten Veräußerungsgeschäften
i. S. des § 23 einen Gewinn in Höhe von 6.658 € erzielte,
ist dieser Gewinn mit den zum 31. Dezember 2008 gesondert festgestellten
Altverlusten in Höhe von 2.415 € vorrangig zu
verrechnen (23 Abs. 3 Satz 8 EStG). Der verbleibende Gewinn aus
den privaten Veräußerungsgeschäften in
Höhe von 4.243 € ist sodann mit dem Verlust, den
der Kläger durch die als Veräußerung
zu behandelten Zwangseinziehung seiner C-Aktien im Rahmen des Insolvenzverfahren erlitten
hat, zu verrechnen (§ 20 Abs. 6 Satz 5 i. V. m. § 23
Abs. 3 Satz 9 und 10 EStG).
b) in Bezug auf die gesonderte Verlustfeststellung zum 31. Dezember
2009
Der nach der Verrechnung verbleibende Veräußerungsverlust
i. S. des § 20 Abs. 2 EStG in Höhe von 8.641 € ist
unter entsprechender Anwendung des § 10d Abs. 4 EStG gesondert
festzustellen (§ 20 Abs. 6 Satz 5 2. H. S. i. V. m. Satz
4 EStG).
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht
auf § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151,
155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
2. Die Revision wird nach § 115 Abs.
2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
3. Die Entscheidung ergeht gemäß § 90
Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung.

VorschriftenEStG 2009 § 20 Abs. 1 Nr. 1, EStG 2009 § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, EStG 2009 § 20 Abs. 4 Satz 1;

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