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23.10.2013 · IWW-Abrufnummer 133278

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 14.08.2013 – 10 K 2697/06

1. Eine Bilanzierung von kundenspezifischem Werkzeug bei einem Automobilzulieferer aufgrund wirtschaftlichen Eigentums hat nicht zu erfolgen, wenn der Auftraggeber das zivilrechtliche Eigentum unter Vereinbarung eines Besitzkonstituts erworben hat.

2. Die Berichtigung zur Nutzung des Werkzeugs während der Laufzeit des Nutzungsvertrages, das Besitzrecht ohne Einzug des Fertigungsauftrages und der Umstand, dass das Werkzeug nach Ablauf der Produktionsphase verbraucht ist, genügen nicht um wirtschaftliches Eigentum zu bejahen.

3. Für die Herstellung des Werkzeugs gezahlte Werkzeugkostenzuschüsse an den Automobilzulieferer sind in vollem Umfang gewinnerhöhend so erfassen. Die Bildung einer Rückstellung oder die Neutralisierung des Gewinns durch einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten wegen einer faktischen Verpflichtung zur verbilligten Lieferung gefertigter Serienteile kommt nicht in Betracht.


Hessisches Finanzgericht v. 14.08.2012

10 K 2697 / 06

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Feststellungsbescheide) für die Jahre 1999, 2000, 2002 und 2003. Im Streit ist die ertragsteuerliche Behandlung kundenspezifischer Werkzeuge und zu deren Herstellung geleisteter Werkzeugkostenbeiträge.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co KG, die ihre Gewinne gemäß § 5 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt. Die Klägerin entwickelt und stellt einbaufähige Komponenten und Systembaugruppen überwiegend für Automobil- und Nutzfahrzeughersteller oder deren Lieferanten her. Für die Produktion von Serienteilen fertigt die Klägerin die erforderlichen kundenspezifischen Spezialwerkzeuge und Vorrichtungen (Werkzeuge) selbst. Diese Werkzeuge aktivierte die Klägerin in den Streitjahren mit den angefallenen Herstellungskosten und schrieb sie auf die voraussichtliche Nutzungsdauer ab. Von den Auftraggebern erhielt die Klägerin im Zusammenhang mit der Herstellung der Werkzeuge so genannte Werkzeugkostenbeiträge oder -zuschüsse, die die Herstellungskosten im Regelfall überstiegen. Die Werkzeuge gingen in das zivilrechtliche Eigentum der Auftraggeber über. Die Klägerin erkannte das Eigentum des jeweiligen Auftraggebers auch dann ausdrücklich an, wenn der Werkzeugkostenzuschuss nicht die Vollkosten (100 %), sondern lediglich mit 80 % die reinen Herstellungskosten ohne einen kalkulierten Zuschlag von 20 % abdeckte. Über die vertraglich vereinbarten Werkzeugkostenzuschüsse stellte die Klägerin den Auftraggebern jeweils nach Fertigstellung/Abnahme eine Schlussrechnung aus. In Höhe der erhaltenen Zuschüsse bildete die Klägerin einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten, den sie über die voraussichtliche Lieferdauer, in der Regel 4 bis 5 Jahre, erfolgswirksam auflöste. Die Klägerin bejahte gegenüber den Auftraggebern ihre Verpflichtung, mit den bezuschussten Werkzeugen Teile zu produzieren und diese in Abhängigkeit von der Zuschusshöhe verbilligt zu liefern.

Anlässlich einer Außenprüfung der Jahre 1999 - 2003 durch die Großbetriebsprüfungsstelle beim Finanzamt (in der Zeit vom ) griff der Prüfer die steuerliche Behandlung der Werkzeuge und der Werkzeugkostenzuschüsse auf. Aufgrund der vorgelegten Verträge gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass der jeweilige Auftraggeber Eigentümer des Werkzeugs geworden sei. Die Verträge seien deshalb als Kauf- oder Werklieferungsverträge anzusehen, die dem jeweiligen Auftraggeber das zivilrechtliche und das wirtschaftliche Eigentum verschafften; der Auftraggeber erhalte sämtliche Rechte an den Werkzeugen. Nach den Feststellungen des Prüfers deckten die Werkzeugkostenzuschüsse in der Regel die Herstellungskosten einschließlich eines Zuschlags von 20 v. H. ab. Lediglich in zwei Fällen sei diese Marge geringfügig unterschritten worden. Daraus schloss der Prüfer, dass die Herstellungskosten der Werkzeuge abgegolten waren und damit bei der Preisgestaltung der mit den fraglichen Werkzeugen hergestellten Produkte nicht mehr Preis mindernd berücksichtigt wurden. Außerdem habe die Klägerin trotz Aufforderung keine Preiskalkulationen vorlegen können, die gegenüber den Auftraggebern offen gelegt worden seien und die Verpflichtung erkennen ließen, dass verbilligte Fahrzeugteile zu liefern seien. Ergänzend wird auf Tz. des Betriebsprüfungsberichts vom Bezug genommen (Bl. 131 ff. Sonderband). Aus Vereinfachungsgründen korrigierte der Prüfer nicht die Bilanzposten für selbst hergestellte Werkzeuge und den passiven Rechnungsabgrenzungsposten, sondern löste Gewinn erhöhend den passiven Rechnungsabgrenzungsposten nur insoweit auf, wie diese Position den Betrag der aktivierten selbst hergestellten Werkzeuge überstieg.

Der Beklagte schloss sich der Auffassung der Betriebsprüfung an und erließ am nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte Feststellungsbescheide für die Jahre 1999 - 2003. Den dagegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom (Bl. 38 ff./2003 Feststellungsakten) als unbegründet zurück. Die Klägerin sei nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Werkzeuge. Die gezahlten Werkzeugkostenzuschüsse seien reguläre Kaufpreiszahlungen. Die Klägerin dürfe deshalb keinen passiven Rechnungsabgrenzungsposten und keine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bilden. Der Sachverhalt sei anders gelagert als der Sachverhalt, der dem Urteil des BFH vom 29.11.2000 I R 87/99, BStBl 2002 II S. 655 zu Grunde gelegen habe. Es lägen hier zwei Rechtsgeschäfte vor, zwischen denen kein enger wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Die Abwicklung bezüglich der Herstellung der Werkzeuge beeinflusse die Preiskalkulation für die zu produzierenden Serienteile nur dergestalt, dass die Kosten für die Werkzeuge nicht mehr über die Stückkosten der Serienteile amortisiert werden müssten. Die Klägerin sei auch nicht gehalten gewesen, ihre Preiskalkulationen gegenüber den Auftraggebern offen zu legen.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin weiterhin, die Gewinnerhöhungen für die Jahre 1999, 2000, 2002 und 2003 im Zusammenhang mit den Werkzeugkostenzuschüssen der Auftraggeber rückgängig zu machen.

Die Klägerin habe die Kosten für die Werkzeuge entgegen der Darstellung in der Einspruchsentscheidung vollständig aktiviert und nicht teilweise als Aufwand sofort Gewinn mindernd berücksichtigt.

Man könne davon ausgehen, dass das zivilrechtliche Eigentum an allen bezuschussten Werkzeugen auf die Auftraggeber übergegangen sei. Die Klägerin ist jedoch der Ansicht, sie sei trotz fehlenden zivilrechtlichen Eigentums wirtschaftliche Eigentümerin der Werkzeuge. Nach dem tatsächlichen Vollzug der Verträge habe sie die zivilrechtlichen Eigentümer, ihre Auftraggeber, für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Werkzeug wirtschaftlich ausschließen können. Aufgrund der jeweiligen vertraglichen Vereinbarung sei sie berechtigt und verpflichtet gewesen, die in ihrem Besitz befindlichen Werkzeuge zu nutzen und zwar bis zum Ende der Serienfertigung des einzelnen Teils. Das jeweilige Werkzeug könne ihr ohne Entzug des Fertigungsauftrags nicht entzogen werden. Das sei auch noch nie vorgekommen. Das belegten auch die vorgelegten Verträge (Heftstreifen Anlage 1 zum Schreiben vom ). Mit Beendigung des Fertigungsauftrags entfalle auch die wirtschaftliche Funktion des Werkzeugs, so dass es wirtschaftlich verbraucht sei. Damit könne die Klägerin ihre Auftraggeber für die Dauer der betriebsgewöhnlichen Nutzung wirtschaftlich von der Einwirkung auf das jeweilige Werkzeug ausschließen. In diesem Zusammenhang widerspreche sich der Betriebsprüfer selbst, wenn er weiterhin die Werkzeuge in der Prüferbilanz ausweise. Dies sei jedenfalls unzutreffend. Im Übrigen sei entgegen der Ausführung des Beklagten die Vereinfachung bei der Ermittlung der Gewinnauswirkung mit der Klägerin nicht abgestimmt worden.

Unabhängig von der Frage des wirtschaftlichen Eigentums sei die Entscheidung des BFH, BStBl 2002 II S. 655 aber ohnehin anzuwenden. Maßgeblich sei alleine, dass ein Werkzeugkostenzuschuss nicht sofort als Ertrag vereinnahmt werden dürfe, sondern zu passivieren und über die voraussichtliche Dauer der Lieferverpflichtung Gewinn erhöhend aufzulösen sei.

Entgegen der Auffassung des Beklagten differenziere der BFH nicht danach, ob der Werkzeugkostenzuschuss die Werkzeugkosten voll oder nur teilweise abdeckt. Maßgeblich sei alleine die Verpflichtung des Zulieferers, die zu liefernden Serienteile aufgrund des empfangenen Werkzeugkostenzuschusses billiger zu liefern. Diese Vorgehensweise sei in der Automobilindustrie üblich und begründe einen faktischen Leistungszwang. Die Vorlage der Preiskalkulation an den Hersteller als Voraussetzung für die Passivierung einer ungewissen Verbindlichkeit ergebe sich aus der BFH-Entscheidung nicht. Da alleine die Zahlung des Werkzeugkostenzuschusses die ungewisse Verbindlichkeit begründe, komme es auf die Höhe des Werkzeugkostenzuschusses nicht an.

Die mit den Auftraggebern abgeschlossenen Verträge beinhalteten stets die primäre Teilelieferung und die Zuschüsse zur Herstellung der erforderlichen Werkzeuge. Die Klägerin habe noch nie den isolierten Auftrag zur Herstellung eines Werkzeugs erhalten. Die Zuschüsse seien höher gewesen als die Herstellungskosten der Werkzeuge. Somit konnte die Klägerin die Serienteile unter Einschluss der Mehrzahlung günstiger kalkulieren. Es sei branchenüblich, dass Lieferverträge auch die Kostenverteilung für herzustellende Werkzeuge regelten. Derartige Verträge bildeten eine wirtschaftliche Einheit, die nicht – wie es der Beklagte tue – in zwei getrennte Rechtsgeschäfte aufgeteilt werden könne. Bei Verhandlungen über eine Lieferung würden Teilepreise und Werkzeugkostenzuschüsse in Abhängigkeit voneinander verhandelt. Dass der Beklagte den engen wirtschaftlichen Zusammenhang verneine, sei nicht nachzuvollziehen. Die Klägerin verweist hierzu auf die Angebotsunterlagen (Heftstreifen Anlage 2 zum Schriftsatz vom 24.11.2006). Ohne Auswirkung auf den Teilepreis gewährten die Automobilhersteller keine Werkzeugkostenzuschüsse. Den Herstellern seien die Kalkulationsgrundlagen, die Kosten für die Werkzeuge und die Kosten der zu liefernden Teile, aus Vergleichsangeboten und hausinternen Kalkulationen ohnehin bekannt. Deshalb sei eine Offenlegung der Kalkulationsunterlagen gegenüber dem Abnehmer unerheblich. Die Abnehmer hätten mehr als die vollen Werkzeugkosten gezahlt und erwarteten eine entsprechende Minderung des Teilepreises. Zumindest habe für die Klägerin ein faktischer Leistungszwang bestanden, verbilligt zu liefern. Ansonsten hätte die Klägerin die Aufträge an Mitkonkurrenten verloren.

Entgegen der Ansicht des Beklagten, dass die Fälle, in denen keine Werkzeugkostenzuschüsse gezahlt wurden und die Werkzeugkosten über den Stückzahlpreis amortisiert werden müssten, auch belegten, dass gezahlte Werkzeugkostenzuschüsse gerade nicht Preis mindernd berücksichtigt worden seien, sei vielmehr der Umkehrschluss gerechtfertigt. Bei einer Bezuschussung sei der Teilepreis entsprechend niedriger kalkuliert. Die gegenteilige Auffassung widerspreche jeglichem wirtschaftlichen Verständnis. Im Übrigen verwechsle der Beklagte die Verteilung von Fixkosten und Risiko. Auch die Klägerin versuche, einen möglichst hohen Anteil von Fixkosten auf die Hersteller zu verlagern, so dass durchaus eine vergleichbare Interessenlage wie in dem vom BFH zu entscheidenden Sachverhalt gegeben war.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide des Beklagten über die gesonderten und einheitlichen Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1999 und 2000 sowie 2002 und 2003 vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom zu ändern und die festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb wie folgt zu ermäßigen:

für das Jahr 1999 von festgestellten DM um DM zu mindern und nunmehr mit DM neu festzustellen,

für das Jahr 2000 von festgestellten DM um DM zu mindern und auf DM neu festzustellen,

für das Jahr 2002 von festgestellten EUR EUR zu mindern und auf EUR neu festzustellen,

für das Jahr 2003 von festgestellten EUR um EUR zu mindern und auf EUR neu festzustellen,

hilfsweise,

für den Fall der Klageabweisung die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsentscheidung und macht sich die Stellungnahme der Betriebsprüfung vom zur Klageschrift zu Eigen.

Nach Auffassung des Beklagten differenziert der BFH zwischen zwei Fallkonstellationen. In dem einen Fall werden die Werkzeugkosten gegen Eigentumsübertragung in voller Höhe übernommen und der Automobilhersteller wird Eigentümer. In dem anderen Fall trägt der Automobilhersteller die Werkzeugkosten nur anteilig. Diese Beiträge sind Preis mindernd bei der Kalkulation zu berücksichtigen mit der Folge, dass die Zuschüsse im Zeitpunkt der Vereinnahmung Gewinn erhöhend zu berücksichtigen sind, zugleich aber eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden ist.

Mit dem Vortrag, die Klägerin sei wirtschaftliche Eigentümerin, trage diese einen abweichenden Sachverhalt vor, auf den jedoch die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zu übertragen seien. Er gehe allerdings weiterhin davon aus, dass die Klägerin nicht wirtschaftliche Eigentümerin sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei entscheidend, dass die Auftraggeber tatsächlich nicht in der Lage gewesen wären, der Klägerin die Verfügung über die jeweiligen Werkzeuge zu entziehen. Das sei aber gerade nicht der Fall gewesen. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen (Heftstreifen Anlage 1 zum Schreiben der Klägerin vom ) und der im Fallheft Band VIII befindlichen Vereinbarung mit der GmbH sei die Klägerin in ihrer Verfügungsmacht und ihren Nutzungsmöglichkeiten derart eingeschränkt gewesen, dass sie nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Produktionswerkzeuge werden konnte.

Die Vereinfachung bei der Ermittlung der Gewinnauswirkungen, die im Übrigen mit der Klägerin abgestimmt worden sei, solle insoweit keineswegs die Rechtsauffassung der Klägerin bestätigen.

Selbst wenn man jedoch das wirtschaftliche Eigentum der Klägerin bejahe, folge daraus nicht zwangsläufig die Notwendigkeit, die Gewinnauswirkung der Werkzeugkostenzuschüsse durch Bildung eines Passivpostens zu neutralisieren. Das setze vielmehr zwingend voraus, dass die Werkzeugkostenzuschüsse bei der Preisgestaltung der mittels dieser Werkzeuge hergestellten Produkte Preis mindernd berücksichtigt worden seien. Hierzu lägen jedoch keine gegenüber den Bestellern offenzulegenden Kalkulationen vor. Aus den Unterlagen Anlage 2 zum Schriftsatz vom folge vielmehr, dass in den Fällen, in denen kein Werkzeugkostenzuschuss gezahlt worden sei, die Kosten über einen höheren Teilepreis zu amortisieren seien. In den anderen Fällen sei gerade nicht zu erkennen, dass die Werkzeugkostenzuschüsse sich bei der Preisgestaltung für die zukünftigen Lieferungen Preis mindernd ausgewirkt hätten.

Außerdem habe sich die Klägerin während der Betriebsprüfung zum Verhältnis zu den Automobilherstellern dahingehend eingelassen, dass diese versuchten, das Risiko auf die Zulieferer zu verlagern. Insoweit sei die Situation anders als in dem vom BFH zu entscheidenden Fall. Der Klägerin sei es vielmehr nach eigenem Bekunden bis dahin gelungen, Betriebsergebnisse gegenüber den Kunden nicht offenbaren zu müssen.

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.08.2012 (Bl. 107 - 111 Finanzgerichtsakten) wird Bezug genommen.

Dem Gericht lagen bei seiner Entscheidung ein Heftstreifen Anlage 1 zum Schreiben vom , ein Heftstreifen Anlage 2 zum Schreiben vom , ein Band Feststellungsakten, ein Sonderband Betriebsprüfungsberichte und ein Band Bilanz-Heft sowie die Bände IV, VI, VII und VIII des Fallhefts der Großbetriebsprüfungsstelle des Finanzamts zur Auftragsnummer vor, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.


Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin war in den Streitjahren weder zivilrechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin der bezuschussten Werkzeuge. Damit bestand auch keine rechtliche Grundlage, im Hinblick auf die erhaltenen Werkzeugkostenbeiträge eine Verpflichtung der Klägerin, mit den bezuschussten Werkzeugen verbilligt Teile für den jeweiligen Zuschussgeber zu produzieren, zu bejahen und in die jeweilige Bilanz einen Passivposten in Form einer Rückstellung oder eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens einzustellen.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Auftraggeber das zivilrechtliche Eigentum an den von der Klägerin hergestellten kundenspezifischen Werkzeugen erworben haben. Die Klägerin hat auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts mitgeteilt, dass man von dem Eigentumserwerb durch die Auftraggeber ausgehen könne. Damit waren die Werkzeuge grundsätzlich bei den Auftraggebern der Klägerin als deren Vermögensgegenstände, § 5 Abs. EStG i. V. m. §§ 240, 242 Handelsgesetzbuch - HGB - (vor Einführung des § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB durch das BilMoG vom 25.05.2009), zu bilanzieren.

Die Frage, ob in diesen Fällen bei der Annahme wirtschaftlichen Eigentums eine Bilanzierung der kundenspezifischen Werkzeuge bei dem Zulieferer zu erfolgen hat, ist in der Rechtsprechung des BFH bisher nicht thematisiert worden (vgl. Hoffmann, PiR 2007, 294 , 295, wonach der BFH in vergleichbaren Fällen von einer Maßgeblichkeit des zivilrechtlichen Eigentums ausgeht). Das Urteil des BFH vom 29.11.2000 I R 87/99 , BStBl II 2002, 655 betrifft nur den Fall, dass der Zulieferer zivilrechtlich Eigentümer des fraglichen Werkzeugs ist/bleibt. Die Variante, dass der Auftraggeber zivilrechtlicher Eigentümer ist, war nicht Gegenstand des Rechtsstreits (vgl. das Urteil der Vorinstanz Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 22. 06 .1999 4 K 3955/96 , 4 K 5148/96, EFG 1999, 1091, DStRE 2000, 190 mit ausdrücklicher Unterscheidung im Tatbestand).

In der einschlägigen Literatur wird demgegenüber das wirtschaftliche Eigentum als ausschlaggebend für die Frage der Bilanzierung angesehen, wie nunmehr auch gemäß § 246 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz HGB in der Fassung durch das BilMoG (Förschle/Scheffels, DB 1993, 2393, 2396; Rohler, Bilanzen im Mittelstand 2011, 87 ff., zitiert nach: http://www.dhpg.de/cms/upload/pdf/Bilanzen_im_Mittelstand/BIM-04-11-Rohler.pdf; Neubeck/Kinalzik in Fischer/Reichmann/Neubeck, Rechnungslegung in der Automobilzulieferindustrie, 3. Auflage 2012, 44 ff., 50 ff.; allgemein IDW, HFA 2/1996, WPg 1996, 709, 712; Küting, DStR 1996, 313, 314; Küting/Koch in Federmann/ Kussmaul/Müller, Handbuch der Bilanzierung, Nr. 152 <Zuwendung/ Zuschuss>, Rz. 43, 45; zur Problematik nach IFRS etwa Hoffmann; PiR 2007, 294 ; Münstermann/Gnändiger, PiR 2011, 104; KPMG, IFRS und HGB in der Praxis - Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für die Automobilbranche, 2010, 50 ff. zit. nach http://bt.online-congress.net/auditing_aktuell_stage/fileadmin/user_upload/editors/KPMG_Ressourcen%20Center/IFRS%20und%20HGB%20in%20der%20Praxis%20 Automotive%20%20Auflage%202%202010.pdf).

Die handels- und bilanzrechtliche Zurechnung von Vermögensgegenständen beim wirtschaftlichen Eigentümer – nunmehr auch in § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB in der Fassung durch das BilMoG kodifiziert – läuft weitgehend mit der steuerrechtlichen Zurechnung gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO parallel (siehe etwa BFH, Urteil vom 14.05.2002 VIII R 30/98, BStBl II 2002, BStBl 2002 II S. 741, BStBl 2002 II S. 742; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 31. Auflage 2012, § 5 EStG Rz. 150 - 152; Merkt in Hopt, Handelsgesetzbuch, 35. Auflage 2012, § 246 HGB Rz. 14; Briesemeister in Prinz/Kanzler, NWB Praxishandbuch Bilanzsteuerrecht, 2012, Rz. 660 ff.). Wirtschaftliches Eigentum ist danach zu bejahen, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut dergestalt ausübt, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann. Das bedeutet unter anderem, dass der wirtschaftliche Eigentümer die Sachherrschaft an dem Wirtschaftsgut in seinem Interesse ausüben muss (zusammenfassend etwa Ratschow in Klein, Abgabenordnung, 11. Auflage 2012, § 39 AO Rz. 20). Die Sachherrschaft, die der Steuerpflichtige ausschließlich oder ganz überwiegend nur im Interesse eines Dritten ausüben darf und auch tatsächlich ausübt, begründet bei ihm kein wirtschaftliches Eigentum (BFH, Urteil vom 27.09.1988 VIII R 193/83, BStBl II 1989, 414). Weiterhin muss dem wirtschaftlichen Eigentümer auch der wirtschaftliche Erfolg aus einer (Weiter-)Veräußerung des Wirtschaftsguts gebühren (BFH, Urteil vom 26.01.2011 IX R 7/09, BStBl II 2011, 540).

Davon ausgehend hat die Klägerin zu Unrecht ihr wirtschaftliches Eigentum bejaht und die kundenspezifischen, mit Werkzeugkostenbeiträgen geförderten Werkzeuge in ihren Bilanzen aktiviert. Wirtschaftliches Eigentum der Klägerin kommt aufgrund der vorliegenden Vertragsunterlagen (vgl. wegen der Einzelheiten Anlage Nr. 1 zum Schriftsatz der Klägerin vom und das Schreiben des Beklagten vom mit dem zusätzlichen Hinweis auf den Vertrag mit , Bl. 75 ff. Finanzgerichtsakten) im Verhältnis zu den einzelnen Auftraggebern nicht in Betracht.

Die Klägerin hat zwar die fraglichen Werkzeuge als Aktiva bilanziert. Fraglich ist dennoch, ob die Klägerin die Sachherrschaft überhaupt in ihrem Interesse ausübte. Sie hat nämlich in allen Fällen zivilrechtliches Eigentum unter Vereinbarung eines Besitzkonstituts übertragen, das Eigentum der Auftraggeber ausdrücklich anerkannt und bei entsprechenden vertraglichen Regelungen (vgl. etwa , Vertragsbedingungen Nr ; Bedingungen vom , Nr. ; Nr. , Teil Nr. ; , Bestellbedingungen ) zusätzlich das Eigentum des jeweiligen Auftraggebers durch Anbringen von Markierungen an den Werkzeugen und Aufnahme in entsprechende Bestandslisten verdeutlicht. Zwar berechtigte das vertraglich geregelte Besitzkonstitut die Klägerin zum Besitz des Werkzeugs, solange diese es zur Herstellung des jeweils zu produzierenden und zu liefernden Wirtschaftsguts benutzte. Andererseits konnte der Auftraggeber jedenfalls im Konkurs-/Insolvenzfall die Herausgabe der Werkzeuge verlangen. Die Situation der Automobilzulieferer und die Marktmacht der Auftraggeber sprechen dafür, dass die Klägerin im vertraglich vorgegebenen Rahmen des Besitzkonstituts handeln wollte und handelte, mithin das Eigentum der Auftraggeber respektierte, und somit die Sachherrschaft gerade im Interesse des jeweiligen Auftraggebers ausübte.

Der Hinweis der Klägerin, dass sie während der Laufzeit des Nutzungsvertrags zum Besitz des Werkzeugs berechtigt war, ihr das Besitzrecht ohne Einzug des Fertigungsauftrags nicht genommen werden konnte und das Werkzeug nach Ablauf der Produktionsphase verbraucht war, genügt dagegen nicht, um ihr wirtschaftliches Eigentum zu bejahen. Die Klägerin konnte ihre Auftraggeber nicht im hinreichenden Umfang von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen. Die Klägerin war lediglich im vorgegebenen vertraglichen Rahmen zur Nutzung des Werkzeugs berechtigt. Sie durfte das Werkzeug nur nutzen, um den Fertigungsauftrag für den jeweiligen Auftraggeber auszuführen. Eine Nutzung zu anderen Zwecken war vertraglich ausdrücklich ausgeschlossen (siehe etwa ; ; , Vertragsbedingungen ; , Globale Bedingungen, ; , , Teil Nr Abs. ; Vertrag vom , Nr . und ; , Bestellbedingungen Nr ; GmbH, Rahmenvertrag Nr. ). Die Klägerin konnte damit gerade nicht wie ein Eigentümer über das Werkzeug verfügen. Eine Verwertung des Werkzeugs – ebenfalls wie ein Eigentümer – war ausgeschlossen. Der wirtschaftliche Erfolg aus der Nutzung des Werkzeugs gebührte dem jeweiligen Auftraggeber und nicht der Klägerin. Der Klägerin stand lediglich der Gewinn aus dem jeweiligen Fertigungsauftrag zu. Der wirtschaftliche Nutzen der Werkzeuge verblieb damit den Auftraggebern. Die Frage, inwieweit die Werkzeuge nach Erledigung des Auftrags überhaupt noch eine wirtschaftliche Funktion hatten und nicht verbraucht waren, tritt demgegenüber nach Auffassung des Senats in den Hintergrund (ebenso Rohler, a. a. O., 88).

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass für die Klägerin keine Risiken hinsichtlich der Amortisation der ihr entstandenen Werkzeugkosten bestanden. Die Werkzeugkostenzuschüsse deckten laut Anlage zum Schreiben an die Großbetriebsprüfungsstelle vom (Band VIII Fallheft) überwiegend zu über 100 % das jeweils kalkulierte Bruttobudget ab. Lediglich in zwei Fällen wurde der Bruttobetrag um 5 bzw. 6 % unterschritten. Zudem hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die gezahlten Werkzeugkostenzuschüsse die schließlich bilanzierten Herstellungskosten der Werkzeuge in erheblichem Umfang überstiegen; die Klägerin konnte die aus der örtlichen Lage resultierenden günstigen Kostenstrukturen nutzen. Die Klägerin musste deshalb bei der Kalkulation der Stückpreise für die anschließende Produktion der Serienteile insoweit keine Werkzeugkosten mehr einpreisen.

Bei Gesamtabwägung aller Tatsachen ist daher von wirtschaftlichem und zivilrechtlichem Eigentum der Auftraggeber auszugehen. Die Klägerin steht damit wie jeder andere schuldrechtlich oder dinglich Nutzungsberechtigte da, für den in der Regel ebenfalls wirtschaftliches Eigentum verneint wird (vgl. Ratschow, a. a. O., § 39 AO Rz. 23).

Für den Streitfall ergibt sich daraus, dass der Beklagte zu Recht von einem Kauf- oder Werklieferungsvertrag bezüglich des jeweiligen Werkzeugs ausgegangen ist und die Klägerin mit Erfüllung dieses Vertrages, d. h., mit der Verschaffung des Eigentums an dem Werkzeug, den erhaltenen Werkzeugkostenzuschuss in vollem Umfang Gewinn erhöhend zu erfassen hatte, ohne dieses Ergebnis durch Bildung einer Rückstellung oder eines passiven Rechnungsabgrenzungsposten (teilweise) neutralisieren zu können (Rohler, a. a. O., 90; Günkel, StJB 2003/2004, 283, 287; Wulff/Scheffbuch, DStR 2000, 1884, 1886). Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach den Grundsätzen des BFH in BStBl II 2002, 655 nicht losgelöst von der Frage nach der Zuordnung der kundenspezifischen Werkzeuge (bei dem Auftraggeber oder bei der Klägerin) in Betracht. Im Streitfall stellen die Werkzeugkostenzuschüsse nach den obigen Ausführungen die Gegenleistung der Auftraggeber für die Herstellung der Werkzeuge dar. Damit ist es ausgeschlossen, im Zusammenhang mit der Zahlung der Werkzeugkostenzuschüsse noch eine – faktische – Verpflichtung der Klägerin zur verbilligten Lieferung der gefertigten Serienteile zu bejahen. Das gilt auch, wenn sich der Vertrag zwischen Klägerin und Auftraggeber als so genannter Mehrkomponentenvertrag darstellt, weil die Klägerin das kundenspezifische Werkzeug herstellt und damit anschließend die benötigten Serienteile für den Auftraggeber produziert. Beide Leistungen sind abgrenzbare Komponenten des Vertrags und getrennt zu beurteilen (vgl. KPMG, a. a. O., 51, 65; 96, 99).

Zur Bildung von Rückstellungen aus anderen Gründen (vgl. Rohler, a. a. O., 90; Förschle/Scheffels, DB 1993, 2393, 2395 ff.) ist kein substantiierter Vortrag der Klägerin erfolgt.

Die Gewinn erhöhende Auflösung der passiven Rechnungsabgrenzungsposten in den Streitjahren ist insoweit zu Recht erfolgt. Umgekehrt hat der Beklagte zu Gunsten der Klägerin berücksichtigt, dass die Aktivierung der hergestellten Wirtschaftsgüter rückgängig zu machen ist und insoweit Gewinn mindernd zusätzliche Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind. Im Ergebnis hat der Beklagte damit zutreffend durch die vorgenommene Saldierung die Gewinnauswirkungen erfasst. Die Klägerin hat gegen die vereinfachende Ermittlung der steuerlichen Auswirkungen auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung keine Einwände geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

RechtsgebieteEStG, AOVorschriftenEStG § 5 AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1

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