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06.04.2011 · IWW-Abrufnummer 111142

Finanzgericht München: Urteil vom 12.11.2010 – 8 K 858/08

1. Erhält ein vormals in Deutschland ansässiger Arbeitnehmer für die Auflösung seines Dienstverhältnisses eine Abfindung, die ihm erst nach seinem Wegzug nach Österreich ausgezahlt wird, so steht Österreich als Ansässigkeitsstaat nach Art. 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DBA Österreich das Besteuerungsrecht zu.



2. Das Besteuerungsrecht der BRD wäre nur dann gegeben, wenn es sich bei den streitigen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit um eine Vergütung für eine im Inland konkret ausgeübte Tätigkeit handelt. Das ist jedoch bei Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht der Fall.


FG München v. 12.11.2010

8 K 858/08

Tatbestand

Gründe
I.

Streitig ist die Besteuerung einer Abfindungszahlung.

Der Kläger war seit dem 01. Dezember 1999 bei der Fa. A GmbH, München beschäftigt. Ihm wurde seitens seiner Arbeitgeberin am 27. Januar 2005 gekündigt. Hiergegen reichte der Kläger Kündigungsschutzklage ein. Zur Beendigung des Rechtsstreites wurde am 21. April 2005 eine Aufhebungsvereinbarung mit u.a. folgenden Konditionen geschlossen: Das Arbeitsverhältnis wurde mit Wirkung zum 31. Juli 2005 im gegenseitigen Einvernehmen beendet (Ziff. 1); die Arbeitgeberin verpflichtete sich, die Kündigung vom 27. Januar 2005 zurückzunehmen (Ziff. 2); der Kläger verpflichtete sich, seine Kündigungsschutzklage zurückzunehmen (Ziff. 3); als Ausgleich aller durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehender Nachteile sollte er eine zum 31. August 2005 fällige Abfindung in Höhe von 1,45 Mio. EUR erhalten (Ziff. 6). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Aufhebungsvertrag vom 21. April 2005 verwiesen.

Die Abfindung wurde dem Kläger – entgegen der vertraglichen Vereinbarung – zusammen mit einer Sondervergütung in Höhe von 50.000 EUR erst im Jahr 2006 (März) ausbezahlt. Der Beklagte (das Finanzamt) berücksichtigte beide Beträge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Jahres 2006. Mit Bescheid vom 05. Oktober 2007 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für 2006 auf … EUR fest.

Hiergegen legte der Kläger am 07. Oktober 2007 Einspruch ein. Zur Begründung ließ er vortragen, er habe zum 29. September 2005 seinen Wohnsitz in Deutschland aufgegeben und sei zu diesem Zeitpunkt nach Österreich verzogen. Da die Abfindung erst in 2006 ausbezahlt wurde, könne sie nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich (im Folgenden DBA-Österreich) nicht mehr in Deutschland besteuert werden; steuerpflichtig sei hier nur noch die Sondervergütung in Höhe von 50.000 EUR.

Wegen des damals beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Verfahrens I R 48/05 wollte das Finanzamt das Einspruchsverfahren des Klägers ruhen lassen (Schreiben des Finanzamts vom 11. Oktober 2007). Der Kläger war damit nicht einverstanden. Als das Finanzamt ihn bat, sich noch etwas zu gedulden, reichte der Kläger am 03. März 2008 Untätigkeitsklage ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom 17. April 2008 – also nachdem Untätigkeitsklage erhoben worden war – wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

Der Kläger beantragt zuletzt, unter Abänderung des Bescheides vom 05. Oktober 2007 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 17. April 2008 die Einkommensteuer für 2006 auf … EUR und den Solidaritätszuschlag 2006 auf … EUR herabzusetzen.

Das FA beantragt unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 17. April 2008, die Klage abzuweisen.

Mit Gerichtsbescheid vom 09. September 2010 war der Klage stattgegeben worden. Mit Schreiben vom 29. September 2010 stellte das FA Antrag auf mündliche Verhandlung.

Auf die Schreiben des Klägers vom 06. Juli bzw. 05. August 2010 und das der A GmbH vom 16. August 2010 sowie die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 12. November 2010 wird verwiesen.



Gründe

II.

1. Die Klage ist mit Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 17. April 2008 zulässig geworden (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 17. Mai 1985 III R 213/82, BStBl 1985 II S. 521 Gräber/von Groll, Komm. zur FGO, 6. Aufl. 2006, § 46 Rz. 13).

2. Die Klage ist auch begründet.

Das FA hat die lt. Aufhebungsvertrag vom 21. April 2005 an sich zum 31. August 2005 fällige Abfindung in Höhe von 1,45 Mio. EUR zu Unrecht der Besteuerung unterworfen.

a) Der Senat geht aufgrund der vorliegenden Unterlagen, insbesondere der Stellungnahme der A GmbH vom 16. August 2010 davon aus, dass dem Kläger die Abfindung im Jahr 2006 zugeflossen ist (vgl. hierzu auch das Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 11. November 2009 IX R 1/09, BStBl II 2010, 746) und er damals keinen inländischen Wohnsitz mehr hatte.

b) Im Jahr 2006 konnte die Abfindung daher nicht mehr der deutschen Einkommensteuer unterworfen werden. Der Kläger war nach den vorliegenden Unterlagen (vgl. die Anlagen zum Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 06. Juli 2010 sowie die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen) im Jahr 2006 gem. § 1 Abs. 4 Einkommensteuergesetz – EStG – nur noch mit den in § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG aufgelisteten Einkünften (beschränkt) steuerpflichtig. Zu diesen Einkünften gehörte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG zwar auch die streitgegenständliche Abfindung. Denn diese wurde als Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 EStG für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit seiner Arbeitgeberin, der A GmbH, von der der Kläger zuvor auch im Inland steuerpflichtige Einkünfte bezogen hatte, gezahlt.

Die Abfindung unterlag jedoch nicht der deutschen Besteuerung, da das Deutschland insoweit nach innerstaatlichem Recht zustehende Besteuerungsrecht durch das DBA-Österreich beschränkt worden war; nach Art. 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DBA-Österreich steht Österreich als dem (damals neuen) Wohnsitzstaat des Klägers das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit alleine zu, es sei denn, die Tätigkeit wurde in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wurde die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen (auch) in dem anderen Staat besteuert werden. Das Besteuerungsrecht der BRD ist damit nur dann gegeben, wenn es sich bei den streitigen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit um eine Vergütung für eine im Inland konkret ausgeübte Tätigkeit handelt.

Dies ist jedoch – wie der BFH wiederholt entschieden hat (vgl. die BFH-Urteile vom 02. September 2009 I R 111/08 und I R 90/08, BStBl II 2010 S. 387 bzw. S. 394) – bei Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses nicht der Fall. Denn anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses vereinbarte Abfindungen werden gerade nicht für eine konkret ausgeübte Tätigkeit gezahlt, sondern für den Verlust des Arbeitsplatzes. In einem solchen Fall besteht zwischen Abfindung und dem Arbeitsverhältnis lediglich ein rechtlicher Zusammenhang. Ein solcher – wie der BFH formuliert hat – „bloßer Anlasszusammenhang zwischen Zahlung und Tätigkeit” reicht aber nach der vorgenannten Rechtsprechung des BFH zu dem insoweit gleichlautenden Art 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DBA-Schweiz für die Besteuerung einer solchen Abfindung im Inland nicht aus. Ob sie nach österreichischem Einkommensteuerrecht steuerpflichtig ist, ist für das vorliegende Verfahren nicht entscheidungsrelevant. Zur weiteren Begründung wird auf die beiden vorgenannten BFH-Urteile vom 02. September 2009 verwiesen.

c) Der Kläger, der nach den vorliegenden Unterlagen Deutscher ist, im Streitjahr in Österreich wohnte und aus den vorgenannten Gründen nur mit der Sonderzahlung in Höhe von 50.000 EUR beschränkt steuerpflichtig ist, hat die Veranlagung zur Einkommensteuer gem. § 50 Abs. 5 Satz 2 HS 2 Nr. 2 EStG in der für das Jahr 2006 bzw. 2007 geltenden Fassung beantragt. Die Einkommensteuer war demnach entsprechend dem korrigierten Klageantrag vom September 2010 auf … EUR und der Solidaritätszuschlag 2006 auf … EUR festzusetzen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

4. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

RechtsgebietEStGVorschriftenDBA AUT Art. 15 Abs. 1 S. 1 DBA AUT Art. 15 Abs. 1 S. 2 EStG § 1 Abs. 4

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