26.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133685
Bundesgerichtshof: Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 471/12
BGB § 249 Abs. 2 Satz 1 (Gb), BayStrWG Art. 16
a)Die Möglichkeit eines Kostenersatzes nach Art. 16 BayStrWG schließt zivilrechtliche Schadensersatzansprüche nach § 7 Abs. 1 StVG oder § 823 Abs. 1 BGB nicht aus.
b)Bei einer zu beseitigenden Verschmutzung der Fahrbahn besteht für die zuständige Straßenbehörde ein weites Entscheidungsermessen.
c)Hinsichtlich des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrages genügt der Geschädigte regelmäßig seiner Darlegungs- und Beweislast durch Vorlage der Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Fachunternehmens. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des Rechnungsbetrages durch den Schädiger reicht dann nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bamberg vom 5. Oktober 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht Ersatz der Kosten für die Beseitigung einer Ölspur.
2
Der Beklagte zu 1 verursachte als Halter eines bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs am 4. April 2010 fahrlässig einen Ölspurschaden auf der Staatsstraße 2278 in E., Bayern. Die Ölspur wurde am selben Tag von einem Mitarbeiter der Klägerin im sogenannten Nassreinigungsverfahren beseitigt. Am 17. Mai 2011 unterzeichnete ein Mitarbeiter der Straßenmeisterei Z. eine mit "Forderungsabtretung" überschriebene Erklärung, in welcher das Staatliche Bauamt S. "als Geschädigter seine Forderung, sofern es sich um Aufwendungen der Fa. ... [Klägerin] aus der Ölspur- und Extremschmutzbeseitigung" handelt, an diese abtrat. Das Schadensereignis ist mit Datum, Ort und verursachendem Pkw in Bezug genommen. Mit Schreiben vom 11. August 2011 rechnete die Klägerin die Kosten des Einsatzes in Höhe von 2.079,01 € brutto gegenüber der Beklagten zu 2 ab, welche ihre Einstandspflicht ablehnte.
3
Das Amtsgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 2.079,01 € nebst Verzugszinsen verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten den Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
I.
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Nach Auffassung des Berufungsgerichts bestehen Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1, §§ 249 f., 398 BGB. Aufgrund des Auftrags eines vertretungsbefugten Mitarbeiters des Straßenbauamts S. zur Beseitigung der Ölspur habe die Klägerin einen Werklohnanspruch gegen den geschädigten Freistaat Bayern. Es liege auch eine wirksame Abtretung des wegen des Schadensereignisses bestehenden Schadensersatzanspruchs des Geschädigten an die Klägerin vor. Der die Abtretungserklärung unterzeichnende Mitarbeiter der Straßenmeisterei Z. habe den Freistaat Bayern vertreten. Die Abtretungserklärung sei hinreichend bestimmt. Es bestehe auch ein Direktanspruch gegen die Beklagte zu 2 gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG. Die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche seien nicht gegenüber öffentlichrechtlichen Ansprüchen auf Kostenerstattung aus Art. 16 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) vom 11. Juli 1958 (GVBl. S. 147) subsidiär.
5
Der Anspruch bestehe in der geltend gemachten Höhe. Das Amtsgericht habe den Schadensumfang sowie die vollständige Erbringung der in Rechnung gestellten Leistungen bindend festgestellt. Es bedürfe keiner Beweiserhebung über die Notwendigkeit des Nassreinigungsverfahrens. Der geltend gemachte Kostenaufwand sei als erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen. Der erforderliche Herstellungsaufwand werde von den Erkenntnisund Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt. Daher bestehe kein Grund, dem Schädiger das "Werkstattrisiko" abzunehmen. Die tatsächlichen Beseitigungskosten könnten auch dann zur Bemessung des erforderlichen Herstellungsaufwands herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten im Vergleich zum Üblichen unangemessen seien.
6
Die Abtretung des Ersatzanspruchs an den Werkunternehmer ändere daran nichts. Der Schädiger sei ausreichend geschützt, weil er die Abtretung etwaiger Ansprüche des Geschädigten gegen diesen verlangen könne, was die Beklagten aber nicht getan hätten. Der in Rechnung gestellte Betrag sei erforderlich gewesen, weil seitens der Straßenmeisterei in zulässiger Weise eine Fachfirma mit der Beseitigung der Ölspur beauftragt worden und eine schnellstmögliche Abhilfe geboten gewesen sei.
II.
7
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
8
1. Das Berufungsgericht geht allerdings zutreffend davon aus, dass der Klägerin aufgrund wirksamer Abtretung dem Grunde nach Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG zustehen.
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a) Aufgrund der unfallbedingten Verschmutzung der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Eigentum des Freistaats Bayern stehenden Straße durch das ausgelaufene Motoröl steht dem Geschädigten grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz der zur Reinigung und Wiederherstellung der gefahrlosen Benutzbarkeit der Straße erforderlichen Aufwendungen nach § 7 Abs. 1 StVG, § 249 Abs. 2 BGB zu (vgl. Senat, Urteile vom 28. Juni 2011 - VI ZR 184/10, VersR 2011, 1070 Rn. 14, und - VI ZR 191/10, [...] Rn. 14; jeweils mwN). Gleiches gilt für einen auf § 823 Abs. 1 BGB gestützten Schadensersatzanspruch, wenn der Schädiger - wie hier - fahrlässig gehandelt hat.
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b) Da die geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB auf gesetzliche Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts zurückzuführen sind, besteht Versicherungsschutz nach § 10 Abs. 1 AKB a.F. bzw. A.1.1.1. AKB 2008, so dass auch ein Direktanspruch gegen die Beklagte zu 2 als Haftpflichtversicherer gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG begründet ist (vgl. Senat, Urteil vom 31. Januar 2012 - VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn. 6 f. mwN; Beschluss vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 239/08, r+s 2010, 170; BGH, Urteil vom 20. Dezember 2006 - IV ZR 325/05, VersR 2007, 200