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02.03.2011 · IWW-Abrufnummer 110820

Landgericht Köln: Beschluss vom 13.10.2010 – 171 StL 8/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Köln

171 StL 8/10

Tenor: Dem Berufsangehörigen wird wegen schuldhafter Berufspflichtverletzung ein Verweis erteilt. Ferner wird ihm die Zahlung einer Geldbuße in Höhe von
1.000 €
auferlegt.
Der Berufsangehörige hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.
§§ 57 Abs. 1, Abs. 2, 89, 90 StBerG i.V.m. § 9 BOStB.

Gründe:
I.
Der nunmehr 61 Jahre alte Berufsangehörige studierte in Köln Betriebswirtschaft und war seit 1971 als Werksstudent in einer Steuerberaterkanzlei tätig. Im Jahre 1980 schloss er das Studium als Diplom-Kaufmann ab. In der Folgezeit war er in Angestelltenverhältnissen in zwei Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkanzleien tätig. Am 9.3.1988 wurde er durch den Finanzminister des Landes Nordrhein Westfalen als Steuerberater bestellt. Seit dem 1.1.1990 übt er den Beruf des Steuerberaters selbständig in seiner Einzelpraxis aus. Im Jahr 2009 erzielte er Betriebseinnahmen in Höhe von rund 57.000 €, einen Nettoumsatz in Höhe von rund 46.000 € und einen Überschuss in Höhe von rund 24.000 €.
Der Berufsangehörige ist bisher nicht berufsrechtlich in Erscheinung getreten.
II.
Der Berufsangehörige war steuerlicher Berater des Zeugen H in Köln, der dort das Einzelunternehmen H Transporte e.K. führte. Mit Herrn H verstand er sich gut, ohne mit ihm befreundet zu sein. Das von diesem gegründete Einzelunternehmen wuchs schnell und hatte zunächst wirtschaftlichen Erfolg. Der Berufsangehörige fühlte sich so, als habe er das Unternehmen zusammen mit Herrn H aufgebaut. Etwa im Jahr 2006 geriet das Unternehmen jedoch in wirtschaftliche Schwierigkeiten, da die Liquidität u.a. durch Steuerbescheide stark eingeschränkt war. Jedoch hielt der Berufsangehörige die Situation für noch beherrschbar, zumal das Finanzamt und die finanzierenden Banken zunächst still hielten. Jedoch hatte der Berufsangehörige ab Mitte 2006 das Gefühl, dass die Lücken immer größer wurden, zumal Herr H Privatentnahmen in erheblichem Umfang tätigte, deren Zweck für den Berufsangehörigen anfänglich nicht erkennbar war, da er keinen Zugriff auf die Daten der privaten Konten des Herrn H hatte.
Im Laufe des Jahres 2007 spitzte sich die Krise des Unternehmens zu. Gleichwohl gelang es Herrn H, den Berufsangehörigen zu immer neuen Arbeiten für ihn zu bewegen, insbesondere die Lohnabrechnungen für die Mitarbeiter weiterhin zu erstellen, die Finanzbuchhaltung fortzuführen und betriebswirtschaftliche Auswertungen für die finanzierenden Banken zu fertigen. Für keine dieser Arbeiten verlangte der Berufsangehörige einen Vorschuss, sondern trat mit seiner Arbeit in Vorleistung. Im Herbst 2007 verschwand Herr H schließlich aus seiner Wohnung und nahm dabei u.a. sämtliche Unterlagen mit, die seinen Betrieb betrafen. Anfang des Jahres 2010 stellte er schließlich Antrag auf Insolvenz; das Insolvenzverfahren ist mittlerweile eröffnet worden.
Im Zeitpunkt des Verschwindens des Herrn H hatte der Berufsangehörige gegen diesen offene Honorarforderungen wegen des Erbringens von steuerberatenden Leistungen in Höhe von mehr als 20.000 €. Der Berufsangehörige erwirkte in der Folgezeit einen Vollstreckungsbescheid gegen Herrn H. Später wurden seine Forderungen, die sich einschließlich Kosten auf rund 28.000 € belaufen, zur Insolvenztabelle festgestellt. Gleichwohl war dem Berufsangehörigen bereits im Herbst 2007 klar, dass er von seinen Forderungen allenfalls einen geringfügigen Bruchteil werde realisieren können, zumal nach seinem Eindruck Herr H beträchtliche Vermögenswerte, darunter den Fuhrpark seines Unternehmens, beiseite geschafft hatte.
In Kenntnis seiner beruflichen Schweigepflicht überlegte der Berufsangehörige längere Zeit, was er nun tun könne und dürfe. Schließlich gelangte er zu der Erkenntnis, dass Herr H für sein Tun zu bestrafen sei. Da er befürchtete, dass Polizei und Staatsanwaltschaft auf das Handeln des Herrn H entweder nicht aufmerksam gemacht würden oder von Dritten nicht die erforderlichen Beweismittel zur Verfügung gestellt bekämen, entschloss er sich, Herrn H selbst bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Er glaubte, er dürfe insoweit in Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 9 Abs. 3 BOStB handeln. Den Rechtsrat eines kundigen Dritten, z.B. eines Rechtsanwalts, holte er nicht ein. Auch wandte er sich nicht an die Steuerberaterkammer, da er annahm, diese sei in solchen Sachen ohnehin viel zu vorsichtig. Er war damals der Auffassung, es stehe ihm zu, sich an Staatsanwalt und Polizei zu wenden, zumal er hiervon keinen wirtschaftlichen Vorteil habe.
Am 13.11.2007 verfasste er eine an die Staatsanwaltschaft Köln – Wirtschaftsstrafsachen – gerichtete Strafanzeige gegen H wegen Bankrotts im Sinne des § 283 StGB und anderer Straftaten. Er schilderte in 14 Unterpunkten sämtliche Umstände und wirtschaftliche Einzelheiten betrieblicher und privater Art, die ihm aus dem Mandatsverhältnis bekannt waren, um einen Tatverdacht nachzuweisen. Da er sich zur Erhärtung der hier vorgetragenen Vorwürfe bereiterklärt hatte, lud ihn die Polizei in Köln zur Vernehmung als Zeuge am 7.2.2008. Bei dieser Zeugenvernehmung legte er umfangreiche Unterlagen bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung der Firma H Transporte e.K. vor, nämlich u.a. betriebswirtschaftliche Auswertungen der Jahre 2004 bis 2007, die Einkommensteuerbescheide der Eheleute H von 2003 bis 2007, die Jahresabschlüsse 2004 und 2005 sowie die vorläufige Bilanz des Jahres 2006. Ferner überließ er den ermittelnden Beamten eine Aufstellung des Fuhrparks der Firma.
In dem von der Staatsanwaltschaft Köln geführten Verfahren 110 Js 632/07 wurde am 15.1.2010 die öffentliche Klage gegen H erhoben.
Der Berufsangehörige hat glaubhaft angegeben, derartiges werde sich nicht wiederholen. Zum einen habe er ohnehin den Eindruck gewonnen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft an solchen Vorgängen nicht sonderlich interessiert seien. Zum anderen sei es ausgeschlossen, dass einer seiner Mandanten ihn in ähnlicher Weise schädigen könne, wie Herr H es getan habe. Mittlerweile verfüge er über Einzugsermächtigungen aller Mandanten und verwende diese absprachegemäß insbesondere dazu, Vorschüsse für seine Arbeitsleistung zu erhalten.
III.
Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Berufsangehörigen zu seinem beruflichen Werdegang und zur Sache. Der Berufsangehörige hat den äußeren Ablauf, wie er in der Anschuldigungsschrift dargelegt wird, in vollem Umfang eingeräumt und weitere, vertiefende Angaben gemacht.
IV.
Nach den vorstehenden Feststellungen hat der Berufsangehörige schuldhaft seine Berufspflichten verletzt, indem er Daten, die ihm im Rahmen des Mandats mit Herrn H bekannt geworden waren, ohne dessen Einverständnis durch die Strafanzeige vom 13.11.2007 sowie durch seine Angaben bei der Polizei am 07.02.2008 an die Staatsanwaltschaft und die Polizei weitergab, womit er seine berufliche Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 9 Abs. 1 BOStB) verletzte. Hierbei handelte er nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß Abs. 3 der genannten Vorschrift. Auf diese Vorschrift kann sich nur derjenige berufen, der seine eigenen Belange sachgemäß nicht anders wahren kann; dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Berufsangehörige ohne die Offenlegung anvertrauter Tatsachen nicht in der Lage wäre, seine Honorarforderung im Zivilprozess geltend zu machen (vgl. Mittelsteiner/Gilgan/Späth, Berufsordnung der Steuerberater, § 9, Rn. 36 f. m.w.N.).
So lag der Fall hier nicht; auch ohne Offenlegung der anvertrauten Tatsachen war der Berufsangehörige in der Lage, einen Titel, nämlich einen Vollstreckungsbescheid und später die Feststellung zur Insolvenztabelle, zu erlangen. Ebenso wenig waren die Strafanzeige sowie die ergänzenden Angaben bei der Polizei geeignet, die von Anfang an geringen Erfolgsaussichten einer Vollstreckung dieser zivilrechtlichen Ansprüche in irgendeiner Weise zu verbessern. Dahin stehen kann, ob der Berufsangehörige unter Umständen berechtigt gewesen wäre, Strafanzeige gegen Herrn H wegen eines in Betracht kommenden Eingehungsbetruges ihm gegenüber zu erstatten, der darin gelegen haben könnte, dass Herr H ihm im Laufe des Jahres 2007 fortlaufend neue Aufträge erteilte, obwohl er womöglich wusste, dass er zur Begleichung des dafür anfallenden Honorars nicht in der Lage sein würde. Hierauf kommt es deswegen nicht an, weil die Strafanzeige eine andere Zielrichtung hatte. Sie stellte auf Insolvenzstraftaten des Herrn H ab und betraf gerade nicht die offenen Honorarforderungen des Berufsangehörigen.
V.
Bei der Frage der angemessenen Ahndung der Berufspflichtverletzung war zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass er berufsrechtlich nicht vorbelastet ist. Desweiteren fällt ins Gewicht, dass er glaubhaft angegeben hat, er werde ein solches Verhalten nicht wiederholen. Schließlich ist zugunsten des Berufsangehörigen zu berücksichtigen, dass sein Ärger über den Mandanten angesichts der Höhe der ausstehenden Honorarforderungen – insbesondere in Relation zu den Einkommensverhältnissen des Berufsangehörigen – durchaus verständlich ist, wenn dies auch keinen Rechtfertigungsgrund bildet. Hingegen konnte nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, dass er annahm, er handele im Sinne von § 9 Abs. 3 BOStG und damit rechtmäßig. Denn dieser Irrtum war vermeidbar, da der Berufsangehörige sich keinen Rechtsrat eingeholt hatte.
Zu Lasten des Berufsangehörigen musste sich auswirken, dass er gegen eine berufsrechtliche Kernpflicht verstoßen hat, die sogar strafrechtlich sanktioniert ist, vgl. §§ 203, 204 StGB. Bei einem Verstoß gegen eine solche Kernpflicht ist es mit einem bloßen Verweis nicht getan; vielmehr muss der Verstoß zusätzlich mit einer Geldbuße geahndet werden. Zu Lasten des Berufsangehörigen fällt ferner ins Gewicht, dass es sich nicht um einen Augenblicksverstoß aus dem Impuls verständlichen Ärgers über einen erheblichen Forderungsausfall handelt, sondern dass der Berufsangehörige zwei Verstöße im Abstand von rund drei Monaten – am 13.11.2007 und am 7.2.2008 – beging, woraus zu schließen ist, dass er dies – im Einklang mit seinen glaubhaften Angaben – nach reiflicher Überlegung tat. Die Höhe der verhängten Geldbuße von 1000 € liegt am unteren Rand des Vertretbaren und lässt sich nur dadurch rechtfertigen, dass der Berufsangehörige – wie aus seinen glaubhaften Angaben im Termin folgt – aus seiner Einzelpraxis ein monatliches Einkommen von lediglich rund 2.000 € erzielt.
VI.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 148 Abs. 1 Satz 1 StBerG.

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