13.11.2003 · IWW-Abrufnummer 032298
Landgericht Itzehoe: Urteil vom 24.04.2003 – 7 O 119/01
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Verkündet am: 24. April 2003
7 O 119/01
LANDGERICHT ITZEHOE
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit XXX
hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe auf die mündliche Verhandlung vom 03. April 2003 durch den Richter am Landgericht O... als Einzelrichter für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger macht Ansprüche gegen den Beklagten wegen Beschädigung eines Pkws während einer Probefahrt geltend.
Der Kläger betrieb zum Schadenszeitpunkt einen Gebrauchtwagenhandel in E.... Am 15.08.2000 kam der Beklagte auf den Kläger zu, da er sich für ein auf dem Hof stehendes Gebrauchtfahrzeug interessierte. Es handelte sich um einen gebrauchten Pkw BMW 520. Nach einer Fahrzeugbesichtigung wollte der Beklagte eine Probefahrt durchführen. Der Kläger montierte rote Nummernschilder, allerdings bestand für das Kennzeichen keine Vollkaskoversicherung, was der Kläger übersehen hatte. Der Beklagte führte die Probefahrt allein durch. Im E... verlor er innerhalb geschlossener Ortschaft die Kontrolle für das Fahrzeug und kam von der Straße ab.
Der Wagen prallte gegen eine Mauer, durchbrach diese und kam im angrenzenden Vorgarten zum Stehen. Bei dem Unfall erlitt der Pkw einen wirtschaftlichen Totalschaden. Der Wiederbeschaffungswert beträgt 5.368,56 ? (10.500 DM). Das Fahrzeug wurde unmittelbar nach dem Unfall abgeschleppt und an den Kläger übergeben. Streitig ist, ob das Fahrzeug durch den Unfall technisch vollständig zerstört wurde.
Mit der Klage macht der Kläger gegen den Beklagten Anspruch auf Schadensersatz geltend. Er behauptet, das Fahrzeug sei durch den Unfall vollständig zerstört worden. Er habe sogar noch zusätzlich Entsorgungskosten für den Wagen in Höhe von 250 DM aufzubringen. Er meint, die kurze Verjährungsfrist von 6 Monaten gemäß § 606 BGB sei im Hinblick auf die vollständige Zerstörung nicht anwendbar.
Der Kläger meint, es sei unerheblich, dass das Fahrzeug während der Probefahrt nicht vollkaskoversichert gewesen sei, da diese ohnehin die grobe Fahrlässigkeit nicht umfasst hätte.
Er behauptet, der Beklagte habe die Geschwindigkeitsbeschränkung übermäßig überschritten und zudem trotz der Tatsache, dass er ein unbekanntes Fahrzeug benutzte, die Fahrgeschwindigkeit seinen Fähigkeiten nicht angepasst. Es liege grobe Fahrlässigkeit vor.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 6.534,31 ? (12.780 DM) nebst 9 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins seit dem 02.02.2001 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet,
dass das Fahrzeug trotz des wirtschaftlichen Totalschadens vollständig zerstört sei. Es seien immer noch unbeschädigte Fahrzeugteile vorhanden gewesen, die auch für sich betrachtet einen Wert in Höhe von mindestens 800 DM ausmachten. Schon das schließe eine völlige Zerstörung aus. Er verweist zudem darauf, dass der Kläger das verunfallte Fahrzeug tatsächlich zurückerhalten hat. der Beklagte bestreitet, dass der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges 12.780 DM entsprechend 6.534,31 ? betrage. Zudem habe er Entsorgungskoten in Höhe von 250 DM aufzuwenden.
Der Beklagte bestreitet, sich grob fahrlässig verhalten zu haben. Vielmehr habe er die Kontrolle über das Fahrzeug nur deshalb verloren, da er kurzfristig das Bewusstsein verloren habe. Er hat sich zudem auf Verjährung berufen.
Das Gericht hat Beweis erhoben über den Unfallhergang und die Höhe des Schadens durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen B.... Zum weiteren Vorbringen wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 31.01.2002 (Bl. 54 d. A.) sowie den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Denn etwaige Ansprüche des Klägers sind gemäß § 606 BGB verjährt. Nach allgemeiner Ansicht, der das Gericht folgt, handelt es sich bei der Vereinbarung einer Probefahrt und Herausgabe des Fahrzeuges zu diesem Zweck um Leihe mit der Folge, dass die 6-monatige Verjährungsvorschrift des § 606 BGB anzuwenden ist (vergl. Palandt, BGB, Kommentar, 62. Aufl., § 606 Nr. 2). Nach § 606 BGB verjähren ebenso wie bei der entsprechenden Regelung des § 558 BGB Ersatzansprüche des Verleihers bzw. Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache in 6 Monaten nach Rückgabe der Sache. Entgegen der Ansicht des Klägers scheitert die Anwendbarkeit des § 606 BGB auch nicht daran, dass das Fahrzeug weitgehend zerstört ist. Allerdings kann von einer Veränderung oder Verschlechterung im Sinne des § 606 BGB dann nicht mehr die Rede sein, wenn die Sache völlig zerstört ist. In diesem Fall greift die besondere Verjährungsvorschrift nicht ein (vergl. BGH NJW RR 1988, 1358 m.w.N.) Die Vorschrift greift deshalb nicht ein, weil eine untergegangene Sache nicht zurückgegeben werden kann. Deshalb kommt es für die Anwendung des § 606 BGB nicht auf den wirtschaftlichen Totalschaden, sondern auf die Möglichkeit der Rückgabe an. Liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor, ist aber weiterhin Sachsubstanz vorhanden, die zurückgegeben werden muss und einen Beweiswert hat, so ist § 606 BGB anwendbar (vergl. MK Heintzmann, 3. Aufl., § 558 Rn. 8, n.w.N. zu der gleichlautenden Vorschrift des § 558 BGB, BGH NJW RR 1988, 1358, 1359 BGH, NJW 1968, 694).
Von einer vollständigen Zerstörung kann demgemäß nur ausgegangen werden, wenn die Sache gerade gar nicht mehr vorhanden ist und die Rückgabe deshalb ausgeschlossen ist. So liegt es hier jedoch nicht. Denn das Fahrzeug hat zwar durch den vom Beklagten verursachten Unfall einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten, so dass die Wiederherstellung im hohen Maße den Zeitwert des Autos vor dem Unfall übersteigt. Das Fahrzeug als solches konnte jedoch noch zurückgegeben werden. Unerheblich ist dabei, ob das Fahrzeug als solches unter wirtschaftlicher Betrachtung wiederhergestellt werden kann oder nicht. Vielmehr ist es vorliegend zwar bis zum wirtschaftlichen Totalschaden in Mitleidenschaft gezogen worden, aber gerade nicht so, dass es nicht auch noch im (weitgehend) zerstörten Zustand dem Kläger zugeführt werden könnte. Vielmehr hat der Kläger es tatsächlich abschleppen und auf sein Gelände bringen lassen. Der Annahme eines vollständigen Untergangs steht auch entgegen, dass der Sachverständige B... auch bei diesem Fahrzeug noch unbeschädigte Teile im Wert von jedenfalls 800 DM, die sich verwerten lassen, festgestellt hat. Darauf, ob das Fahrzeug nur durch Verwendung einer sog. Rohkarosse wiederhergestellt werden könnte und damit Identität mit dem ursprünglichen Fahrzeug weitgehend nicht mehr gegeben wäre, wie es der Kläger behauptet, kommt es danach nicht an.
Die 6-monatige Verjährungsfrist des § 606 BGB war bei Klagerhebung auch verstrichen. Denn das Fahrzeug wurde unmittelbar nach dem Unfall vom 15.08.2000 von der Abschleppfirma auf das Grundstück des Klägers verbracht. Demgegenüber wurde die Klage erst mit Eingang am 26.03.2001 bei Gericht erhoben und somit nach Ablauf der 6-monatigen Frist.
Die Klage war danach abzuweisen, ohne dass es darauf ankam, ob das Verhalten des Beklagten als grob fahrlässig anzusehen ist. Die Nebenentscheidungen ergeben sich auf §§ 91, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.