30.05.2008 · IWW-Abrufnummer 081674
Finanzgericht München: Urteil vom 19.02.2008 – 9 K 1524/05
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Az.: 9 K 1524/05
Finanzgericht München
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache XXX
Wegen Einkommensteuer 1999
hat der 9. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung
XXX
auf Grund mündlicher Verhandlung vom 19. Februar 2008 für Recht erkannt:
1. In Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 vom 24. Januar 2005 und der hierzu erlassenen Einspruchsentscheidung vom 11. März 2005 wird die Einkommensteuer auf 3.332,60 € herabgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu ¾ und der Beklagte zu ¼.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung der Kosten einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten.
Der ledige Kläger erzielte im Streitjahr als angestellter Rechtsanwalt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seit 1992 wohnte er in einer angemieteten Zwei-Zimmer-Wohnung in B, die im Eigentum seiner Eltern stand. Laut Mietvertrag vom 17. November 1992 hatte die Wohnung eine Wohnfläche von 65 qm, die Miete betrug monatlich 600 DM zuzüglich 100 DM für Nebenkosten. Infolge eines Arbeitsplatzwechsels nach A mietete der Kläger ab 1. Juni 1998 eine Drei-Zimmer-Wohnung in A. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Mietvertrag vom 29. Mai 1998 Bezug genommen. Die monatliche Miete betrug einschließlich Nebenkosten 1.379,10 DM. Aufgrund eines mit einem Kabelfernsehunternehmen abgeschlossenen Vertrags entrichtete der Kläger für den Kabelanschluss in der Wohnung in A ein monatliches Entgelt von 21,18 DM.
In der Einkommensteuererklärung 1999 machte der Kläger Kosten für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von 41.376,95 DM geltend. Diese Kosten setzen sich zusammen aus Mietaufwendungen in Höhe von 16.812 DM, Kosten für 50 Familienheimfahrten in Höhe von 21.700 DM (620 km x 0,70 DM x 50), Anschaffungskosten in Höhe von 189,50 DM für eine elektrische Zahnbürste sowie die Hälfte der Anschaffungskosten eines in 1999 für 3.200 DM erworbenen Metallbetts und einer in 1998 für 2.149 DM erworbenen Miele-Waschmaschine (1.600 DM und 1.075 DM).
Das für den Kläger damals zuständige Finanzamt A forderte ihn u.a. auf, ein Fahrtenbuch oder Unterlagen, z.B. Werkstattrechnungen oder TÜV-Berichte vorzulegen, aus denen der Kilometerstand seines Fahrzeugs ersichtlich sei. Aufwendungen für die Anschaffung des Bettes seien nicht zu berücksichtigen, da aus der Rechnung der Rechnungsaussteller nicht erkennbar sei. Die Kosten der elektrischen Zahnbürste seien als Kosten der privaten Lebensführung nicht abzugsfähig. Aufwendungen für die Anschaffung der Waschmaschine seien nicht zu berücksichtigen, da die Ausgaben bereits 1998 abgeflossen seien.
Der Kläger teilte dem Finanzamt A mit, dass der Kilometerstand seines Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen ABC, das er am 27. Mai 1998 mit einem Kilometerstand von ca. 11.000 km angeschafft habe, derzeit ca. 100.000 km betrage. Ein Fahrtenbuch werde nicht geführt, auch ein aktueller Werkstattbericht liege nicht vor. Hersteller, Lieferant, Rechnungsaussteller und Empfänger der Zahlung für das Bett sei die Firma Planung, Service und Vertrieb von Inneneinrichtungen Inhaber Dipl.-Ing. C D in E. Die Anschaffungskosten der in 1998 angeschafften Waschmaschine seien im Rahmen der AfA auf 2 Jahre zu verteilen.
Das Finanzamt A erließ am 24. April 2001 den Einkommensteuerbescheid 1999 und erkannte darin u.a. die Kosten der doppelten Haushaltsführung nicht an, weil diese dem Grunde nach nicht gegeben sei.
Dagegen erhob der Kläger Einspruch und wandte sich dabei insbesondere gegen die Nichtanerkennung des Werbungskostenabzugs für doppelte Haushaltsführung. In B, so der Kläger, habe sich sein Lebensmittelpunkt befunden; hier lebten seine Familie, Lebensgefährtin, Freunde und Bekannte. Diese könnten seine regelmäßigen wöchentlichen Besuche bestätigen. Das infolge Wohnsitzwechsel zuständig gewordene beklagte Finanzamt (das Finanzamt – FA -) forderte den Kläger auf, Zahlungsnachweise für die Mietzahlungen vorzulegen und ggf. Kostenerstattungen von dritter Seite zu erklären. Außerdem vertrat es die Auffassung, dass die geltend gemachten 50 Heimfahrten nach B bisher nicht nachgewiesen worden seien und angesichts der nicht unerheblichen Entfernung, der erklärten Fahrleistungen seit Anschaffung des Kfz und der Urlaubs- und Krankheitstage nur ein Ansatz von 10 Familienheimfahrten – dies entspricht Fahrtkosten von 4.340 DM – glaubhaft und angemessen erscheine.
Der Kläger teilte daraufhin mit, die Miete in A sei per Dauerauftrag gezahlt worden, von dritter Seite seien keine Kosten ersetzt worden. Zum Nachweis der Mietzahlungen legte er teilweise geschwärzte Kopien der Kontoauszüge vor. Für die Fahrten nach B sei ihm neben dem eigenen Kfz noch das Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen XYZ zur Verfügung gestanden, dessen Halter H. F gewesen sei.
Das FA gab mit Bescheid vom 24. Januar 2005 dem Einspruch teilweise statt und erkannte die Kosten der doppelten Haushaltsführung in Höhe von 13.488 DM als Werbungskosten an. Das FA begründet dies damit, dass die doppelte Haushaltsführung zwar dem Grunde nach anzuerkennen sei, bei der Beurteilung der Notwendigkeit der geltend gemachten Aufwendungen jedoch zu berücksichtigen sei, dass der Kläger am Ort des eigenen Hausstandes in B eine Zwei-Zimmer-Wohnung für 700 DM, am Beschäftigungsort in A jedoch eine Drei- Zimmer-Wohnung für 1.379,10 DM angemietet habe. Als notwendige Mehraufwendungen seien nur 50% der Miete anzusetzen, was in etwa der Miete in B entspreche. Wöchentliche Fahrten von A nach B seien weder nachgewiesen noch, z.B. anhand der Gesamtfahrleistung, schlüssig glaubhaft gemacht worden, so dass nur 12 Fahrten zu berücksichtigen seien.
Da sich der Kläger zu dem Änderungsbescheid nicht äußerte, erließ das FA am 11. März 2005 eine Einspruchsentscheidung und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kürzung der Kosten der doppelten Haushaltsführung sei, so der Kläger, zu Unrecht erfolgt. Er sei seiner Mitwirkungspflicht stets nachgekommen und habe alle angeforderten Unterlagen und Informationen, soweit ihm dies möglich gewesen sei, zur Verfügung gestellt. Im Hinblick darauf, dass sich das FA auf seine wiederholten Anfragen, ob es die geltend gemachten Heimfahrten als nachgewiesen ansehe bzw. was zur Glaubhaftmachung noch verlangt werde, nie geäußert habe, sei das nunmehrige Berufen des Beklagten auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abgabenordnung (AO) bzw. auf fehlende Glaubhaftmachung selbst dann, wenn diese tatsächlich vorliegen würde, geradezu treuwidrig. Umso mehr gelte dies, wenn wie hier die Mitwirkungspflichten erfüllt worden seien. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum die durchgeführten 50 Familienheimfahrten von A nach B nicht glaubhaft gemacht sein sollten. Er habe die Gesamtfahrleistung des Kfz ABC mit ca. 100.000 km angegeben und zur Glaubhaftmachung eine Inaugenscheinnahme des Kilometerzählers angeboten und als Anschaffungsdatum den 27. Mai 1998 mitgeteilt. Mit dem eigenen Fahrzeug seien demnach in ca. 2,5 Jahren ca. 100.000 km, somit durchschnittlich ca. 40.000 km jährlich zurückgelegt worden. Darüber hinaus sei ihm zumindest ein weiteres Fahrzeug zur Nutzung zur Verfügung gestanden, so dass eine jährliche Gesamtfahrleistung von ca. 62.000 km durchaus nachvollziehbar sei. Er habe das FA bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass Werkstattrechnungen und TÜV-Berichte nicht zur Verfügung stünden. Vielmehr sei bei einer Zugrundelegung von lediglich 12 Heimfahrten à 1.240 km, somit insgesamt jährlich ca. 14.000 km, nicht schlüssig erklärbar, wie die Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs von ca. 100.000 km in ca. 2,5 Jahren zustande gekommen sei. Auch habe dem FA eine Bestätigung des Halters des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen XYZ vorgelegen. Dieses Fahrzeug sei inzwischen nicht mehr im Besitz der ehemaligen Eigentümer. Unterlagen hinsichtlich der Gesamtfahrleistung lägen insoweit nicht vor. Das Fahrzeug habe zum Ende des Jahres 1999 eine geschätzte Gesamtfahrleistung von ca. 40.000 bis 50.000 km gehabt und sei nach seiner Erinnerung im Jahr 1993 erstzugelassen worden. Seine Eltern könnten sowohl seine wöchentlichen Besuche in B bestätigen wie auch den Umstand, dass die Reisen von A nach B und zurück mit Kraftfahrzeugen durchgeführt worden seien.
Auch die Bedenken des FA gegen die Angemessenheit bzw. die berufliche Veranlassung des Unterhalts einer Wohnung in vorliegender Größe in A könnten nicht nachvollzogen werden. Er bewohne seit 1992 eine 2,5 Zimmer-Wohnung in B, welche im Eigentum seiner Eltern stehe. Als er die Wohnung bezogen habe, habe er sich in der Referendarausbildung befunden. Die monatliche Warmmiete von 700 DM bleibe im Rahmen des Zulässigen hinter der ortsüblichen Vergleichsmiete für ein vergleichbares Mietobjekt zurück. Er habe die Wohnung in B im Veranlagungszeitraum 1999 lediglich am Wochenende, somit durchschnittlich 2 Tage in der Woche benutzt. Vor diesem Hintergrund habe kein Erfordernis bestanden, in eine größere Mietwohnung zu wechseln. Am Beschäftigungsort habe er seit Juni 1998 eine Drei-Zimmer-Wohnung bewohnt, welche in Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer aufgeteilt gewesen sei. Er sei im fraglichen Zeitraum 33 Jahre alt und als Rechtsanwalt tätig gewesen, so dass eine Trennung von Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer unter diesem Gesichtspunkt keinesfalls unangemessen sei. Auch habe er außerhalb seines Büros ein häusliches Arbeitszimmer gebraucht. Ihm sei weder zumutbar gewesen, den erforderlichen Arbeitsbereich in einer Ecke des Wohn- bzw. Schlafzimmers einzurichten, noch in seinem Wohnzimmer gleichzeitig seinen Schlafbereich einzurichten. Die monatliche Warmmiete von 1.379,10 DM entspreche der ortsüblichen Vergleichsmiete für Mietobjekte gleicher Art, Größe und Ausstattung. Er habe die Wohnung am Beschäftigungsort durchschnittlich 5 Tage in der Woche genutzt.
Zu Unrecht seien auch die sonstigen im Zusammenhang mit der doppelten Haushaltsführung entstandenen Kosten nicht berücksichtigt worden. Er habe aufgrund der doppelten Haushaltsführung insbesondere ein Bett (Anschaffung 1999, Kaufpreis 3.200 DM) sowie eine Waschmaschine (Anschaffung 1998, Kaufpreis 2.150 DM) zusätzlich anschaffen müssen. Die Kosten seien jeweils hälftig, somit in Höhe von 1.600 DM und 1.075 DM im Veranlagungszeitraum in Ansatz gebracht worden. Die zweite Hälfte der Kosten sei bezüglich der Waschmaschine im Veranlagungszeitraum 1998 vom Finanzamt A, bezüglich des Bettes im Veranlagungszeitraum 2000 vom FA als Werbungskosten im Zusammenhang mit der doppelten Haushaltsführung anerkannt worden.
Der Ansatz der Pauschbeträge führe auch nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung. Er sei ausschließlich unter der Voraussetzung zur weiteren Berufsausübung nach A gewechselt, dass sein Lebensmittelpunkt weiterhin in B bleibe und die Aufrechterhaltung sozialer Kontakte durch regelmäßige Heimfahrten sichergestellt sei. Weiterhin sei die Berufsausübung in A nach seinem Willen von Anbeginn an auf einen Zeitraum von ca. 2 Jahren begrenzt gewesen, welcher sich dann unvorhergesehen auf 3,5 Jahre verlängert habe. Vor diesem Hintergrund habe für ihn festgestanden, dass er unter diesen Voraussetzungen über einen überschaubaren Zeitraum erhebliche finanzielle Belastungen auf sich zu nehmen habe und die Einkunftserziehlung insoweit möglicherweise als unwirtschaftlich zu betrachten sei. Ungeachtet der wirtschaftlichen Belastungen sei die berufliche Tätigkeit in A jedoch unter anderen Gesichtspunkten, insbesondere für das berufliche Weiterkommen, für ihn sinnvoll und erforderlich gewesen. Im Hinblick auf ein etwaiges Missverhältnis zwischen seinem Bruttolohn und den begehrten Pauschbeträgen sei zu berücksichtigen, dass ihm zum einen ein Dispositionskredit auf seinem Girokonto in Höhe von 14.500 DM eingeräumt gewesen sei, welcher auch in Anspruch genommen worden sei und er zum anderen während seines Aufenthalts in A von seinen Eltern habe wirtschaftlich unterstützt werden müssen.
Der Kläger beantragt,
in Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 24. Januar 2005 und der hierzu erlassenen Einspruchsentscheidung vom 11. März 2005 weitere Werbungskosten in Höhe von 27.699 DM anzuerkennen und die festgesetzte Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt
die Klage abzuweisen und verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt es vor, Fahrleistungen für Familienheimfahrten von 62.000 km seien nicht nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht worden. Der Kläger habe laut Schreiben vom 25. Januar 2001 den Kilometerstand des Fahrzeugs ABC zu diesen Zeitpunkt mit ca. 100.000 km angegeben und mitgeteilt, dass es am 27. Mai 1998 mit einem Kilometerstand von ca. 11.000 km angeschafft worden sei. Die Gesamtfahrleistung betrage damit in 2,5 Jahren ca. 89.000 km, bei gleichmäßiger zeitlicher Verteilung der Fahrleistung ergäben sich somit weniger als die in der Klagebegründung angegebenen 40.000 km jährlich. Allein die Summe der Fahrleistungen für die erklärten Familienheimfahrten in 1998 (ca. 38.000 km) und in 1999 (62.000 km) ergäbe eine Fahrleistung von 100.000 km. Noch nicht berücksichtigt seien dabei die Fahrleistungen im Jahr 2000 und die Privatfahrten. Nachweise zur Gesamtfahrleistung in Form von Fahrtenbuch, Werkstattrechnungen, TÜV-Berichte oder anderen Unterlagen seien nicht erbracht worden. Auch wenn der Kläger die entsprechenden Belege nicht aufbewahrt habe, so hätte er zum Beweis der Fahrleistung Belegkopien der ausführenden Werkstätten etc. besorgen können. Die angebotene Inaugenscheinnahme des aktuellen Kilometerstandes sowie die Befragung der Eltern des Klägers erscheine demgegenüber als Beweis für die Gesamtfahrleistung von eher nachrangiger Bedeutung. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei bei einem Kfz nach ca. jeweils 30.000 km eine Inspektion durchzuführen, eine TÜV-Untersuchung sei drei Jahre nach der Erstzulassung in jeweils regelmäßigen Abständen fällig. Auch sei davon auszugehen, dass nach einer Fahrleistung von 100.000 km regelmäßig schon kleinere Reparaturen wie das Auswechseln von Verschleißteilen anfielen. Auch der Hinweis auf ein weiteres zur Verfügung stehendes Fahrzeug sei nicht ausreichend. Es sei ein Nachweis der Fahrleistung zur Anerkennung der Fahrtkosten erforderlich.
Der Berichterstatter hat den Kläger mit Anordnung vom 16. Januar 2007 aufgefordert, durch Vorlage des Mietvertrages, der Kontoauszüge über die gezahlte Miete und der Vorlage von Rechnungen für Strom und Telefon nachzuweisen, dass er in B über einen eigenen Hausstand verfügt und sich in B der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befunden hat. Auf das hierzu eingegangene Schreiben vom 20. März 2007 nebst Anlagen, auf die hierzu abgegebene Stellungnahme des FA vom 30. April 2007 und auf die Erwiderung des Klägers vom 4. Juni 2007 wird hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen. Mit Anordnung vom 22. Juni 2007 hat der Berichterstatter den Kläger aufgefordert, den Mietvertrag für die Wohnung in A und die vollständigen und ungeschwärzten Kontoauszüge aller Girokonten und Kreditkarten in 1999 in Original vorzulegen. Hierzu äußerte sich der Kläger nicht.
Auf die Stellungnahmen des Klägers vom 19. Dezember 2007 und des FA vom 10. Januar 2008 wird ergänzend Bezug genommen.
Der Senat hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 31. Oktober 2007 Herrn G I und Frau J I und aufgrund des Beweisbeschlusses vom 21. Januar 2008 Frau K L als Zeugen vernommen. Hinsichtlich der Aussagen der Zeugen und des weiteren Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschriften vom 5. Dezember 2007 und vom 19. Februar 2008 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur teilweise begründet.
1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Auch ein alleinstehender Arbeitnehmer kann einen doppelten Haushalt führen (BundesfinanzPs – BFH – vom 14. Oktober 2004 VI R 170/99, Bundessteuerblatt – BStBl - II 2005, 98 m.w.N.). Mit dem "Hausstand" ist der Ersthaushalt (Hauptwohnung) umschrieben, an dem sich der Arbeitnehmer - abgesehen von den Zeiten der Arbeitstätigkeit und ggf. Urlaubsfahrten - regelmäßig aufhält, den er fortwährend nutzt und von dem aus er sein Privatleben führt, d.h. wo er seinen Lebensmittelpunkt hat. Das Vorhalten einer Wohnung außerhalb des Beschäftigungsortes für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist nicht als Unterhalten eines Hausstandes zu werten (BFH-Urteil vom 9. August 2007 VI R 10/06, BStBl II 2007, 820).
Der Kläger hatte im Streitjahr in B einen eigenen Hausstand, da er hier über eine eigene Wohnung verfügte, die er von seinen Eltern gemietet hatte. Aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände geht der Senat auch davon aus, dass der Kläger seinen vor seinem Umzug nach A unstreitig in B befindlichen Lebensmittelpunkt jedenfalls im Streitjahr dort beibehalten hat. Wie die Einvernahme der Zeugen ergeben hat, war sein Aufenthalt in A ausschließlich beruflich bedingt. Seine Familie, die er bei seiner Anwesenheit in B regelmäßig besucht hat, lebte in B. Außerdem hat er sich hier mit seiner damaligen Freundin, der Zeugin F, getroffen und es befand sich sein Freundes- und Bekanntenkreis im Raum B und nicht im A Raum. Der Senat geht ferner davon aus, dass der Kläger durchschnittlich zumindest in vierzehntägigem Abstand seine Wohnung in B aufgesucht hat (vgl. dazu Ziff. 2.a), so dass er seinen sich in B befindlichen Lebensinteressen auch mit einer gewissen Regelmäßigkeit nachgehen konnte.
2. Der Kläger kann jedoch die von ihm geltend gemachten Kosten der doppelten Haushaltsführung nur zum Teil als Werbungskosten abziehen.
a) Fahrtkosten für Familienheimfahrten können nur in nachgewiesenem Umfang in Höhe der Entfernungspauschale von 0,70 DM je Entfernungskilometer abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 5 i.V.m § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG). Der Kläger trägt die Feststellungslast, wenn sich der Umfang der von ihm behaupteten Fahrten nicht nachweisen lässt (BFH-Urteil vom 23. Mai 1989 X R 17/85, BStBl II 1989, 879). Der Kläger hat nicht zur Überzeugung des Senats nachweisen können, dass er im Streitjahr 50 Familienheimfahrten durchgeführt hat. Bei 50 Familienheimfahrten hätte der Kläger bei Zugrundelegung der kürzesten Entfernung zwischen B und A von 514 km (vgl. dazu unten) in diesem Jahr 51.400 km allein aufgrund dieser Fahrten zurückgelegt. Dazu kommen die geltend gemachten 280 Fahrten von seiner Wohnung in A zur 2 km entfernten Arbeitsstätte, was 1.120 km entspricht und die mit dem Fahrzeug durchgeführten Privatfahrten. Nach seinen im Einspruchsverfahren gemachten Angaben hat er mit seinem Fahrzeug mit dem Kennzeichen ABC im Zeitraum vom 27. Mai 1998 bis 25. Januar 2001, in dem er durchgehend in A tätig war, 89.000 km zurückgelegt, durchschnittlich also 33.375 km pro Jahr (89.000 km x 12/32). Nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen der Eltern des Klägers hat er die Fahrten zwischen A und B nur mit seinem eigenen Fahrzeug, einem dunkelblauen Mercedes, durchgeführt. Von einer Benutzung des Fahrzeugs seiner damaligen Freundin, der Zeugin F, war ihnen nichts bekannt. Nach Aussage der Zeugin F hat der Kläger auch ihr Auto für die Fahrten zwischen A und B genutzt. In welchem Umfang der Kläger mit ihrem Auto gefahren ist, konnte sie jedoch nicht sagen, da sie das Auto selbst nicht benutzte und das Auto regelmäßig bei ihren Eltern abgestellt wurde, die sich auch um die Wartung des Fahrzeugs kümmerten. Da sie auch keinerlei Angaben zu den Kilometerständen des Autos machen konnte, ist es nicht nachgewiesen, dass der Kläger das Auto der Zeugin F in einem Umfang genutzt hat, der die Differenz zwischen der Kilometerleistung des Fahrzeugs des Klägers und der sich bei 50 Familienheimfahrten ergebenden Kilometerleistung erklären würde. Auch angesichts der Zeugenaussage des Vaters des Klägers, dass der Kläger, als er den Pkw im Jahr 1998 gekauft habe, bei der Wahl des Fahrzeugs berücksichtigt habe, dass er mit diesem wegen seiner Tätigkeit in A viel unterwegs sein werde, erscheint es dem Senat nicht glaubhaft dass er, nur um hohe Kilometerleistungen seines Autos zu vermeiden, in größerem Umfang das Auto seiner damaligen Freundin benutzt hat.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger, indem er sich standhaft geweigert hat, Unterlagen vorzulegen, aus denen sich die Kilometerleistungen der von ihm genutzten Fahrzeuge ableiten lassen, seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 1 AO verletzt hat. Die Verletzung abgabenrechtlicher Mitwirkungspflichten kann zur Folge haben, dass im Rahmen der Beweiswürdigung zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgegangen wird, für den die größte Wahrscheinlichkeit spricht (BFH-Beschluss vom 21. Januar 2005 VIII B 163/03, BFH/NV 2005, 835; Schöll/-Leopold/Madle/Rader, AO § 90 Rz. 14). Im Streitfall zieht daher der Senat aus der Verletzung der Mitwirkungspflicht des Klägers im Zusammenhang mit dem Nachweis der Fahrleistungen der von ihm benutzten Fahrzeuge den Schluss, dass Familienheimfahrten nicht in dem behaupteten Umfang stattgefunden haben, sondern nur in einem Umfang, der nach dem aufgeklärten Sachverhalt hinreichend wahrscheinlich ist. Die Aussagen der Eltern des Klägers, dass dieser fast jedes Wochenende bzw. überwiegend jedes Wochenende in B gewesen sei, belegen dagegen nicht hinreichend die Anzahl der vom Kläger geltend gemachten Fahrten, denn diese Aussagen sind nicht ausreichend konkret, um daraus einen hinreichend sicheren Schluss auf eine bestimmte Anzahl von Heimfahrten in einem bestimmten Jahr zuzulassen, zumal der Kläger insgesamt dreieinhalb Jahre in A tätig war.
Der Senat macht von seiner Schätzungsbefugnis nach § 96 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 162 Abs. 1 AO Gebrauch und schätzt, dass der Kläger 30 Familienheimfahrten mit dem eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeug durchgeführt hat. Dabei berücksichtigt der Senat einerseits, dass es aufgrund der Aussagen der Zeugen als hinreichend bewiesen anzusehen ist, dass der Kläger die überwiegende Anzahl der Wochenenden nach B gefahren ist, so dass von mehr als in vierzehntägigem Abstand durchgeführten Familienheimfahrten auszugehen ist. Auf der anderen Seite sprechen die nicht nachgewiesenen Fahrleistungen gegen eine höhere als die vom Senat geschätzte Anzahl der Familienheimfahrten. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in seiner Steuererklärung 1999 bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erklärt hat, 6 Tage in der Woche gearbeitet zu haben bei 280 Fahrten zwischen seiner Wohnung in A und seiner Arbeitsstätte. Die Anzahl der Urlaubs- und Krankheitstage gab er mit 25 an. Addiert man zu den 280 Arbeitstagen 25 Urlaubs- und Krankheitstage, verbleiben 60 arbeitsfreie Tage. Da der Kläger bei den Familienheimfahrten regelmäßig mindestens 2 Tage (im Normalfall Samstag und Sonntag) in B war, ergeben sich 30 Familienheimfahrten. Für diese Anzahl von Fahrten spricht somit die größtmögliche Wahrscheinlichkeit, so dass diese der Schätzung zugrunde zu legen ist (vgl. Schöll/Leopold/Madle/Rader, Abgabenordnung § 162 Rz. 20).
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, für die Fahrten zwischen B und A die Autobahn von B über M, N, O, P und R nach A gefahren zu sein. Die Entfernung beträgt auf dieser Fahrtroute nach übereinstimmendem Ergebnis mehrerer Routenplaner im Internet (Falk, ViaMichelin) 514 km. Die nicht näher substantiierten Einwände des Klägers gegen die Richtigkeit dieser Berechnung sind nicht stichhaltig. Damit ergeben sich Fahrtkosten für Familienheimfahrten in Höhe von 10.794 DM (30 x 0,70 DM x 514).
b) Die Mietkosten für die Wohnung in A sind nur teilweise abzugsfähig, da die Größe der Wohnung, die gemäß dem vom FA in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreiben der Vermieterin 91,92 qm betrug, die Grenze des für die doppelten Haushaltsführung Notwendigen übersteigt. Nach der BFH-Rechtsprechung sind bei einer Einzelperson Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung nur notwendig und damit abzugsfähig, soweit sie sich für eine Wohnung mit einer Wohnfläche bis zu 60 qm bei einem ortsüblichen Mietzins je qm für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 9. August 2007 VI R 10/06, BStBl II 2007, 820; VI R 23/05, BFH/NV 2007, 1994 und VI R 24/05, BFH/NV 2007, 2272). Zu Unrecht wendet der Kläger gegen die Anwendung dieser Rechtsprechung Vertrauensschutzgesichtspunkte ein, denn der BFH hat in den genannten Entscheidungen lediglich das Tatbestandsmerkmal der notwendigen Mehraufwendungen i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ausgelegt und die Rechtsauffassung bestätigt, die das FA im Streitfall bereits von vornherein vertreten hat. Ein Vertrauensschutztatbestand, wie er in § 176 AO bei Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden normiert ist, liegt nicht vor.
Die Durchschnittsmiete in A für voll modernisierte oder neu gebaute Wohnungen im Jahr 1999 betrug laut einer Pressemitteilung der Landeshauptstadt A vom 14. Oktober 1999 gemäß den in dem städtischen Faltblatt „A Zahlen aktuell“ veröffentlichten Zahlenmaterial zwischen acht und zehn Mark. Danach erscheint im Streitfall der Ansatz eines Mietzinses von 9 DM/qm angemessen. Bei 60 qm ergibt sich dadurch eine angemessene Miete von 540 DM im Monat. Da es sich hierbei um die Kaltmiete handelt, erhöht sich diese um die anteiligen Nebenkosten. Der Kläger musste monatlich 276 DM Nebenkosten entrichten. Diese auf eine 91,92 qm große Wohnung entfallenden Nebenkosten sind auf die notwendige Größe von 60 qm umzurechnen, so dass Nebenkosten von 180 DM anzusetzen sind. Insgesamt ergibt sich eine monatliche Miete in Höhe von 720 DM. Dieser Wert liegt etwas über dem Ansatz des FA in der Stellungnahme vom 10. Januar 2008, das ausgehend vom Mietspiegel der Stadt A eine Durchschnittsmiete von 676,20 DM (11,27 DM je qm) für angemessen hält. Für das Streitjahr sind somit 8.640 DM anzusetzen.
c) Die Kosten für den Kabelanschluss sind nicht als Kosten der doppelten Haushaltsführung abzugsfähig. Es handelt sich nicht um notwendige Kosten für das Wohnen am Beschäftigungsort, da der Kläger für den Kabelanschluss einen vom Mietvertrag unabhängigen Vertrag mit einem Dritten abgeschlossen hat, für den es keine berufliche Notwendigkeit gab. Es handelt sich somit um private Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG).
Die Kosten der in 1998 erworbenen Waschmaschine sind nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 EStG nur in Höhe der AfA bei Zugrundelegung einer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von 10 Jahren anzusetzen. Abzugsfähig sind somit 215 DM.
Die geltend gemachten Kosten des Metallbettes sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Dabei kann es dahingestellt bleiben, welcher der sich widersprechenden Zeugenaussagen zu folgen ist, der der Eltern des Klägers, die übereinstimmend bezeugt haben, dass sich in der Wohnung des Klägers in A kein Bettgestell befunden hat und ein entsprechendes Metallbett vielmehr in der Wohnung des Klägers in B stand, oder der der Zeugin F, die ausgesagt hat, dass sich der Kläger ein französisches Bett nach A hat liefern lassen, dieses dort aber nicht aufgebaut worden ist. Abzugsfähig sind nur Kosten des notwendigen Mobiliars in der Wohnung am Beschäftigungsort, das deshalb angeschafft werden musste, weil der Arbeitnehmer kein Mobiliar aus seinem Hausstand mitnehmen konnte (Schmidt/Drenseck, EStG 26. Auflage, § 9 Rz. 158). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall in keinem Fall vor.
3. Die Kosten der doppelten Haushaltsführung betragen somit in der Summe 19.649 DM. Gegenüber dem bisherigen Ansatz des FA (13.488 DM) ergibt sich ein Erhöhung der Werbungskosten um 6.161 DM. Dadurch ergibt sich folgende festzusetzende Einkommensteuer:
Zu versteuerndes Einkommen lt. FA (Bescheid vom 24.01.2005) 42.433 DM
Zusätzliche Werbungskosten lt. Urteil -6.161 DM
Zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil 36.272 DM
Festzusetzende Einkommensteuer 6.518 DM
Umrechnung in Euro =3.332,60 €.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und den Vollstreckungsschutz folgt aus §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.