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24.04.2001 · IWW-Abrufnummer 98770

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 12.11.1993 – 10 U 29/91

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


10 U 29/91
13 0 134/90
LG Wiesbaden

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Verkündet laut Protokoll am 12. November 1993

In dem Rechtsstreit

pp Klägerin und Berufungsklägerin,

gegen

pp Beklagte und Berufungsbeklagte,

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 10. Zivilsenat - auf die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Wiesbaden - 2. Kammer für Handelssachen - vom 22.11.1990 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht und Richterin am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. November 1993 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das angefochtene Urteil abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 64.537,30 nebst 5 % Zinsen seit dem 9.4.1991 zu zahlen.

Wegen der Zuvielforderung von Zinsen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 80.100.-- abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Beklagten wird gestattet, die Sicherheit durch eine schriftliche, unbefristete, selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Die Beschwer der Beklagten beträgt DM 64.537,30.

Tatbestand

Die klagende Versicherungsmaklerin fordert, von der Beklagten, eine in Lebensversicherungsunternehmen, Bestandspflegegeld aus Gruppenversicherungsverträgen, die zwischen der Beklagten und den Firmen bestehen.

Die Parteien schlossen im Jahre 1955 eine Vereinbarung, die unter anderem die folgende Regelung enthält:

"Für das von Ihnen unserer Gesellschaft zugeführte neue Geschäft erhalten Sie eine Abschlußprovision von 30 o/oo für Versicherung nach unseren Großlebenseinzeltarifen.

Ferner erhalten Sie auf den sich per 31.12. eines Jahres ergebenden Bestand aus von Ihnen gebrachten Versicherungen ein Bestandspflegegeld von 1 o/oo. Bei der Berechnung des Bestandes werden die Versicherungen, zu denen die Prämien des ersten und zweiten Versicherungsjahres nicht voll gezahlt werden, abgesetzt".

Die Klägerin war - wie zwischen den Parteien nunmehr unstreitig ist - an der Vermittlung der oben genannten Versicherungsverträge nicht beteiligt; sie wirkte aber an der Neuformulierung und teilweisen inhaltlichen Änderung dieser Verträge mit. Ferner erbrachte und erbringt sie als Maklerin für die und für xx betreuende Tätigkeiten. So übernahm sie die Überprüfung des bestehenden Risikos, die Bestimmung und Beantragung notwendiger Erhöhungen oder Reduzierungen der Versicherungen, die Prüfung der Beitrags- und Dividendenabrechnungen der Beklagten, die An- und Abmeldung der Zu- und Abgänge von versicherten Personen, die Abwicklung von Leistungsfällen, die Anforderung und Überprüfung der erforderlichen Bilanzwerte und die laufende Betreuung der Versorgungswerke.

Die Beklagte zahlte an die Klägerin in der Vergangenheit sowohl Vermittlungsprovisionen als auch Bestandspflegegelder.

Mit Schreiben vom 25.8.1989 kündigte sie das gesamte, mit der Klägerin bestehende Vertragsverhältnis zum 31.12.1989.

Sie zahlt an die Klägerin weiterhin Vermittlungsprovisionen für Neuabschlüsse, welche aus bereits vermittelten Gruppenversicherungsverträgen resultieren. Die Fortzahlung von Bestandspflegegeldern lehnt sie ab.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszuge begehrt, die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Bestandspflegegeld aus dem Gruppenversicherungsvertrag Nr. xx festzustellen.

Sie hat die Auffassung vertreten, das Bestandspflegegeld sei rechtlich als Abschlußfolgeprovision einzuordnen. Ein Anspruch hieraus sei mit der Vermittlung des o.g. Vertrages aufschiebend bedingt entstanden.

Handele es sich hingegen um eine Tätigkeitsvergütung, könne die Beklagte sich ihren Verpflichtungen nicht einseitig durch Kündigung entziehen, ohne ihre - der Klägerin - fortbestehende Verpflichtungen aus den Maklerverträgen mit den Versicherungsunternehmen zu berücksichtigen.

Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, jeweils am 31.12. eines Jahres an die Klägerin Bestandspflegegeld i.H.v. 1 o/oo der Versicherungssumme von solchen Versicherungen zu zahlen, die im Rahmen des Gruppenversicherungsvertrages Nr.525 vom 24.9.1987 zwischen der Beklagten und der angemeldet wurden und für die die Prämien des ersten und zweiten Versicherungsjahres voll gezahlt wurden.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist dem Begehren der Klägerin entgegengetreten, denn in der Lebensversicherungssparte würden für die Vermittlung Einmalprovisionen gezahlt. Bei nachfolgenden Vergütungen handele es sich um tätigkeitsbezogene Verwaltungsentgelte. Auf dieses Bestandspflegegeld bestehe nur so lange Anspruch, wie die Betreuung und Verwaltung der Versicherungsverträge im Einverständnis mit dem Versicherungsunternehmen und dem Versicherungsnehmer ausgeübt werde.

Das Landgericht Wiesbaden - 13. Zivilkammer - hat die Klage durch das am 22.11.1990 verkündete Urteil mit der Begründung abgewiesen, nach der ordnungsgemäßen Kündigung des Handelsvertretervertrages habe die Klägerin keinen Anspruch mehr auf ein Entgelt für laufende Verwaltungstätigkeit.

Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 18.1.1991 zugestellte Urteil am 11.2.1991 Berufung eingelegt. Sie hat das Rechtsmittel nach der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.4.1991 mit am 25.3.1991 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung fordert die Klägerin statt der Feststellung der Zahlungspflicht der Beklagten Leistung, wobei sie Bestandspflegegelder aus Gruppenversicherungsverträgen der Beklagten mit den xx einbezieht und für das Jahr 1990 insgesamt ein Entgelt von 64.537,30 DM errechnet. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest, wonach das von ihr geforderte Bestandspflegegeld als Erfolgsprovision und nicht als Tätigkeitsvergütung einzuordnen sei.

Überdies könne die Beklagte sich nicht einseitig durch Kündigung ihrer Verpflichtung zur Entgeltzahlung für die Betreuung und Beratung ihrer - der Beklagten - Kunden entziehen.

Sie - die Klägerin - habe darauf vertraut, daß sie von der Beklagten für die gesamte Dauer der jeweiligen Gruppenversicherungsverträge Bestandspflegegeld erhalte; deshalb habe sie sich gegenüber den Versicherungsnehmern zur unentgeltlichen Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 64.537,30 DM nebst 10,5 % Zinsen seit Zustellung dieses Schriftsatzes zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise, der Beklagten Vollstreckungsschutz zu gewähren mit der Maßgabe, daß Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank erbracht werden kann.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Sie führt aus:

Die Verwaltung von Versicherungsverträgen gehöre nicht zum Berufsbild des Maklers. Vielmehr handele es sich hierbei um Dienstleistungen, die aufgrund gesonderter Vereinbarung mit der Zahlung von Bestandspflegegeld abzugelten seien. Durch ihre Kündigung habe sie der Verwaltungstätigkeit der Klägerin indessen die Grundlage entzogen.

Im Bereich der Lebensversicherung bestehe eine gewohnheitsrechtlich fundierte Marktusance, daß nicht nur der Versicherungsnehmer, sondern auch der Versicherer die Betreuungstätigkeit eines Maklers während eines laufenden Versicherungsverhältnisses jederzeit mit der Folge aufkündigen könne, daß danach keine weiteren Provisionen zu zahlen seien.

Letztendlich sei eine Vereinbarung, wonach sie verpflichtet sei, Bestandspflegegeld für Verwaltungstätigkeiten zu zahlen, die zum Aufgabenbereich des Versicherungsnehmers gehörten, wegen Verstoßes gegen § 81 Abs. 2 Satz 3 VAG in Verbindung mit der als Rechtsverordnung fortgeltenden Anordnung des Reichsaufsichtsamtes vom 8.3.1934 und den Richtlinien des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen über Sondervergütungen und Begünstigungsverträge in der Lebensversicherung nach § 134 BGB nichtig.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftliche Gutachtens des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gutachterlichte Stellungnahme vom 12. November 1992 Bezug genommen (Bl.177, 178 d.A. ).

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 516, 518, 519 ZPO. Das Rechtsmittel ist in der Hauptsache begründet.

Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Bestandspflegegeldern für das Jahr 1990 in Höhe von 64.537,30 DM.

Ihr darauf gerichteter Antrag, den sie erst im zweiten Rechtszuge gestellt hat, ist nach §§ 523, 264 Ziff. 2, 263 ZPO zulässig.

So liegt in dem Übergang von der Feststellungs- zur Leistungsklage keine Klageänderung, sondern eine Erweiterung des Klageantrages in der Hauptsache, § 264 Abs. 2 ZPO.

Hingegen ist die Geltendmachung von Bestandspflegegeldern aus den Gruppenversicherungsverträgen der Beklagten mit den Firmen xx als Klageänderung anzusehen; denn die Klägerin erweitert damit den Gegenstand des Rechtsstreites.

Diese Klageänderung ist jedoch als sachdienlich zuzulassen. Der bisherige Streitstoff bleibt nämlich verwertbare Entscheidungsgrundlage. So sind die Forderungen der Klägerin der Höhe nach unstreitig. Zum Grunde liegen aber hinsichtlich aller drei Gruppenversicherungsverträge übereinstimmende Rechtsfragen vor.

Der Anspruch der Klägerin auf Bestandspflegegelder ist aus Maklerverträgen, nämlich aus Betreuungs- und Verwaltungsaufträgen herzuleiten, die sie von der xx als ihren Auftraggebern erhalten hat.

Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, daß die Klägerin auch solche versicherungstechnischen Betreuungs- und Verwaltungstätigkeiten für die Versicherungsnehmer der Beklagten entfaltet hat, die nicht durch eine Vermittlungsprovision mitabgegolten sind.

Der Auffassung der Klägerin, die Beklagte schulde Bestandspflegegeld allein aufgrund der von ihr - der Klägerin - in der Vergangenheit geleisteten Akquisition, ist nicht zu folgen. Nach dem üblichen Verständnis handelt es sich bei dem Bestandspflegegeld vielmehr um eine Tätigkeitsvergütung, die insbesondere im Lebensversicherungsbereich, in dem Einmalprovisionen für die Vermittlung bezahlt werden, das Interesse des Maklers an der Bestandserhaltung und Stornoverhütung wachhalten soll (Bruck-Möller, VVG, 8. Aufl., vor §§ 43 bis 48, Anm. 264).

Der danach anzunehmende Pflichtenkreis der Klägerin, der auf der Grundlage bereits abgeschlossener Gruppenversicherungsverträge die Überprüfung und Betreuung bestehender Einzelverträge und auch den Neuabschluß solcher Einzelversicherungsverträge und deren Verwaltung und die umfassende Beratung der Versicherungsnehmer in allen Versicherungsangelegenheiten umfaßte (Prölss/-Martin, VVG, 25. Aufl., nach § 48 Anm. 1 A), entspricht dem Berufsbild des Versicherungsmaklers (BGH VersR 67, 686 f.).

Dieser tritt auch zu dem Versicherer in eine durch die gesetzlichen Vorschriften der §§ 93 f. HGB stark verdichtete Rechtsbeziehung, so daß ein Doppelrechtsverhältnis zu beiden Parteien entsteht.

Demgemäß ist der Versicherungsmakler auch gegenüber dem Versicherer zur Interessenwahrnehmung verpflichtet, so daß nach § 99 HGB ein Lohnanspruch gegen beide Parteien begründet sein kann.

Hiervon abweichend ist der Versicherer jedoch kraft "Übung des Versicherungsvertragsrechts" (BGHZ 94, 356) Schuldner der Provision - die ohnehin vom Versicherungsnehmer mit der Prämie aufgebracht wird -, wobei der durch den Makler vermittelte Versicherungsvertrag in diesem Sinne auszulegen ist (Prölss/Martin,a.a.O., nach § 48 Anm. 1 B).

Hat der Makler hingegen keine Vermittlungstätigkeit entfaltet, erwirbt er dennoch durch die Übernahme der Verwaltung und Betreuung einen Courtageanspruch gegen den Versicherer, wenn dieser der courtagepflichtigen Tätigkeit als ganzer zustimmt, (Prölss-Martin, a.a.O., nach § 48 Anm. 1 B, C). Daraus folgt zugleich, daß das Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Makler kein unzulässiger Vertrag zu Lasten des Versicherers ist.

Eine solche Zustimmung lag im vorliegenden Falle darin, daß die Beklagte auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung der Parteien aus dem Jahre 1955 und der bestehenden Gruppenversicherungsverträge bis zum 31.12.1989 nicht nur Abschlußprovisionen, sondern auch Bestandspflegegelder an die Klägerin zahlte.

Ihre somit begründete Zahlungspflicht entfällt hinsichtlich der streitgegenständlichen Gruppenversicherungsverträge nicht durch die von ihr zum 31.12.1989 ausgesprochene Kündigung des gesamten Vertragsverhältnisses.

Diese Kündigung entfaltete nur Wirkung in Hinsicht auf Neuabschlüsse außerhalb der bestehenden Gruppenversicherungsverträge.

Denn grundsätzlich ist das Maklerverhältnis für die ganze Zeit des Versicherungsvertrages vorgesehen. Es ist vom Versicherer nur aus wichtigem Grunde kündbar (Bruck-Möller, a.a.O., vor §§ 43 bis 48, Anm. 117).

Die Beklagte hat indessen keine Umstände vorgetragen, die eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde rechtfertigen könnten.

Sie war auch nicht kraft Handelsbrauchs zur Kündigung des Doppelrechtsverhältnisses berechtigt.

Denn es hat sich im Bereich der Lebensversicherung kein Handelsbrauch herausgebildet, wonach der Versicherer die Verwaltung und Betreuung des Versicherungsnehmers durch den Makler kündigen kann, so daß die ehemals vom Versicherungsunternehmen übernommene Pflicht zur Zahlung des Bestandspflegegeldes entfällt, obwohl der Makler die Verwaltung und Betreuung im Einvernehmen mit dem Versicherungsnehmer fortsetzt.

Ein Handelsbrauch bildet sich heraus durch eine tatsächliche Übung über einen gewissen Zeitraum und die Zustimmung der Beteiligten (Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 28. Aufl., § 346 Anm. 2 a)

Dem Gutachten des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen vom 31.8.1952 ist kein Handelsbrauch mit dem von der Beklagten behaupteten Inhalt zu entnehmen. Dort heißt es, in der Lebensversicherung lasse sich mit Bestimmtheit ein Handelsbrauch ausschließen, wonach auch nach Beendigung des Vermittlerverhältnisses noch eine Folgeprovision zu gewähren sei.

Daraus folgt indessen nicht im Wege des Umkehrschlusses, es bestehe ein Handelsbrauch, daß das Doppelrechtsverhältnis mit der Folge des Wegfalls des Bestandspflegegeldes vom Versicherer ohne weiteres gekündigt werden könne.

Die in dem Rundschreiben vom 22.2.1988 festgehaltenen Ermittlungen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft betreffen Fragen der Courtagen beim Wechsel des Vermittlers.

In seinem Quartalsbericht 4/89 behandelt der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft die Fallgestaltung, daß ein gesondertes Vertragsverhältnis zwischen dem Versicherer und dem Makler begründet wurde, das sodann von einem der Vertragsparteien gekündigt wird. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft hingegen ein Auftragsverhältnis zwischen Versicherungsnehmern der Beklagten und dem Makler, wobei die Beklagte gewohnheitsrechtlich die Courtage in der Vergangenheit geleistet hat.

Letztendlich hat auch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 12.11.1992 die Herausbildung eines Handelsbrauches des von der Beklagten behaupteten Inhalts nicht bestätigt.

Denn es hat lediglich die Rechtsauffassung vertreten, die Zahlung eines Bestandspflegegeldes erfordere eine gesonderte Vereinbarung zwischen dem Vermittler und dem Versicherer und werde nur für diesen entlastende Tätigkeit geschuldet. Betreuungstätigkeiten des Maklers für den Versicherungsnehmer dürften nach aufsichtsrechtlichen Grundsätzen in der Gruppenversicherung nicht vom Versicherer entgolten werden. Denn im Gruppenversicherungsvertrag verpflichte sich der Arbeitgeber, die Beratung und Betreuung der versicherten Person selbst zu übernehmen.

Ein Handelsbrauch liege deshalb nicht vor, weil redliche Versicherungskaufleute nicht auf Vertragsklauseln beharrten, die die Versichertengemeinschaft schädigten und weil die Versicherungswirtschaft die für die Tarifierung maßgebenden Umstände, so auch die Richtlinien der Sondervergütungen und Begünstigungsverträge zu beachten habe.

Diese Schlußfolgerungen teilt der Senat so nicht. Denn sie beruhen auf tatsächlichen Voraussetzungen, die hier nicht vorliegen.

So enthalten die streitgegenständlichen Gruppenversicherungsverträge keine Verpflichtung der Arbeitgeber zur Beratung und Betreuung ihrer Mitarbeiter in versicherungstechnischen Belangen. Vielmehr wird der gesamte Geschäftsverkehr nach den Regelungen in § 9 der Verträge zwischen dem Arbeitgeber bzw. der vor ihm bevollmächtigter der Klägerin als Makler und dem Versicherer geführt.

Durch die Einbeziehung der Klägerin als Maklerin in die Gruppenversicherungsverträge wird aber deutlich, daß die Beklagte mit der Betreuung der Versicherungsnehmer durch die Mäklerin einverstanden war.

Demgemäß entfaltet die Klägerin keine Tätigkeit zu Lasten der Versichertengemeinschaft, die von den einzelnen Versicherungsnehmern selbst zu erbringen wäre.

Überdies wird das Bestehen eines Handelsbrauches in der gutachterlichen Stellungnahme vom 12.11.1992 nur an eine Vermutung für redliches Verhalten geknüpft, das aufsichtsrechtlichen Grundsätzen genügt. Für das Bestehen einer tatsächlichen, nicht nur einer vermuteten Übung über einen gewissen Zeitraum unter Zustimmung der Beteiligten gibt die gutachterliche Stellungnahme aber keinen Anhalt.

Eine ergänzende oder neue Begutachtung ist nicht veranlaßt, denn das Gutachten ist nicht ungenügend, § 412 Abs. 1 ZPO. Es vermittelt vielmehr die Überzeugung, daß der von der Beklagten behauptete Handelsbrauch nicht besteht.

Die auf den Maklerverträgen der Klägerin mit den Versicherungsnehmern der Beklagten und auf Gewohnheitsrecht beruhende Vereinbarung, wonach das Bestandspflegegeld für die Betreuung der Versicherungsnehmer von der Beklagten zu zahlen ist, ist nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig.

Es mag dahingestellt bleiben, ob die Versicherungsnehmer der Beklagten, nämlich die durch die vertragliche Übernahme von Beratungs- und Betreuungsleistungen durch die Klägerin gegen von der Beklagten zu leistendes Entgelt Sondervergütungen oder Vorteile erhalten, deren Gewährung nach Ziff. I der Anordnung des Reichsaufsichtsamtes für Privatversicherung vom 8.3.1934 (Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger Nr. 58 vom 9.3.1934, S. 3) in der Auslegung des Rundschreibens R 1/73 des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen verboten ist.

Denn dieses Verbot, richtet sich an das Versicherungsunternehmen bzw. an den Versicherungsvermittler.

Adressat ist demgemäß nur der eine Vertragsteil des Rechtsgeschäftes, nicht aber die Versicherungsnehmer.

Ist das Rechtsgeschäft aber nur für einen Teil verboten, ist das verbotswidrige Geschäft in der Regel gültig (Palandt-Heinrichs,BGB, 52. Aufl., § 134 Rdn. 9).

Aus dem Zweck des Verbots ist nichts Abweichendes herzuleiten. Vielmehr sind die streitigen Rechtsgeschäfte auch deshalb nicht nichtig, weil sich aus dem Gesetz "ein anderes ergibt".

So ist daraus, daß die Aufsichtsbehörde zur Durchsetzung der Zwecke der Rechtsverordnung vom 8.3.1934 nicht zur Festsetzung von Zwangsgeld verpflichtet ist, sondern dies in ihrem pflichtgemäßen Ermessen steht (kann), die Schlußfolgerung zu ziehen, dass das Verbot zur Gewährung von Sondervergütungen und sonstigen Vorteilen kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB ist.

Die Rechtsgeschäfte sind auch weder nach ihrem Inhalt noch nach ihrem Gesamtcharakter nach § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Denn grundlegende Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung sind nicht tangiert.

Letztendlich verstößt die Geltendmachung der Ansprüche auch nicht gegen Treu, und Glauben, § 242 BGB.

Ein etwaiger Verstoß der Klägerin gegen das Verbot, Versicherungsnehmern Sondervergütungen zu gewähren, läßt die Durchsetzung des Anspruchs nicht als unzulässige Rechtsausübung erscheinen; denn der Beklagten würde ein gleichartiger Verstoß zur Last fallen.

Die Forderung der Klägerin ist nach. §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB, 352 HGB mit 5 % seit dem 9.4.1991 zu verzinsen. Ein darüber hinausgehender Schaden ist nicht dargelegt.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Die Beschwer der Beklagten war gemäß § 546 II ZPO festzusetzen, wobei der am 12.11.1993 verkündete Tenor insoweit zu ergänzen war (§ 319 ZPO).

RechtsgebieteVersicherungsmaklerrecht, Bestandspflegegeld, HGB, VVGVorschriften§§ 43-48 VVG, §§ 93 ff. HGB

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