15.03.2001 · IWW-Abrufnummer 010379
Landgericht Chemnitz: Beschluss vom 20.09.2000 – 4 Qs 8/00
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 Qs 8/00 Landgericht Chemnitz
I Gs 872/99 Amtsgericht Chemnitz
321/99 Finanzamt Chemnitz - Süd, Steuerfahndungsstelle
BESCHLUSS
der 4. Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer
des Landgerichts Chemnitz
vom 20.09.2000
In dem Ermittlungsverfahren gegen
wegen: Versuchter Umsatzsteuerhinterziehung
Hier: Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 03.12.1999
Tenor:
1. Auf die Beschwerde vom 07.12.1999 wird der Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 03.12.1999, die unverdächtige Dr. V Partner GbR betreffend (Az.: I Gs 872/99) aufgehoben und die Beschlagnahme aufgehoben, soweit die Buchhaltung selbst, Arbeitsvermerke bzw. Entwürfe im Rahmen der Buchhaltung und Schreiben an Mandanten betroffen sind.
2. Im übrigen wird die Beschwerde verworfen.
Gründe:
I.
Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Beschuldigten T L erließ das Amtsgericht Chemnitz am 03.12.1999 einen Durchsuchung- und Beschlagnahmebeschluss hinsichtlich der Geschäftsräume der unverdächtigen Dr. V GbR, Wirtschaftsprüfer/Steuerberater nach Kassenaufzeichnungen, Buchungsbelegen, Bankbelegen, Rechnungen über Kfz-Eink äufe sowie sämtliche Unterlagen, welche auf Geschäftsverbindungen der Firma Autohaus im O, deren Geschäftsführer der Beschuldigte ist, zu einer Firma 2L aus Frankreich bezogen sind.
Dem lag zugrunde, dass nach dem Stand der Ermittlungen der Beschuldigte hinreichend verdächtigt sein soll, gegenüber dem Finanzamt Mittweida Vorsteuererstattungsansprüche für den Voranmeldungszeitraum II/1999 geltend gemacht zu haben, obwohl ihm diese nicht zustehen.
Am 07.12.1999 durchsuchte die Steuerfahndung die Kanzlei der unverdächtigen Dr. V GbR und beschlagnahmte 6 Leitzordner. Diese enthielten ganz überwiegend Unterlagen (hauptsächlich Rechnungen) des Autohauses von Dezember 1998 bis Juni 1999, die den Beschwerdeführern vom Beschuldigten zur Fertigung von Steuererklärungen übergeben und im Zeitpunkt der Beschlagnahme vom Beschwerdeführer bereits verbucht worden waren. Sie enthielten aber auch die erstellte Buchhaltung selbst, Arbeitsvermerke und Schreiben an die Beschwerdeführer.
Am 07.12.1999 legte die Dr. V GbR Beschwerde gegen den Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des AG Chemnitz ein. Das AG Chemnitz half der Beschwerde nicht ab.
II.
1. Die zwar im Namen einer GbR eingelegte Beschwerde ist zulässig, da sie so auszulegen ist, dass die zur GbR gehörenden Personen Beschwerdeführer sein sollen.
2. Die Beschwerde ist begründet, soweit die Buchhaltung selbst, Arbeitsvermerke bzw. Entwürfe im Rahmen der Buchhaltung und Schreiben an Mandanten betroffen sind.
a. Hinsichtlich der Buchhaltung selbst (Arbeitsergebnisse) sowie der im Rahmen der Buchhaltung gefertigten Arbeitsvermerke und Entwürfe ergibt sich dies bereits daraus, dass diese Unterlagen nicht in dem Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 03.12.1999 aufgeführt werden. Eine Beschlagnahme anderer Gegenstände als die im Beschluss explizit erwähnten war auch nicht deshalb zulässig, weil sich im Beschluss des AG Chemnitz die Formulierung findet: "Gesucht werden insbesondere folgende Unterlagen" (vgl. LG Chemnitz wistra 99, 154).
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Beschlagnahmefreiheit der Arbeitsergebnisse aus Rücksicht auf das Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters gegenüber dem Mandanten gemäß § 320 BGB (vgl. Wimmer DStZ 94, 442) geboten ist.
b. Die beschlagnahmten Mandantenschreiben unterliegen dem Beschlagnahmeverbot gemäß §§ 91 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO.
Eine Beschlagnahme solcher Unterlagen würde in unzulässiger Weise in das von der Strafprozessordnung geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Steuerpflichtigen eingreifen (vgl. Kleinknecht / Meyer-Gosner, StPO, 44. Auflage, § 97 Rdnr. 40, 36). Gerade in dem Schriftwechsel zwischen Steuerberater und Mandanten kommt dieses besondere Vertrauensverhältnis zu Ausdruck.
3. Im übrigen hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
a) Es liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der Beschuldigte der versuchten Umsatzsteuerhinterziehung für das 1. und 2. Kalendervierteljahr 1999 zugunsten der Firma Autohaus im O schuldig gemacht hat (§§ 369, 370 AO).
Dieser Tatverdacht ergibt sich daraus, dass die Firma Autohaus im O im Prüfungszeitraum 1. und 2. Kalendervierteljahr 1999 an eine Firma 2L in Reims (Frankreich) Rechnungen über steuerfreie Kfz-Lieferungen in das Ausland gelegt hat. Anhand der Fahrzeug-Identnummern wurde festgestellt, dass ein Großteil dieser Kfz nach dem angeblichen Auslandsverkauf auf inländische Halter zugelassen sind. Dies legt den Verdacht nahe, dass der Beschuldigte als damaliger Geschäftsführer der Firma Autohaus im O die Fahrzeugverkäufe nach Frankreich lediglich vorgetäuscht hat, um Inlandsumsätze zu verschleiern.
b) Die durchgeführten Durchsuchungen waren auch verhältnismäßig. Insbesondere durfte die Steuerfahndung grundsätzlich auch Unterlagen für Dezember 1998 beschlagnahmen, da etwaige Fahrzeugeinkäufe im Dezember 1998 steuerpflichtige Umsätze im Folgejahr 1999 zur Konsequenz haben können.
c) Die beschlagnahmten Unterlagen unterliegen auch nicht dem Beschlagnahmeverbot gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO.
Zwar besteht grundsätzlich für Unterlagen, die dem Steuerberater zum Zwecke der Fertigung von Steuererklärungen übergeben wurden, Beschlagnahmefreiheit, da ansonsten in unzulässiger Weise in das von der Strafprozessordnung geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Steuerpflichtigem eingegriffen werden würde. Jedoch beruht der Besitz der Unterlagen dann nicht mehr auf dem Vertrauensverhältnis, wenn der Steuerberater die Unterlagen nicht mehr benötigt, weil die Steuererklärungen bereits angefertigt wurden (vgl. LG Berlin, NJW 1977, 725). Im vorliegendem Fall werden die beschlagnahmten Unterlagen für weitere Steuererklärungen nicht mehr benötigt, da sie im Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses (03.12.1999) verbucht waren und somit noch ausstehende Steuererklärungen aufgrund dieser Buchungen erstellt werden können.
III.
Ein Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, da es sich hier um keine verfahrensabschließende Entscheidung handelt.