Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

03.03.2011 · IWW-Abrufnummer 110832

Verwaltungsgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 16.12.2010 – 1 K 1711/10

1. Für Streitigkeiten zwischen Bürgern bzw. Unternehmen und einer Sparkasse über die Eröffnung eines Girokontos ist der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet.



2. Das Begehren auf Eröffnung eines Girokontos ist im Wege der Leistungsklage zu verfolgen.



3. Ein Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos kann sich an § 2 Abs. 2 Hess. SparkG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ergehen.



4. Die Ablehnung der Eröffnung eines Girokontos kann nur aus sachlichen Gründen erfolgen.
5. Ein sachlicher Grund ist wegen der Bindung der Sparkasse an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) gegeben, wenn ein Girokonto von einem Inkassounternehmen zur Eintreibung von Forderungen Dritter gemacht werden soll, die in Verdacht stehen Verbraucher betrügerisch zu täuschen.


1 K 1711/10.F
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, für die Klägerin ein Girokonto zu eröffnen.
Die Klägerin, eine nach § 14 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) registrierte GmbH mit Sitz in A-Stadt (Kreis Offenbach) treibt für andere Unternehmen deren Forderungen gegen Dritte ein. Hierunter befinden sich auch Unternehmen, die Anbieter von internetbasierten Dienstleistungen sind. In Internetforen werden diese Unternehmen von Verbrauchern als „Internetabzocker“ bezeichnet. Die Verbraucher wandten sich mit ihren Beschwerden auch an die Beklagte, eine Sparkasse, da diese ein Girokonto für die Klägerin führte. Im Hinblick auf diese Beschwerden kündigte die Beklagte den Kontovertrag mit der Klägerin nach Nr. 26 Abs. 1 ihrer AGB. Die Klägerin beantragte daraufhin den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte, die letztlich durch Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 13.05.2009 (Az.: 17 W 21/09) abgelehnt wurde.
Am 27.05.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Eröffnung eines Girokontos. Sie vertrat die Auffassung, sie habe gem. § 2 Abs. 1 des Hessischen Sparkassengesetzes (HessSparkG) einen Anspruch hierauf. Des Weiteren ist die Klägerin der Ansicht, dass die Beklagte aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Pflicht zur Daseinsfürsorge die Kontoeröffnung nicht ohne einen sachlichen Grund ablehnen dürfe. Ein sachlicher Grund sei insbesondere nicht darin zu sehen, dass die Klägerin Inkassodienstleistungen für andere Unternehmen erbringe. Denn die im Lastschriftverfahren durch die Klägerin eingenommenen Gelder seien nicht deliktisch erlangt. Soweit sich Verbraucher gegen die Einforderung dieser Gelder wehrten, betreffe dies nur das Rechtsverhältnis zwischen den Auftraggebern, der Klägerin und deren Vertragspartner. Über das Bestehen dieser Forderungen und damit die Rechtmäßigkeit der Einforderung dürfe die Beklagte nicht entscheiden. Zudem würde der Klägerin durch die Versagung eines Girokontos die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit praktisch unmöglich gemacht. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Schreiben vom 16.06.2010 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass einem Anspruch auf Kontoeröffnung die wirksame Kündigung des damaligen Girokontovertrages entgegenstehe. Dies ergebe sich bereits aus dem Urteil des OLG Frankfurt. Zudem könne die Inkassotätigkeit der Klägerin nicht getrennt von der Tätigkeit ihrer Auftraggeber betrachtet werden, da die Verbraucherbeschwerden über die Vorgehensweise der Anbieter von internetbasierten Dienstleistungen auch direkt an die Beklagte im Hinblick auf deren Kontoführung für die Klägerin gerichtet gewesen seien. Hierdurch sei ihr ein Reputationsschaden entstanden. Zudem stehe einer erneuten Kontoführung im Wege, dass die Klägerin ihrer Kostentragungspflicht aufgrund des Urteils des OLG Frankfurt nicht nachgekommen sei und die Beklagte daher gezwungen gewesen sei, die Zwangsvollstreckung einzuleiten.
Die Klägerin hat am 14.07.2010 Klage erhoben.
Sie meint, das Verwaltungsgericht sei sachlich zuständig, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handele. Denn der Anspruch auf Kontoeröffnung ergebe sich gem. § 2 Abs. 1 HessSparkG aus einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift. Weiterhin trägt die Klägerin vertiefend vor, dass die Beklagte als Sparkasse aufgrund ihres öffentlichen Auftrages einzelnen Interessenten die Eröffnung eines Girokontos nur infolge Unzumutbarkeit als einem sachlichen Grund versagen dürfe. Die Verbraucherbeschwerden begründeten keine Unzumutbarkeit, da diese nur das Rechtsverhältnis zwischen dem Anbieter internetbasierter Dienstleistungen und den Verbrauchern beträfe. Wenn sich ein Verbraucher gegen eine Forderung wehren wolle, könne er dies in einem zivilgerichtlichen Gerichtsverfahren machen. Die Beklagte sei schon nicht die richtige Stelle für diese Beschwerden. Der Klägerin sei kein Fall bekannt, in dem einer ihrer Auftraggeber wegen Betruges verurteilt worden sei. Die Inkassotätigkeit erfolge davon unabhängig und auf rechtmäßige Weise. Immerhin habe sie eine Erlaubnis nach dem RDG. Es sei nicht Aufgabe der Klägerin, das Bestehen der Forderung zu überprüfen. Ein Reputationsschaden sei zu verneinen, da sich die Verbraucherbeschwerden nach Kenntnis der Klägerin nur gegen das Rechtsverhältnis mit den Anbietern internetbasierter Dienstleistungen richteten. Das Bestehen einer Bankverbindung zur Klägerin könne auch nicht zu dem Schluss führen, die Beklagte sei an irgendwelchen rechtswidrigen Aktivitäten beteiligt. Schon unter Berücksichtigung des Umfangs und der Vielfalt der bestehenden Geschäftsbeziehungen könne bei rationaler Betrachtung nicht davon ausgegangen werden, dass die breite Öffentlichkeit eine Identifikation der Sparkasse mit den Zielen ihrer Kunden vornehme.
Durch die Versagung des Girokontos fühle sie sich in ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt. Denn ohne ein Konto würde ihr faktisch die Tätigkeit als Inkassounternehmen versagt.
Es sei zur Zwangsvollstreckung der Kosten aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Landgerichts Frankfurt gekommen, weil der damalige Anwalt der Klägerin dieser die Kontoverbindung für die Kostenerstattung nicht mitgeteilt habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, für die Klägerin ein Girokonto zu eröffnen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, dass der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht nicht eröffnet sei, da es sich um eine privatrechtliche Streitigkeit gem. § 13 GVG handele. Hierzu zieht die Beklagte ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 05.03.2004, Az.: 1 L 82/04, heran, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien gänzlich privatrechtlicher Natur seien, so dass auch der Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos nur dort seine Grundlage finden könne. Nach der Sonderrechtstheorie gehörten zum öffentlichen Recht die Normen, deren Zuordnungssubjekt zwingend der Staat und seine Untergliederungen seien. Für Sparkassen als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts bestünden hinsichtlich des Abschlusses von Verträgen zur Errichtung von Girokonten keine hier einschlägigen nur für Hoheitsträger geltenden Sondervorschriften. Nach Art. 99 EG-BGB blieben die landesrechtlichen Vorschriften über die öffentlichen Sparkassen unbeschadet des § 808 BGB und der Vorschrift des BGB über die Anlegung von Mündelgeldern unberührt. Damit ginge der Gesetzgeber von einer grundsätzlichen Geltung des BGB auch für diese Rechtsverhältnisse aus. Daher würden Streitigkeiten bezüglich Girokonten bei Sparkassen einhellig dem Zivilrecht zugeordnet.
Auch wenn man die Vorschriften des Hessischen Sparkassengesetzes als öffentlich-rechtlich einstufen wolle, bestünde kein Anspruch. § 2 des HessSparkG sehe im Unterschied zu anderen landesgesetzlichen Regelungen keinen Kontrahierungszwang vor, sondern enthalte nur eine allgemeine Tätigkeitsbeschreibung. In § 2 Abs. 2 des HessSparkG sei nur die Befriedigung des Kreditbedarfs sowie die Gelegenheit zur sicheren Geldanlage geregelt. Ein Kontrahierungszwang könne allenfalls für Privatpersonen angenommen werden. Einer Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes stünde auch der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 09.04.2009, Az.: 2 – 31 O 31/09 und das Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 13.05.2009, Az.: 17 B 21/09 entgegen, die die Wirksamkeit der Kündigung des Girovertrages der Klägerin bestätigten.
Darüber hinaus bestünden sachliche Gründe für die Ablehnung der Kontoeröffnung. Die Klägerin habe ihr früheres Girokonto bei der Beklagten für Beteiligungen an strafbaren und verbotenen Aktivitäten genutzt. Dies sei im Zusammenhang mit den Webseiten www.benzin-billiger.net, www.fuehrerschein24.net, www.los-fahren.com, www.alphaload.de sowie www.outletalarm.de und www.sharelite.de festzustellen. Der Klägerin seien die Aufmachung und das Geschäftsgebaren dieser Seiten aufgrund der an sie gerichteten Verbraucherbeschwerden bekannt. Auf diesen Seiten würden Verbraucher gezielt darüber getäuscht, dass eine Anmeldung auf diesen Internetseiten zum Herunterladen einer Software zu einer Kostenpflicht führe. Beispielhaft hierfür schildert die Beklagte den Fall eines Verbrauchers, der im Internet gezielt nach einer bekannten und üblicherweise kostenlosen Möglichkeit zum Download von Software gesucht habe und dann auf die Webseite Sharelite gelangt sei und sich dort angemeldet habe. Nach 14 Tagen habe er eine Rechnung der Firma E. GmbH erhalten, wonach er einen Abovertrag abgeschlossen habe und für die Downloads einen Betrag in Höhe von 96,00 Euro, der sie später auf 169,71 Euro erhöhte, habe zahlen sollen. Es erfolge noch der Hinweis, dass der Verbraucher auf sein Widerrufsrecht verzichtet habe. Dann folgten Mahnungen, worauf die Sache an die Klägerin weitergeleitet worden sei. Die Unternehmen selbst seien für die Verbraucher nicht zu erreichen. Auf diese Weise würden auch andere Internetseiten vorgehen. In der Bevölkerung wisse man, dass der Download von bestimmter Software üblicherweise kostenlos sei. Vor diesem Hintergrund rechne der Verbraucher auch nicht damit, dass gerade diese Software auf anderen Internetseiten kostenpflichtig sei. die Internetseiten seien zudem bewusst so gestaltet, dass eine Kostenpflicht übersehen werde. Insofern fügt die Beklagte Ablichtungen der Internetseiten von Sharelite und Alphaload bei. Hiervor warnten auch die Verbraucherzentralen in verschiedenen Bundesländern. Aufgrund der bewussten Irreführung der Verbraucher auf der Internetseite und des hierdurch eingetretenen Vermögensschadens aufgrund der Kostenpflicht für eine normalerweise kostenlose Leistung sei der Tatbestand des Betruges gem. § 263 StGB verwirklicht.
Es käme daher nicht darauf an, dass die Geschäftspartner der Klägerin oder die Klägerin selbst schon einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten seien. Insofern reiche der Verdacht einer strafbaren Handlung aus. Gegen die Klägerin selbst lägen auch erhebliche Beschwerden vor. Zudem habe die Staatsanwaltschaft Hannover ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin geführt. Der Beklagten stünde als kontoführender Bank entsprechend ein Urteil des OLG Hamm vom 13.10.2008 eine eigene Prüfungskompetenz zu, wenn es in derartigen Fällen um die Kündigung eines Kontos gehe. Dies müsse erst recht gelten, wenn es sich um die (Wieder-) Eröffnung eines Kontos handele.
Die Beklagte habe auch selbst zahlreiche, gegen die Klägerin gerichtete Beschwerden erhalten. Hierin wiesen die Betroffenen auf eine Zusammenarbeit der Klägerin mit weiteren Unternehmen hin, die als Anbieter von Internetdienstleistungen an versteckter Stelle Kosten erheben würden. Insofern wird auf die beigefügten Beschwerden der Betroffenen Bezug genommen. Da die Betroffenen die Beklagte in ihren Schreiben aufforderten, dass Konto der Klägerin zu kündigen, würde die Beklagte als an dem Vorgehen dieser Unternehmen Mitwirkende angesehen. Hierzu seien Verbraucher zudem von der Verbraucherzentrale Hamburg angehalten worden.
Die Eröffnung eines Girokontos für die Klägerin würde daher zu einem irreparablen Imageschaden für die Beklagte führen. Hierzu führt die Beklagte Urteile des OLG Frankfurt und des OVG Lüneburg an, wonach es einem Kreditinstitut im Hinblick auf die Außenwirkung unzumutbar sei, sich auf der Inkassoseite durch die Kontoführung an der Einziehung unrechtmäßig erlangter Forderung zu beteiligen. Gerade eine Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechtes, die gem. Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sei, müsse darauf achten, dass die von ihr erbrachten Leistungen nicht für rechtswidrige Zwecke genutzt würden. Insofern genüge schon der Verdacht an einer Beteiligung unseriöser Geschäfte. Dies sei bei der Klägerin der Fall, da sie von der Vorgehensweise auf den Internetseiten zumindest mit den Beschwerden Kenntnis erhalten habe. Daher komme es auch nicht darauf an, dass die Klägerin nur das Inkasso übernehme.
Der Umstand, dass die Beklagte die Kosten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss durch Zwangsvollstreckung habe beitreiben müssen, beruhe auf einem persönlichen Verschulden der Klägerin. Mit dem Erhalt des Kostenfestsetzungsbeschlusses sei ihr Grund der Zahlungsverpflichtung gegenüber der Beklagten sowie deren Höhe bekannt gewesen. Als auch nach einem Monat noch keine Zahlung erfolgt sei, habe ihr die Beklagte ein Erinnerungsschreiben geschickt. Spätestens dann habe sich die Klägerin selbst um die Zahlung kümmern müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte des Verfahrens 17 W 21/09 Landgericht Frankfurt am Main Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Für die vorliegende Streitigkeit ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Gem. § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist, richtet sich, wenn wie hier, eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Maßgeblich ist die objektive Rechtsnatur des begehrten Anspruchs, nicht dagegen die rechtliche Einordnung des geltend gemachten Anspruchs durch den Kläger selbst. Für die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit genügt es, dass für das Rechtsschutzbegehren eine Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, die im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgen ist. Die Klägerin begehrt eine Entscheidung über die Eröffnung eines Girokontos auf Basis des § 2 Abs. 1 HessSparkG. Eine mögliche Anspruchsgrundlage ergibt sich jedenfalls aus § 2 Abs. 1 HessSparkG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG. Diese Bestimmungen begründen eine einseitige Verpflichtung von Trägern staatlicher Gewalt und sind dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Als Anstalt des öffentlichen Rechtes ist die Sparkasse Grundrechtsverpflichtete. Demnach muss auch Art. 3 Abs. 1 GG beachtet werden, wonach ein Recht zur Gleichbehandlung besteht. Hieraus folgt ein Anspruch auf willkürfreie Entscheidung. Insbesondere kann die aus der objektiv-rechtlichen Norm des Sparkassengesetzes resultierende Verwaltungspraxis am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG überprüft werden. Jedenfalls die Frage der Einrichtung eines Girokontos ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Die Sparkasse gewährt hierdurch Leistungen, die im Zusammenhang mit der öffentlich-rechtlichen Tätigkeit der Beklagten stehen. Keine Rolle spielt hingegen, dass sowohl der der Kontoerrichtung zu Grunde liegende Vertrag gem. §§ 675 i. V. m. 677 f. BGB als auch die Führung des Kontos privatrechtlicher Natur sind und sich nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten richten. Das für die Eröffnung eines Girokontos keine ausdrückliche öffentlich-rechtliche Handlung erforderlich ist, steht der Einordnung der Streitigkeit als öffentlich-rechtlich nicht entgegen. Der Umstand, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den Betroffenen nach der Kontoeröffnung einheitlich dem Privatrecht zuzuordnen sind, rechtfertigt ebenfalls keine abweichende Bewertung. Für die zu beurteilende Frage, auf welche Anspruchsgrundlage die Klägerin ihr Begehren stützt, ist die Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen im Anschluss an den begehrten Zugang unerheblich. Der privatrechtliche Charakter des Vertragsabschlusses lässt ebenfalls keinen Rückschluss auf die Rechtsnatur der Vorschriften zu, die hierzu verpflichten (BVerwG, Beschluss v. 21.07.1989, Az.: 7 B 184/88 NJW 1990, 134 f.).
Hieraus folgt, dass auch bei Anwendung der Sonderrechtstheorie eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gegeben ist. Zudem besagt Art. 99 EG-BGB nur, dass das Landesrecht im Rahmen dieser Vorschrift (sowie des KWG) das private und öffentliche Sparkassenrecht regeln kann. Lediglich im Rahmen einer privatrechtlichen Regelung schließt Art. 99 EG-BGB Abweichungen von §§ 808, 1807 BGB aus (Palandt, Art. 99 EG-BGB Rdnr. 1).
Einer Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes stehen auch nicht der Beschluss des Landgerichts Frankfurt und das Urteil des Oberlandesgerichtes Frankfurt entgegen, da es sich wie ausgeführt um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt. Zudem ging es in den genannten Entscheidungen um die Frage der Wirksamkeit der Kündigung des Girokontos und nicht um einen Anspruch auf Wiedereröffnung eines Girokontos.
Die Leistungsklage ist die statthafte Klageart. In der Kontoeröffnung ist ein öffentlich-rechtliches Handeln zu sehen, das kein Verwaltungsakt, sondern Realakt ist. Denn der Erlass eines Verwaltungsaktes ist im HessSparkG nicht vorgesehen. Die Klägerin begehrt eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung als Basis für eine ihren Rechtskreis erweiternden Rechtsposition. Mit einer Kontoeröffnung wird der Rechtskreis der Klägerin erweitert, da hierdurch ein privatrechtlicher Vertrag mit den Rechten gem. §§ 675 Abs. 1, 676 f. BGB begründet wird.
Die Klägerin ist gem. § 42 Abs. 2 VwGO analog klagebefugt. Die Verletzung von Rechten der Klägerin durch die Ablehnung der begehrten Leistung erscheint nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen. Vielmehr erscheint die Anwendung von Rechtssätzen möglich, die auch dem Schutz der Interessen der Klägerin dienen. Für die Sparkasse und deren Betreiben von Geschäften gilt jedenfalls das in Art. 3 Abs. 1 GG enthaltene Willkürverbot. Das Willkürverbot ist verletzt, wenn sich bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken ein sachgerechter Grund für eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt nicht findet. Die Frage, ob der einfach gesetzlichen Norm des § 2 HessSparkG gleichfalls subjektiv-rechtlicher Gehalt zukommt, kann an dieser Stelle offen bleiben.
Die Klage ist jedoch nicht begründet, da kein Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos besteht. Die Ablehnung der begehrten Willenserklärung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.
Ein Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 2 Abs. 1 HessSparkG, da diese Vorschrift keine Anspruchsgrundlage darstellt. Die Sparkassen haben danach die Aufgabe, als dem gemeinen Nutzen dienende Wirtschaftsunternehmen ihrer Träger geld- und kreditwirtschaftliche Leistungen zu erbringen, insbesondere Gelegenheit zur sicheren Anlage von Geldern zu geben. Sie erledigen im Interesse ihrer Kunden Dienstleistungen nach Maßgabe der Satzung. Sie fördern die kommunalen Belange insbesondere im wirtschaftlichen, regionalpolitischen, sozialen und kulturellen Bereich. Demnach besteht die Aufgabe der Beklagten zur Daseinsfürsorge. Die Sicherstellung der Versorgung mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen beinhaltet auch die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch Führung von Girokonten (vgl. BGH, Urteil v. 11.03.2003, Az.: XI ZR 403/01, BGHZ 154, 146 f.). Hierdurch wird für die Beklagte die Möglichkeit eröffnet, unter Beachtung ihrer Aufgaben, aber ohne Berücksichtigung subjektiv-rechtlicher Interessen, Girokonten zu führen.
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 HessSparkG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG. Das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG ist durch die Versagung der Sparkasse, für die Klägerin ein Girokonto zu eröffnen, nicht verletzt. Die Sparkassen sind im Unterschied zu Privatbanken dem gemeinen Wohl dienende Einrichtungen mit besonderen Merkmalen. Die in § 2 Abs. 1 HessSparkG geregelte Pflicht zur Daseinsfürsorge wirkt sich im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG dahingehend aus, dass die Versagung der Eröffnung eines Girokontos nicht ohne einen sachlichen Grund erfolgen darf.
Ein sachlicher Grund für die Versagung des Girokontos besteht schon im Hinblick auf die Belange des Verbraucherschutzes, die in zahlreichen Vorschriften des BGB ihren Niederschlag gefunden haben. Die zahlreichen Verbraucherbeschwerden über die Geschäftstätigkeit der Klägerin, die auch an die Beklagte gerichtet waren, haben die Inkassotätigkeit der Klägerin für Unternehmen internetbasierter Dienstleistungen zum Gegenstand, deren Kostenforderungen unter Ausnutzung der Unvorsichtigkeit der Verbraucher entstanden sind. Eine sachlich gerechtfertigte Versagung der Kontoeröffnung setzt nicht voraus, dass es bereits zu einer strafrechtlichen Verurteilung der Klägerin oder der sie mit dem inkassobeauftragten Unternehmen gekommen ist. Auch der Umstand, dass die Klägerin eine Erlaubnis nach dem RDG für die Inkassotätigkeit hat, dass die Beklagte eine Kontoeröffnung für die Geschäftstätigkeit der Klägerin ablehnen kann.
In den Beschwerdeschreiben der Verbraucher wurde die Beklagte aufgefordert, die Kontoverbindung zu der Klägerin zu kündigen. Die Verbraucherzentrale Hamburg hielt die Verbraucher sogar dazu an, die kontoführenden Banken der Klägerin zur Kündigung aufzufordern. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen den die Internetdienstleistungen anbietenden Unternehmen, der Klägerin und der Beklagten als kontoführender Bank. Durch die Kontoführung für die Klägerin würde auch die Beklagte bei tatsächlicher Betrachtungsweise an der Inkassotätigkeit mitwirken. Erst durch die bestehende Girokontoverbindung ist die Klägerin dazu in der Lage, die angemahnten Forderungen auch tatsächlich einzuziehen. Dies ist – wie die Beschwerdeschreiben zeigen – auch die Ansicht der Verbraucher. Die Verbraucherbeschwerden erscheinen auch nicht völlig haltlos. Das Vorgehen der Unternehmen, für die die Klägerin das Inkasso betreibt, stellt sich als eine im Rahmen von § 263 Abs. 1 StGB relevante Täuschungshandlung dar. Eine Täuschungshandlung kann auch in der Unterdrückung wahrer Tatsachen liegen. Hierunter versteht man das Unterlassen gebotener Aufklärung durch aktives Verhindern der Kenntnisnahme von einer Tatsache. Die Handlung selbst muss dabei nicht heimlich sein; auch scheinbar offene Erklärungen kommen in Betracht, wenn sie gerade auf Verschleierung der Tatsache abzielen (Fischer, StGB § 263 Rdnr. 11). Eine derartige Täuschung ergibt sich zunächst aus der Darstellung im Internet. Hierüber bieten diese Unternehmen zum Beispiel die Möglichkeit an, Software herunterzuladen. Davor muss sich der Verbraucher jedoch unter Angabe seiner Adresse auf dieser Seite anmelden. Nachdem die Software heruntergeladen wurde, erhält der Verbraucher von dem Unternehmen eine Rechnung für ein Jahresabo zum Herunterladen von dieser Software. Der Rechnungsbetrag liegt in der Regel bei 90,00 Euro. Eine Betrachtung der Internetseiten von Sharelite und Alphaload ergibt, dass zwar offensiv mit einer schnellen und sicheren Downloadmöglichkeit geworben wird, aber nur unauffällige Hinweise auf Kosten vorhanden sind. Auch in dem Anmeldefeld ist nicht erkennbar, ob oder gar wie hoch die Kosten in Folge der Anmeldung und des Herunterladens sind. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass ein Feld angeklickt werden muss, wonach die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptiert werden. Die Gestaltung der Seite ist vielmehr darauf angelegt, dass eine Kostenpflicht übersehen wird, denn der Umstand, dass überhaupt Kosten entstehen, wird erst und nur im Kleingedruckten dieser Seite beschrieben. Hier machen es sich die Anbieter dieser Seiten zu Nutze, dass die Software von anderen Internetanbietern kostenlos angeboten wird und dies auch das vorherrschende Verständnis von Verbrauchern ist, die nach dieser Software im Internet suchen. Insofern schildert ein Verbraucher in seinem Beschwerdeschreiben vom 26.02.2009, das er über eine Suchmaschine gezielt nach einer kostenlosen Downloadmöglichkeit gesucht habe und so auf die Seite von Sharelite gekommen sei. Dass die Verbraucher hierdurch in eine Falle gelockt und ausgenutzt werden sollen, zeigt sich auch daran, dass die Unternehmen für Verbraucher nach Rechnungserhalt nicht erreichbar sind und sich auf einen Verzicht des Widerrufsrechtes berufen. Dazu kommt letztlich, dass Rechnungen um 90,00 Euro gestellt werden. Hierbei ist nicht erkennbar, warum die sonst kostenlose Downloadmöglichkeit einen derart hohen Preis haben soll.
Wenn die Klägerin vorträgt, dass sie mit dieser Vorgehensweise nichts zu tun habe, weil das Vertragsverhältnis zwischen den Internetunternehmen und den Verbrauchern von ihrem Vorgehen gegenüber den Verbrauchern zu trennen sei, überzeugt dies nicht. Denn es besteht ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Vorgehen der Unternehmen im Internet und dem Inkasso der Klägerin. Denn die vermeintlich begründeten Forderungen werden von der Klägerin eingetrieben und die Klägerin verdient auf diese Weise Geld mit ihrer Geschäftstätigkeit.
Dieser Zusammenhang wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass die Klägerin selbst mit dem Vertragsschluss im Internet nichts zu tun hat und die Unternehmen erst nach Rechnungsstellung an die Klägerin herantreten. Die Vorgehensweise auf den Internetseiten ist der Klägerin aufgrund der an sie gerichteten Beschwerden, dass gegen sie eingeleiteten Verfahrens der Staatsanwaltschaft Hannover und dem von ihr geführten Rechtsstreit vor dem Landgericht Frankfurt am Main und dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main wegen der Kündigung des Girokontos durch die Beklagte bekannt. Auch wenn die Klägerin vorträgt, dass sie noch für andere Unternehmen das Inkasso betreibe, ändert dies nichts daran, denn es gehören eben auch solche Unternehmen zu ihren Kunden, die auf die beschriebene Weise vorgehen. Indem die Klägerin ihre Tätigkeit für diese Unternehmen zu rechtfertigen sucht, zeigt sie auch, dass sie weiterhin für diese Unternehmen tätig sein möchte.
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass sie die Geschäftsverbindungen mit den angeführten Auftraggebern inzwischen beendet habe bzw. ihre Auftraggeber ein anderes Verfahren zum Abschluss von Internetverträgen wählen würden, was eine Verbrauchertäuschung ausschließe, kann dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen. Abgesehen davon, dass die Klägerin insoweit keinerlei Unterlagen vorgelegt hat, bleibt es ihr unbenommen, unter Glaubhaftmachung ihres neuen Vortrages bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Eröffnung eines Girokontos zu stellen.
Festzuhalten bleibt, dass aufgrund des in der Vergangenheit zu Tage getretenen Sachverhalts der Klägerin und im Falle der Führung eines Girokontos für die Klägerin auch der Beklagten die Mitwirkung an einer Verbrauchertäuschung vorgehalten werden könnte, was der Beklagten im Hinblick auf ihre Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) einen sachlichen Grund für die Ablehnung einer Kontoeröffnung gibt, so dass es nicht darauf ankommt, ob der Klägerin überdies ein Reputationsschaden entstehen könnte. In gleicher Weise bedarf es keiner Ausführungen dazu, ob die Wirksamkeit der Kündigung des Girokontos ein Grund für die Versagung der Wiedereröffnung des Girokontos ist. Schließlich bedarf es auch keines weiteren Eingehens darauf, ob die Beklagte die Kontoeröffnung aufgrund der erforderlichen Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin verweigern durfte.
Ein sachlicher Grund für die Versagung der Errichtung eines Girokontos entfällt schließlich auch nicht dadurch, dass den Verbrauchern zur Überprüfung der Forderungen der Rechtsweg vor den Gerichten offen steht. Das Urteil des OLG Hamm sagt zur Frage der Prüfungskompetenz der Banken nichts ausdrücklich. Das Gericht lässt aber erkennen, dass auch die bestehenden Klagemöglichkeiten von Verbrauchern nichts daran ändern, dass Banken bei einem rechtswidrigen oder verbotenen Vorgehen einen Kontoführungsvertrag kündigen können. Es stimmt zwar, dass Banken nicht darüber zu entscheiden haben, ob die Verträge zwischen den Internetdienstleistungen anbietenden Unternehmen wirksam und Forderungen hieraus gegeben sind. Umgekehrt kann eine Bank aber im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten darüber entscheiden, ob sie eine Geschäftsbeziehung zu einem Unternehmen aufnimmt. Die Sparkassen müssen insofern als Anstalt des öffentlichen Rechtes auch die Grundrechte beachten. Die Entscheidung der Banken kann dann auf Antrag des um ein Girokonto nachsuchenden Unternehmens gerichtlich überprüft werden.
Die Klägerin kann schließlich auch mit ihrem Einwand nicht vordringen, dass eine Verletzung des Rechtes an eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliege. Der den Schutz des Rechtes am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bietende Art. 14 Abs. 1 GG schützt nur das was den wirtschaftlichen Wert des Gewerbebetriebes ausmacht. Dieser Schutz geht aber nicht weiter als der Schutz, den die ihn ausmachenden Sachen und Rechte genießen. Es wird kein wirtschaftlicher Wert des Gewerbebetriebes verletzt, da die Klägerin eine noch nicht vorhandene Girokontoverbindung begehrt.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin als unterliegende Partei gem. § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

RechtsgebietRechtsdienstleistungenVorschriften§ 2 des Hess. Sparkassengesetzes

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr