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09.03.2011 · IWW-Abrufnummer 110799

Finanzgericht Niedersachsen: Beschluss vom 06.01.2011 – 7 V 66/10

Der Berichterstatter (= konsentierter Einzelrichter) gewährt dem Antragsteller, einem eingetragenen Lebenspartner, vorläufigen Rechtsschutz in Form der Aufhebung der Vollziehung wegen Diskriminierung im Vergleich zu (auch kinderlosen) Ehegatten bei der Grunderwerbsteuer.
Der Anspruch des Antragstellers auf effektiven vorläufigen Rechtsschutz tritt nicht hinter ein "öffentliches Interesse an einer geordneten Haushaltswirtschaft des Staates" zurück; der Berichterstatter lehnt die Rechtsprechung vieler Senate der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs ab, nach der der vorläufige Rechtsschutz des Bürgers gegen vermutlich verfassungswidrige Steuergesetze beschnitten und so zudem die rechtsschutzenttäuschende "pro-futuro"-Praxis des Bundesverfassungsgerichts unterstützt wird.
Die Beschwerde an den Bundesfinanzhof wurde nicht zugelassen.


NIEDERSÄCHSISCHES FINANZGERICHT
BESCHLUSS
vom 6.1.2011
Az.: 7 V 66/10
Die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 15.12.2009 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 16.3.2010 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.
Die Beschwerde an den Bundesfinanzhof wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Das vorliegende Verfahren zur Erreichung vorläufigen Rechtsschutzes hängt zusammen mit dem unter dem Aktenzeichen 7 K 65/10 anhängigen Klageverfahren, das die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten nach dem Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung nach dem Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. I 2008, S. 2794) betrifft. Nach dem hier umstrittenen § 3 Nr. 4 GrEStG ist von der Besteuerung ausgenommen:
„der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers“.
Den Ehegatten wird die Befreiung von der Grunderwerbsbesteuerung unabhängig vom Vorhandensein von Kindern gewährt. Dagegen sind eingetragene Lebenspartner von der Begünstigung ausgeschlossen. Nach dem Jahressteuergesetz 2010 vom 8.12.2010 (BGBl. I 2010, S. 1768, verkündet am 13.12.2010) ist bei der Grunderwerbsteuer - im Gegensatz zur Erbschaft- und Schenkungsteuer (vgl. § 37 Abs. 5 ErbStG) - erst für Erwerbsvorgänge ab dem 14.12.2010 eine Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern und (auch kinderlosen) Ehegatten vorgesehen (dazu § 3 Nrn. 3 bis 7 GrEStG in Verbindung mit § 23 Nr. 9 GrEStG). Der Gesetzgeber ist den Vorgaben des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 21.7.2010 (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, DStR 2010, S. 1721) für die Erbschaft- und Schenkungsteuer auch in allen noch offenen Fällen ab dem 1.8.2001 (= Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes) gefolgt, dagegen fehlt es für die Grunderwerbsteuer an einer Regelung für ältere noch nicht bestandskräftige Fälle.
Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist ein familienrechtliches Institut für eine auf Dauer angelegte gleichgeschlechtliche Paarbindung (vgl. Beschluss des BVerfG vom 7.7.2009 1 BvR 1164/07, BVerfGE 124, S. 199, 206, zur betrieblichen Hinterbliebenenversorgung). Mit dem am 1.8.2001 in Kraft getretenen Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG) vom 16.2.2001 (BGBl. I 2001, S. 266) wurden die Begründung und die Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaft sowie die persönlichen und die vermögensrechtlichen Rechtsbeziehungen der Lebenspartner geregelt. Nach § 2 LPartG sind die eingetragenen Lebenspartner einander zur Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet und tragen füreinander Verantwortung. Näheres zur Ausprägung der bürgerlich-rechtlichen Gleichstellung von Lebenspartnern und Ehegatten führt aus der Beschluss des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21.7.2010 zur Erbschaft- und Schenkungsteuer (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, Randnrn. 55 bis 59, DStR 2010, S. 1721).
Der Antragsteller hatte mit einem Mann am 1.3.2002 vor dem Standesbeamten in Meinersen eine Lebenspartnerschaft begründet. Die verpartnerten Männer leben seit dem 1.8.2009 voneinander getrennt. Im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung erhielt der Antragsteller von seinem Lebenspartner durch notariellen Vertrag vom 12.11.2009 dessen Miteigentumsanteil an einem Hausgrundstück; der Vertrag vom 12.11.2009 ist wie folgt überschrieben: "Übertragungsvertrag nebst Regelungen für die Zeit des Getrenntlebens und für den Fall der Aufhebung der Lebenspartnerschaft". Der Antragsteller beantragte Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 3 Nr. 4 GrEStG. Der Antragsgegner (das Finanzamt) setzte indes mit Bescheid vom 15.12.2009 die Grunderwerbsteuer auf 1.400 Euro fest. Dagegen wandte sich der Antragsteller mit seinem Einspruch und seinem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 15.1.2010.
Nach erfolglosem Antragsverfahren zur Erreichung des vorläufigen Rechtsschutzes beim Finanzamt trägt der Antragsteller beim Finanzgericht im Wesentlichen Folgendes vor:
Die Rechtsauffassung, nach der die Steuerbefreiung für "Ehegatten" nicht auf "Lebens-partner" auszudehnen sei, verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. So habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7.7.2009 (1 BvR 1164/07) aufgezeigt, dass im Hinblick auf die Ungleichbehandlung von verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern ein strenger Maßstab für die Prüfung geboten sei, ob ein hinreichend wichtiger Differenzierungsgrund vorliege. Die Zielsetzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes ergebe sich aus seiner Benennung in der Langform (Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften). Da eine Ungleichbehandlung von Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnern eine Anknüpfung an die sexuelle Orientierung beinhalte, seien erhebliche Unterschiede zwischen diesen beiden Formen einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft erforderlich, um die konkrete Ungleichbehandlung rechtfertigen zu können. Solche Unterschiede seien vorliegend nicht ersichtlich.
Nachdem das Finanzamt im Juni 2010 Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller eingeleitet hatte (der Vollstreckungsbeamte erschien im Haushalt des Antragstellers), zahlte der Antragsteller die festgesetzte Grunderwerbsteuer in Höhe von 1.400 Euro an das Finanzamt. Trotz der erfolgten Zahlung hält der Antragsteller an seinem Begehren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes fest.
Der Antragsteller beantragt nunmehr,
die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 15.12.2009 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 16.3.2010 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Finanzamt verweist auf die einschlägige gesetzliche Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG. Schon vom Wortlaut her dürfe die Grunderwerbsteuerbefreiung für "Ehegatten" nicht auf "Lebenspartner" ausgedehnt werden.
Die Beteiligten haben erklärt, mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden zu sein (vgl. § 79a Abs. 3, 4 FGO).
Der Berichterstatter hat - im Anschluss an die Entscheidung des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21.7.2010 (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, DStR 2010, S. 1721) zur Erbschaft- und Schenkungsteuer - das Finanzamt gebeten, nunmehr den vorläufigen Rechtsschutz nach Maßgabe der § 361 Abs. 2 AO und § 69 Abs. 2 Satz 1 FGO zu gewähren. Das Finanzamt ist dieser Anregung zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits nicht gefolgt. Zudem hat der Berichterstatter - im Rahmen einer Finanzrichtertagung in Berlin - am 16.11.2010 bei Gesetzestextvorbereitern im Bundesfinanzministerium dafür geworben, die Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartner mit den (kinderlosen) Ehegatten nicht allein bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, sondern auch bei der Grunderwerbsteuer für noch offene Altfälle (wie hier) durch das Jahressteuergesetz 2010 vorzunehmen. Mit einem „Entschließungsantrag“ haben verschiedene Mitglieder des Deutschen Bundestages und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Deutschen Bundestag mit Blick auf die genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.7.2010 aufgefordert, die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften im gesamten Steuerrecht umzusetzen, auch für Altfälle (vgl. Bundestags-Drucksache 17/3470 vom 27.10.2010, S. 1). Das Jahressteuergesetz 2010 ist – wie anfangs näher geschildert - im Dezember 2010 ohne die gewünschte Gleichstellung für ältere noch nicht bestandskräftige Fälle bei der Grunderwerbsteuer in Kraft getreten.
II.
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Aufhebung der Vollziehung hat Erfolg.
a) Auf Antrag soll vorläufiger Rechtsschutz in Form der Aussetzung der Vollziehung (wenn noch nicht gezahlt ist) oder in Form der Aufhebung der Vollziehung (wenn - wie hier nach Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen - gezahlt ist) gewährt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 361 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO; § 69 Abs. 2 Sätze 2 und 7, Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO). Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der das beschließende Gericht insoweit folgt, dann der Fall, wenn bei einer summarischen Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die (abgesehen von unklaren Tatfragen) Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage bewirken (statt vieler: BFH-Beschluss vom 25.8.2009 VI B 69/09, BStBl. II 2009, S. 826, 827). Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen; „der Erfolg braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg“ (so Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 69 FGO Tz. 89 m.w.N., Loseblatt, Stand: Mai 2010). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, ob die maßgebliche gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist; an die Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit sind keine strengeren Anforderungen zu stellen als beim Einwand fehlerhafter Rechtsanwendung (vgl. BFH-Beschluss vom 25.8.2009 VI B 69/09, BStBl. II 2009, S. 826, 827 m.w.N.; speziell zur Aufhebung der Vollziehung in steuerlichen Verfassungsstreitverfahren: BFH-Beschluss vom 22.12.2003 IX B 177/02, BFHE 204, S. 39, BStBl. II 2004, S. 367).
b) Im Streitfall liegen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids vor, weil dessen Grundlage, die noch bis zum Dezember 2010 geltende einfach-gesetzliche Regelung in § 3 Nr. 4 GrEStG, nach der Grundstückserwerbe in der Vergangenheit nur des „Ehegatten“ des Veräußerers, nicht der Grundstückserwerb des Partners einer eingetragenen Lebenspartnerschaft von der Besteuerung ausgenommen ist, womöglich gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Eingetragene Lebenspartner werden nach den bis zum Dezember 2010 maßgeblichen Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes in erheblichem Umfang höher belastet als (auch kinderlose) Ehegatten. Für diese Ungleichbehandlung fehlen hinreichend tragfähige Rechtfertigungsgründe.
Das beschließende Gericht folgt den Ausführungen des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss zur verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und (auch kinderlosen) Ehegatten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer vom 21.7.2010 (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, Randnr. 74 ff., 78 ff., DStR 2010, S. 1721) und überträgt die dortigen tragenden Gründe vollumfänglich auf die Grunderwerbsteuer. Danach ist die Ungleichbehandlung auch nicht dadurch legitimiert, dass grundsätzlich nur aus einer Ehe gemeinsame Kinder hervorgehen können, weil das geltende Recht die Privilegierung der Ehegatten gerade nicht vom Vorhandensein gemeinsamer Kinder abhängig macht (andere Auffassung: Nichtannahmebeschluss der 1. Kammer des 2. Senats des BVerfG vom 6.5.2008 2 BvR 1830/06, NJW 2008, S. 2325, 2327; diese Kammerrechtsprechung hat aber keine Bindungswirkung im Sinne des § 31 Abs. 1 BVerfGG, entsprechend konnte der 1. Senat des BVerfG ohne Anrufung des Plenums, § 16 Abs. 1 BVerfGG, anders entscheiden). Wenn der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts ausführt, dass für die Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner gegenüber den (auch kinderlosen) Ehegatten keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, die die erbschaft- und schenkungsteuerliche Benachteiligung rechtfertigen könnten, dann erfasst diese Wertung (= verfassungswidriger Begünstigungsausschluss bei den eingetragenen Lebenspartnern) in gleichem Maße die grunderwerbsteuerliche Benachteiligung der eingetragenen Lebenspartner. Die umfangreichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, nach denen weder der besondere Schutz der Ehe, noch der besondere Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG den Anspruch der eingetragenen Lebenspartner auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG, die wie (auch kinderlose) Ehegatten in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft leben, vereiteln dürfen, zielen ab auf die gesamte Rechtsordnung, mithin auch auf das Steuerrecht in seiner Gesamtheit, damit auch auf das Grunderwerbsteuerrecht, nicht allein auf das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht (zur - vorläufigen - Ausdehnung des einkommensteuerlichen Ehegattensplittings auch für eingetragene Lebenspartner - im Lichte der Entscheidung des 1. Senats des BVerfG vom 21.7.2010 - vgl. Beschluss des 10. Senats des Niedersächsischen FG vom 9.11.2010 10 V 309/10, juris, sowie Beschluss des 13. Senats des Niedersächsischen FG vom 1.12.2010 13 V 239/10, juris).
Wenn nun der Gesetzgeber des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8.12.2010 (BGBl. I 2010 S. 1768) die noch offenen Lebenspartner-Altfälle bei der Grunderwerbsteuer (Erwerbsvorgänge zwischen dem 1.8.2001 und dem 13.12.2010 - vgl. §§ 3 Nrn. 3 bis 7, 23 Nr. 9 GrEStG, also auch den hier streitigen Erwerbsvorgang vom 12.11.2009) nicht den Ehegattenerwerbsvorgängen gleichstellt und damit nicht von der Grunderwerbsteuer befreit, dann ist dies verfassungsrechtlich zumindest "grenzwertig" (so auch Schmidt/Leyh, NWB 52/2010, S. 4269, 4271; ähnlich schon Messner, DStR 2010, S. 1875, 1878). Falls der Gesetzgeber nicht unverzüglich von sich aus eine Gesetzeskorrektur bei der Grunderwerbsteuer mit einer Anwendungsregelung wie etwa bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer hinsichtlich der Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern für die Vergangenheit vornimmt, kommt in dem Klageverfahren mit dem Aktenzeichen 7 K 65/10, das mit diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren zusammenhängt, ein Aussetzungs- und Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG in Betracht (für eine "entsprechende" Anwendung der Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG in Fällen der Vermögensauseinandersetzung zu Gunsten der eingetragenen Lebenspartnerschaften "auch ohne besondere Kodifizierung" setzt sich ein: Franz in Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, 4. Auflage 2010, § 3 Rz. 214).
c) Im Streitfall tritt der Anspruch des Antragstellers auf effektiven (vorläufigen) Steuer-Rechtsschutz auch nicht hinter ein „öffentliches Interesse an einer geordneten Haushaltswirtschaft des Staates“ zurück.
aa) Das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere auch effektiven vorläufigen Rechtsschutz. Danach verbietet es die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, den Zugang zu einem Rechtsbehelf in aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. Folglich muss die jeweils geltende Prozessordnung Vorkehrungen dafür treffen, dass der Einzelne seine Rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann; entsprechend darf ein Rechtsbehelf nicht ineffektiv gemacht werden und für den Beschwerdeführer „leerlaufen“ (so ausdrücklich der Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats des BVerfG vom 22.9.2009 1 BvR 1305/09, Randnr. 14 f., DStR 2009, S. 2146, zur Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung, gestützt auf die Senatsrechtsprechung in den BVerfG-Beschlüssen vom 11.10.1978 2 BvR 1055/76, BVerfGE 49, S. 329, 341; vom 30.4.1997 2 BvR 817/90, 728/92, 802 und 1065/95, BVerfGE 96, S. 27, 39). Der Bürger hat danach einen substantiellen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle; die Bedeutung der grundgesetzlichen Gewährleistung liegt vornehmlich darin, die „Selbstherrlichkeit“ der vollziehenden Gewalt im Verhältnis zum Bürger zu beseitigen (so ausdrücklich der Beschluss des 1. Senats des BVerfG vom 19.6.1973 1 BvL 39/69 und 14/72, BVerfGE 35, S. 263, 274 f.); in dieser Senatsentscheidung zur Bedeutung des Suspensiveffekts im Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG heißt es wörtlich:
„Das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes; der Bürger hat einen substantiellen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Die Bedeutung der grundgesetzlichen Gewährleistung liegt vornehmlich darin, die 'Selbstherrlichkeit' der vollziehenden Gewalt im Verhältnis zum Bürger zu beseitigen (BVerfGE 10, 264 [267]). Ihr kommt nicht nur die Aufgabe zu, jeden Akt der Exekutive, der in Rechte des Bürgers eingreift, vollständig – das heißt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (BVerfGE 18, 203 [212]) – der richterlichen Prüfung zu unterstellen, sondern auch irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit als möglich auszuschließen. Hieraus ergibt sich die verfassungsrechtliche Bedeutung des Suspensiveffekts. Ohne die aufschiebende Wirkung der Klage würde der Verwaltungsgerichtsschutz im Hinblick auf die notwendige Dauer der Verfahren häufig hinfällig, weil bei sofortiger Vollziehung des Verwaltungsakts regelmäßig vollendete Tatsachen geschaffen würden. Der Zweck der verwaltungsgerichtlichen Verfahren, eine Nachprüfung des Verwaltungsakts durch unabhängige Gerichte sicherzustellen, wäre damit weitgehend illusorisch und der Betroffene im Ergebnis eines wirksamen Rechtsschutzes beraubt. Demgegenüber kann nicht die Erwägung durchgreifen, der Bürger müsse die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinnehmen, da sie ja nur im öffentlichen oder überwiegenden privaten Interesse zulässig sei, und er könne, wenn der Verwaltungsakt rechtskräftig aufgehoben werde, schadlos gestellt werden. Abgesehen von der Zweifelhaftigkeit solcher Ersatzforderungen, widerspricht diese Auffassung dem Gehalt der Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 GG.“
Allgemein zur „Effektivität“ des Art. 19 Abs. 4 GG: Eichberger, Die Einschränkung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen, Mainzer Dissertation, veröffentlicht 1985, S. 218 ff.; kritisch zur allgemeinen Problematik der Verschmelzung der 2. mit der 1. Staatsgewalt, Finanzverwaltung/Steuergesetzgeber: Pezzer, DStR 2004, S. 525, 526 ff.; Spindler, DStR 2007, S. 1061, 1062; ms, KÖSDI 1/2011, S. 17300. Zu beachten ist hier auch das aus Art. 19 Abs. 4 GG abgeleitete (verfassungsrechtliche) Gebot der rechtschutzgewährenden Auslegung von (einfachen) Verfahrensvorschriften (etwa BVerfG-Beschluss vom 29.10.1975 2 BvR 630/73, BVerfGE 40, S. 272; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23.10.1989 GrS 2/87, BFHE 159, S. 4, BStBl. II 1990, S. 327; BFH-Urteil vom 18.4.2007 XI R 47/05, BFHE 217, S. 18, BStBl II 2007, S. 736, 737).
Gleichwohl wird im Falle von ernstlichen Zweifeln hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschrift nach der langjährigen Rechtsprechung vieler Senate der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs zusätzlich und ohne gesetzliche Grundlage ein "besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers" an der Gewährung vorläufigen Steuer-Rechtsschutzes als erforderlich angesehen, das Vorrang vor öffentlichen Interessen haben muss (das Gesetz, konkret § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, nimmt „öffentliche Interessen“ allerdings allein für eine hier nicht einschlägige Anwendungsmöglichkeit, bei „unbilliger Härte“, in Bezug). Diese zusätzliche Voraussetzung für den vorläufigen Rechtsschutz gegen vermutlich verfassungswidrige Gesetze wird mit dem Argument gerechtfertigt, dass jedem verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetz ein Geltungsanspruch zukomme, der nicht so ohne Weiteres durch eine Aussetzung der Vollziehung zerstört werden dürfe. Danach soll eine Interessenabwägung zwischen der einer Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung entgegenstehenden konkreten Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung und den für eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung sprechenden individuellen Interessen des Steuerpflichtigen geboten sein (so etwa BFH-Beschluss vom 1.4.2010 II B 168/09, BStBl. II 2010, S. 558, 559 m.w.N.). Nach dieser Rechtsprechung wird im Kern nur dann vorläufiger Rechtsschutz in steuerlichen Verfassungsstreitverfahren gewährt, wenn der Rechtsschutzsuchende einer kleinen Gruppe von mutmaßlich Benachteiligten angehört. Gehört er hingegen einer großen Zahl von womöglich Diskriminierten an, wird der vorläufige Rechtsschutz versagt. Diese an Fiskalinteressen orientierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist allerdings in jüngerer Zeit, insbesondere vom 6. Senat des Bundesfinanzhofs, dahingehend verändert worden, dass die staatlichen Haushaltsinteressen in der Abwägung weniger stark berücksichtigt werden (dazu etwa BFH-Beschluss vom 23.8.2007 VI B 42/07, BFHE 218, S. 558, BStBl. II 2007, S. 799; BFH-Beschluss vom 25.8.2009 VI B 69/09, BFHE 226, S. 85, BStBl. II 2009, S. 826; ähnlich schon Spindler, DB 1989, S. 596, 597 f. und BFH-Beschluss vom 5.3.2001 IX B 90/00, BStBl. II 2001, S. 405, 407; vgl. auch die Rechtsprechungsanalyse von Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage 2010, S. 1123; auch hier bestehen im BFH Divergenzen, die eher verschleiert als argumentativ ausgetragen werden – allgemein zum BFH-Problem des „taktischen Umkreisens, um Divergenzen zu verschleiern“: Pezzer, StuW 2007, S. 101, 109).
Das beschließende Gericht könnte an dieser Stelle - wie andere auch - behaupten, "angesichts der zu erwartenden geringen Zahl von betroffenen Bürgern haben die gegen die Gewährung der Vollzugsaussetzung sprechenden öffentlichen Belange hiergegen zurück zu stehen" (so der 10. Senat des Niedersächsischen FG im Beschluss vom 9.11.2010, 10 V 309/10, juris, am Ende, zur Einkommensteuer). Dies würde aber bedeuten, dass das beschließende Gericht grundsätzlich das von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung geschaffene zusätzliche (fiktive) Tatbestandsmerkmal des § 69 FGO anerkennt und infolgedessen ggf. nur demjenigen vorläufigen Rechtsschutz gewährt, der zufällig Teil einer kleinen Gruppe ist, aber demjenigen, der zufällig Teil einer großen Gruppe ist, also im Falle eines womöglich großen Unrechts, den vorläufigen Rechtsschutz willkürlich versagt.
Das beschließende Gericht lehnt diese Rechtsprechung und die damit verbundene Beschneidung des vorläufigen Rechtsschutzes gegen vermutlich verfassungswidrige Steuergesetze ab. Das beschließende Gericht geht nicht von einem ungeschriebenen, von vielen Senaten der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs angenommenen (und von einer Kammerrechtsprechung des BVerfG bestätigten, vgl. Beschlüsse der 3. Kammer des 1. Senats vom 6.4.1988 1 BvR 146/88, StRK FGO § 69 R. 283 und der 3. Kammer des 2. Senats vom 3.4.1992 2 BvR 283/92, HFR 1992, S. 726), zusätzlichen Tatbestandsmerkmal, vom Vorrang „des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltswirtschaft des Staates“ aus. Und zwar deshalb nicht, weil dieses Tatbestandsmerkmal erstens nicht im Gesetz steht (vgl. § 361 AO, § 69 FGO), zweitens die benannte Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – die über den konkret entschiedenen Fall hinaus keinerlei Bindungswirkung entfaltet – und die erwähnte finanzgerichtliche Rechtsprechung die verbindliche und mit Gesetzeskraft versehene einschlägige Senatsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts missachtet und drittens die Befolgung dieser insbesondere vom 2. Senat des Bundesfinanzhofs fortgeführten Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 1.4.2010 II B 168/09, BStBl. II 2010, S. 558) das Gebot rechtschutzgewährender Auslegung von Verfahrensvorschriften (vgl. BVerfG-Beschluss vom 29.10.1975 2 BvR 630/73, BVerfGE 40, S. 272; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23.10.1989 GrS 2/87, BFHE 159, S. 4, BStBl. II 1990, S. 327; BFH-Urteil vom 18.4.2007 XI R47/05, BFHE 217, S. 18, BStBl II 2007, S. 736, 737) nicht beachtet, damit zur Entkernung des bereits beschriebenen effektiven (vorläufigen) Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG führt (in diesem Sinne ausführlich Habscheidt, Der Anspruch des Bürgers auf Erstattung verfassungswidriger Steuern, Bochumer Dissertation, Köln 2003, S. 75 ff., 85 ff., S. 81).
Die von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zum Beleg ihrer Verfassungskonformität herangezogene Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht in einem unüberbrückbaren Gegensatz zu der grundsätzlichen und nach § 31 Abs. 1 BVerfGG verbindlichen Senatsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Bereits mit Urteil vom 21.2.1961 hatte der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts klargestellt, dass der vorläufige Rechtsschutz nicht nur bei ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit von Auslegung und Anwendung von Gesetzen wirksam werden muss, sondern in gleicher Weise auch dann, wenn ernste verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit des Gesetzes selbst erhoben werden können (1 BvR 314/60, BVerfGE 12, S. 180, 186); in dieser Entscheidung heißt es hierzu wörtlich:
„Wenn demgemäß ernstliche Zweifel an der Richtigkeit von Auslegung und Anwendung des Gesetzes die Aussetzung rechtfertigen, so muß das auch gelten, wenn ernste verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit des Gesetzes selbst erhoben werden können; denn auch die vollziehende Gewalt ist nach Art. 20 Abs. 3, Art. 1 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht, insbesondere an die Grundrechte gebunden. Aus dem Prinzip der Gewaltenteilung und aus Sinn und Zweck der Ermächtigung zur Aussetzung folgt nichts anderes. Der Grundsatz der Gewaltenteilung wird durch die wechselseitige Kontrolle der Gewalten ergänzt; er zwingt nicht zum Vollzug eines Gesetzes, das wahrscheinlich für nichtig erklärt werden muß; wenn § 2 StAnpG die Verwaltungsbehörden auf die Grenzen verweist, die 'das Gesetz' dem Ermessen zieht, so ist vor allem auch die Bindung an das Grundgesetz als die Grundordnung unseres Staates zu beachten. Die Sorge, unzureichend begründete Aussetzungen könnten überhandnehmen und die Verwaltung lähmen, ist nicht begründet; einem Mißbrauch können die höheren Verwaltungsstellen entgegentreten. In letzter Linie sind Bundesregierung oder Landesregierungen in der Lage, durch Einleitung eines Verfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG eine Klärung der verfassungsrechtlichen Zweifel herbeizuführen.“
Mit Beschluss vom 18.7.1973 äußerte sich der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts wiederum grundsätzlich zum vorläufigen Rechtsschutz und insbesondere zu der Frage, in welchen Fällen der Anspruch auf vorläufigen Rechtsschutz einstweilen zurückgestellt werden darf, nämlich nur zum Schutz überwiegender öffentlicher Belange und nur solange, wie es benötigt, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten (1 BvR 23, 155/73, BVerfGE 35, S. 382, 401 f.); hierzu heißt es in dieser Entscheidung wörtlich:
„Die sich bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende allgemeine Forderung nach einem angemessenen Rechtsschutz gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt wird durch die positive Verfassungsnorm des Art. 19 Abs. 4 GG erfüllt. ... Der hierin verbürgte umfassende und effektive gerichtliche Schutz ... wird illusorisch, wenn die Verwaltungsbehörden irreparable Maßnahmen durchführen, bevor die Gerichte deren Rechtmäßigkeit geprüft haben. Die nach § 80 Abs. 1 VwGO für den Regelfall vorgeschriebene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und verwaltungsgerichtlicher Klage ist eine adäquate Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtschutzgarantie und 'ein fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses' (BVerfGE 35, 263, 272) Andererseits gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG die aufschiebende Wirkung der Rechtsbehelfe im Verwaltungsprozeß nicht schlechthin (vgl. BVerfGE 11, 232 [233]; 35, 263 [274]). Überwiegende öffentliche Belange können es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Dies muß jedoch die Ausnahme bleiben. Eine Verwaltungspraxis, die dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrte, indem z.B. Verwaltungsakte der vorliegenden Art generell für sofort vollziehbar erklärt werden, und eine Rechtsprechung, die eine solche Praxis billigt, wären mit der Verfassung nicht vereinbar. Für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes ist daher ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Zwar läßt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall bestimmen, wann der Rechtsschutzanspruch des Einzelnen ausnahmsweise hinter die öffentlichen Belange zurücktreten muß und wann es der Exekutive durch Art. 19 Abs. 4 GG verwehrt ist, der gerichtlichen Prüfung ihrer Maßnahmen vorzugreifen. Aus dem Zweck der Rechtsschutzgarantie und dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich aber wenigstens soviel: Der Rechtsschutzanspruch des Bürgers ist um so stärker und darf um so weniger zurückstehen, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken“ (Hervorhebung durch das beschließende Gericht).
Die Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6.4.1988, bestätigt durch die vom 3.4.1992, wiederholt zunächst (scheinbar) den von der Senatsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Grundsatz:
dass „...im Ausnahmefall überwiegende öffentliche Interessen es rechtfertigen können, den Rechtsschutzanspruch des Bürgers einstweilen zurückzustellen.“
Das Zitat ist jedoch nicht vollständig. Den in der einschlägigen Senatsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts folgenden Halbsatz:
„... um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten“
lassen sie weg.
Die Kammern des Bundesverfassungsgerichts kommen dann zu dem Ergebnis, dass allein schon wegen der befürchteten Breitenwirkung und den damit verbundenen Einnahmeausfällen in Milliardenhöhe das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltswirtschaft so gewichtig sei, dass das Interesse der Antragsteller am vorläufigen Rechtsschutz als deutlich geringer zu bewerten sei.
Das beschließende Gericht schließt sich dem Befund von Gerhard Habscheidt an: Die zitierten Entscheidungen der Kammern des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit der Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes aus Gründen des Gemeinwohls widersprechen der zitierten Senatsrechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die frühere und niemals aufgegebene ständige Senatsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ließ die Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes nur ausnahmsweise zu. Nach dieser Rechtsprechung ist eine generelle Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes bis zur Hauptsacheentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von vornherein ausgeschlossen. Eine Verwaltungspraxis, die dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrt und eine Rechtsprechung, die eine solche Praxis billigt, erklärt das Bundesverfassungsgericht zu Recht für verfassungswidrig. Die Senatsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bindet die Kammern des Bundesverfassungsgerichts und die Fachgerichte (so klarsichtig Habscheidt, a.a.O., S. 96, 108 m.w.N.). Auch wenn der Bundesfinanzhof und die Kammern des Bundesverfassungsgerichts hervorheben, dass der Rechtsschutzanspruch des Bürgers nur ausnahmsweise zurückstehen dürfe, ist faktisch die Situation im Bereich des Steuerrechts so, dass vorläufiger Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Steuergesetze nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig versagt wird.
Das beschließende Gericht stellt, ausgehend vom Wortlaut des § 361 AO sowie des § 69 FGO und aufgrund der zum Thema ergangenen (älteren, aber nie aufgegebenen) Senatsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa Beschluss des 1. Senats vom 18.7.1973 1 BvR 23, 155/75 BVerfGE 35, S. 382, 401 f.), fest, dass im Streitfall Anhaltspunkte für eine gemeinwohlbegründete Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes (etwa wegen drohender Staatsinsolvenz) weder vorgetragen noch erkennbar sind. Darüber hinaus stellt das beschließende Gericht fest, dass sich der 2. Senat des Bundesfinanzhofs mit der hier einschlägigen Senatsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht befasst (vgl. BFH-Beschluss vom 1.4.2010 II B 168/09, BStBl. II 2010, S. 558, 559 links unten und rechts oben, dort wird nur die Kammerrechtsprechung des BVerfG zitiert, ohne diese als solche zu benennen).
Nach alledem kann es nicht darauf ankommen, ob neben dem Antragsteller noch viele andere Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft benachteiligt sind oder nicht, ob infolgedessen die öffentliche Haushaltsführung merklich berührt ist oder nicht. Mit anderen Worten: Es darf nicht Recht sein, Grundrechte zeitweise nicht anzuwenden, ein Unrecht nicht wieder gutmachen zu müssen, nur weil es womöglich viel Geld kostet. Das in der Rechtsprechung vieler Senate der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs immer wieder verwendete Haushaltsargument ist umso fragwürdiger geworden, seitdem in der aktuellen Finanzkrise erkannt werden musste, mit welchen Riesengeldbeträgen der Fiskus systemrelevante Akteure unserer Volkswirtschaft vor dem wirtschaftlichen Untergang abschirmt. Eine Rückbesinnung auf allgemeine Grundsätze des Rechtsstaates, wozu die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gehört, tut auch hier Not. In einem Rechtsstaat hat das Recht, insbesondere die Gesamtheit der Grundrechte, grundsätzlich immer (Ausnahme: drohende Staatsinsolvenz) über dem Geld (Haushalt) zu stehen und nicht umgekehrt (dazu Balke in Festschrift für Lang, 2010, S. 965, 968 f.). Mit anderen Worten: Ein Haushaltsvorbehalt, der jeden (legislativen) Verfassungsverstoß mit genügender finanzieller Breitenwirkung rechtfertigen würde, wäre ein „rechtsstaatlich unerträgliches Ergebnis“ (so richtig Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Tz. 97), da damit der individuelle Rechtsschutz ausgehöhlt werden würde. Dagegen werden durch die (grundsätzlich uneingeschränkte) Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes Risiken für die öffentliche Haushaltswirtschaft, die mit der Verplanung bzw. Verausgabung möglicherweise verfassungswidriger Steuern verbunden sind, gerade vermieden (vgl. Seer, StuW 2001, S. 3, 17 f. mit weiteren Nachweisen; dazu auch Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage 2010, S. 1123; zustimmend Gräber/Koch, Kommentar zur FGO, 7. Auflage 2010, § 69 Rz. 113); dies begünstigt auch die Einhaltung der neuen Schuldenregel des Staates („Schuldenbremse“ in Art. 109 Abs. 3, 115, 143d GG).
bb) Der 2. Senat des Bundesfinanzhofs, der im Eilverfahren vorläufigen Rechtsschutz in steuerlichen Verfassungsstreitsachen mit Breitenwirkung auch deshalb nicht gewährt, weil das Bundesverfassungsgericht im Hauptverfahren seine pro-futuro-Rechtsprechungs-praxis (gemeint sind die Weitergeltungsanordnungen des Bundesverfassungsgerichts für eine gewisse Zeit trotz verfassungswidriger Norm mit Auflagen für den Gesetzgeber für die Zukunft) fortführen könnte, bringt eine Art selbsterfüllende Prophezeiung hervor: Der Vorhersagende, der 2. Senat des Bundesfinanzhofs, verhält sich so, dass das Vorhergesagte eintreten muss. Die Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesfinanzhofs, die den vorläufigen Rechtsschutz auch dann verweigert, wenn in der selben Rechtssache ein eigener Vorlage- und Aussetzungsbeschluss ergangen ist, der nach Art. 100 Abs. 1 GG die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm voraussetzt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22.5.2002 II R 61/99, BStBl. II 2002, S. 598, und vom 17.7.2003 II B 20/03, BStBl. II 2003, S. 380; kritisch dazu Balke in Festschrift für Lang, 2010. S. 965, 976 ff.), ist widersprüchlich und begünstigt Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts allein für die Zukunft („pro futuro“, etwa Beschluss des 1. Senats des BVerfG vom 7.11.2006 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1), damit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ohne effektiven Rechtsschutz für Gegenwart und Vergangenheit (zur Problematik auch Bendixen, ZRP 2009, S. 85, 86: „Grundrechte werden dadurch auf Zeit außer Kraft gesetzt“; Schallmoser, DStR 2010, S. 297, 299). Auf diese Weise findet die Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes in steuerlichen Verfassungsstreitsachen mit Breitenwirkung seine Entsprechung in „der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts, in fiskalisch bedeutsamen Fragen auf die Verfassungswidrigkeit von Steuergesetzen mit einer nur in die Zukunft wirkenden Unvereinbarkeitserklärung zu reagieren“ (so zu Recht kritisch Seer in Tipke/Lang, a.a.O., S. 1123).
Dagegen ist es im Sinne der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, den vorläufigen Rechtsschutz nach § 69 FGO gegen die in Verfahren mit Breitenwirkung drohende rechtsschutzenttäuschende pro-futuro-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einzusetzen (dazu näher Habscheidt, a.a.O., S. 75 ff., 90 ff.; Drüen, FR 1999, S. 289, 290 f.; Tipke, BB 2007, S. 1525, 1533; Balke in Festschrift für Lang, 2010, S. 965, 970 ff.; so ausdrücklich auch die Beschlüsse des 7. Senats des Niedersächsischen FG vom 2.3.2007 7 V 21/07, EFG 2007, S. 723 und vom 2.6.2009 7 V 76/09, EFG 2009, S. 1548 – dazu instruktiv Mann, Diskussionsbeitrag, in Widmann, Steuervollzug im Rechtsstaat, DStJG 31, 2008, S. 229, 230 und Drenseck, DStR 2009, S. 1877, 1878; schon vorher hatte der 4. Senat des Niedersächsischen FG in seinen drei Aussetzungs- und Vorlagebeschlüssen zur Gewerbesteuer die pro-futuro-Rechtsprechung des BVerfG kritisiert – vgl. zuletzt Beschluss des Niedersächsischen FG vom 21.4.2004 4 K 317/91, EFG 2004, S. 1065; vgl. auch Siegers, EFG 2010, S. 1534 - dagegen eher zögerlich Schallmoser, DStR 2010, S. 297. 300 f.).
Mit Recht betont Roman Seer immer wieder (in Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 FGO Tz. 97; ders. in Tipke/Lang, a.a.O, S. 1123 und StuW 2001, S. 3, 17 f.), dass das "öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltswirtschaft des Staates" aus rechtsstaatlicher Sicht untauglich ist, den in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten individuellen Rechtsschutz einschränken zu wollen (in diesem Sinne auch Gräber/Koch, a.a.O., § 69 Rz. 113).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Beschwerde an den Bundesfinanzhof ist nicht zugelassen worden, weil das beschließende Gericht den Ausführungen des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss zur verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und (kinderlosen) Ehegatten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer vom 21.7.2010 (1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, Randnrn. 74 ff., 78 ff., DStR 2010, S. 1721) folgt sowie die dortigen tragenden Gründe vollumfänglich auf die Grunderwerbsteuer übertragbar sind und zudem die dargestellte Senatsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum effektiven vorläufigen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG bindend im Sinne des § 31 Abs. 1 BVerfGG ist (zur Bindungswirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen vgl. Beschlüsse des 2. Senats des BVerfG vom 10.6.1975 2 BvR 1018/74, BVerfGE 40, S. 88, 93 sowie des 1. Senats vom 12.11.1997 1 BvR 479/92 und 307/94, BVerfGE 96, S. 375, 404).

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