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18.10.2013 · IWW-Abrufnummer 133243

Verwaltungsgericht Köln: Urteil vom 24.05.2013 – 19 K 899/12

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Verwaltungsgericht Köln

19 K 899/12

Tenor:

Das beklagte Land wird unter entsprechender Aufhebung des Beihilfefestsetzungsbescheides vom 22. 02. 2011 und des Widerspruchsbescheides vom 02. 01. 2012 verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag vom 18. 02. 2011 eine weitere Beihilfe in Höhe von 127,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 9/15 und das beklagte Land zu 6/15.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

T a t b e s t a n d

Der Kläger ist beihilfeberechtigter Beamter (Beihilfebemessungssatz 70%) im Dienst des beklagten Landes.

Unter dem 18. 02. 2011 beantragte der Kläger die beihilferechtliche Anerkennung der Aufwendungen für eine zahnärztliche Behandlung in Höhe von insgesamt 1.428,54 € gemäß Rechnung der Zahnärzte Dr. Kirch und Kollegen vom 10. 02. 2011.

Mit Beihilfebescheid vom 22. 02. 2011 wurden die vorgenannten Aufwendungen lediglich in Höhe von 790,17 € als beihilfefähig anerkannt. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Überschreitungen des Schwellenwertes könnten beihilferechtlich nicht anerkannt werden. Die zahntechnischen Leistungen (Material- und Laborkosten) seien lediglich in Höhe von 60% von 388,52 € (nur Fremdlaborkosten) beihilfefähig; die mit der Nummer 0723 berechnete Leistung sei bereits mit dem Honorar für die Zielleistung abgegolten; die Kosten für den provisorischen Schutz seien als flankierende Praxiskosten nicht beihilfefähig. Die GOZ-Nummern 801, 802, 805 und 808 seien nur als solche im Rahmen einer funktionellen Gebissanalyse berechnungsfähig, die erforderliche Indikation sei vorliegend nicht gegeben.

Der Kläger hat unter dem 11. 03. 2011 Widerspruch erhoben und zur Begründung unter anderem eine Stellungnahme der Deutsches Zahnärztliches Rechenzentrum (DZR) GmbH vom 09. 03. 2011 vorgelegt.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des beklagten Landes vom 02. 01. 2012 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ergänzend unter anderem ausgeführt, die nach den Ziffern 801 ff. GOZ abgerechneten Leistungen seien lediglich flankierende Leistungen gewesen, die mit dem Honorar für die Zielleistung abgegolten seien.

Der Kläger hat am 27. 01. 2012 Klage erhoben.

Er macht unter anderem geltend, die Schwellenwertüberschreitungen seien ausreichend begründet. Die Beschränkung der Beihilfegewährung für funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen (Ziffer 801 ff. GOZ) auf wenige Indikationen sei fürsorgepflichtwidrig, im übrigen liege im Falle des Klägers eine Indikation - Myoarthropathie - vor. Eine Begründung für den Ausschluss der Eigenlaborkosten sei nicht ersichtlich; die Zahnfarbenbestimmung stelle eine eigenständige zahntechnische Leistung dar; § 4 Abs. 2 GOZ stehe der Abrechnung nicht entgegen; auch für den provisorischen Schutz sehe die Beihilfenverordnung einen Ausschluss nicht vor.

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land unter teilweiser Aufhebung des Beihilfefestsetzungsbescheides vom 22. 02. 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. 01. 2012 zu verpflichten, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 318,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es wiederholt und vertieft die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend führt das beklagte Land aus, die Ziffern 800 ff. GOZ seien als Relationsbestimmung mit der Zielleistung abgegolten. Der provisorische Schutz sei gemäß § 4 Abs. 3 GOZ nicht gesondert abrechenbar. Die Begründungen der Schwellenwertüberschreitungen seien nicht ausreichend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang ergänzend Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die als Verpflichtungsklage zulässige Klage hat in der Sache lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe zu den Aufwendungen aus der streitbefangenen Zahnarztrechnung vom 10. 02. 2011 in Höhe von 127,83 €. Insoweit ist der Beihilfebescheid vom 22. 02. 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. 01. 2012 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Im Übrigen ist der Bescheid hingegen rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (BVO) sind in den dort genannten Fällen die notwendigen Aufwendungen im angemessenen Umfang beihilfefähig. Die Angemessenheit der entstandenen Aufwendungen beurteilt sich bei zahnärztlichen Leistungen grundsätzlich nach den Bestimmungen der „Gebührenordnung für Zahnärzte“ - GOZ -, da zahnärztliche Hilfe in aller Regel nur nach Maßgabe dieser Gebührenordnung zu erlangen ist.

Damit setzt die Beihilfefähigkeit voraus, dass der Zahnarzt die Rechnungsbeträge bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung zu Recht in Rechnung gestellt hat, dass es sich also im Sinne des § 3 Abs. 1 BVO um „notwendige Aufwendungen in angemessenem Umfange“ handelt. Daraus folgt, dass der Begriff der „notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang“ gerichtlich voll überprüfbar ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996 – 2 C 10.95 –, ZBR 1996, 314 (315).

Davon ausgehend kann der Kläger vom beklagten Land die Zahlung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 127,83 € verlangen.

Die Angemessenheit der den Schwellenwert überschreitenden Aufwendungen beurteilt sich nach § 5 GOZ. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GOZ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem einfachen bis zum 3,5fachen des Gebührensatzes. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ sind innerhalb des Gebührenrahmens die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistungen sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ darf in der Regel eine Gebühr nur zwischen dem einfachen und 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden. Ein Überschreiten des 2,3fachen Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen. Dem 2,3fachen Gebührensatz kommt dabei die Funktion eines Schwellenwertes zu, dessen Überschreiten nur bei Vorliegen eng umschriebener Besonderheiten zulässig ist.

Das Vorliegen dieser Besonderheiten ist gerichtlich voll nachprüfbar. Der für die Überschreitung des Schwellenwertes erforderliche Ausnahmecharakter setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Vom Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegender Schwierigkeiten angewandte Behandlungen stellen keine derartige Behandlung dar. Diese muss sich vielmehr von der Mehrzahl der Fälle deutlich unterscheiden.

Dem Bereich des Schwellenwertes sind dabei die große Mehrzahl aller Behandlungsfälle und damit auch solche zugeordnet, die überdurchschnittlich aufwendig oder schwierig, aber eben noch nicht durch ungewöhnliche Besonderheiten gekennzeichnet sind. Die Überschreitung des Schwellenwertes ist danach nur dann gerechtfertigt, wenn aufgrund patientenbezogener Umstände abweichend von der Mehrzahl der Behandlungsfälle schwerwiegende Besonderheiten auftreten, die bei der Mehrzahl vergleichbarer Behandlungsfälle so nicht auftreten und deshalb erheblich überdurchschnittliche Leistungen erbracht worden sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996 - 2 C 10.95 -, ZBR 1996, 314 (315) und vom 17. Februar 1994 - 2 C 10.92 -, BVerwGE 95, 117; OVG NRW, Urteil vom 03. Dezember 1999 - 12 A 2889/99 - m.w.N..

Gemessen an diesen Grundsätzen gilt für die Schwellenwertüberschreitungen in der streitbefangenen Zahnarztrechnung Folgendes:

Die Begründung für die Überschreitung des Schwellenwertes hinsichtlich der GOZ-Ziffer 218 (2x) ist nicht ausreichend. Der Verweis auf die Verwendung von Core Paste ist unschlüssig, denn Core Paste ist seit Jahrzehnten das meistverwendete Präparat zum Aufbau von Kern- und Zahnstumpf, sie wird seit über 20 Jahren in der Brücken- und Kronenprothetik favorisiert. Es handelt sich damit um ein Standardpräparat in der Kronenprothetik, eine Atypik oder ein Sonderfall lässt sich mit der Verwendung dieser Paste nicht begründen. Gleiches gilt für die zur Begründung angeführte „Total Etch and Bond Technik“. Der Einsatz eines besonderen Verfahrens kann eine Schwellenwertüberschreitung allenfalls dann rechtfertigen, wenn dieser seinen Grund in Besonderheiten hat, die in der Person des jeweiligen Patienten liegen. Dass dies der Fall wäre, geht aus der Rechnung und ihrer Begründung nicht hervor; überdies wird nicht deutlich, inwiefern sich der bei der angewandten Methode entfaltete Aufwand von dem in der Mehrzahl der Behandlungsfälle erforderlichen unterscheidet. Bei der ebenfalls angeführten umfangreichen Trockenlegung handelt es sich um einen Standardarbeitsschritt bei der Kronenversorgung. Es ist nichts dafür dargelegt, dass dieser Arbeitsschritt im Falle des Klägers besonders schwierig war.

Der im Zusammenhang mit den GOZ-Ziffern 405 und 203 angeführte erhöhte Zeitaufwand allein ist bereits durch den 2,3fachen Satz abgedeckt. Gleiches gilt, soweit im Zusammenhang mit der GOZ-Ziffer 221 ein erhöhter Zeitaufwand angeführt wird. Die im Zusammenhang mit der GOZ-Ziffer 221 ebenfalls angesprochene Adhäsivtechnik kann eine Schwellenwertüberschreitung allenfalls dann rechtfertigen, wenn dieses Verfahren seinen Grund in Besonderheiten hat, die in der Person des jeweiligen Patienten liegen. Dass dies der Fall wäre, geht aus der Rechnung und ihrer Begründung aber nicht hervor.

Ausreichend begründet - allerdings nur für eine Schwellenwertüberschreitung mit dem 3,5fachen Satz, nicht mit dem vom Zahnarzt abgerechneten 3,55fachen Satz - ist die Schwellenwertüberschreitung im Zusammenhang mit der GOZ-Ziffer 227. Der Zahnarzt hat in der Rechnung und in dem zugehörigen Begleitschreiben plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass eine starke gingivale Blutung und ein schwieriger distaler Abschluss zu einem um 75 % erhöhten Aufwand bei der PV-Herstellung und in der Gesamtschau zu einem erheblich erhöhten Aufwand sowie einer erheblich erhöhten Schwierigkeit geführt haben. Die zwischen dem 3,5fachen Satz (106,32 €) und dem 2,3fachen Satz (69,87 €) liegende Differenz (36,45 €) ist zu 70% beihilfefähig, womit sich insoweit ein weiterer Beihilfeanspruch in Höhe von 25,52 € ergibt.

Die funktionsanalytischen und funktionstherapeutischen Leistungen nach den Ziffern 801, 802, 805 und 808 (Aufwendungen insg. 146,15 €) hat der Zahnarzt zu Recht abgerechnet. Eine Abrechnung dieser Ziffern neben Ziffer 221 GOZ ist möglich. Zwar ist durch die Leistung nach der hier einschlägigen Nummer 221 GOZ (Versorgung eines Zahnes durch eine Vollkrone) die Relationsbestimmung mit abgegolten (vgl. Ziffer 222 GOZ a.E.), darunter ist aber nur die einfache Relationsbestimmung (Bissnahme) zu verstehen, während bei dem Kläger eine funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistung wegen der Diagnose Myoarthropathie (Störung des Kausystems, die ihren Ursprung in der Kaumuskulatur und in den Kiefergelenken hat) erbracht wurde. Dass die funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistung auf die Diagnose Myoarthropathie zurückgeht, wurde durch die Vorlage eines Beiblattes zum Klinischen Funktionsstatus (Bl. 72 GA) und durch die Stellungnahme der DZR GmbH vom 09. 03. 2011 hinreichend belegt. Bei einer solchen Sachlage ist die erbrachte Leistung nicht mit der Bewertung nach der Ziffer 221 abgegolten und kann gesondert berechnet werden. Dies gilt trotz der Ausführungen in Ziffer 7.16 des Runderlasses des FM NRW vom 19.8.1998, nach der diese Leistungen bei einer prothetischen Versorgung nur bei umfangreichen Gebisssanierungen für notwendig erachtet werden. Der Erlass ist ein Behördeninternum ohne unmittelbare Außenwirkung, der das Gericht nicht bindet. Hätte der Verordnungsgeber eine Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen auch außenrechtlich verbindlich herbeiführen wollen, wäre dies durch Aufnahme einer entsprechenden Regelung in die Beihilfenverordnung möglich gewesen. Im Gegensatz zur nordrhein-westfälischen Beihilfenverordnung sehen viele Beihilfeverordnungen anderer Bundesländer (z.B.: Niedersachsen, Rh-Pfalz, Bayern, Sachsen, Thüringen, Berlin, Hessen, Hamburg, Schleswig-Holst.) bzw. des Bundes (§ 15 Abs. 3 BBhV) ausdrücklich Beschränkungen der Beihilfefähigkeit für die streitgegenständlichen Leistungen vor. Selbst in diesen beschränkenden Beihilfeverordnungen fallen allerdings Kiefergelenk- und Muskelerkrankungen unter die Indikationen, bei denen die Aufwendungen beihilfefähig sind. Es ergibt sich damit insoweit ein weiterer Beihilfeanspruch in Höhe von 102,31 € (70% von 146,15 €).

Die geltend gemachten Eigenlaborkosten sind vorliegend nicht beihilfefähig. Die Labor- und Materialkosten für das Modell sind bereits mit GOZ-Ziffer 802 abgegolten. Die Begründung für die Leistung 0723 („Zahnfarbenbestimmung I. Für in der Praxis festgestellte Zahnfarbe sind die. Fahrtkosten“) ist nicht nachvollziehbar und entspricht nicht den Anforderungen, die gemäß § 10 Abs. 2 GOZ zu stellen sind. Die Kosten des provisorischen Schutzes (8,89 €) sind in der GOZ-Ziffer 227 enthalten bzw. - u. a. hinsichtlich des Materials - gemäß § 4 Abs. 3 GOZ nicht gesondert abrechnungsfähig.

Der Zinsanspruch ab Rechtshängigkeit ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 291 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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