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07.04.2011 · IWW-Abrufnummer 111204

Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 28.02.2011 – OVG 1N 84.10

Gibt eine Personengesellschaft die Gemeinnützigkeit durch Änderung der satzungsmäßigen Vermögensbindung mit der Folge einer rückwirkenden Veranlagung zur Gewerbesteuer auf, kann sie sich gegenüber der Zugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer und insoweit bestehender Beitragspflicht nicht darauf berufen, bisher in dem Bewusstsein gemeinnützig ("selbstlos") und nicht gewerblich tätig gewesen zu sein. Das Vertrauen darauf, der IHK nicht anzugehören und ihr keine Beiträge zu schulden, ist im Hinblick darauf, dass die Kammerzugehörigkeit infolge der einschlägigen Bestimmungen durch die Anerkennung der Gemeinnützigkeit nur gleichsam "suspendiert" ist und infolge der nachträglichen Veranlagung zur Gewerbesteuer wiederauflebt, nicht schutzwürdig.


OVG 1 N 84.10

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 1. Senat
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Wolnicki,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Bath und
die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hoock
am 28. Februar 2011
beschlossen:

Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Juni 2010 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 90.012,93 EUR festgesetzt.

Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem sich die Klägerin auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) beruft, ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nach der Begründung des Antrages (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) nicht vor.

Die Klägerin, die Beteiligungen an diversen Altenheimen hält, wendet sich mit der Klage gegen ihre mit Bescheid vom 7. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2009 erfolgte Beitragsveranlagung durch die Beklagte für die Jahre 1998 bis 2009 und die für die Bescheidung ihres erfolglos gebliebenen Widerspruchs erhobene Gebühr in Höhe von 75 Euro, wobei die Höhe der Beträge zwischen den Beteiligten außer Streit steht. Als gemeinnützige GmbH war sie zunächst von der Gewerbesteuer befreit. Diesen Status verlor sie durch eine Änderung ihrer satzungsmäßigen Vermögensbindung zum 1. Januar 2008. In der Folge wurde sie rückwirkend ab 1989 zur Gewerbesteuer veranlagt. Daraus leitet die Beklagte die Kammerzugehörigkeit der Klägerin und ihre Verpflichtung zur Entrichtung der Beiträge ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, entscheidend sei die Gewerbesteuerpflicht im betreffenden Kalenderjahr, die sich auch nachträglich ergeben könne. Grund für die nachträgliche Belegung mit Gewerbesteuer sei, dass diese zunächst nur wegen der vermeintlichen Gemeinnützigkeit entfallen war und es dadurch zu entsprechenden Vermögensvorteilen für den Betreffenden gekommen sei; ohne nachträgliche Korrektur hätte es der Steuerpflichtige in der Hand, durch entsprechende Beschlüsse mit einem Teil seiner Erträge der für alle bestehenden Steuerpflicht zu entgehen. Entsprechendes gelte für die Kammermitgliedsbeiträge bei der Beklagten. Die Beiträge seien auch noch nicht verjährt, weil ihre Festsetzung innerhalb von zwei Jahren nach der steuerlichen Nachveranlagung der Klägerin im Februar 2009 erfolgt sei.

Die Richtigkeit des angefochtenen Urteils unterliegt nicht deshalb ernstlichen Zweifeln, weil die Klägerin meint, dass sie bis Ende 2007 - ungeachtet der nachfolgenden Veranlagung zur Gewerbesteuer - gemeinnützig und nicht gewerblich tätig gewesen sei, so dass es bei der Befreiung von der Mitgliedschaft in der Beklagten bleiben müsse. Darin liegt keine Gegenargumentation, mit der eine tragende Feststellung oder ein dem Urteil zugrunde gelegter Rechtssatz schlüssig in Frage gestellt wird (vgl. zum Maßstab ernstlicher Zweifel: BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 - NVwZ 2000, 1163; Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77). Denn diese Argumentation übersieht, dass § 2 IHKG das Erfordernis gewerblicher Tätigkeit nicht aufstellt, sondern für die Zugehörigkeit zur Industrie- und Handelskammer allein auf die Veranlagung zur Gewerbesteuer und das Unterhalten einer Betriebsstätte im jeweiligen Kammerbezirk abstellt (Abs. 1); auch den Folgeabsätzen der Vorschrift kann nicht entnommen werden, dass die Beklagte das Merkmal der gewerblichen Tätigkeit neben den genannten Merkmalen gesondert zu prüfen hätte. Eine solche Prüfung liefe im Übrigen auf die Überprüfung der Gewerbesteuerveranlagung in der Sache hinaus, die die Beklagte nach dem Gesetz infolge der sie (nicht anders als auch ein mit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides befasstes Gericht) bindenden Tatbestandswirkung der finanzbehördlichen Entscheidung nicht vorzunehmen hat (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998 - 1 C 19.97 - GewArch 1999, 73, [...] Rn. 13). Insofern liegen auch die tatbestandlichen Unterschiede, welche das Zulassungsvorbringen zwischen dem Fall der Klägerin und der betroffenen, zunächst als Organ der staatlichen Wohnungsbaupolitik als gemeinnützig anerkannten, ebenfalls in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Bausparkasse in dem vom OVG Lüneburg mit Urteil vom 27. Januar 1984 (8 OVG A 4/83) entschiedenen Fall herausarbeitet, neben der Sache; entscheidend ist die Bindung an die Veranlagung zur Gewerbesteuer, nicht dagegen, welche Umstände zu dieser Veranlagung geführt haben. Das gilt auch für die Belastung mit einem Beitrag für zurückliegende Jahre infolge einer nachträglichen Veranlagung; jede der in § 2 Abs. 1 IHKG genannten Personen und Personengesellschaften - zumal eine nach § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG grundsätzlich gewerbesteuerpflichtige GmbH - ist von vornherein damit belastet, im Falle ihrer Veranlagung zur Gewerbesteuer auch Pflichtmitglied in der Industrie- und Handelskammer mit der Folge der Beitragspflicht zu sein. Hiervon ausgehend konnte unter weiterer Berücksichtigung der Regelungen in §§ 61 Abs. 3, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 171 Abs. 10 AO ein geschütztes Vertrauen darauf, nicht für zurückliegende Jahre mit Beiträgen der Beklagten in Anspruch genommen zu werden, vor Ablauf der insoweit maßgeblichen Festsetzungsfrist nicht entwickelt werden.

In der Folge dieser Ausführungen wirft die Rechtssache auch keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Allein der Umstand, dass die vorliegende Heranziehung zu Mitgliedsbeiträgen nach Zeitraum und Betragshöhe aus dem Rahmen des Üblichen fallen dürfte, begründet solchen Klärungsbedarf nicht. Ebenso wenig kann dies für die vorliegende Konstellation angenommen werden, weil die insoweit bestehenden Besonderheiten keinen Anknüpfungspunkt nach der einschlägigen Rechtsgrundlage ergeben. Wie die §§ 2 und 3 IHKG insoweit anzuwenden sind, ist rechtsgrundsätzlich geklärt; danach ist allein das Merkmal des Unterhaltens einer Betriebsstätte gesondert, wenngleich auch in Übereinstimmung mit den Begrifflichkeiten des § 12 AO, zu prüfen (vgl. BVerwG a.a.O.). Verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Aspekt der Festsetzung für zurückliegende Beitragsjahre ergeben keine rechtsgrundsätzliche Fragestellung, da die Klägerin im Falle des rückwirkenden Wegfalls der Gemeinnützigkeitsanerkennung infolge einer Änderung der satzungsmäßigen Vermögensbindung mit dieser Folge rechnen musste. Ein Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht unter den Gesichtspunkten der fehlenden Möglichkeiten der Mitwirkung und Einflussnahme sowie der Inanspruchnahme von Leistungen, denn sie berührt den Vorteil aus der Tätigkeit der Beklagten, für den die Beiträge als Gegenleistung erbracht werden, nicht durchgreifend (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juli 1998 - 1 C 32.97 - BVerwGE 107, 169; ferner OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Mai 2008 - OVG 12 S 27.08 - [...] Rn. 3; auch bereits OVG Lüneburg, Urteil vom 27. Januar 1984 a.a.O., Urteilsabdruck S. 13).

Auch liegt ein Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts, der der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht unterläge, nicht vor. Soweit das - insoweit undeutliche - Vorbringen der Klägerin darauf zielt, das Verwaltungsgericht habe Teile ihres Vortrages unberücksichtigt gelassen, also nicht ausreichend rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährt, besteht dafür objektiv kein Anhalt. Soweit die Klägerin meint, ihr Handeln bis Ende 2007 sei gemeinnützig und daher nicht gewerblich gewesen, ist dies angesichts der Bindung der Beklagten an die Gewerbesteuerveranlagung rechtlich nicht erheblich; im Übrigen kann schon deshalb nicht angenommen werden, das Verwaltungsgericht habe dieses Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen, weil die Urteilsbegründung die Frage nach der Erheblichkeit gerade dieses Vorbringens eindeutig dahin beantwortet, dass es unerheblich ist, indem es deutlich macht, was entscheidend ist (Urteilsabdruck S. 3 f; insbesondere S.4 2. Absatz am Ende).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs.3 GKG. Sie berücksichtigt auch die ebenfalls streitige Widerspruchsgebühr; von einer Änderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung ist insoweit abgesehen worden, weil sie sich auf die Gebühren-höhe und die Kostenfestsetzung nicht auswirken würde.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

RechtsgebieteVwGO, IHKG, GGVorschriften§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO § 2 IHKG Art. 103 Abs. 1 GG

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