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12.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111619

Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 15.10.2010 – II-4 WF 123/10

Die Einordnung einer Streitigkeit als sonstige Familiensache gem. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG erfordert nur einen inhaltlichen, nicht auch einen zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe.


II-4 WF 123/10

Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Olpe vom 26.05.2010 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Das Amtsgericht wird angewiesen, das Verfahrenskostenhilfegesuch nicht wegen fehlender Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengericht - Olpe zurückzuweisen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Gründe
I.

Die seit 2004 voneinander geschiedenen Parteien sind Miteigentümer eines Hauses in E, das nach der Scheidung zunächst vom Antragsgegner bewohnt und später vermietet wurde. Inzwischen hat die Antragstellerin beim Amtsgericht Dorsten die Teilungsversteigerung der Immobilie beantragt. Eine Innenbesichtigung des Objekts durch einen im Versteigerungsverfahren beauftragten Sachverständigen war bisher aus streitiger Ursache nicht möglich.

Die Antragstellerin hat im vorliegenden Verfahren bei dem für den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners zuständigen Familiengericht Verfahrenskostenhilfe für verschiedene Anträge beantragt, mit denen sie u. a. Rechenschaftslegung, Ermöglichung einer Innenbesichtigung und die Löschung von Belastungen im Grundbuch erstrebt.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Familiengericht sei sachlich nicht zuständig. Zwar sei das Familiengericht nach

§ 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG zuständig für aus der Ehe herrührende Ansprüche, die jedoch noch einen zeitlichen Bezug zur Ehe haben müssten. Hier gehe es um Ansprüche, die erst Jahre nach der Trennung und Scheidung entstanden sein. Zuständig sei angesichts des von der Antragstellerin angegebenen Streitwertes von 26.000 € auch nicht das Amtsgericht, sondern das Landgericht.

In ihrer hiergegen eingelegten Beschwerde vertritt die Antragstellerin weiterhin die Auffassung, es handele sich um eine Familiensache.

II.

Die gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet, denn eine Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung kann nicht wegen fehlender Zuständigkeit des angerufenen Familiengerichts verneint werden. Das Rechtsmittel führt daher zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

1.

Trotz der gem. §§ 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, 5 Abs. 1 Nr. 3 und 4 FamFG grundsätzlich bereits im Rahmen eines VKH-Prüfungsverfahren möglichen Entscheidung eines so genannten negativen Kompetenzkonfliktes (vgl. dazu BGH NJW-RR 1994, 706) ist es allerdings nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht die Frage der Zuständigkeit nicht vor der Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag geklärt, sondern den Verfahrenskostenhilfeantrag beschieden hat.

Denn die Antragstellerin hat - auch hilfsweise - keinen Antrag auf Verweisung der Sache an das ggf. zuständige Gericht beantragt; da dies auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht geschehen ist, ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin auch nach einem (grundsätzlich gebotenen) Hinweis des Amtsgerichts keinen Verweisungsantrag gestellt hätte. Von Amts wegen kam eine Verweisung der Sache an ein anderes Gericht nicht in Betracht, denn § 281 Abs. 1 ZPO erfordert hierfür (anders als § 3 Abs. 1 FamFG) einen Antrag, und die Klärung von Zuständigkeitsfragen in Familienstreitsachen - zu denen gem. § 112 Nr. 3 FamFG auch die sonstigen Familiensachen nach § 266 Abs. 1 FamFG gehören - richtet sich gem. § 267 Abs. 2 FamFG nach den Vorschriften der ZPO.

2.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts handelt es sich bei der von der Antragstellerin eingeleiteten Streitigkeit jedoch um eine Familiensache im Sinne von § 266 Abs. 1 FamFG, so dass das angerufene Familiengericht hier zuständig ist.

a)

Zwar macht die Antragstellerin keine aus der Ehe herrührenden Ansprüche im Sinne von § 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG geltend, doch zu den sonstigen Familiensachen gehören gem. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG auch Verfahren, die Ansprüche zwischen ehemals miteinander verheirateten Personen im Zusammenhang mit der Trennung oder Ehescheidung betreffen. Im Verhältnis der ehemaligen Ehegatten zueinander erfasst Abs. 1 Nr. 3 u. a. Verfahren im Zusammenhang mit einer Miteigentumsgemeinschaft der Eheleute hinsichtlich der weiteren Nutzung, der Zahlung eines Nutzungsentgeltes, der Lastentragung und der Auflösung der Gemeinschaft (vgl. Giers in Keidel, FamFG, 16. Auflage, § 266 Rn. 14).

In der Literatur umstritten ist die Frage, ob neben einem inhaltlichen auch ein zeitlicher Zusammenhang mit der Ehe zu fordern ist (so Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Auflage, § 266 FamFG Rn. 5). Die Gesetzesverfasser haben hierzu ausgeführt, der Begriff des Zusammenhangs habe sowohl eine inhaltliche als auch eine zeitliche Komponente; die zeitliche Komponente hat jedoch im Gegensatz zur inhaltlichen im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden. Zudem ist das Kriterium einen "zeitlichen Zusammenhangs" inhaltlich nicht bestimmbar; eine hiervon abhängende Zuständigkeit des Familiengerichts wäre hochgradig unsicher und hätte von den Gesetzesverfassern gerade nicht gewollte Auseinandersetzungen der Parteien über die Zuständigkeit des Familiengerichts zur Folge (vgl. Erbarth im Münchner Kommentar zur ZPO, 4. Auflage, § 266 FamFG Rn. 26 m. w. N.; Lorenz in Zöller, ZPO, 28. Auflage, § 266 FamFG Rn. 17; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Auflage, § 266 FamFG Rn.). Der Senat folgt deshalb der in der Fachliteratur ganz überwiegend vertretenen Auffassung, wonach allein ein inhaltlicher Zusammenhang mit der Trennung, Scheidung oder Auflösung der Ehe zu fordern ist.

b)

Dieser ist im Streitfall ohne weiteres zu bejahen; die von der Antragstellerin geltend gemachten Ansprüche ergeben sich aus der Miteigentümerstellung der Parteien. Sie dienen der Entflechtung der durch die Ehe entstandenen Lebensverhältnisse und stehen deshalb im Zusammenhang mit der Trennung und Scheidung.

3.

Mit der Frage, ob die Anträge auch in materiell-rechtlicher Hinsicht hinreichende Aussicht auf Erfolg haben, hat sich das Amtsgericht nicht befasst; gleiches gilt für die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin. Der Senat sieht keine Veranlassung, die dem Amtsgericht insoweit obliegenden Prüfungen an sich zu ziehen, weshalb er die Sache zur erneuten Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin an das Amtsgericht zurückverweist.

RechtsgebietFamFGVorschriften§ 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG

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