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03.12.2013 · IWW-Abrufnummer 133727

Amtsgericht Bad Segeberg: Schlussurteil vom 02.05.2013 – 17a C 9/13

1. Beruft sich die beklagte Partei auf ein Zurückbehaltungsrecht und erkennt sie die Klageforderung sogleich an, nachdem die klagende Partei das Zurückbehaltungsrecht im Prozess zum Erlöschen gebracht hat, scheidet eine Anwendung des § 93 ZPO zugunsten der beklagten Partei aus, wenn sie sich erst im Prozess auf das Zurückbehaltungsrecht berufen und sich bei Klageerhebung mit der Erfüllung der Klageforderung in Verzug befunden hat (Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 08.03.2005 - VIII ZB 3/04).



2. Hat die beklagte Partei in einem Urkundenverfahren keine Veranlassung für die Durchführung des Nachverfahrens gegeben, weil sie sich vor Erlass des Vorbehalts-Urteils auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen und die klagende Partei dieses in ihrem Sachantrag nicht anerkannt hat, können der klagenden Partei wegen der Einheitlichkeit von Vorbehalts- und Nachverfahren die Kosten des Nachverfahrens auch bei einem "sofortigen" Anerkenntnis durch die beklagte Partei im Nachverfahren nicht gemäß § 93 ZPO auferlegt werden, wenn die beklagte Partei Veranlassung zu dem Klageverfahren gegeben hat.


In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Bad Segeberg
durch
den Richter am Amtsgericht ...
auf das Anerkenntnis der beklagten Partei vom 11.04.2013 am 02.05.2013
für Recht erkannt:
Tenor:

Das Vorbehalts-Urteil des Amtsgerichts Bad Segeberg vom 21.02.2013 (Az.: 17a C 9/13) wird unter Aufhebung des Beschlusses des Gerichts vom 20.03.2013 für vorbehaltlos erklärt.

Die Beklagten haben als Gesamtschuldner auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 1.590,00 € festgesetzt.
Tatbestand

Die Kläger begehren von den Beklagten im Urkundenprozess die Zahlung von Miete aus einem Wohnraummietverhältnis.

Mit Vertrag vom 01.11.2011 mieteten die Beklagten von den Klägern eine Wohnung im Erdgeschoss rechts in dem Objekt M... in S... an. Die vereinbarte monatliche Miete betrug 670,00 €, ferner wurde die Zahlung einer Vorauszahlung für Nebenkosten in Höhe von 250,00 € vereinbart. Gemäß § 11 Nr. 1 des Mietvertrages sollte die Miete zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten sein, nach denen sie bemessen ist. Wegen der weiteren Einzelheiten über den Inhalt des Mietvertrages wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Anlage K 1, Bl. 4-15 d.A.). Zu Beginn des Mietverhältnisses leisteten die Beklagten an die Kläger in bar eine Kaution in Höhe von 2.010,00 €. Die Beklagten kündigten den Mietvertrag zum 31.01.2013.

Die Beklagten zahlten auf die Miete für Dezember 2012 die vereinbarte Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 250,00 €. Im Übrigen erfolgte für den Monat Dezember 2012 sowie für den Monat Januar 2013 keine Zahlung an die Kläger.

Mit ihrer am 11.01.2013 eingereichten Klage begehren die Kläger im Urkundenprozess von den Beklagten die Zahlung der Miete für Dezember 2012 in Höhe von 670,00 € sowie für den Monat Januar 2013 in Höhe von 920,00 €.

Mit Schriftsatz vom 25.01.2013 haben die Beklagten dargelegt, dass sie die Mietzahlungen nicht vorgenommen hätten, um die Kaution für das neu angemietete Objekt aufbringen zu können. Die Kläger hätten zwar das Recht, die Kaution einzubehalten, jedoch bestehe hierzu kein Zwang, wenn keine Forderungen bestünden. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13.02.2013 haben die Beklagten dargelegt, dass ihnen ein Zurückbehaltungsrecht zustehe, weil die Kläger nicht nachgewiesen hätten, die Mietsicherheit ordnungsgemäß angelegt zu haben.

In dem Verhandlungstermin am 21.02.2013 haben die Kläger das Original des Mietvertrages vom 01.11.2011 zur Akte gereicht. Sodann haben die Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.590,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag auf 670,00 € seit dem 06.12.2012 sowie auf weitere 920,00 € seit dem 05.01.2013 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

ihnen die Ausführungen ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten.

Mit Vorbehaltsurteil vom 21.02.2013 hat das Gericht die Beklagten antragsgemäß verurteilt und ihnen die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Im Nachverfahren haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 11.03.2013 zunächst beantragt,

das Vorbehaltsurteil vom 21.02.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Zwangsvollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil einzustellen.

Mit Schriftsatz vom 19.03.2013, dem Beklagtenvertreter zugestellt am 26.03.2013, haben die Kläger zum Nachweis der Anlage der Mietsicherheit in Kopie einen Auszug über ein Konto bei der ... Bank mit der Nummer ... mit der Bezeichnung "Mietkaution, ...", das bis zum 18.03.2013 geführt worden ist und einen Einzahlungsbetrag in Höhe von 2.010,00 € sowie Zinsen in Höhe von 5,15 € ausweist, sowie einen Auszug über ein Konto bei der ... Bank mit der Nummer ... mit der Bezeichnung "Treuhandkonto. Mietkaution ...", das ab dem 18.03.2013 geführt worden ist und Einzahlungsbeträge in Höhe von 2.010,00 € sowie 5,15 € ausweist, vorgelegt.

Nach Anhörung der Kläger hat das Gericht mit Beschluss vom 20.03.2013 die Zwangsvollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil vom 21.02.2013 gegen Sicherheitsleistung der Beklagten in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages einstweilen eingestellt.

Mit Schriftsatz vom 11.04.2013 haben die Beklagten den Klaganspruch anerkannt und beantragen nunmehr,

den Klägern als Gesamtschuldnern die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe

Nachdem die Beklagten den mit der Klage geltend gemachten Anspruch mit Schriftsatz vom 11.04.2013 anerkannt haben, war das Vorbehaltsurteil des Gerichts vom 21.02.2013 gemäß § 307 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Anerkenntnis-Schlussurteil für vorbehaltlos zu erklären. Ebenso war der Beschluss des Gerichts vom 20.03.2013 zur Klarstellung aufzuheben.

Die Kostenentscheidung, die das Gericht zur Klarstellung getroffen hat (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 600 Rn. 22), folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 4 ZPO. Entgegen der Auffassung der Beklagten können den Klägern weder die gesamten Kosten noch die im Nachverfahren entstanden Kosten auferlegt werden, weil die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht vorliegen.

In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die Beklagten sich auf ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB berufen konnten, weil die Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 19.03.2013 eine ordnungsgemäße Anlage der Mietsicherheit nachgewiesen haben. Selbst wenn man hiervon zugunsten der Beklagten ausgeht und sie daher nach Zustellung des Schriftsatzes der Kläger vom 19.03.2013 mit Schriftsatz vom 11.04.2013 ein "sofortiges" Anerkenntnis i.S. des § 93 ZPO erklärt haben (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 08.03.2005 - VIII ZB 3/04, NJW-RR 2005, 1005, 1006), liegen die Voraussetzungen des § 93 ZPO deshalb nicht vor, weil sie Veranlassung zur Klage gegeben haben. Denn die Beklagten haben von ihrem Zurückbehaltungsrecht erstmals im Prozess mit Schriftsatz vom 13.02.2013 Gebrauch gemacht. Bis dahin waren sie auch unter Zugrundelegung ihres eigenen Vorbringens mit der Zahlung der klageweise geltend gemachten Mietforderungen in Verzug (§§ 535 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Allein das Bestehen des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 Abs. 1 BGB hindert den Verzugseintritt in diesem Fall nicht. Es schließt den Verzug nur aus, wenn es vor oder bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen ausgeübt wird (vgl. hierzu Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 286 Rn. 11 m.w.Nachw.). Vorliegend haben die Beklagten selbst nicht behauptet, das Zurückbehaltungsrecht schon vor bzw. bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen bezogen auf die streitgegenständlichen Mietforderungen geltend gemacht zu haben. Vielmehr ergibt sich aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 25.01.2013, dass sie die Mietforderung offenbar mit dem Kautionszurückzahlungsanspruch aufrechnen wollten, was jedoch rechtlich nicht möglich ist, weil der Kautionsrückzahlungsanspruch nicht fällig gewesen ist. Bei dieser Sachlage befanden sich die Beklagten jedenfalls bis zur Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts mit Schriftsatz vom 13.02.2013 in Verzug und haben daher Veranlassung zur Klage gegeben.

Den Klägern können auch nicht die Kosten des Nachverfahrens auferlegt werden, wobei dahinstehen kann, unter welchen Voraussetzungen § 93 ZPO im Nachverfahren überhaupt zur Anwendung kommt (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.12.1982 - 18 W 70/82, MDR 1983, 496; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 01.09.2006 - 23 U 266/05, BeckRS 2007, 01592). Denn jedenfalls liegen auch insoweit die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht vor, wobei wiederum zugunsten der Beklagten unterstellt werden kann, dass sie sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen konnten. Ebenso kann zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass sie keine Veranlassung zu dem Nachverfahren gegeben haben, weil den Beklagten im Zeitpunkt des Verhandlungstermins am 21.02.2013 ein Zurückbehaltungsrecht zustand und die Kläger die Durchführung des Nachverfahrens ohne Weiteres dadurch hätten entbehrlich machen können, dass sie statt einer uneingeschränkten Verurteilung der Beklagten eine Verurteilung Zug-um-Zug gegen Nachweis der ordnungsgemäßen Anlage der Mietsicherheit hätten beantragen können. Denn das Nachverfahren ist die Fortsetzung des Vorbehaltsverfahrens und bildet mit diesem eine Einheit (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 600 Rn. 1). Hat die beklagte Partei daher Veranlassung zu dem Klageverfahren gegeben, weil sie sich im Zeitpunkt der Klageerhebung in Verzug befand, kann auch bei einem "sofortigen" Anerkenntnis im Nachverfahren, zu dessen Durchführung die beklagte Partei isoliert betrachtet keine Veranlassung gegeben hat, eine Kostenentscheidung zu Lasten der klagenden Partei gemäß § 93 ZPO nicht ergehen. Zudem liegen die Voraussetzungen des § 93 ZPO nicht vor, weil die Beklagten die Abweisung der Klage und nicht eine Zug-um-Zug-Verurteilung beantragt haben (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 93 Rn. 6 "Zurückbehaltungsrecht").

Für die Kostenentscheidung unerheblich ist die Frage, ob die Kläger die Mietsicherheit im Zeitpunkt der Klageerhebung ordnungsgemäß angelegt haben, ob also die Anlage der Mietsicherheit auf dem Konto mit der Nummer ... bei der ... Bank mit der Bezeichnung "Mietkaution, ..." den Anforderungen des § 551 Abs. 3 BGB genügt hat (vgl. hierzu Schmidt-Futterer/Blank, 10. Aufl. 2011, § 551 Rn. 65 zu den Voraussetzungen, die an die Errichtung eines "offenen Treuhandkontos" zu stellen sind). Denn selbst wenn die Kläger insoweit die Mietsicherheit nicht ordnungsgemäß angelegt haben sollten, würde dies den Anspruch der Kläger auf Zahlung der streitgegenständlichen Mieten unberührt lassen. Die Nichtbeachtung der Anlagepflicht kann zu Schadensersatzansprüchen des Mieters führen (vgl. hierzu Schmidt-Futterer/Blank, 10. Aufl. 2011, § 551 Rn. 75 f.). Einen dahingehenden Schaden haben die Beklagten jedoch nicht dargetan. Selbst wenn die Kläger die Mietkaution nicht ordnungsgemäß angelegt haben sollten, hätte den Beklagten lediglich ein dahingehender Anspruch sowie ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden, das die Beklagten aber - wie dargelegt - weder vor noch bei Verzugseintritt, sondern erst nach Erhebung der Klage geltend gemacht haben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

Vorschriften§ 93 ZPO

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