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27.04.2011 · IWW-Abrufnummer 110895

Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 12.01.2011 – I-20 U 122/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 11.08.2010 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Siegen wird zurückgewiesen.
Der Kläger werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
leistet.
Gründe
A.
Der Kläger nimmt die Beklagte unter Behauptung bedingungsgemäßer Unfallinvalidität auf Invaliditätsleistung aus einer bei der Beklagten genommenen Unfallversicherung in Anspruch. Dem Versicherungsvertrag liegen die "C Unfallversicherungs-Bedingungen der C Gesellschaften (C AUB 2000) U 7000/03" zugrunde (im Folgenden: AUB 2000).
Vereinbart ist eine Invaliditätsgrundsumme von 111.000 EUR bei einer Progressionsstaffel von 500 % unter der Voraussetzung einer 80%igen Invalidität vor Vollendung des 50. Lebensjahres. Zusätzlich ist ein Treuebonus in der Gestalt einer Leistungserhöhung um 10 %, maximal 30.000 EUR, bei Unfällen vor dem 65. Geburtstag vereinbart.
Der Kläger erlitt am 19.07.2007 in Diyarbakir/Türkei einen Unfall, bei dem er aus großer Höhe von einer Baustellenrampe stürzte, wodurch er im gesamten linken Arm-/Schulterbereich folgende Verletzungen erlitt: einen körpernahen Oberarmkopf-Mehrfragmentbruch mit Abriss des großen Rollhügels links, einen intraartikulären Mehrfragmentbruch des linken Ellenbogens, eine Distorsion des linken Handgelenks sowie ein postoperatives komplexes regionales Schmerzsyndrom. Es verblieb eine reizlose Narbe der linken Schulter, eine talgige Hautveränderung im Bereich des linken Unterarms, eine Störung der Schweißdrüsen im linken Arm, eine hochgradig eingeschränkte Beweglichkeit im linken Schultergelenk, im linken Ellenbogengelenk sowie im Handgelenk; Handgelenk und Ellenbogen sind hochgradig entkalkt. Die Beweglichkeit der vier Langfinger und des Daumens der linken Hand ist ebenfalls eingeschränkt.
Der Kläger hat behauptet, dass bei ihm folgende Funktionsbeeinträchtigungen vorlägen:
der linke Arm im Schultergelenk zu 100 %,
oberhalb des Ellenbogengelenks zu 80 %,
unterhalb des Ellenbogengelenks zu 100 %,
im Handgelenk zu 70 %,
im Daumen zu 50 %,
im Zeigefinger zu 40 %,
in den Langfingern zu 60 %
und im kleinen Finger zu 30 %.
Der Kläger hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass sein Invaliditätsgrad insgesamt 237 % betrage und sich wie folgt ermittle:
Arm im Schultergelenk mit 70 %,
Arm oberhalb des Ellenbogengelenks mit 52 %,
Arm unterhalb des Ellenbogengelenks zu 60 %,
Hand im Handgelenk zu 38,5 %,
Daumen mit 10 %,
Zeigefinger mit 5 %,
Finger mit 1,5 %.
Der Kläger hat gemeint, dass die Gliedertaxe von einem verständigen Versicherungsnehmer nur so verstanden werden könne, dass alle betroffenen Teilglieder in ihrem Invaliditätsgrad zu addieren seien, also eben auch über 100 % hinaus, die als Obergrenze in einer gesonderten Ziffer aufgeführt sei.
Der Kläger hat Invaliditätsleistung gemäß dem 5-fachen Satz der Invaliditätsleistung, also 555.000 EUR, zuzüglich 30.000 EUR Treuebonus, insgesamt 585.000 EUR verlangt, von dem er einen seitens der Beklagten im Januar 2009 geleisteten Vorschuss von 35.000 EUR in Abzug gebracht hat.
Nach Eingang des vom Landgericht eingeholten Sachverständigengutachtens des Dr. med. L vom 05.02.2010 hat die Beklagte weitere 42.700 EUR (70 % aus 111.000 EUR, also 77.700 EUR abzüglich 35.000 EUR) anerkannt. Diesen Betrag nebst anteiliger Zinsen hat das Landgericht dem Kläger durch Anerkenntnisteilurteil vom 20.05.2010 zuerkannt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 550.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 120.000,00 EUR seit dem 13.12.2008 und auf 430.000,00 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen, soweit nicht bereits durch Anerkenntnisteilurteil darüber entschieden worden sei.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Vorstellungen des Klägers zur Anspruchshöhe für weit überzogen gehalten.
Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf das Schlussurteil des Landgerichts Bezug genommen.
Das Landgericht hat die restliche Klage abgewiesen:
Zwar habe der Sachverständige neben einer dauerhaften Funktionsunfähigkeit im Schultergelenk zu 100 % auch eine Funktionsbeeinträchtigung des Ellenbogengelenks zu 100 %, eine solche des Handgelenks zu 70 % sowie des Daumens und weiterer vier Finger zu je 50 % festgestellt. Der Invaliditätsgrad des Klägers liege jedoch nicht über 70 %. Die Auslegung der AUB 2000 der Beklagten ergebe, dass nur der Höchstsatz des betroffenen Gliedes heranzuziehen und nicht auf den zusammengerechneten Prozentsatz der Werte für die ihm untergeordneten Teilgliedmaßen abzustellen sei. Im Übrigen stünde der Rechtsgedanke des § 242 BGB dem Begehren des Klägers entgegen, weil sich der Kläger in Widerspruch setze zu einer langjährigen einverständlichen Übung im Versicherungswesen. Auch der Gedanke der laesio enormis stehe einer Erhöhung des Armwertes von 70 % auf 237 % entgegen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Der Kläger macht geltend, dass nach den eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Vorgaben der Gliedertaxe jedes betroffene Körperteil hinsichtlich seiner spezifischen Funktionsbeeinträchtigung gesondert zu betrachten und zu bewerten sei. Deshalb sei der Invaliditätsgrad für jedes darin ausgeführte Körperteil gesondert zu ermitteln. Auch nach der ebenfalls eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Additionsregel seien mehrere Invaliditätsgrade von Teilgliedern bis zu einer Gesamtsumme von 100 % zusammenzurechnen.
Bei Annahme einer Mehrdeutigkeit und damit einer Auslegungsbedürftigkeit könne jedenfalls der Auslegung des Landgerichts nicht gefolgt werden. Denn soweit sich die Beklagte bei Abfassung der Bedingungen vorgestellt haben mag, dass durch die Gliedertaxe die Funktionsbeeinträchtigung eines "rumpfnäheren Gliedes" diejenige eines "rumpfferneren Gliedes" automatisch beinhalte, so könne dies einem Versicherungsnehmer, der die Klausel nach deren ausdrücklichem Wortlaut anders verstehe, jedenfalls nicht entgegengehalten werden. Sofern sich die aus einer mehrdeutigen Formulierung ergebenden Zweifel aus der Sicht des um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers nicht überwinden ließen, gingen diese Auslegungszweifel gemäß §§ 5 AGBG, 305c Abs. 2 BGB ohnehin zu Lasten des Verwenders; es sei dann von der für den Versicherungsnehmer günstigeren Auslegung auszugehen. Deshalb seien bei der Bemessung der Invalidität des Klägers zu dessen Gunsten die gutachterlich bestätigten Funktionsbeeinträchtigungen in den Teilgliedern bis zum Höchstwert von 100 % zu addieren.
Der Kläger beantragt,
abändernd
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 550.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 120.000,00 EUR seit dem 13.12.2008 und auf 430.000,00 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen, soweit nicht bereits durch Anerkenntnisteilurteil darüber entschieden worden sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt mit näheren Darlegungen die angefochtene Entscheidung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat über die vorgerichtlich gezahlten 35.000 EUR und die durch Anerkenntnisteilurteil zuerkannten 42.700 EUR hinaus keinen weiteren Anspruch auf Zahlung einer bedingungsgemäßen Invaliditätsleistung.
I.
Die Parteien gehen in der Berufungsinstanz übereinstimmend davon aus, dass der Kläger wegen des am 19.01.2007 erlittenen Unfalls bedingungsgemäße Invaliditätsleistung beanspruchen kann. Ebenfalls ist es zweitinstanzlich nicht im Streit der Parteien, dass eine Gebrauchsunfähigkeit des linken Arms im Schultergelenk vorliegt und dass der damit gegebene 1/1 Armwert nach Ziffer 2.1.2.2.1. AUB 2000 zu einem Invaliditätsgrad von 70 % und somit bei einer vereinbarten Invaliditätsgrundsumme von 111.000 EUR zu einer Invaliditätsleistung von 77.700 EUR führt.
II.
Der Kläger kann eine weitergehende bedingungsgemäße Leistung nicht deshalb verlangen, weil bei ihm neben der vollständigen Funktionsuntauglichkeit des linken Arms im Schultergelenk auch eine Funktionsbeeinträchtigung des linken Ellenbogengelenks zu 100 %, des linken Handgelenks zu 70 % sowie des linken Daumens und der weiteren vier Finger der linken Hand zu je 50 % gegeben ist.
Weder lässt sich ein solcher weitergehender Anspruch aus den Ziffern 2.1.2.2.1. oder 2.1.2.2.4. AUB 2000 herleiten noch ergibt sich dies aus der Unklarheitenregelung der §§ 5 AGBG, 305c Abs. 2 BGB.
1.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGH VersR 2009, 1617 Rz 7 bei juris). Es ist nicht maßgeblich, was sich der Verwender der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorgestellt hat. Die Entstehungsgeschichte der Bedingungen, die der Versicherungsnehmer typischerweise nicht kennt, hat bei der Auslegung außer Betracht zu bleiben (BGH VersR 2003, 1163 Rz 18 bei juris).
Zwar sind die Regelungen der Ziffer 2.1.2.2.1. und 2.1.2.2.4. AUB 2000 weder in dem einen Sinn, dass ein Aufaddieren der Funktionsbeeinträchtigungen des linken Armes zu erfolgen hat, noch in dem anderen Sinn, dass es allein auf die Funktionsbeeinträchtigung des linken Armes im Schultergelenk ankommt, eindeutig, mit der Folge, dass sich die Frage der Auslegung mangels Auslegungsbedürftigkeit nicht stellen würde. Denn eine ausdrückliche Regelung dahin, dass ein Aufaddieren solcher Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen oder zu unterbleiben hat, fehlt. Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht aus der in der Ziffer 2.1.2.2.4. Satz 1 AUB 2000 enthaltenen Formulierung "sind mehrere Körperteile oder Sinnesorgane durch den Unfall beeinträchtigt &". Denn es trifft nicht zu, dass hierin für alle Fälle einer Beeinträchtigung mehrerer Körperteile eine Zusammenrechnung der Invaliditätsgrade angeordnet wäre. Denn die desweiteren in Ziffer 2.1.2.2.4. Satz 1 AUB 2000 enthaltene Formulierung "die nach den vorstehenden Bestimmungen ermittelten Invaliditätsgrade" bringt zum Ausdruck, dass sich die Anordnung der Zusammenrechnung nur auf solche Invaliditätsgrade bezieht, die zunächst aus den vorstehenden Klauseln zu ermitteln sind. Nur wenn sich aus diesen Klauseln eine Mehrzahl von Invaliditätsgraden ergibt, erfolgt eine Zusammenrechnung. Damit enthält Ziffer 2.1.2.2.4 Satz 1 AUB 2000 entgegen der Auffassung der Berufung nicht eine Regelung dahin, dass mehrere Invaliditätsgrade von Teilgliedern stets und unter allen Umständen zusammenzurechnen sind.
2.
Die in Ziffer 2.1.2.2.1 Satz 1 AUB 2000 vereinbarte Gliedertaxe bestimmt nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade für den Fall des Verlustes bzw. der damit gleichgestellten Funktionsunfähigkeit der in ihr benannten Glieder (vgl. BGH VersR 2001, 360 Rz 8 bei juris). Geht der Arm im Schultergelenk durch einen Unfall verloren oder ist der Arm im Schultergelenk wegen eines unfallbedingten Dauerschadens vollständig funktionsunfähig, steht der Invaliditätsgrad nach der Gliedertaxe deshalb unverrückbar fest (vgl. BGH VersR 2001, 360 Rz 8 bei juris).
Demgemäß beschreibt Ziffer 2.1.2.2.1 Satz 1 AUB 2000 unter anderem abgegrenzte Teilbereiche des Armes und ordnet jedem Teilbereich einen festen Invaliditätsgrad zu, der mit Rumpfnähe des Teilgliedes steigt.
Zwar läßt - dies ist dem Kläger zuzugeben - der bloße Wortlaut der Ziffer 2.1.2.2.1 Satz 1 AUB 2000 auch die Deutung zu, dass stets jedem der dort genannten Körperteile ein eigener Invaliditätsgrad zuzumessen ist, der sodann nach Ziffer 2.1.2.2.4 Satz 1 AUB 2000, wenn mehrere Körperteile betroffen sind, mit weiteren Invaliditätsgraden zusammenzurechnen ist.
Auch ließe sich unter Heranziehung der sog. "Arm im Schultergelenk"-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VersR 2006, 1117), nach der bereits die Funktionsunfähigkeit eines Armes im Schultergelenk zum vollen Armwert führt, weil danach allein auf die Funktionsunfähigkeit im Gelenk selbst und nicht auf die Funktionsunfähigkeit des Armes insgesamt abzustellen ist, erwägen, dass derjenige Versicherungsnehmer, der - wie der Kläger - neben einer Funktionsunfähigkeit des Armes im Schultergelenk auch weitere, auf diesen Arm bezogene Funktionsbeeinträchtigungen des Ellenbogengelenks, des Handgelenks und der Finger erlitten hat, eine insgesamt höhere Invalidität erlitten hat als derjenige Versicherungsnehmer, bei dem sich die Beeinträchtigung auf die Funktionsunfähigkeit des Armes im Schultergelenk beschränkt. So könnte der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwarten, dafür höher entschädigt zu werden.
Gleichwohl ist es für den um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer aus dem für ihn erkennbaren Sinnzusammenhang der Gliedertaxe unübersehbar, dass der Verlust bzw. ihm gleichstellt nach Ziffer 2.1.2.2.1 Satz 1 AUB 2000 die Funktionsunfähigkeit eines funktionell höher bewerteten, dem Rumpf näheren Gliedes oder Teil eines Gliedes den Verlust bzw. die Funktionsunfähigkeit eines geringer bewerteten und dem Rumpf ferneren Gliedes einschließt.
Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
a)
Unübersehbar enthält die Gliedertaxe eine Abstufung für den hier gegebenen Fall des Verlustes bzw. der Funktionsunfähigkeit eines Armes. Ist der Arm im Schultergelenk verloren gegangen oder funktionsunfähig geworden, so fehlt es an jeglicher Restgebrauchsfähigkeit dieses Armes (einschließlich der Hand und ihrer Finger); ist der Arm oberhalb des Ellenbogengelenks verloren oder funktionsunfähig, so ist eine geringe Gebrauchsfähigkeit des verbliebenen Armstumpfes noch vorhanden, die etwas zunimmt bei einem Verlust des Armes bzw. seiner Funktionsunfähigkeit unterhalb des Ellenbogens. Dem trägt die Gliedertaxe dadurch Rechnung, dass der gänzliche Armverlust bzw. dessen gänzliche Funktionsunfähigkeit mit 70%, der Verlust bzw. die Funktionsunfähigkeit oberhalb des Ellenbogengelenks mit 65% und der Verlust bzw. die Funktionsunfähigkeit unterhalb des Ellenbogengelenks mit 60% bewertet, d.h. noch um 5% höher als der Verlust der Hand im Handgelenk, der die Gebrauchsfähigkeit des Armes ebenfalls schon empfindlich mindert (vgl. BGH VersR 1990, 964 Rz 7 bei juris).
Damit ist - für den um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer erkennbar - in jedem der genannten Invaliditätsprozentsätze bereits mitberücksichtigt, wie sich der unfallbedingte Verlust bzw. die Funktionsunfähigkeit (bzw. Teilverlust bzw. Funktionsbeeinträchtigung gemäß Ziffer 2.1.2.2.1 Satz 2 AUB 2000) eines Untergliedes oder Gliedteils auf den verbleibenden Gliedrest auswirkt. Gerade daraus resultiert das Ansteigen des Invaliditätsprozentsatzes mit zunehmender Rumpfnähe des Gliedverlustes oder der Funktionsstörung (BGH VersR 1990, 964 Rz 7 bei juris; BGH VersR 2001, 360 Rz 8 bei juris).
b)
Hinzukommt, dass der Standpunkt des Klägers dazu führt, dass im Falle einer Funktionsunfähigkeit ein deutlich höherer Invaliditätsgrad gegeben sein könnte als im Fall eines Verlustes, obschon die Klausel 2.1.2.2.1 AUB 2000 den Verlust mit der Funktionsunfähigkeit ebenso gleichstellt wie den Teilverlust mit der Funktionsbeeinträchtigung. Dies zeigt gerade die vorliegende Konstellation: Während sich im Fall eines Armverlustes ein Invaliditätsgrad von 70 % unverrückbar ergibt, könnte sich im Fall einer Funktionsunfähigkeit - wie hier vom Kläger errechnet - bei Vorliegen weiterer auf den gleichen Arm bezogener Beeinträchtigungen ein Invaliditätsgrad von 237 % ergeben. Der um Verständnis bemaühte Versicherungsnehmer kann deshalb nicht annehmen, dass die Addition von Funktionsbeeinträchtigungen den Grad der Invalidität für den Verlust überschreiten kann, wenn Funktionsunfähigkeit und Verlust durch die Gliedertaxe gleichgestellt werden. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann deshalb erkennen, dass er eine weitergehende Entschädigung als den vollen Armwert nicht erhalten kann und zwar auch nicht, wenn weitere auf den gleichen Arm bezogene Beeinträchtigungen gegeben sind.
Damit lässt die Gliedertaxe der Ziffer 2.1.2.2.2.1 AUB 2000 keinen Zweifel zu, dass neben dem Verlust des linken Armes bzw. seiner Funktionsunfähigkeit im Schultergelenk die Funktionsbeeinträchtigungen des linken Ellenbogengelenks, des linken Handgelenks und der Finger der linken Hand nicht noch zusätzlich zu entschädigen sind. Für die Anwendung der Unklarheitenregelung der §§ 5 AGBG, 305c Abs. 2 BGB ist kein Raum. Denn es erschließt sich einem verständigen Versicherungsnehmer ohne weiteres, dass nach der Systematik der Gliedertaxe der Verlust bzw. die Funktionsunfähigkeit eines funktionell höher bewerteten, rumpfnäheren Gliedes den Verlust oder die Beeinträchtigung des rumpfferneren Gliedes miteinschließt (OLG Köln r+s 2003, 472; OLG Brandenburg r+s 2006, 207; OLG Celle 15.04.2010 8 U 205/09 Rz 16 bei juris; Senat VersR 2002, 747; Terbille/Hormuth MAH Versicherungsrecht, 2. Aufl., § 24 Rz 74; Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 47 Rz 188; Grimm, Unfallversicherung, 4. Aufl., Ziffer 2 AUB 99 Rz 20 S. 159; Kloth, Private Unfallversicherung G V 2 g Rz 90; Veith/Gräfe/Lücke, Versicherungshandbuch, § 7 Rz 70).
Soweit Knappmann (Prölss/Martin/Knappmann, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., Nr. 2 AUB 2008 Rz 31) Bedenken gegen die Transparenz des Systems der Gliedertaxe erhoben hat und meint, dass einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer kaum hinreichend klar vor Augen gestellt werde, dass zusätzliche Beschwerden und unfallbedingte krankhafte Veränderungen außerhalb des Sitzes der unmittelbaren Verletzung und der Beschwerden nicht bewertet werden sollen, so ist darauf zu verweisen, dass die Invaliditätsgrade der Gliedertaxe nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Ziffer 2.1.2.2.2.1 Satz 1 AUB 2000 ("gelten ausschließlich die folgenden Invaliditätsgrade") abschließend sind, wenn und soweit es um Beeinträchtigungen der dort genannten Körperteile geht.
Die davon getrennt zu sehende, von Knappmann a.a.O. in den Vordergrund gerückte Frage, ob über das Glied hinaus ausstrahlende Folgen des Verlustes bzw. der Beeinträchtigung von der Gliedertaxe bereits erfasst und abgegolten sind, jedoch nicht ein weiterer Gesundheitsschaden im Bereich des übrigen Körpers, der durch solche Auswirkungen hervorgerufen wurde und ebenfalls dauerhafte Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Versicherten nach sich zieht (so OLG Karlsruhe VersR 2005, 1070), stellt sich hier nicht.
3.
Der Kläger kann eine weitergehende Invaliditätsleistung nicht etwa deshalb verlangen, weil die Funktionsunfähigkeit seines linken Armes im Schultergelenk auf die Funktionsfähigkeit des Ellenbogengelenks, des Handgelenks und die Finger ausstrahlt. Denn unübersehbar berücksichtigt die Gliedertaxe der AUB ausweislich ihrer gestaffelten Invaliditätsprozentsätze stets auch die Ausstrahlung eines Teilgliedverlustes auf die Einsatzfähigkeit des verbliebenen Restgliedes (BGH VersR 1991, 57 Rz 19 bei juris; BGH VersR 2001, 360 Rz 8 bei juris). Deshalb kann der Kläger auch nicht etwa deshalb eine weitergehende Invaliditätsleistung beanspruchen, weil die ebenfalls gegebenen Funktionsbeeinträchtigungen des linken Ellenbogengelenks zu 100 %, des linken Handgelenks zu 70 % sowie des linken Daumens und der weiteren vier Finger der linken Hand zu je 50 % jeweils auf das rumpfnähere Glied ausstrahlen.
4.
Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass der Kläger nichts zu seinen Gunsten aus der Additionsklausel der Ziffer 2.1.2.2.4. AUB 2000 herleiten kann. Denn der Kläger kann allein wegen der Funktionsunfähigkeit des linken Armes den vollen Armwert verlangen. Damit ist ein einziger Invaliditätsgrad maßgeblich, so dass der Kläger aus der Additionsklausel nichts für sich herleiten kann.
5.
Soweit die für das maßgebliche körpernähere Glied ermittelte Funktionsbeeinträchtigung nicht hinter derjenigen zurückbleiben darf, die für das körperfernere Glied ermittelt wird (so OLG Köln r+s 2003, 472 unter Hinweis auf BGH VersR 2001, 360 Rz 11 bei juris), wäre eine solche Untergrenze hier deshalb gewahrt, weil der Kläger nach dem vollem Armwert zu entschädigen ist, also nach dem höchsten in der Gliedertaxe vorgesehenen Invaliditätsgrad.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

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