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16.06.2008 · IWW-Abrufnummer 081878

Finanzgericht Hamburg: Beschluss vom 11.01.2008 – 5 V 64/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


5 V 64/07

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Höhe der gemäß 7g Abs. 7 i. V. m. Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - zu berücksichtigenden Ansparrücklage.

Der Antragsteller betätigte sich ab September 2004 und im Streitjahr als Unternehmensberater. Sein Aufgabenfeld umfasste die Beratung von Unternehmen anhand von wirtschaftsstatistischen und wirtschaftsrelevanten Daten. Durch den Aufbau eines eigenen Handelsinformationssystems und die Verwaltung eines entsprechenden Datenbestandes sollen in der Zukunft neue Einnahmequellen durch "On-Demand-Business-Solutions" erschlossen werden.

Für das Streitjahr ermittelte der Antragsteller seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Mit der Einkommensteuererklärung 2005 vom 03.01.2007 reichte der Antragsteller einen betrieblichen Investitionsplan für Anschaffungen bis 2010 mit dem Datum 14.12.2005 ein. Darin listete er diverse Investitionsgüter mit einem voraussichtlichen Gesamtanschaffungspreis von 156.095,-- € auf. Diese Gesamtsumme trug der Antragsteller dann in voller Höhe in die Zeile 52 "Bildung von Rücklagen und/oder Ansparabschreibung" der Anlage EÜR ein.

Mit Schreiben vom 20.02.2007 wies der Antragsgegner den Antragsteller darauf hin, dass von der Ansparrücklage lediglich 40 v. H. gem. § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG, dies entsprach 62.438,-- €, berücksichtigt würden. Mit Schreiben vom 22.02.2007 legte der Antragsteller einen geänderten Investitionsplan für betriebliche Anschaffungen bis 2010 mit dem Datum 30.12.2005 vor. In diesem wurden nunmehr u. a. drei Großrechner mit voraussichtlichen Anschaffungskosten von je 75.000,-- € aufgelistet, so dass sich die Gesamtinvestitionshöhe auf 400.005,-- € erhöhte.

Mit Bescheid vom 02.03.2007 setzte der Antragsgegner die Einkommensteuer 2005 auf 31.382 € fest; nach Abzug von Kapitalertragsteuer und Zinsabschlag ergab sich ein verbleibender Betrag in Höhe von 31.318 €. Dieser Betrag wurde von dem Antragsteller inzwischen in voller Höhe entrichtet.

Mit Schreiben vom 08.03.2007, eingegangen am selben Tag, legte der Antragsteller gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass seine Steuerberaterin irrtümlich nicht den endgültigen, sondern einen vorläufigen Investitionsplan eingereicht habe. Da der vorläufige Investitionsplan ungefähr 40% des endgültigen Investitionsplans betrage, habe er den Fehler bei Einreichung nicht bemerken können. Die Ansparrücklage sei in Höhe von 40 v. H. auf die Investitionssumme des Investitionsplanes vom 30.12.2005 begründet. Zugleich beantragte er die Aussetzung der Vollziehung. Mit Schreiben vom 05.04.2007 lehnte der Antragsgegner den Aussetzungsantrag ab.

Am 04.05.2007 hat sich der Antragsteller zum Zwecke der Aussetzung der Vollziehung an das Gericht gewandt.

Der Antragsteller trägt vor:

Er habe nicht nachträglich eine erhöhte Investitionszulage beantragt, sondern nachträglich den Investitionsplan vervollständigt, da er anfänglich davon ausgegangen sei, dass für eine Rücklage in Höhe von 156.095,-- € auch nur eine Investitionssumme in gleicher Höhe erforderlich wäre. Er habe dementsprechend Investitionen nur in dieser Höhe aufgeführt.

Der Gesetzgeber habe Existenzgründern die Möglichkeit eingeräumt, Rücklagen bereits fünf Jahre vor Investitionsbeginn in die Gewinnermittlung einzustellen. Eine Bestellung der Wirtschaftsgüter fünf Jahre im Voraus, die nach dem Willen des Gesetzgebers erst fünf Jahre später angeschafft zu werden bräuchten, sei wirklichkeitsfremd und mit den Intentionen des Gesetzgebers nicht vereinbar.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Bescheides für 2005 über Einkommensteuer aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner trägt vor:

Er müsse aufgrund der Darstellung des Antragstellers davon ausgehen, dass es sich bei den geplanten Investitionen der drei Großrechner um eine wesentliche Erweiterung des bestehenden Betriebes handelt. In diesem Zusammenhang werde auf das Urteil des BFH vom 19.09.2002 (X R 51/00) und die BMF-Schreiben vom 25.02.2004 sowie vom 30.09.2004 verwiesen. Danach könnten im Erweiterungszeitraum Rücklagen nach § 7g Abs. 3 ff. EStG nur gebildet werden, wenn die Investitionsentscheidungen hinsichtlich der für die Erweiterung erforderlichen Betriebsgrundlagen am Ende des Jahres, für das die Rücklage gebildet werde, ausreichend konkretisiert seien. Dabei sei erforderlich, dass das Wirtschaftsgut, für das die Rücklage gebildet werde, bis zum Ende des Jahres der Rücklagenbildung verbindlich bestellt worden sei.

Der Antragsteller habe zudem nicht glaubhaft darlegen können, dass der endgültige Investitionsplan vom 30.12.2005 durch einen Fehler seiner Rechtsanwältin nicht eingereicht worden sei. Vielmehr müsse er sich einen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler seiner Anwältin zurechnen lassen.

Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten Band I zur Steuernummer ...vorgelegen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen oder wenn - was im Streitfall von dem Antragsteller nicht geltend gemacht worden ist - dessen Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung (§ 69 Abs. 2 S. 8 FGO).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - z. B. Beschluss vom 8. März 2006, V B 156/05, BFH/NV 2006, 1527).

Im Streitfall bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2005. Der Antragsgegner hat nach summarischer Prüfung zu Recht die Berücksichtigung einer höheren Ansparrücklage gemäß § 7g EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung abgelehnt.

1. Nach § 7g Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige unter den dort geregelten Voraussetzungen für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage (Ansparabschreibung) bilden. Nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG darf die Ansparrücklage 40 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird. Wenn die Rücklage von einem Existenzgründer im Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung und den fünf folgenden Wirtschaftsjahren (Gründungszeitraum) gebildet wird, ist § 7g Abs. 3 EStG u.a. mit der Maßgabe anzuwenden, dass das begünstigte Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen voraussichtlich bis zum Ende des fünften auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs angeschafft oder hergestellt wird (§ 7g Abs. 7 EStG).

Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung darüber, ob und ggf. wie nachzuweisen oder glaubhaft zu machen ist, dass eine Investition i.S. von § 7g Abs. 7 i.V.m. Abs. 3 und 1 EStG beabsichtigt ist. Der Steuerpflichtige ist nicht gehalten, die Absicht einer Investition nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen. Das Tatbestandsmerkmal "voraussichtlich" des § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG, das auch für eine Existenzgründerrücklage nach § 7g Abs. 7 EStG gilt, erfordert aber eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen. Die Prognoseentscheidung ist bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn - wie im Streitfall - nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, aus der Sicht des Endes des Gewinnermittlungszeitraums zu treffen. Hieraus folgt, dass die "voraussichtliche" Investition von Gesetzes wegen hinreichend konkretisiert sein muss. Ob dies zutrifft, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Wird die Ansparrücklage für die Anschaffung wesentlicher Betriebsgrundlagen eines noch zu eröffnenden Betriebes gebildet, setzt die hinreichende Konkretisierung voraus, dass diese wesentlichen Betriebsgrundlagen am maßgeblichen Stichtag bereits verbindlich bestellt worden sind. Denn es soll eine ungerechtfertigte Förderung durch gleichsam "ins Blaue hinein" gebildete Ansparrücklagen vermieden werden (vgl. BFH Urteil vom 28.06.2006 III R 40/05, BFH/NV 2006, 2058). Diese Einschränkung wird aber auch auf bestehende Betriebe bezogen, soweit das Investitionsvorhaben zu einer wesentlichen Betriebserweiterung führt; die wesentliche Erweiterung ist in Anlehnung an die handelsrechtliche Wertung der "Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs" gleichzusetzen (vgl. § 269 des Handelsgesetzbuchs -HGB -, BFH Urteile vom 19.09.2002 X R 51/00, BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184; vom 11.07.2007 I R 104/05, BFH/NV 2007, 1986).

2. Nach diesen Maßstäben ist für den Streitfall davon auszugehen, dass die "voraussichtliche" Investition nicht hinreichend konkretisiert war. Nach summarischer Prüfung durfte der Antragsteller jedenfalls eine höhere Ansparabschreibung, als im streitigen Bescheid berücksichtigt, nicht bilden. Er hat es versäumt, den Nachweis einer verbindlichen Bestellung der geltend gemachten Wirtschaftsgüter, die wesentliche Betriebsgrundlagen für sein Unternehmen darstellten, zu erbringen.

a) Da für den erkennenden Senat trotz der umfangreichen Ausführungen des Antragstellers zu den beabsichtigten künftigen Tätigkeitsmerkmalen seines Gewerbebetriebs im summarischen Verfahren nicht erkennbar ist, welche Art Umsätze der Antragsteller im Einzelnen in 2005 getätigt hat, muss in diesem Verfahren offen bleiben, ob es sich bei den von ihm geltend gemachten Wirtschaftsgütern noch um solche handelt, die der Phase der Betriebseröffnung zuzuordnen wären, oder ob ihre Anschaffung bereits eine wesentliche Betriebserweiterung darstellte. Es kann dahin stehen, ob, nachdem im Jahr 2004 keine Einnahmen erzielt wurden, zum 31.12.2005 die Phase der Betriebseröffnung bereits überschritten war. Die in dieser Zeitspanne geltenden strengeren Anforderungen an die Konkretisierung der vorgeblich geplanten Investitionen gelten jedenfalls gleichermaßen für den Fall, dass der Antragsteller durch diese Investitionen eine wesentliche Erweiterung seines bereits bestehenden Betriebes plante.

b) Im Streitfall plante der Antragsteller nach seinen Darstellungen, bestehende Geschäftsmodelle auszuweiten und zugleich neue Märkte durch das Angebot neuartiger Produkte zu erschließen. Es handelte sich im Streitjahr um einen "Einmann-Betrieb" ohne jeden Mitarbeiter und ohne materielles Anlagevermögen. Da der Antragsteller ausweislich der Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 2005 kein Personal beschäftigte, seine Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer ausübte, keinen Pkw in seinem Betriebsvermögen führte und auch nicht bereits über das Material für die Ausübung der von ihm angestrebten Tätigkeit im Bereich des "On-Demand-Business" verfügte, würde unter anderem die Anschaffung von sechs Konferenzstühlen (2.100 €), einem Konferenztisch (5.300 €), einem zusätzlichen Laptop (6.500 €), zweier zusätzlicher Schreibtischkombinationen (2.900 €), zweier zusätzlicher Working-Station Rechner (3.800 €), zweier zusätzlicher Bildschirme (2.400 €) und dreier Großrechner (225.000 €), was zusammen eine Investitionssumme von 250.400 € ergibt, zu einer wesentlichen Betriebserweiterung führen und eine verbindliche Bestellung zum Ende des Jahres 2005 erfordert haben. Die vorgeblich geplanten Investitionen von insgesamt 400.005 € stellen neben einer beträchtlichen Expansion somit auch eine Investitionsgröße dar, welche mit der Neugründung von Betrieben vergleichbar ist oder dieser zumindest nahe kommt. Unter den Gegebenheiten des Streitfalles hätte es zum Zwecke der gebotenen Konkretisierung der Investitionen seitens des Antragstellers deshalb bedurft, dass er die betreffenden Investitionsgüter am maßgeblichen Zeitpunkt (31.12.2005) bereits verbindlich bestellt gehabt hätte. Da dies nicht geschehen ist, waren jedenfalls von den insgesamt 400.005 € vorgeblich geplanter Investitionen keine höheren einer Ansparrücklage von 40% zu Grunde zu legen, als von dem Beklagten mit 156.095 € berücksichtigt.

c) Der Umstand dass es sich bei dem Antragsteller um einen Existenzgründer nach § 7g Abs. 7 EStG handelt, lässt keine abweichende Beurteilung zu. Zwar hat der Gesetzgeber der Gruppe der Existenzgründer einen erweiterten Rahmen hinsichtlich des Investitionszeitraums, der Investitionshöhe und des "Strafzuschlags" zur Verfügung gestellt, um die oben beschriebenen Ziele zu forcieren. Unbenommen hiervon gelten aber auch für Existenzgründer die gleichen Anforderungen an die Bildung einer Ansparrücklage nach § 7g Abs. 7 i. V. m. Abs. 3 EStG wie für Nicht-Existenzgründer, welche die Ansparrücklage nur nach § 7g Abs. 3 EStG bilden können.

3. Danach kann schließlich unerörtert bleiben, ob der Antragsteller in der vorgesehenen Zeit die geplanten Investitionen überhaupt hätte finanzieren können.

Ebenfalls kann dahin stehen, ob bereits aufgrund der "Ergänzung/Nachreichung" des Investitionsplanes im Einspruchsverfahren, welcher zu einer signifikant höheren Ansparrücklage führen sollte, erhöhte Anforderungen an die Konkretisierung zu stellen sind. Jedenfalls liegt nach Auffassung des erkennenden Senats die Vermutung nahe, dass, nach Aufdeckung des Irrtums über eine nur zu 40 v. H. anzusetzende Ansparrücklage, entsprechende Investitionsgüter nur deshalb nachgeschoben wurden, um einen entsprechenden Progressionseffekt zu erzielen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Beschwerde folgt aus § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 FGO.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 7g

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