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02.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052484

Oberlandesgericht Naumburg: Urteil vom 27.05.2005 – 4 U 18/04

1. Bei der Prüfung, ob ein Vorvertrag geschlossen ist, kommt es auf die Interessenlage beider Parteien an, die nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist.


2. Im Zweifel ist mangels Rechtsbindungswillens ein Vorvertrag nicht geschlossen. Der mangelnde Rechtsbindungswille tritt dadurch zu Tage, dass kein Hauptvertrag geschlossen wird.


In dem Berufungsrechtsstreit

...

wegen Schadensersatzes

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2004 unter Mitwirkung des Richters am Oberlandesgericht, der Richterin am Oberlandesgericht und der Richterin am Landgericht

für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14. Januar 2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Wert der Beschwer der Klägerin und der Streitwert für den Berufungsrechtszug werden auf 165.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatz in Form von entgangenem Gewinn nach einem nicht zustande gekommenen Architektenvertrag geltend.

Die Parteien schlossen am 16. November 2000 einen mit den Worten Kleinauftrag/Einzelauftrag überschriebenen Vertrag, wonach die Klägerin zu einem Pauschalpreis von 10.344,83 DM netto eine Machbarkeitsstudie zu einem Ersatzneubau für die Freiwillige Feuerwehr E über voraussichtlich drei Standorte erstellen sollte. § 5 des Vertrages hat folgenden Wortlaut: ?Entsprechend dem Beschluss des Stadtrates soll eine Studie für die Herstellung eines den gesetzlichen Normen entsprechenden Feuerwehrgerätehauses erbracht werden. Diese soll zur Entscheidungsfindung dienen. Bei Beschluss zur Errichtung eines Feuerwehrgerätehauses wird der Vertrag in einen Architektenvertrag umgewandelt und die erbrachten Honorarleistungen in Höhe von 10.344,83 DM (Netto) werden diesem Vertrag mit angerechnet. Zusätzlich zum Architektenvertrag werden dann mit dem AN die Planung zur Außenanlage und die Außenanlage und die Tragwerksplanung gemäß HOAI vereinbart." Wegen des weiteren Inhalts des Vertrags wird auf Bl.6 f. d. A. Bezug genommen.

Im Januar 2001 fertigte die Klägerin die geforderte Standortuntersuchung, die sie der Beklagten zur Verfügung stellte.

Die Beklagte beauftragte in der Folge ein anderes Architekturbüro mit der Planung und favorisiert nun den Standort B Straße mit Abriss der vorhandenen Bausubstanz. Auf Nachfrage der Klägerin vom 18. Dezember 2002 teilte die Beklagte unter dem 19. Dezember 2002 und 31. Januar 2003 mit, dass die erarbeiteten Standortuntersuchungen keine Verwendung gefunden hätten, so dass sich die Erteilung eines Anschlussvertrags verbiete. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20. Januar 2003 forderte die Klägerin die Beklagte auf, einen Vorschlag zur Regulierung ihres entgangenen Gewinns zu unterbreiten.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten,

von der Beklagten entgangenen Gewinn beanspruchen zu können, da sie gemäß § 5 des Vertrages einen Anspruch auf Erteilung eines Anschlussauftrags gehabt habe. Zu berücksichtigen sei, dass als einzige Bedingung für ihre Beauftragung in dem Vertrag der Beschluss des Stadtrats zur Errichtung eines Feuerwehrgerätehauses genannt worden sei. Sie hat behauptet, unter Zugrundelegung der anrechenbaren Baukosten, die sich wiederum an der Kostenschätzung der seinerzeit erstellten Machbarkeitsstudie orientierten (1.599.000,00 Euro Gebäudekosten), ergebe sich ein Honorar von 187.623,64 Euro. Die Gesamthonorarforderung von 197.004,82 Euro reduziere sich in Höhe der ersparten Aufwendungen um 5 %. Danach ergebe sich ein Betrag in Höhe von 187.623,64 Euro, der von ihr pauschal auf 165.000,00 Euro reduziert worden sei. Ersparte Aufwendungen für Mitarbeiter kämen nicht in Betracht, da die vorhandenen Mitarbeiter die Leistungen neben den vorhandenen Aufträgen hätten abwickeln können.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 165.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten,

den Abschluss eines Architektenvertrags mit der Klägerin nicht vertragswidrig verweigert zu haben. Eine Auslegung von § 5 des Vertrages vom 16. November 2000 ergebe, dass nur dann ein Architektenvertrag geschlossen werden sollte, wenn es auch zu einem Beschluss der Beklagten komme, der eine von der Klägerin vorgeschlagene Variante zur Grundlage habe. Daran fehle es aber. Der Stadtratsbeschluss vom 22. Mai 2001 beinhalte nämlich eine Standortentscheidung, die von der Standortempfehlung der Klägerin, Standort C, abweiche. Die letztlich vom Planungsbüro St. im Oktober 2002 aufgezeigte Lösung mit dem Komplettabriss der Altsubstanz B Weg hätte auch im Rahmen der Standortanalyse von der Klägerin entwickelt werden können und müssen, da Inhalt der Aufgabenstellung gewesen sei, eine möglichst kostengünstige und die Planungsbelange der Stadt berücksichtigende Variante zu entwickeln. Sie hat behauptet, es habe keine Abrede mit dem Bauamt gegeben, dass die Vergütung des Vertrags vom 16. November 2000 nur im Hinblick auf künftige Aufträge vereinbart worden sei.

Die 3. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Halle hat die Klage mit dem am 14. Januar 2004 verkündeten Urteil abgewiesen. § 5 des Vertrages sei dahin auszulegen, dass die Umwandlung in einen Architektenvertrag nur dann erfolgen sollte, wenn die von der Beklagten getroffene Entscheidung bezüglich der Errichtung eines Feuerwehrgerätehauses auf der von der Klägerin erstellten Machbarkeitsstudie beruhe bzw. eine von der Klägerin erarbeitete Variante tatsächlich zur Ausführung gelange. Dies ergebe schon eine systematische Auslegung; sofern zwischen den Parteien Einigkeit bestanden hätte, dass unabhängig vom Inhalt des von der Beklagten zu treffenden Beschlusses eine Beauftragung der Klägerin mit der Erbringung der Architektenleistungen erfolgen sollte, hätte es nahe gelegen, diese Vereinbarung aufzunehmen. Zum anderen lasse auch eine teleologische Auslegung der schriftlich fixierten Vereinbarungen keinen anderen Schluss zu, denn es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die erbrachten Architektenleistungen dem umgewandelten Architektenvertrag angerechnet werden sollten, wenn die Beklagte eine Entscheidung unabhängig von der Machbarkeitsstudie treffe. Es sei aber zwischen den Parteien unstreitig, dass der von der Beklagten nunmehr getroffene Beschluss von den klägerseits erarbeiteten Varianten abweiche. Auch sei nicht davon auszugehen, dass die Parteien über den Wortlaut des Klein-/Einzelauftrags hinaus anderweitige Absprachen getroffen hätten. Soweit die Klägerin behaupte, dass sie in jedem Fall mit der Erbringung der Architektenleistungen hätte beauftragt werden sollen, sei dieser Vortrag unsubstantiiert. Das Gleiche gelte für die Behauptung der Klägerin, der Vertrag sei nur wegen finanzieller Engpässe nicht umfassend geschlossen worden. Trotz Hinweises in der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2003 sei ein ergänzender Vortrag der Klägerin nicht erfolgt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung und legt dar, nach der Erstellung ihrer Standortstudie habe sich die Beklagte tatsächlich zur Errichtung eines Feuerwehrgerätehauses entschlossen und zwar auf dem Grundstück B Weg 105. Lediglich in Ergänzung habe die Beklagte das Nachbargrundstück erworben, um eine Ein- und Ausfahrt zu ermöglichen. Mit der Durchführung des Bauvorhabens sei jedoch nicht die Klägerin, sondern das Ingenieurbüro St. beauftragt worden.

Das Landgericht habe nicht beachtet, dass § 5 des Vertrages vom 16. November 2000 nicht auslegungsbedürftig sei. Dieser enthalte keinerlei Einschränkung hinsichtlich der Verknüpfung von Voraussetzung und Rechtsfolge. Die Formulierung gebe aufgrund des eindeutigen Wortlauts auch keinen Anlass, die nicht genannte Einschränkung in sie hinein zu interpretieren. Selbst wenn eine Auslegungsbedürftigkeit angenommen werden könne, so müsse der Gesamtzusammenhang des Vertragstextes berücksichtigt werden. Von einem bestimmten Standort des herzustellenden Gebäudes sei noch gar nicht die Rede, sondern nur von der Herstellung des Hauses selbst. Die Studie für die Gebäudeherstellung solle nach den dann folgenden Worten der Entscheidungsfindung dienen. Auch hier finde sich kein Anhaltspunkt dafür, dass eine Umwandlung in den Architektenvertrag nur vorgenommen werden könne, wenn die Herstellung auf einem bestimmten, von der Klägerin untersuchten Standort erfolge. Bereits aus § 1 des Vertrages ergebe sich ja, dass sie voraussichtlich drei Standorte habe untersuchen sollen. Die nun in Aussicht genommene Planung weiche auch nicht erheblich von ihrer Planung für den Standort B Weg ab. Ein Architekturbüro wie sie übernehme planerische Vorbereitungsleistungen selbstverständlich im Hinblick darauf, den eigentlichen Architekturauftrag zu erhalten, denn nur das mache wirtschaftlich Sinn. Dieser Sinn sei auch für die Beklagte ersichtlich gewesen, denn diese habe bereits öfter in der hier vorgenommenen Staffelung von Aufträgen mit ihr gearbeitet. Auch sei der besonders niedrige Pauschalpreis zu berücksichtigen. Dieser decke sich nicht mit den Vorgaben der HOAI und sei nur deshalb vereinbart worden, weil beide Seiten von einer Umwandlung des Architektenvertrags ausgegangen seien.

Die Klägerin beantragt,

das am 14. Januar 2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Halle abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 165.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 511, 517, 519, 520 ZP0); sachlich jedoch nicht gerechtfertigt.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Verpflichtung, mit ihr einen umfassenden Architektenvertrag zur Errichtung eines Feuerwehrgerätehauses abzuschließen.

Dabei ist nicht zu verkennen, dass sich ein Auftraggeber gegenüber dem Architekten verpflichten kann, ihm den Auftrag für ein Bauvorhaben auf der Grundlage eines noch abzuschließenden Architektenvertrags zu erteilen. Bei einer derartigen Vereinbarung handelt es sich um einen Vorvertrag, durch den die Verpflichtung begründet wird, demnächst einen weiteren schuldrechtlichen Vertrag - den eigentlichen Hauptvertrag - abzuschließen. Rechtsgeschäftliche Bindung tritt durch den Vorvertrag nur ein, wenn sämtliche relevanten Aspekte des noch zu schließenden Vertrages bereits geregelt sind oder sich bestimmen lassen (BGH, NJW 1980, 1577). Demnach muss ein Vorvertrag so hinreichend bestimmt sein, dass das herzustellende Werk und die noch zu zahlende Vergütung einschließlich der von den Vertragsparteien für wesentlich angesehenen Nebenpunkte geregelt sind oder sich bestimmen lassen. Hält sich der Bauherr nicht an die getroffene Vereinbarung, schließt er also den Hauptvertrag nicht ab, können hieraus Schadensersatzansprüche des Architekten resultieren, allerdings nur dann, wenn der Vorvertrag einen Rechtsbindungswillen zum Abschluss des späteren Hauptvertrags enthält. Hierfür trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Architekt die Darlegungs- und Beweislast. Dieser ist die Klägerin vorliegend nicht nachgekommen.

Eine Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines Architektenvertrags mit der Klägerin ergibt sich insbesondere nicht aus § 5 des Vertrages vom 16. November 2000, denn hierin kann entgegen der Auffassung der Klägerin kein rechtlich bindender Vorvertrag mit dem Inhalt gesehen werden, dass die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin mit der Durchführung der für die Errichtung eines Feuerwehrgerätehauses erforderlichen Architektenleistungen zu beauftragen. Dem Vertrag ist weder ausdrücklich noch durch Auslegung zu entnehmen, dass sich die Beklagte zu dieser Zeit bereits an die Klägerin binden wollte.

Die Ausführungen der Klägerin zu der fehlenden Auslegungsbedürftigkeit des so genannten Kleinauftrags vom 16. November 2000 gehen fehl. Hätten die Parteien einen umfassenden Architektenvertrag schließen wollen, hätte ihnen dies freigestanden. Deshalb stellt sich die Frage, inwieweit die Beklagte bereits am 16. November 2000 eine rechtliche Bindung im Hinblick auf künftige Leistungen der Klägerin eingehen wollte. Dies kann nur gemäß §§ 133, 157 BGB geschehen, so dass festzustellen ist, wie insbesondere § 5 des genannten Vertrages nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu verstehen ist.

Vorverträge sind entsprechend den obigen Ausführungen schuldrechtliche Vereinbarungen, durch die für beide Teile oder auch nur einen von ihnen die Verpflichtung begründet wird, demnächst einen anderen schuldrechtlichen Vertrag, den Hauptvertrag, zu schließen. In der Praxis kommen diese selten vor, denn bei einem Rechtsbindungswillen der Parteien zum Abschluss eines umfassenden Vertrages ist grundsätzlich kein Grund dafür ersichtlich, wieso dieser nicht sogleich geschlossen wird. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, finanzielle Engpässe der Beklagten seien der Grund für den Abschluss eines Vorvertrags gewesen, kann dies dahinstehen. Selbst wenn bei der Beklagten finanzielle Engpässe vorhanden gewesen wären, hätte dies nicht zwingend zu dem Abschluss des hier geschlossenen Kleinauftrags führen müssen. Die Beklagte hätte im Falle von vorliegenden Liquiditätsengpässen mit der Klägerin beispielsweise einen Zahlungsplan vereinbaren können. Dafür, dass allein finanzielle Schwierigkeiten und nicht ein fehlender Rechtsbindungswille den Grund für den Vertrag vom 16. November 2000 darstellten und einer umfänglichen Beauftragung der Klägerin entgegenstanden, sind jedenfalls keine Anhaltspunkte ersichtlich oder von der Klägerin dargelegt worden.

Für die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin auf der Grundlage von § 5 des Vertrages vom 16. November 2000 mit der vollständigen Erbringung der Architektenleistungen zu beauftragen, ist demnach nicht entscheidend, dass die Errichtung des Feuerwehrgerätehauses auf einem der von der Klägerin untersuchten Standorte erfolgen soll.

Bei der vorzunehmenden Auslegung von § 5 des Vertrages sind entgegen dem Berufungsvorbringen nicht ausschließlich die Interessen der Klägerin von Belang; vielmehr kommt es auf die beiderseitige Interessenlage an. Üblicherweise liegen bei Vertragsabschlüssen widerstreitende Interessen vor, die im Rahmen der Auslegung der Willenserklärungen zu berücksichtigen sind. Am 16. November 2000 ging das Interesse der Klägerin dahin, bereits eine möglichst weite Bindung der Beklagten an sie herbeizuführen. Das Interesse der Beklagten hingegen ging dahin, von der Klägerin eine angemessene Beratung für das beabsichtigte Bauvorhaben zu erlangen, aber gerade noch keine endgültige Bindung herbeizuführen, denn ansonsten hätte sie einen umfassenden Vertrag mit der Klägerin schließen können. Ferner ist bei der Auslegung des Vertrags vom 16. November 2000 zu bedenken, dass bloße Akquisitionshandlungen eines Architekten von diesem grundsätzlich kostenlos erbracht werden können, ohne dass ein Verstoß gegen die HOAI vorliegt. Der Auftragnehmer erbringt in der Akquisition Leistungen mit dem Ziel, den potentiellen Auftraggeber zum Abschluss des Vertrags zu bewegen. Die Akquisitionsphase kann sehr weit gefasst sein, sogar bis in die Phasen 3 und 4 gemäß § 15 HOAI hinein (OLG Hamm, BauR 1990, 636), wobei aber die Frage, ob es sich um ein Groß- oder um ein Kleinprojekt handelt zu berücksichtigen ist (OLG Düsseldorf, IBR 1999, 539). Grundsätzlich wird ein Architekt bei einem Großobjekt wegen der Aussicht auf einen lukrativen Auftrag in höherem Umfang zu honorarfreier Akquisitionstätigkeit bereit sein (OLG Hamm, NJW-RR 1996, 83). Vorliegend kann unter Berücksichtigung des Architektenhonorars, das die Klägerin nunmehr ihrer Berechnung des entgangenen Gewinns zugrunde legt, rund 187.000,00 Euro, davon ausgegangen werden, dass es der Beklagten gelungen wäre, eine kompetente Standortberatung eines Architekten auch kostenlos zu erhalten. Auch aus der Berechnung der Klägerin auf Seite 8 der Berufungsbegründungsschrift ergibt sich keine Abweichung. Zum einen ist schon zweifelhaft, ob die Klägerin im Auftrag der Beklagten überhaupt schon Leistungen der Leistungsphase 2 gemäß § 15 HOAI zu erbringen hatte. Ungeachtet dessen ist das für die erbrachten Leistungen angeblich angemessene Honorar von 22.400,00 Euro gegenüber den erhaltenen rund 5.000,00 Euro nicht unverhältnismäßig hoch. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass die Klägerin die etwaigen Mehrleistungen in der Hoffnung auf den späteren Abschluss eines lukrativen Vertrags als Akquisition angesehen haben könnte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach eigenem Vortrag mit einer Planung wie der angestrebten überhaupt keine Aufwendungen tätigen muss, so dass der Umsatz nahezu ihrem Gewinn entspricht.

In diesem Spannungsfeld bewegten sich die Interessen der Parteien, die sich im Ansatz in § 5 des Vertrages vom 16. November 2000 widerspiegeln: Die Klägerin strebte einen umfassenden, für sie mit Aufwendungen von 5 % des anvisierten Architektenhonorars sehr lukrativen Auftrag an, die Beklagte wollte eine kompetente Vorberatung zur Entscheidungshilfe für das beabsichtigte Bauvorhaben, zu deren Bezahlung sie aber - aus ihrer Sicht folgerichtig - nur bereit war, wenn im Falle einer umfassenden Beauftragung eine Anrechnung der vereinbarten Beratungspauschale erfolgen würde.

Bei der vorzunehmenden Auslegung ist auch der Inhalt von § 15 Abs. 1 Nr. 1 HOAI zu beachten: Diese Leistungsphase der Architektenleistungen umfasst die so genannte Grundlagenermittlung. Im Rahmen der Besonderen Leistungen ist hier ausdrücklich eine Standortanalyse vorgesehen, die einmal eine speziell auf die Zielsetzung einer bestimmten Bauaufgabe analytisch durchgeführte Untersuchung eines vorgesehenen Standorts sein kann, aber auch erst der Standortauswahl dienen kann. Für die gesamte Grundlagenermittlung sieht § 15 HOAI eine Vergütung von 3 % des Gesamthonorars vor. Insofern ist nicht ersichtlich, dass die Leistungen der Klägerin derart umfangreich waren, dass die Beklagte nach Treu und Glauben eine Tätigkeit der Klägerin nur gegen ein umfassenderes Honorar als im Vertrag vom 16. November 2000 vereinbart worden ist, hätte verlangen können.

Ferner ist bei der Auslegung des Vertrags vom 16. November 2000 zu bedenken, dass auch die Systematik der HOAI für die von dem Landgericht vorgenommene Auslegung streitet. Die einzelnen Leistungsphasen des § 15 HOAI knüpfen systematisch aneinander an und bauen aufeinander auf. Jede Leistungsphase führt zu einem Ergebnis. In der Regel stellt jede vollständige Leistungsphase deshalb auch eine Entscheidungshilfe für den Auftraggeber dar. Insbesondere kann er nach den jeweiligen Leistungsphasen bis zum Beginn der Ausführungsplanung jeweils entscheiden, ob das Bauvorhaben wie geplant durchgeführt werden soll. Es ist also kein zwingender Grund dafür ersichtlich, dass ein Bauherr nur den Architekten mit der Durchführung der Leistungsphasen 2 ff. des § 15 HOAI beauftragt, der die Grundlagenermittlung der Leistungsphase 1 des § 15 HOAI vorgenommen hat.

Sonstige Gründe, welche der Berufung der Klägerin zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Klägerin auch nicht dargelegt und bewiesen, mit der Beklagten einen mündlichen Vorvertrag oder einen Rahmenvertrag abgeschlossen zu haben, durch die die Beklagte zu ihrer Beauftragung mit den streitgegenständlichen Leistungen verpflichtet gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus §§ 2, 3 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO; Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB §§ 133, 145, 157, 311

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