22.11.2006 · IWW-Abrufnummer 063373
Verwaltungsgericht Berlin: Beschluss vom 10.10.2006 – VG 14 A 28/06
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
VG 14 A 28.06
Verwaltungsgericht Berlin
Beschluss
In der Verwaltungsstreitsache XXX
hat die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin durch
XXX
am 10. Oktober 2006 beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Apotheker und Inhaber der P-Apotheke sowie der L-Apotheke.
Die Beigeladene zu 2. ist Eigentümerin des Grundstücks R-straße Berlin. Dieses Grundstück nebst den dort aufstehenden Gebäuden vermietete sie mit Generalmietvertrag an die Beigeladene zu 1. zu einem monatlichen Mietzins von 12,70 Euro/qm mit dem Recht zur Weitervermietung. Die Beigeladene zu 1. vermietete einen Großteil der Räumlichkeiten an die Beigeladene zu 3., die dort - als Bestandteil des in der R-straße ansässigen Gesundheitszentrums P - ein nach SGB V zugelassenes medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) betreibt.
Gesellschafter und Geschäftsführer aller Beigeladenen ist Herr Dr. W . Er hält 95 % der Gesellschaftsanteile der Beigeladenen zu 3.; mit 5 % ist Frau Dr. S beteiligt. Bei der Beigeladenen zu 1. ist neben Herrn Dr. O Mitgesellschafter. Dr. O ist Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 2.
Das MVZ verfügt zurzeit über 34 Vertragsarztsitze. Die Zahl der bei der Beigeladenen zu 3. angestellten Ärzte ist etwas höher, da auch Teilzeitkräfte beschäftigt werden. Die Beigeladene zu 3. beabsichtigt, die Zahl der Arztsitze in nächster Zeit weiter zu erhöhen.
Mit Schreiben vom 3 XXX 2006 beantragte der Antragsteller eine Betriebserlaubnis für die Apotheke im P als Hauptapotheke und für die bei den anderen Apotheken als Filialen.
Am 2 XXX 2006 schloss er mit der Beigeladenen zu 1. einen bis zum 30. April 2016 befristeten Mietvertrag über im Erdgeschoss und Untergeschoss gelegene Gewerberäume im Polikum mit einer Gesamtfläche von 280,75 qm zum Betrieb der Apotheke. Die Räume sind, von der Straßenfront betrachtet, im hinteren Gebäudeteil gelegen.: Ferner wurde die Mitbenutzung diverser Gemeinschaftsflächen vereinbart. Als monatliche Nettorniete wurden 19.652,50 Euro (70,00 Euro pro qm) vereinbart, wobei bis zum 31. Oktober 2006 ein pauschaler Nachlass von 5.000,00 Euro gewährt wurde. Für die Mitbenutzung der Gemeinschaftsflächen wurde ein pauschales monatliches Nettomitbenutzungsentgelt in Höhe von 8.600,00 Euro vereinbart. Nettomiete und Nettomitbenutzungsentgelt erhöhen sich ab 1. Oktober2007 jährlich um 3%. Der Antragsteller wurde ferner verpflichtet, auf der Grundlage einer Fläche von 458,94 qm anteilige monatliche Betriebskosten in Höhe von 4,77 Euro/qm zu tragen sowie einen pauschalen monatlichen Werbekostenbeitrag von 5.000,00 Euro und einen einmaligen, in zwei Raten zu begleichenden Baukostenzuschuss in Höhe von 130.000,00 Euro zu leisten.
Neben dem Mietvertrag schlossen der Antragsteller und die Beigeladene zu 1. am selben Tage einen Kaufvertrag über diverse zum Apothekenbetrieb erforderliche Einrichtungen und Anlagen (u. a. Labor, EDV-Anlage, Warenwirtschaftssystem).
Mit Bescheid vom 15. Juni 2006 lehnte der Antragsgegner die Erteilung der beantragten Betriebserlaubnis nach Anhörung des Antragstellers ab, Der vorgelegte Mietvertrag verstoße gegen § 8 Satz 2 des Apothekengesetzes, womit es an dem gem. § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Apothekengesetzes erforderlichen Nachweis, dass über die nach der Apothekenbetriebsordnung vorgeschriebenen Räume verfügt werde, fehle. Es sei ein immens hoher Mietzins vereinbart worden, der verdeckt am zu erwartenden Umsatz der Apotheke ausgerichtet sei. Die vom Antragsteller eingereichte Umsatz- und Gewinnberechnung sei in mehreren Punkten zu optimistisch: es sei daher davon auszugehen, dass dessen wirtschaftliche Bewegungsfreiheit angesichts des hohen Mietzinses äußerst eng und daher die Gefahr illegalen Handelns nicht auszuschließen sei. Über den hiergegen vom Antragsteller erhobenen Widerspruch vom 23. Juni 2006 ist noch nicht entschieden.
Der Antragsteller hat am 12. Juni 2006 einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Antragsteller und Beigeladene zu 1. hätten keinerlei Regelungen getroffen, aus denen ansatzweise ein Bezug auf den Umsatz oder den Gewinn hergestellt werden könne, vielmehr sei eine bestimmte absolute Miethöhe vereinbart worden, die sich künftig nach klar umrissenen Voraussetzungen unabhängig von Umsatz oder Gewinn der Apotheke orientiere. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei die Höhe des vereinbarten Mietzinses für sich betrachtet unerheblich. Die Apotheke im P XXX könne, wie das Standortgutachten einer Unternehmensberatung bestätige, trotz des hohen Mietzinses wirtschaftlich betrieben werden.
Die Akten des Verfahrens VG 14 A 3.06 sind nebst Beiakten (1 Verwaltungsvorgang) beigezogen worden.
II.
Der sinngemäße Antrag,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller bis zur bestandskräftigen Entscheidung über seinen Antrag vom 31. März 2006 die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke in der R-straße XXX zu erteilen,
ist unbegründet. Der Antragsteller hat einen im Wege vorläufigen Rechtsschutzes sicherungsfähigen Anspruch auf Erteilung der begehrten Apothekenbetriebserlaubnis nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann eine - vorliegend allein in Betracht kommende - Regelungsanordnung nur ergehen, um 'wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder wenn sie aus anderen Gründen nötig erscheint. Zu beachten ist zudem, dass mit der hier begehrten Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung der Apothekenbetriebserlaubnis das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens vorweggenommen würde. Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist - auch mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) - indessen nur dann zulässig und geboten, wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Rechtsschutzsuchenden ohne Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69,74,77; BVerfG, NVwZ 1997,479,480 ff.; OVG Berlin, InfAuslR 2001,81; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rn. 211 ff., 235).
Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Stattdessen spricht viel dafür, dass der Ablehnungsbescheid des Antragsgegners vom 15. Juni 2006 rechtmäßig ist, weil der Mietvertrag vom 2 XXX 2006 gem. §§ 8 S. 2, 12 des Gesetzes über das Apothekenwesen (Apothekengesetz - ApoG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 1980 (BGBl. I S. 1993), zuletzt geändert durch das 14. AMG-Änderungsgesetz vom 29. August 2005 (BGBl I S. 2570) nichtig ist und es somit an der in § 2 Abs. 1 Nr. 6 ApoG normierten Voraussetzung für die Erteilung der Apotheken-Betriebserlaubnis (Vorhandensein der vorgeschriebenen Räume) fehlt.
Nach § 8 Satz 2 ApoG sind Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für die dem Erlaubnisinhaber überlassenen Vermögenswerte am Umsatz oder Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, darunter auch am Umsatz oder Gewinn ausgerichtete Mietverträge, unzulässig. Das Verbot der Umsatzmiete gilt dabei insbesondere für die Anmietung der Apothekenbetriebsräume.
1. Mit der Regelung des § 8 Satz 2 ApoG sollen sogenannte partiarische Rechtsverhältnisse, in denen sich der Gläubiger die beruflichen und .wirtschaftlichen Fähigkeiten des Betriebsinhabers der Apotheke zu Nutze macht und an den Früchten der Apotheke partizipiert, vermieden werden (Schiedermair/Pieck, Apothekengesetz, 3. Aufl. 1981, § 8 Rdn. 146) Sie ist - ebenso wie das Verpachtungsverbot des § 9 ApoG - Ausdruck der gesetzgeberischen Zielvorstellung, dem Apotheker die eigenverantwortliche Führung und Leitung seines Betriebes sowohl in fachlicher, also wissenschaftlich-pharmazeutischer, als auch in betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht zu ermöglichen, ohne dass er (auch nur indirekt) bei seinen Entscheidungen von Dritten beeinflusst oder bestimmt wird (vgl. § 7 ApoG). Seine berufliche Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit soll nicht durch unangemessene vertragliche Bedingungen, die ihn in wirtschaftliche Abhängigkeit zu Dritten bringen, beeinträchtigt werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass er seiner öffentlichen Aufgabe, eigenverantwortlich an der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung mitzuwirken, in sachgerechter Weise nachkommt (§§ 1,7,8, 9 Abs. 2 Satz 2 ApoG). Für die Annahme eines partiarischen Rechtsverhältnisses ist allerdings die Höhe des vereinbarten Mietzinses nicht entscheidend, wenngleich sie auch je nach den Umständen des Einzelfalles ein Indiz sein kann. Vielmehr muss sich aus dem Gesamtgefüge der Vereinbarungen ergeben, dass die Parteien die Miete am Umsatz oder Gewinn ausgerichtet haben und der Vermieter dadurch an den Erträgnissen der Apotheke teil hat. In der Regel geschieht dies dadurch, dass die Parteien einen bestimmten prozentualen Anteil am Umsatz oder Gewinn, bezogen auf einen bestimmten Vergütungszeitraum, festlegen, so dass die Miete je nach der Entwicklung dieser Verhältnisse in ihrer Höhe variiert. Das ist indessen nicht zwingend. Das Gesetz lässt es für einen Verstoß gegen das Verbot partiarischer Rechtsverhältnisse genügen, dass der Mietvertrag am Umsatz oder Gewinn ausgerichtet ist. Diese Formulierung weist auf die Zielsetzung hin, Geschäfte zur Umgehung dieses Verbots zu verhindern. Für den Tatbestand des § 8 Satz 2 ApoG genügt es dann auch, dass die Parteien in ihren Vorstellungen von einem Zusammenhang zwischen der Miethöhe und dem Umsatz oder Gewinn ausgegangen sind und dass diese Verknüpfung in den Vereinbarungen ihren Niederschlag gefunden hat (BGH, Urt. v. 27. Nov. 2003, NJW 2004,1523; BGH; Urt. v. 22. Okt. 1997, NJW-RR 1998, 804; vgl. a. Geldmacher, DWW 1999, 109, 112; Burgardt, A/ZuR 2005, 83, 86).
2. Die Kammer geht davon aus, dass der Mietvertrag vom 2 XXX 2006 ein derartiges Umgehungsgeschäft darstellt. Sie schließt sich - nach weiterer Sachaufklärung - der Einschätzung des Antragsgegners im Bescheid vom 15. Juni 2006 an, dass zwischen dem Antragsteller und der Beigeladenen zu 2. ein immens hoher, marktunüblicher Mietzins vereinbart wurde, der verdeckt am zu erwartenden Umsatz der Apotheke ausgerichtet ist und einen erheblichen wirtschaftlichen Druck auf den Antragsteller ausübt. Im Einzelnen:
a) Antragsteller und Beigeladene zu 1. haben für die zum Betrieb der Apotheke vorgesehenen Räumlichkeiten einen extrem hohen Mietzins vereinbart. Die reguläre monatliche Bruttomiete (Nettomiete nebst Nebenkosten und MwSt) beträgt. Ab Oktober 2006 insgesamt ca. 40.000,00 Euro, also ca. 143 Euro pro qm - insgesamt 480.000 Euro im Jahr -; sie wird sich Jahr für Jahr automatisch um mehrere Prozent erhöhen. Die Kammer kann nicht feststellen, dass ein vergleichbar hoher Mietzins in ähnlichen Fällen, etwa bei in einem Ärztehaus befindlichen Apothekenräumen, bislang vereinbart worden wäre. Bezogen auf einen Jahresumsatz von ca. 5 Millionen Euro betragen die Mietkosten nahezu 10 % dieses Umsatzes, während nach den Angaben des Antragsgegners, denen der Antragsteller nicht entgegengetreten ist, die Mietaufwendungen von Apotheken der Umsatzklasse von 2,4 bis 6 Millionen Euro bundesweit im Durchschnitt lediglich 2 % des Gesamtumsatzes betragen. Der vereinbarte Mietzins geht damit sowohl seinem absoluten Betrag nach wie auch in Relation zum (erwarteten) Umsatz weit über das Übliche hinaus. Bereits hieraus ergibt sich nach Ansicht der Kammer ein starkes Indiz dafür, dass die Mietvertragsparteien einen Zusammenhang zwischen Miethöhe und (erwartetem) Umsatz hergestellt haben und bezweckt ist, den von der Apotheke generierten Umsatz bzw. den daraus erwirtschafteten Gewinn vom Vermieter durch Vereinbarung einer außerordentlich hohen Miete weitgehend abzuschöpfen (vgl. hierzu Schiedermair/Pieck a.a.O. § 8 Rn. 151, die annehmen, dass eine unzulässige Umsatzmiete bereits ab einem Anteil von mehr als 4 % am Umsatz vorliegt).
Bestätigt wird die Indizwirkung dadurch, dass einerseits der Mietzins für eine kurze Anlaufphase deutlich abgesenkt wurde - offenbar weil insoweit zunächst nur ein geringerer Umsatz zu erwarten war -, und dass sich andererseits die Miete gemäß § 2.3 des Mietvertrages in den Folgejahren - unabhängig von der in § 2.4 geregelten Anpassung an den Lebenshaltungskostenindex, anscheinend wegen der erwarteten Umsatzerhöhung durch zusätzliche im MVZ angestellte Ärzte - kontinuierlich erhöht. Dass mit dem Mietvertrag eine Umsatzabschöpfung erzielt werden soll, wird - neben dem expliziten Hinweis der Beigeladenen zu 1. auf den bundesweit einmaligen Standort der Apotheke im MVZ (Schriftsatz vom 15. September 2006, -BI. 191 Bd. III der Gerichtsakte) - des Weiteren dadurch nahe gelegt, dass sich die Beigeladene zu 1. trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises in der Sache VG 14 A 3.06 (Terminsprotokoll vom 8. Februar.2006) zu keinerlei Absenkung der Miete bereit gefunden hat, die Miete im Vergleich zum dortigen Fall sogar eher erhöht worden ist. Zugleich hat es den Anschein, als solle die tatsächliche Miethöhe verschleiert werden, indem - anders als in dem der Sache VG14 A 3.06 zugrunde liegenden Mietvertrag - die Miete in diverse, an unterschiedlichster Stelle des Vertrages geregelte Bestandteile aufgesplittet wurde. Hinzuweisen ist insbesondere auf den versteckt in § 24.4. (Überschrift: ?Sonstiges?) vereinbarten monatlichen Werbekostenbeitrag von 5.000,00 Euro, bei dem völlig unklar bleibt, welche konkrete Gegenleistung der Antragsteller für diesen nicht unerheblichen Betrag erhalten soll - zumal gesundheits- und speziell arzneimittelbezogene Werbung den Einschränkungen des HWG unterliegt ? ferner auf den in.§.24.5. dem Antragsteller zusätzlich zu den laufenden monatlichen Mietkosten auferlegten Baukostenzuschuss von 130.000 Euro, der ? umgelegt auf die Gesamtvertragslaufzeit von 120 Monaten - die Miete nochmals um gut 1.000 Euro monatlich erhöhen würde. Erstaunlich erscheint auch, dass der Antragsteller monatlich 8.600,00 Euro allein für die Mitbenutzung von Gemeinschaftsflächen zahlen soll. In die Berechnung des auf die Apotheke entfallenden Anteils an Gemeinschaftsflächen sind neben sämtlichen Hausfluren auch die ärztlichen lnformations-, Anmelde- und Empfangsbereiche einbezogen, die für die Apotheke jedoch überhaupt nicht nutzbar sind und daher kaum als Gemeinschaftsflächen bezeichnet werden können.
b) Der immens hohe Mietzins engt die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Antragstellers erheblich ein und macht ihn damit zumindest indirekt von den Beigeladenen abhängig, was - wie unter 1. ausgeführt - dem Zweck des § 8 Satz 2 ApoG widerspricht.
aa) Nach seinem eigenen Vortrag muss der Antragsteller, um mit dem Apothekenbetrieb beginnen zu können, Kredit in Höhe von mehr als einer Million Euro in Anspruch nehmen (vgl. die zu BI. 303 ff. des Verwaltungsvorgangs gereichten Kreditverträge). Nach dem aktualisierten Standortgutachten der M Unternehmensberatung vom 12. September 2006 (BI. 124 ff. Bd. III der Gerichtsakte), das er sich zu eigen gemacht hat, wird der Antragsteller die Apotheke bis einschließlich des Jahres 2008 auf der Grundlage des vereinbarten Mietzinses nicht gewinnbringend betreiben können, sondern erhebliche Verluste erwirtschaften (2006: 344.500 Euro, 2007: 117.900 Euro; 2008: 20.200 Euro). Wäre der Mietzins deutlich niedriger, betrüge er beispielsweise 20.000 Euro monatlich - was nach Einschätzung der Kammer immer noch ein sehr hoher Betrag wäre -, so würde der Antragsteller dagegen ab dem Jahre 2007 klar in der Gewinnzone sein. Der vereinbarte Mietzins erweist sich so für ihn als auf Jahre hinaus erdrückend.
Nach dem Gutachten Z kann der Antragsteller frühestens ab dem Jahre 2009 einen - wohl eher als bescheiden zu qualifizierenden - Gewinn von 88.500 Euro erwarten, der sich im Folgejahr dann ungefähr verdoppeln soll. Ein wirtschaftlicher Betrieb der Apotheke ist demgemäß - wenn überhaupt - nur langfristig, nicht aber kurz- oder mittelfristig zu erwarten. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass der Antragsteller in dieser Zeit auch die Verluste der Vorjahre ausgleichen muss; dies ist im Gutachten Z - etwa durch eine Erhöhung der Belastung mit Kreditzinsen .- unberücksichtigt geblieben.
Selbst die von der Unternehmensberatung prognostizierte langfristige Gewinnerwartung hält die Kammer zudem letztlich nicht für hinreichend glaubhaft. Dass der Antragsteller nach dem Gutachten Z ab dem Jahr 2009 in die Gewinnzone gelangt, beruht auf der vom Gutachter für dieses Jahr angenommenen Umsatzsteigerung von etwa 800.000 Euro, die auf eine deutliche Erhöhung der Anzahl der im MVZ tätigen Ärzte zurückzuführen sein soll (vgl. S. 14 des Gutachtens, BI. 137 Bd. III der Gerichtsakte). Entsprechendes soll für das Jahr 2010 gelten.
Diese Prognose nochmaliger erheblicher Umsatzsteigerungen ab dem Jahre 2009 erscheint der Kammer mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Dass sich die Zahl der angestellten Ärzte bis 2009/2010 tatsächlich verdoppeln wird, steht zum gegenwärtigen Zeitpunkt keineswegs fest. Vielmehr dürfte es wenn nicht rechtliche, so doch zumindest faktische Grenzen für eine Konzentration von Arztsitzen an einem einzigen Standort geben. Des Weiteren erscheint fraglich, ob die geplante Erhöhung der Arztzahl, wenn sie denn tatsächlich stattfinden sollte, zugleich zu der prognostizierten proportionalen Umsatzsteigerung der Apotheke führen wird. Denn der räumliche Einzugsbereich eines MVZ dürfte nicht beliebig erweiterbar sein, so dass sich die Patientenzahlen nicht unbedingt proportional zur Anzahl der dort angestellten Ärzte entwickeln werden. Darüber hinaus durfte die langfristige Entwicklung im Gesundheitswesen tendenziell eher dahin gehen, dass das Verschreibungsvolumen im Vergleich zu heute abnimmt. Aus all diesen Gründen erscheint die Vorhersage einer nennenswerten Umsatzsteigerung ab dem Jahre 2009 im Gutachten Z zumindest außerordentlich fraglich. Bleiben diese Umsatzsteigerungen aus, kann die Apotheke wegen der extrem hohen Miete auch in diesem Zeitraum nicht gewinnbringend betrieben werden.
bb) Aus dem Vorstehenden ergibt sich ohne Weiteres, dass der Antragsteller bei dem Betrieb der Apotheke unter den gegebenen Bedingungen in ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Beigeladenen geraten könnte. Denn die Erhöhung der Arztsitze - wie ausgeführt unabdingbare Voraussetzung der langfristigen Wirtschaftlichkeit der Apotheke mit dem gegebenen Mietzins - liegt allein in der Entscheidungskompetenz der Beigeladenen zu 3. Wenn diese - entgegen ihren bisherigen Planungen - entscheiden sollte, das MVZ nicht oder in geringerem Umfang auszubauen als bislang geplant, hat der Antragsteller dies hinzunehmen. Vertragliche Absicherungen bestehen insoweit für ihn nicht; solche dürften wegen der Verbotsnorm des § 11 ApoG auch nicht vereinbart werden. Er ist also auf Gedeih und Verderb der Geschäftspolitik der Beigeladenen zu 3. bzw. der mit ihr eng zusammenhängenden Beigeladenen zu 1 ;;:,und 2::ausgeliefert; Spielraum für eigene unternehmerische Entscheidungen verbleibt ihm nicht. Das gilt um so mehr, als er Umsätze durch Laufkundschaft - also durch Passanten der R-straße - in nennenswertem Umfang nicht erwarten kann. Denn zum einen ist die R-straße keine sonderlich belebte Straße. Zum anderen ist die Apotheke von der Straßenfront aus gesehen, im hinteren Teil des Gebäudekomplexes untergebracht; um sie zu erreichen, muss eine Empfangstheke passiert werden. Trotz an der Außenwand und der Glasfront des Gebäudes angebrachter Hinweisschilder auf die Apotheke wird dies Laufkunden nicht anziehen, sondern. eher abschrecken ("Schwellenangst"). Es spricht auch nichts dafür, dass der vom Antragsteller erhoffte "Patientenstrom" vom nahe gelegenen Krankenhaus zu beobachten sein wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Antragsteller seinen Umsatz nahezu ausschließlich mit den Patienten der im MVZ beschäftigten Ärzte erwirtschaften könnte. Der Antragsteller ist so den Beigeladenen völlig preisgegeben, da diese, in Gestalt der Beigeladenen zu 1., nicht nur einen erheblichen Teil des Umsatzes durch eine ungewöhnlich hohe Miete abschöpfen, sondern, in Gestalt der weitgehend personenidentischen Beigeladenen zu 3., zugleich den abzuschöpfenden Umsatz durch Betreiben des MVZ auch generieren - und dies, obwohl § 11 ApoG eine Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker ausdrücklich und § 7 HWG Umsatzrückflüsse zumindest seinem Sinn und Zweck nach verbietet (vgl. Burgardt, A/ZuR 2005, S. 83, 86 f. 90). Die Beigeladene zu 1. - die die fraglichen Räume im MVZ zu einem derart hohen Mietzins nur an eine Apotheke vermieten kann - macht sich so letzten Endes die Arbeitskraft und die beruflichen Fähigkeiten des Antragstellers zur Gewinnerzielung dienstbar und rückt damit in die Nähe eines Mitinhabers. Das widerspricht eklatant dem gesetzlichen Leitbild des "Apothekers in seiner Apotheke" und verstößt nicht nur gegen § 8 Satz 2, sondern auch gegen § 7 ApoG (vgl. a. LG Potsdam, Urt. v. 19. Juli 2001, 51 O 196.00, Juris), weil sich damit, wie der Antragsgegner zutreffend hervorhebt (BI. 10 Bd. II der Gerichtsakte), durch die Hintertür Fremdbesitz an der Apotheke einschleicht.
cc) Ob der Antragsteller, wenn er die Apotheke unter den gegebenen Bedingungen betriebe, zwangsläufig in Insolvenznähe geriete und/oder seine Geschäftsführung durch die Beigeladenen tatsächlich maßgeblich beeinflusst werden würde, ist unerheblich. Durch § 8 ApoG soll bereits die bloße Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Berufsausübung des Apothekers vermieden werden (Burgardt, A1ZuR 2005, 83, 87), denn bei den vom Apothekengesetz geschützten Rechtsgütern der Gesundheit der Bevölkerung und ihrer sachgerechten Versorgung mit Arzneimitteln handelt es sich um besonders hochwertige Rechtsgüter, die weitreichenden und umfassenden Schutzes bedürfen (vgl. a. VG Saarland, Beschl. v. 12. September 2006, 3 F 38/06, Rn. 53, Juris).
Eine solche Gefahr besteht hier wie vorstehend im -Einzelnen ausgeführt. Dass sich die Geschäfte für den Antragsteller möglicherweise positiver entwickeln können als im Gutachten Z prognostiziert, welches nach eigenen Worten von einem "worst-case"-Szenarium ausgeht, ist daher rechtlich unerheblich. Entscheidend ist, dass aufgrund dieses Gutachtens konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Apotheke in absehbarer Zeit nicht oder nur mit größten Anstrengungen wirtschaftlich betrieben werden kann und der Antragsteller in ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Beigeladenen zu geraten droht. Nach dem Leitbild des Apothekengesetzes ist es dem Apotheker - anders als "gewöhnlichen" Gewerbetreibenden ohne besondere gesetzliche Bindungen - nicht gestattet, sehenden Auges erhebliche unternehmerische Risiken einzugehen, weil ein um sein wirtschaftliches Überleben kämpfender Apotheker die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung beeinträchtigen kann. Arzneimittel sind keine gewöhnlichen Waren, sondern die wichtigsten Hilfsmittel ärztlicher Kunst zur Heilung und Vorbeugung von Krankheiten. Dem Apotheker, der die geordnete Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherstellen soll, kommt als besonderem, qualifiziertem Beruf des Gesundheitswesens große Verantwortung im Rahmen dieser öffentlichen Aufgabe zu (VG Saarland, a.a.O., Rn. 51). Ebenso muss schon im Ansatz verhindert werden, dass der Apotheker aufgrund wirtschaftlicher Zwänge verleitet wird, seinen Zugang zu Arzneimitteln und ihren Ausgangsstoffen dazu zu nutzen, außerhalb des gesetzlichen Rahmens ?z. B. im Anabolika-/Dopingbereich oder beim Umgang mit Betäubungsmitteln - Geschäfte zu machen.
Der Vollst ändigkeit halber merkt die Kammer ergänzend an, dass sich aus dem Akteninhalt konkrete Anhaltspunkte für eine deutlich günstigere geschäftliche Entwicklung der Apotheke im MVZ, als von der Unternehmensberatung prognostiziert, nicht ergeben. Die von den Beigeladenen vorgetragenen Umsatzzahlen liegen zwar um Einiges höher als die des Gutachtens Z.Dabei handelt es sich aber lediglich um allgemeine, anhand von Behandlungszahlen hochgerechnete Angaben über das (krankenversicherungsrechtlich) zulässige Verordnungsvolumen bzw. um eine allgemeine Umsatzerwartung für das Jahr 2007. Die Beigeladene zu 3. hat sich außerstande gesehen, das aktuelle, konkrete Verschreibungsvolumen der Ärzte des MVZ glaubhaft zu machen, welches hiervon durchaus nach unten abweichen kann. Es spricht des Weiteren nichts dafür, dass die Rezepteinlösungsquote in der Apotheke wesentlich über den von der Unternehmensberatung prognostizierten 60% liegen wird. Patienten, die weiter entfernt wohnen, werden häufig ihre Rezepte wohnungsnah einlösen, erst recht wenn das verschriebene Medikament in der Apotheke im MVZ nicht vorrätig ist. Vereinbarungen zur Erhöhung der Quote - etwa dergestalt, dass die Ärzte des MVZ und der Antragsteller Absprachen über die zu verschreibenden und vorzuhaltenden Medikamente treffen oder vereinbaren, dass die Ärzte oder die Beigeladene zu 3. den Patienten die Inanspruchnahme der Apotheke im MVZ empfiehlt - wären nach § 11 ApoG unzulässig. Entsprechende Vereinbarungen - wie sie etwa in den von den Beigeladenen im Verfahren 14 A 3.06 zu den Akten gereichten Musterverträgen (Muster VIII ? Kooperationsvertrag MVZ mit nicht ärztlichem Leistungserbringer [Apotheker], §§ 2, 3) enthalten sind. dürfen Antragsteller und Beigeladene also nicht schließen.
3. Der Umstand, dass die Apothekenansiedlung im Kontext eines MVZ (§ 95 Abs. 1 S. 2, 3 SGB V) geplant ist, ändert an der uneingeschränkten Geltung der §§ 8 Satz 2, 11 ApoG nichts. Lediglich im Rahmen einer - hier nicht vorliegenden - integrierten Versorgung nach § 140a SGB V und beschränkt auf das personelle Bevorzugungsverbot sind gem. § 11 Abs. 1 S. 2 ApoG Abweichungen von den Vorgaben des ApoG möglich. Die Kammer hat insoweit im Terminsprotokoll vom 8. Februar 2006 in der Sache VG 14 A 3.06 folgende rechtliche Gesichtspunkte angeführt, an denen sie nach erneuter Prüfung festhält:
"Eine von den vorstehenden Bedenken abweichende Beurteilung ergibt sich bei summarischer Prüfung auch nicht aus den zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Neuregelungen des SGB V, insbesondere der §§ 95 Abs. 1, 129 Abs. 5 b und 140 a, 140 b SGB V. Mit dem zugrunde liegenden Änderungsgesetz GMG ist auch das Apothekengesetz geändert worden, indem § 11 Abs. 1 um den Satz: ,,§ 140 a des 5. Buches des Sozialgesetzbuches bleibt unberührt" ergänzt worden ist. Daraus dürfte zu schließen sein, dass es mit dieser Änderung des Apothekengesetzes sein Bewenden haben sollte, also eine Lockerung nur hinsichtlich des in § 11 des Apothekengesetzes geregelten "Ärztebevorzugungsverbots" für den Fall einer sog. integrierten Versorgung i. S. v. § 140 a SGB V vorgesehen werden sollte, die überdies, soweit es um die Einbeziehung von Apotheken geht, nur nach vorheriger Ausschreibung seitens der beteiligten Krankenkassen stattfinden kann (§ 129 Abs. 5 b SGB V). Hinsichtlich der weiteren Restriktionen des Apothekengesetzes sollte es hingegen keine Änderungen geben, so dass sich aus der Konstruktion des "Arztehauses" als MVZ i. S. v. § 95 Abs. 1 Satz 2 SGB V keine Besonderheiten ergeben dürften. Selbst wenn der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Bestimmung davon ausgegangen ist, dass auch Apotheker zu den Gründern eines MVZ gehören können, hat er doch die Einbringung eines Apothekenbetriebes in ein solches MVZ offenbar nicht erlaubt, weil er die Bestimmungen über das Fremdbesitzverbot nur insoweit gelockert hat, als er in § 2 Abs. 4 des Apothekengesetzes einen Mehrbesitz von bis zu 4 Apotheken zugelassen hat."
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 39 ff., 52, 53 GKG n. F. (50% eines nach § 52 Abs. 1 GKG für die Hauptsache bestimmten Streitwertes in Höhe von 100.000,00 Euro).
Rechtsmittelbelehrung XXX