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08.03.2011 · IWW-Abrufnummer 110787

Finanzgericht Münster: Urteil vom 05.10.2010 – 13 K 3807/06 F

1) Eine nach § 81 Abs. 2 GWB i.V.m. § 17 Abs. 1 bis 3 OWiG festgesetzte Geldbuße, mit der der wirtschaftliche Vorteil des Steuerpflichtigen nicht abgeschöpft wird, unterfällt dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG.



2) Voraussetzung für den Betriebsausgabenabzug einer solchen Geldbuße ist, dass sie tatsächlich in der Weise „mehrerlösbezogen” festgesetzt wird, dass zwischen der Höhe der Geldbuße und dem Mehrerlös (und damit auch dem wirtschaftlichen Vorteil) eine betragsmäßige Korrespondenz besteht.


FG Münster v. 05.10.2010

13 K 3807/06 F

Tatbestand:
Streitig ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang im Streitjahr 2002 eine gegen die Klägerin wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen festgesetzte Geldbuße gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Betriebsausgabe abzugsfähig ist.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG mit Sitz in E.. Sie betreibt ein … unternehmen. Gesellschafter der Klägerin waren im Streitjahr 2002 die … GmbH U. als Komplementärin (ohne Kapitalbeteiligung) und als Kommanditisten die Y. GmbH & Co. KG mit einer Beteiligung von 60 %, die X. AG mit einer Beteiligung von 30 % und Frau F. G. mit einer Beteiligung von 10 %. Einzelprokurist der Komplementärin der Klägerin, der … GmbH U., war Herr H. I..

Gegen I. ist vom Bundeskartellamt 2001 ein Kartellordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. I. wurde vorgeworfen, sich in leitender Stellung als Prokurist der die Klägerin vertretenden … GmbH U. und als Prokurist bzw. Geschäftsführer anderer Gesellschaften an der Durchführung wettbewerbsbeschränkender Absprachen beteiligt zu haben. Gegen I. als Betroffenen und die Klägerin und andere Gesellschaften als Nebenbetroffene hat die 1. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts unter dem … 2002 einen Bußgeldbescheid erlassen, nach dem gegen den I. als Betroffenen Geldbußen in Höhe von insgesamt …,– Euro festgesetzt wurden. Gegen die Klägerin als Nebenbetroffene wurde als Nebenfolge der von dem Betroffenen begangenen Ordnungswidrigkeiten eine Geldbuße in Höhe von …,– Euro wegen Preis- und Quotenabsprache mit dem … hersteller V. J. GmbH & Co. Kg durch gemeinsamen Vertrieb über die Firma Z. K./J. GmbH als Vertriebsstelle sowie eine Geldbuße in Höhe von …,– Euro wegen Quotenabsprachen mit weiteren Herstellern im … Raum festgesetzt. In der Begründung des Bußgeldbescheids wird bezüglich der Quotenabsprache mit weiteren Herstellern im … Raum (auszugsweise) ausgeführt:

„… A.

… Im Großraum L./E./M. tätige … hersteller praktizierten seit Jahren – zumindest von 1990 bis in das Jahr 2001 – eine verbotene Quotenabsprache. Dabei sind für die einzelnen Hersteller Anteile am Gesamtabsatz des festgelegten Kartellgebietes vereinbart worden. Im Einzelnen waren dies im Jahre 1990: …

N./U. … cbm

… Die Klägerin gehörte diesem Kartell … von Anfang an ununterbrochen an.

Als Ergebnis dieser Vereinbarung konnten die … preise auf ein Niveau angehoben werden, welches bei unbeschränktem Wettbewerb nicht erreichbar gewesen wäre. Preiszugeständnisse erübrigten sich weitgehend, da sowohl der Zwang zur Verteidigung als auch der Anreiz zur Ausweitung des eigenen Marktanteils entfiel. …

Für die „U.” ergibt sich bei einem jährlichen Quotenanteil von … cbm für den gleichen Zeitraum ein Absprachevolumen von … cbm. …

C.



4. Durch die von dem Betroffenen in leitender Stellung bei … der die Klägerin vertretenden … GmbH U. begangenen Ordnungswidrigkeiten sind betriebsbezogene Pflichten der Nebenbetroffenen verletzt und sind diese bereichert worden. Gegen sie waren daher gemäß § 30 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) ebenfalls Geldbußen festzusetzen. …

5. Die Geldbußen sind aufgrund des Bußgeldrahmens des § 38 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) alte Fassung (a.F.) i.V.m. § 81 Abs. 2 GWB neue Fassung (n.F.) unter Beachtung von § 17 Abs. 1 bis 3 OWiG festgesetzt worden.

Bei der Bemessung der Geldbuße gegen den Betroffenen waren zu seinen Lasten die Dauer und Intensität der Verstöße in leitender Stellung bei zwei Nebenbetroffenen zu berücksichtigen. Auch waren seine günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse in Betracht zu ziehen.

Bei der Bemessung der Geldbuße gegen die Nebenbetroffenen war über die oben genannten Gesichtspunkte hinaus zu berücksichtigen, dass den Nebenbetroffenen durch ihre Teilnahme an wettbewerbswidrigen Absprachen erhebliche Mehrerlöse zugeflossen sind. Durch die Beschränkung des Wettbewerbs haben die … preise auf ein Niveau angehoben werden können, das bei unbeschränktem Wettbewerb nicht erreichbar gewesen wäre. Dies ist darauf zurückzuführen, dass durch die Preis- und Mengenabsprachen sowie Gebietsaufteilung der Zwang und Anreiz zur Verteidigung bzw. Ausweitung des eigenen Marktanteils durch Preiszugeständnisse weitgehend entfallen ist.

Bei der Bemessung der Geldbußen gegenüber dem Betroffenen und den Nebenbetroffenen wurde berücksichtigt, dass diese steuerlich nicht abzugsfähig sind. …”

Der Bußgeldbescheid wurde gegenüber der Klägerin rechtskräftig.

Die Klägerin reichte am 22. September 2003 ihre Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2002 beim Beklagten ein. Darin erklärte sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von … Euro. In diesem Betrag war die (anteilig von ihr gezahlte) Geldbuße nicht gewinnmindernd berücksichtigt. Zwar hatte sie im Rahmen ihrer Bilanz für 2002 bezüglich der Geldbuße in Höhe von …,– Euro eine Gewinnminderung von …,– Euro berücksichtigt, diese jedoch durch die außerbilanzielle Hinzurechnung von nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben in Höhe von …,– Euro rückgängig gemacht. Die im Rahmen der Bilanz für 2002 berücksichtigte Gewinnminderung in Höhe von …,– Euro ergab sich – wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat – aus der Kompensation der Geldbuße in Höhe von …,– Euro mit einem Betrag in Höhe von …,– Euro, den sie von ihrer Kommanditistin, der Y. GmbH & Co. KG (im Verwaltungsverfahren u.a. auch bezeichnet als Y. N. GmbH & Co. KG oder N.), erhalten habe. Diese Zahlung sei erfolgt, da – wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung weiter vorgetragen hat – insoweit vereinbart gewesen sei, dass die Y. GmbH & Co. KG mit der Hälfte dieser Geldbuße belastet wird, da sie und „N.” im Rahmen des Bußgeldbescheids als Einheit behandelt worden seien, was sich unter anderem auch aus der Bezeichnung „N./U.” in der Begründung des Bußgeldbescheids ergebe. Der Beklagte erließ unter dem 31. März 2004 den Bescheid für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Feststellungsbescheid), in dem er die Einkünfte erklärungsgemäß feststellte. Der Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung M. führte 2004 und 2005 eine Außenprüfung bei der Klägerin unter anderem für das Streitjahr 2002 durch. Der Prüfer führte in Tz. 1.5 des Berichts über die Außenprüfung vom 11. April 2005 aus: Die Klägerin habe bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns für 2002 die anteilig von ihr gezahlte Geldbuße in Höhe von …,– Euro dem Verlust der Handelsbilanz hinzugerechnet. Während der Außenprüfung habe die Klägerin den Abzug von …% des Betrags (= …,– Euro) als Betriebsausgabe geltend gemacht, weil insoweit der Mehrerlös/wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft worden sei.

Der Prüfer hat im Rahmen der Außenprüfung das Bundeskartellamt um schriftliche Auskunft gebeten, in welcher Höhe – betragsmäßig oder prozentual – in der Geldbuße die Abschöpfung des Mehrerlöses enthalten sei und ob bei der Abschöpfung die ertragsteuerliche Belastung berücksichtigt worden sei. Der Berichterstatter der 1. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts, der Zeuge Herr O. P., führte in dem Antwortschriftsatz vom … 2004 aus:

„… die gegen die … (Klägerin) verhängten Geldbußen haben in vollem Umfang Sanktionscharakter. Sie sollen nur und ausschließlich der Ahndung der Tat und nicht der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils dienen. Die Beschlussabteilung ist bei deren Festsetzung demzufolge davon ausgegangen, dass die Bußen steuerlich nicht abzugsfähig sind und hat die sich hieraus ergebenden, im Vergleich zu abzugsfähigen Betriebsausgaben höheren effektiven wirtschaftlichen Belastungen der betroffenen Unternehmen bei der Bußgeldbemessung bereits mindernd berücksichtigt.

Die Beschlussabteilung hat bei der Festsetzung der Geldbußen gegen … (die Klägerin) … – ebenso wie in allen anderen Fällen dieses Verfahrens – die Bußgeldhöhe aufgrund des Bußgeldrahmens des § 38 Abs. 4 GWB a.F. (entspricht § 81 Abs. 2 GWB n.F.) anhand des erzielten (geschätzten) Mehrerlöses festgesetzt. Dies ergibt sich auch aus dem Bußgeldbescheid. Der Mehrerlös, der sich begrifflich nicht mit dem wirtschaftlichen Vorteil deckt, diente hierbei jedoch nur zur Abgrenzung des zur Verfügung stehenden Bußgeldrahmens und als Kriterium für die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 17 Abs. 3 OWiG. Der Bußgeldrahmen des § 38 Abs. 4 GWB a.F. (§ 81 Abs. 2 GWB n.F.) ist nicht überschritten und somit ein wirtschaftlicher Vorteil im Sinne von § 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG nicht abgeschöpft worden.

Nach Auffassung des Bundeskartellamts, das sich hierbei auf die maßgebliche Rechtsprechung des BGH stützt, ist in einer aufgrund des Mehrerlöses nach § 38 Abs. 4 GWB a.F. (bzw. § 81 Abs. 2 GWB n.F.) festgesetzten Geldbuße kein Anteil enthalten, der der Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils im Sinne von § 17 Abs. 4 Satz 2 GWB (bzw. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG) dient. …”

Der Prüfer führte in dem Bericht über die Außenprüfung zur Abzugsfähigkeit der Geldbuße aus: Nach der schriftlichen Auskunft des Bundeskartellamts vom … 2004 habe die Geldbuße alleinigen Sanktionscharakter gehabt und sei daher insgesamt nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig. Der Beklagte erließ nach Maßgabe der (sonstigen) Prüfungsfeststellungen unter dem 28. Juli 2005 einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Feststellungsbescheid für 2002. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde in dem Bescheid gemäß § 164 Abs. 3 AO aufgehoben.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 22. August 2005 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus: Wie sich aus dem Bußgeldbescheid ergebe, seien die Geldbußen aufgrund des Bußgeldrahmens des § 38 GWB a.F. i. V. m. § 81 Abs. 2 GWB n.F. festgesetzt worden. Nach der Rechtsprechung des I. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) würden Geldbußen, die unter Einbeziehung des durch die Zuwiderhandlung erlangten Mehrerlöses (§ 38 GWB a.F. bzw. § 81 GWB n.F.) festgesetzt worden seien, neben der Ahndung des Gesetzesverstoßes stets auch eine auf den erzielten wirtschaftlichen Vorteil (§ 13 OWiG a.F., § 17 OWiG n.F.) gerichtete Abschöpfungsmaßnahme beinhalten. Die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG knüpfe insoweit übereinstimmend an den in § 13 OWiG a.F. bzw. § 17 OWiG n.F. verwendeten Begriff des wirtschaftlichen Vorteils an. Unerheblich sei, ob der abschöpfende Teil einer einheitlichen Geldbuße sich eindeutig bestimmen lasse. Die Feststellung des Ahndungs- und Abschöpfungsteils könne bzw. müsse gegebenenfalls auch auf der Grundlage einer Schätzung erfolgen. Habe die Bußgeldbehörde die Ertragssteuern, die auf den abgeschöpften wirtschaftlichen Vorteil entfielen, bei der Festsetzung nicht berücksichtigt, mindere die Geldbuße nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG den Gewinn. Der VIII. Senat des BFH (Urteil vom 15. März 2000 VIII R 34/96, BFH/NV 2001, 297) und das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg (Urteil vom 20. September 2001 3 K 168/01, EFG 2002, 72) hätten sich dieser Rechtsprechung des I. Senats des BFH im Urteil vom 09. Juni 1999 I R 100/97, BStBl II 1999, 658 angeschlossen. Die nach diesen Grundsätzen für die Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG relevanten Sachverhaltsumstände würden sich dem vorliegenden Bußgeldbescheid nicht entnehmen lassen. Der Bußgeldbescheid lasse weder erkennen, in welchem Umfang die Gesamtgeldbuße eine Abschöpfung des erlangten wirtschaftlichen Vorteils beinhalte, noch enthalte der Bescheid eine Aussage dazu, ob die auf den Abschöpfungsteil entfallenden Steuern vom Einkommen und Ertrag bei der Bemessung der Geldbuße abgezogen worden seien. Unbeachtlich sei in diesem Zusammenhang der Satz auf Seite 12 des Bußgeldbescheids: „Bei der Bemessung der Geldbußen gegen den Betroffenen und den Nebenbetroffenen wurde berücksichtigt, dass diese steuerlich nicht abzugsfähig sind”, denn § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG habe einen anderen Regelungsinhalt. Es handele sich deshalb um eine unzutreffende und unbeachtliche Äußerung des Bundeskartellamts über die Steuerrechtslage, allenfalls um einen Umstand, der nur für die Bemessung des Ahndungsteils der Buße herangezogen worden sei. In diesem Zusammenhang sei auch auf die tatsächliche Verständigung im Rahmen der Außenprüfung bei der W. AG vom 8. August 2003 hinzuweisen. Die T. Finanzverwaltung habe in diesem Fall … % der Geldbuße als abzugsfähige Betriebsausgaben anerkannt.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2006 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus: Nach der schriftlichen Auskunft des Bundeskartellamts vom … 2004 hätten die verhängten Geldbußen in vollem Umfang Sanktionscharakter gehabt. Der Bußgeldbescheid sei rechtskräftig geworden, es sei kein Einspruch dagegen eingelegt worden und das Bußgeld sei entsprechend gezahlt worden. Die Klägerin habe auch keine geeigneten Unterlagen vorgelegt, aus denen hervorgehe, dass die ertragssteuerliche Belastung bei der Bemessung des Bußgeldes nicht berücksichtigt worden und der gesamte rechtswidrig erlangte Vermögensvorteil abgeschöpft worden sei. Der Bußgeldbescheid sei nicht widerlegt. Die Klägerin trage die objektive Feststellungslast. Der mit der T. Finanzverwaltung erzielte Kompromiss sei für ihn, den Beklagten, nicht bindend. Zudem sei nicht ersichtlich, ob die zu beurteilenden Sachverhalte identisch seien.

Die Klägerin hat ihre Klage am 21. Juli 2006 bei dem Beklagten angebracht. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor: Sie habe in Anlehnung an das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 20. September 2001 3 K 168/01, EFG 2002, 62 und der tatsächlichen Verständigung im Besteuerungsverfahren der W. AG einen Ahndungsteil von … % (= …,– EUR) und einen Mehrerlösabschöpfungsteil von … % (= …,– EUR) angenommen. Die Ansicht des Bundeskartellamts, die sich der Beklagte zu eigen mache, beruhe auf einem – zumindest in steuerrechtlicher Hinsicht – unzutreffenden Verständnis der in den §§ 17 OWiG, 38 Abs. 4 GWB a.F., 81 GWB n.F. enthaltenen Regelungen. Das Bundeskartellamt gehe davon aus, dass der Mehrerlös nicht eine von der Geldbuße abtrennbare Abschöpfungsmaßnahme ohne Sanktionscharakter sei, sondern als Zumessungsgesichtspunkt Bestandteil der Sanktion. Nach dieser Meinung erfolge ihrer Ansicht nach dann überhaupt keine Abschöpfung, wenn der Bußgeldrahmen des § 38 Abs. 4 GWB a.F. bzw. § 81 Abs. 2 GWB n.F. in Höhe von 1,0 Mio. DM bzw. 500.000 Euro nicht überschritten werde. Hätte der Beklagte den Streitgegenstand unter steuerlichen Gesichtspunkten überprüft, hätte er nicht übersehen können, dass mehrerlösbezogene Geldbußen eine Doppelfunktion hätten, bei denen der wirtschaftliche Vorteil grundsätzlich eine Untergrenze der Bußgeldfestsetzung darstelle, innerhalb derer die Geldbuße eine ahndende und zugleich abschöpfende Wirkung entfalte, und die bezogen auf den abschöpfenden Teil nur der Form nach „Sanktion” sei. Im Streitfall habe auch tatsächlich eine (anteilige) Mehrerlösabschöpfung stattgefunden. Dies ergebe sich mittelbar aus dem Bußgeldbescheid auf Seite 12 „Bei der Bemessung war … zu berücksichtigen, … dass den Nebenbetroffenen … erhebliche Mehrerlöse … zugeflossen sind. …”. Vor allem ergebe sich die Abschöpfung eines Mehrerlöses durch die Geldbußen aber auch aus den zur Gerichtsakte übersandten Zeitungsberichten, die Pressekonferenzen von Mitgliedern des Bundeskartellamtes wiedergeben würden. So werde zum Beispiel der Kartellamtspräsident Q. R. in der … Zeitung vom … 2001 aus seiner Pressekonferenz wie folgt zitiert: „… Im größten Verfahren seiner Geschichte habe das Bundeskartellamt wegen verbotener Absprachen gegen … Unternehmen und … Geschäftsführer der … branche Bußgelder von insgesamt … Millionen DM verhängt. Das seit 1999 laufende Verfahren sei abgeschlossen … Ein weiteres Verfahren wegen des Verdachts von Quoten- und Preisabsprachen beim … laufe. Es richte sich gegen rund … Unternehmen … Die Bußgelder sollen die mit den Absprachen erzielten Mehrerlöse abschöpfen …”.

Die im Streitfall vorzunehmende Aufteilung der Geldbuße könne – entsprechend der Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 09. Juni 1999 I R 100/97, BFHE 189, 79, BStBl II BStBl 1979 II S. 1999, BStBl 1979 II S. 658 – weder unter Berufung auf die Höhe des Bußgeldes noch aufgrund von Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Aufteilungsmaßstabes abgelehnt werden. Ihr könne nicht das Risiko der fehlenden nachträglichen Feststellbarkeit des Abschöpfungsanteils überbürdet werden, zumal dieses Defizit darauf beruhe, dass das Bundeskartellamt jegliche Angaben zur Aufteilung in Ahndung und Abschöpfung sowie in Brutto- und Nettoabschöpfung unterlassen habe. Bei der Schätzung von … % Ahndungs- und … % Abschöpfungsteil habe sie auch berücksichtigt, dass es sich bei der Geldbuße um eine sogenannte Verbandsbuße nach § 30 OWiG gehandelt habe, bei der der Ahndungsteil stark hinter dem Abschöpfungsteil zurücktrete. Dadurch werde der Tatsache Rechnung getragen, dass eine Körperschaft – im Gegensatz zu einer natürlichen Person – nicht schuldhaft im strafrechtlichen Sinne handeln könne. Sie verweise insoweit auch auf die Behandlung der Geldbußen gegen … unternehmen durch die … Finanzverwaltung, die ebenfalls von abziehbaren Betriebsausgaben in Höhe des Mehrerlöses ausgegangen sei. Danach sei bei den bei der …. Finanzverwaltung anhängigen Verfahren von einem Mehrerlös von … DM je cbm … ausgegangen worden. Darüber hinaus sei zu beachten, dass es sich bei dem der Geldbuße zugrunde liegenden Tatvorwurf nicht um den einer Preisabsprache, sondern um den einer Quotenabsprache gehandelt habe. Es sei also nicht so, dass sich die Beteiligten auf einen fixen Preis geeinigt hätten, sondern der Tatvorwurf sei dahingehend gegangen, dass die Beteiligten „den Markt unter sich aufgeteilt hätten” und so ein höherer … preis habe gehalten werden können. Wie der Preis sich ohne die Aufteilung des Marktes entwickelt hätte, vermöge niemand zu sagen. Die in dem Zeitraum von 1990 bis 2001 von ihr verkaufte Gesamtmenge habe … cbm betragen. Die von dem Kartellamt angenommene jährliche Menge von … cbm, ausgehend von 1990, d.h. eine Gesamtmenge bis 2001 in Höhe von … cbm sei danach im Großen und Ganzen zutreffend.

Die Klägerin beantragt,

den Feststellungsbescheid für 2002 vom 28. Juli 2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2006 dahingehend zu ändern, dass die einheitlich und gesondert festgestellten Einkünfte um …,– EUR gemindert werden, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er verweist zur Begründung auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus: In dem von der Klägerin zitierten Urteil des FG Niedersachsen vom 27. April 2006 10 K 65/01, EFG 2006 1737 werde eine teilweise Abzugsfähigkeit der Geldbuße als Betriebsausgabe anerkannt, weil im Bußgeldbescheid nähere Einzelheiten, wie z. B. „Bruttobeträge und Betrag vor Steuern” enthalten und diese durch die Zeugenaussagen bestätigt worden seien. Im Streitfall sei dies aber nicht gegeben. Der Bußgeldbescheid enthalte im Streitfall keine Angaben zur Berechnung der Höhe des Bußgeldes. In dem Bescheid werde lediglich ein erheblicher Mehrerlös erwähnt. Darüber hinaus sei in dem Bescheid auch vermerkt worden, dass bei der Bemessung der Geldbuße die steuerliche Nichtabzugsfähigkeit berücksichtigt worden sei. Von der Klägerin sei zudem auch kein Zahlenmaterial vorgelegt worden, in welcher Höhe ein Mehrerlös bzw. wirtschaftlicher Vorteil aus den Preisabsprachen erzielt worden sei. Um feststellen zu können, ob in der Geldbuße ein Abschöpfungsanteil enthalten sei, sei es erforderlich, die Höhe des durch die Zuwiderhandlung erzielten Mehrerlöses bzw. wirtschaftlichen Vorteils zu ermitteln. Dies habe von der Klägerin zu erfolgen, die die Feststellungslast bezüglich des Betriebsausgabenabzugs trage.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Der Senat hat den Berichterstatter der 1. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes, Herrn O. P., zunächst schriftlich und dann nochmals in der mündlichen Verhandlung als Zeugen vernommen. Auf das Schreiben des Zeugen vom 02. Juli 2010 und die Sitzungsniederschrift vom 05.10.2010 wird Bezug genommen.

Der Senat hat die Akten des Bundeskartellamts (Aktenzeichen: B 1 – 185/00 – 8 und B 1 – 185/00 – 11) beigezogen.



Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Feststellungsbescheid für 2002 vom 28. Juli 2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

Der Beklagte hat zu Recht die von der Klägerin begehrte Minderung des Gewinns um die anteilige, gegen sie festgesetzte Geldbuße versagt.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung dürfen Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder, die von einem Gericht oder einer Behörde im Geltungsbereich des EStG oder von Organen der Europäischen Gemeinschaften festgesetzt wurden, nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Die im Streitfall von dem Bundeskartellamt gegenüber der Klägerin festgesetzte Geldbuße stellt eine Geldbuße einer deutschen Behörde, einer Behörde im Geltungsbereich des EStG, dar, so dass die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 1 EStG einschlägig und die Geldbuße grundsätzlich nicht abzugsfähig ist.

Dieses Abzugsverbot gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG jedoch nicht, soweit der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt wurde, abgeschöpft worden ist, wenn die Steuern vom Einkommen und Ertrag, die auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallen, nicht abgezogen worden sind. Die Ausnahmebestimmung hat demnach zwei Voraussetzungen: Zum einen muss durch die festgesetzte Geldbuße der durch den Gesetzesverstoß erzielte wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft worden sein; zum anderen muss bei der Bemessung der festgesetzten Geldbuße die steuerliche Nichtabziehbarkeit der Geldbuße unberücksichtigt geblieben sein. Liegen im Einzelfall beide Voraussetzungen vor, so kann ein Betriebsausgabenabzug in Höhe des abgeschöpften wirtschaftlichen Vorteils erfolgen.

Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon überzeugt, dass mit der gegenüber der Klägerin festgesetzten Geldbuße kein wirtschaftlicher Vorteil abgeschöpft worden ist, mithin schon die erste der vorgenannten Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG nicht vorliegt und damit die Geldbuße insgesamt nicht abzugsfähig ist.

Die im vorliegenden Verfahren streitbefangene Geldbuße ist gegenüber der Klägerin nach § 81 Abs. 2 GWB n.F. – d.h. in der im Streitjahr 2002 gültigen Fassung – (bzw. § 38 Abs. 4 GWB a.F – d.h. in der bis zum 31.12.1998 gültigen Fassung –) unter Beachtung von § 17 Abs. 1 bis 3 OWiG festgesetzt worden (vgl. Bußgeldbescheid vom 10. Juli 2002 unter IV. C. 5.). Nach § 81 Abs. 2 GWB n.F. (bzw. § 38 Abs. 4 GWB a.F.), die den ordnungswidrigkeitsrechtlichen Grundtatbestand des § 17 Abs. 1 OWiG als Sonderregelung verdrängt (vgl. BFH-Urteil vom 09. Juni 1999 I R 100/97, BFHE 189, 79, BStBl II 1999, 658), kann eine Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro (§ 38 GWB a.F.: einer Million DM), über diesen Betrag bis zur dreifachen Höhe des durch die Zuwiderhandlung erlangten Mehrerlöses, in den übrigen Fällen bis zu fünfzigtausend Deutsche Mark geahndet werden. § 17 Abs. 3 OWiG regelt die allgemeinen Zumessungskriterien für die zu verhängende Geldbuße auch bei Kartellrechtsverstößen. Danach sind gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG kommen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters in Betracht; bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie jedoch in der Regel unberücksichtigt.

Die Vorschrift des § 81 Abs. 2 GWB n.F. (bzw. § 38 GWB a.F.) stellt mithin in seiner zweiten Alternative auf den Begriff des Mehrerlöses ab, hingegen die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG auf den Begriff des wirtschaftlichen Vorteils. Die Begriffe Mehrerlös und wirtschaftlicher Vorteil haben einen unterschiedlichen Inhalt. Der Begriff des wirtschaftlichen Vorteils im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 Satz 4 EStG knüpft an den in § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG ebenfalls verwendeten Begriff des wirtschaftlichen Vorteils an. Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Diese Vorschrift ist auch neben § 81 Abs. 2 GWB n.F. (§ 38 GWB a.F.) anwendbar. Der gemäß § 81 Abs. 2 GWB n.F. (§ 38 GWB a.F.) maximale Bußgeldrahmen bis zur dreifachen Höhe des Mehrerlöses kann danach also noch seinerseits überschritten werden, sofern dieses Höchstmaß nicht ausreichen sollte, um den aus der begangenen Ordnungswidrigkeit erzielten wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen. In der praktischen Konsequenz bedeutet dies, dass der nach § 81 Abs. 2 GWB n.F. (§ 38 Abs. 4 GWB a.F.) berechnete Bußgeldrahmen (nur dann) nach Maßgabe von § 17 Abs. 4 OWiG überschritten werden kann, wenn das so erzielbare Höchstmaß nicht ausreicht, um den aus der Kartellordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen und zugleich den Täter spürbar zu sanktionieren. Ansonsten wird der erlangte wirtschaftliche Vorteil, wie sich aus § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG ergibt, grundsätzlich bereits über die Buße als Maßnahme der Sanktionierung der zu ahndenden Ordnungswidrigkeit (mit-)abgeschöpft und von dieser konsumiert. Der wirtschaftliche Vorteil tritt sonach in jenem Umfang, in dem er über die Mehrerlöse im Höchstmaß des mit der Buße verbundenen Sanktionsteils verborgen ist, nicht eigenständig in Erscheinung, vielmehr dient er insoweit nur als Parameter für die Bestimmung der Höchstgrenze der Geldbuße als Sanktion, vermischt sich mit dieser und geht untrennbar in diese ein. Der Begriff wirtschaftlicher Vorteil stellt dabei gegenüber dem Begriff Mehrerlös den insoweit umfassenderen Begriff dar, als er jegliche Vorteile miteinschließt, solche materieller ebenso wie solche immaterieller Art. Er tritt andererseits hinter den Begriff Mehrerlös zurück, indem er Kostenpositionen, vor allem die auf die betreffenden Einnahmen entfallenden Ertragsteuern, einbezieht, wohingegen der Begriff Mehrerlös gleichsam brutto, ohne Abzug der erwähnten Positionen, verstanden werden muss. Dieses Verständnis der Regelungszusammenhänge hat aber zugleich zur Konsequenz, dass die Begriffsinhalte des in § 81 Abs. 2 GWB n.F. (§ 38 Abs. 4 GWB a.F.) angesprochenen Mehrerlöses und des wirtschaftlichen Vorteils, ohne gänzlich identisch zu sein, sich tatsächlich und wirtschaftlich gesehen doch in weiten Bereichen decken. Entweder beinhaltet der wirtschaftliche Vorteil eine Teilmenge des Mehrerlöses oder umgekehrt der Mehrerlös eine Teilmenge des wirtschaftlichen Vorteils (vgl. BFH-Urteil vom 09. Juni 1999 I R 100/97, BFHE 189, 79, BStBl II 1999, 658). Mithin weisen beide Begriffe/Größen so enge Bezugspunkte zueinander auf, dass die kartellrechtlich vorgesehene Abschöpfung eines Mehrerlöses in der Regel zugleich als Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils anzusehen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 24. März 2004 I B 203/03, BFH/NV 2004, 959).

Der I. Senat führt zudem in seinem Urteil vom 09. Juni 1999 I R 100/97, BFHE 189, 79, BStBl 1999 II S. 658 worauf auch die Klägerin hinweist, weiter aus: Stellt aber der erlangte wirtschaftliche Vorteil als Untergrenze den Sockelbetrag für die Bemessung der Geldbuße in ihrer Gesamtheit dar, die ihrerseits der Höhe nach durch den erlangten Mehrerlös gemäß § 81 Abs. 2 GWB n.F. – § 38 Abs. 4 GWB a.F. – (mit-)bestimmt wird, dann wird der wirtschaftliche Vorteil durch die festgesetzte Geldbuße grundsätzlich unabhängig davon abgeschöpft, ob er sich in Form einer zusätzlichen Erhöhung der Buße über § 17 Abs. 4 OWiG auswirkt oder ob er lediglich rechnerisch (und von vornherein) als Höchstbetrag in die Bemessung des Bußgeldrahmens nach Maßgabe von § 81 Abs. 2 GWB n.F. (§ 38 Abs. 4 GWB a.F.) einbezogen wird. Der wirtschaftliche Vorteil stellt – jedenfalls im Regelfall „soll”) – immer die nach oben hin offene (vgl. § 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG) Untergrenze der Bußgeldfestsetzung dar. Innerhalb dieser Grenze kommt der Geldbuße eine ahndende und zugleich abschöpfende Doppelfunktion zu und ist bezogen auf den abschöpfenden Teil „nur der Form nach Sanktion”.

Der Senat folgt dieser Rechtsprechung. Danach wird bei einer Geldbuße, die „mehrerlösbezogen” festgesetzt wird, d.h. die ihrerseits durch den erlangten Mehrerlös gemäß § 81 Abs. 2 GWB n.F. – § 38 Abs. 4 GWB a.F. – (mit-)bestimmt wird, grundsätzlich auch ein wirtschaftlicher Vorteil abgeschöpft. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Geldbuße tatsächlich „mehrerlösbezogen” festgesetzt wurde, d.h. eine betragsmäßige Korrespondenz zwischen der Höhe der Geldbuße und dem Mehrerlös (mithin auch dem wirtschaftlichen Vorteil) bestand. In diesem Fall muss auch – wie der I. Senat des BFH in seinem Urteil vom 09. Juni 1999 I R 100/97, BFHE 189, 79, BStBl II 1999, 658 weiter ausführt – der Abschöpfungsteil des derart festgesetzten einheitlichen Bußgeldes nicht „eindeutig” abgrenzbar sein. Es genügt dann, dass sich einerseits der ahndende Teil und andererseits der abschöpfende Teil gegebenenfalls auch nur schätzweise nachweisen lassen.

Allerdings verpflichtet die Vorschrift des § 81 Abs. 2 GWB n.F. (§ 38 Abs. 4 GWB a.F.) das Bundeskartellamt nicht, die Geldbuße „mehrerlösbezogen” festzusetzen, sondern ermöglicht lediglich die „mehrerlösbezogene” Festsetzung. Auch wenn der Regelfall die Festsetzung einer „mehrerlösbezogenen” und mithin eine einen Ahndungs- und Abschöpfungsanteil beinhaltende Geldbuße ist, können Gründe dafür bestehen, auf eine Abschöpfung des Mehrerlöses (wirtschaftlichen Vorteils) zu verzichten und nur eine Ahndung auszusprechen. Ein Grund kann zum Beispiel die schlechte wirtschaftliche Lage des Unternehmens zum Zeitpunkt der Bußgeldentscheidung sein. Denn auch bei der im Streitfall einschlägigen sog. Verbandsbuße gemäß § 30 OWiG sind neben der grundsätzlichen „Schwere” der Tat die wirtschaftlichen Verhältnisse als Zumessungskriterium zu berücksichtigen. Dabei ist insbesondere auch zu beachten, dass Geldbußen schon aufgrund des mit der „Bebußung” verbundenen Zwecks einer Pflichtenmahnung, also eines auf das zukünftige Verhalten des Betroffenen im Wirtschaftsverkehr bezogenen Appells, nicht dazu führen dürfen, dass das Unternehmen aufgrund der Geldbuße künftig nicht oder nicht mehr wettbewerbsfähig am Wirtschaftsverkehr teilnehmen kann. Die Existenz von natürlichen wie juristischen Personen darf durch die Auferlegung der Geldbuße nicht nachhaltig gefährdet werden (vgl. u.a. Klusmann, in: Handbuch des Kartellrechts, 2. Auflage, § 57 Rz. 90 mit weiteren Nachweisen; Achenbach, in Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht § 81 GWB Rz. 284, 317; Achenbach, BB 2000, 1116).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon überzeugt, dass die gegenüber der Klägerin festgesetzte Geldbuße nicht „mehrerlösbezogen”, sondern pauschal mit … EUR (§ 81 Abs. 2 Alt. 1 GWB n.F.) festgesetzt wurde und (ausnahmsweise) keine ahndende und zugleich abschöpfende Doppelfunktion, sondern reinen Ahndungscharakter hatte. Dass der Mehrerlös nicht Parameter für die Bemessung der streitbefangenen Geldbuße war und die Geldbuße reinen Ahndungscharakter hatte, ergibt sich für den Senat insbesondere aus den glaubhaften Ausführungen des Zeugen P.. Das Gericht hat keinen Anlass, an der Richtigkeit der Darstellungen des Zeugen P. zu zweifeln. Der Beweiswert der Aussage wird nach Ansicht des Senats auch nicht durch den Umstand gemindert, dass sich der Zeuge aufgrund des Zeitablaufs von ca. acht Jahren zwischen der Festsetzung der Geldbuße und seiner Aussage nicht an die Einzelheiten der konkreten Festsetzung der Geldbuße gegenüber der Klägerin erinnern konnte. Denn der Senat hält es insoweit für glaubhaft, dass der Zeuge noch Erinnerungen gerade an die dem Kartellordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Klägerin zugrunde liegenden Grundsätze hat, da es sich – wie er ausgeführt hat – nach seiner Versetzung vom Bundeswirtschaftsministerium zum Bundeskartellamt um die ersten Fälle dieser Art gehandelt habe. Nach den Ausführungen des Zeugen P. erfolgte die Festsetzung von Geldbußen durch die 1. Beschlussabteilung des Bundeskartellamts entweder aufgrund der Berechnung anhand des Mehrerlöses (einfacher bis dreifacher Mehrerlös) oder auch mit einem Pauschalbetrag. Bei Unternehmen, von denen man wusste, dass die wirtschaftliche Lage schlecht war, sei darauf Rücksicht genommen und das Bußgeld (pauschal) an der oberen Grenze des Regelbußgeldrahmens (vgl. § 81 Abs. 2 Alt. 1 GWB n.F.: „bis zu einer Höhe von 500.000,– Euro”) festgelegt worden. Einzelberechnungen zu der Höhe der Geldbuße hätten dann nicht stattgefunden. Der Senat hält diese vom Zeugen glaubhaft und schlüssig vorgetragenen Grundsätze auch auf die streitbefangene Geldbuße für übertragbar. Diese Geldbuße ist danach – wovon auch der Zeuge ausgeht – gegenüber der Klägerin mit Rücksicht auf ihre schlechte wirtschaftliche Lage pauschal nur in Höhe von … Euro festgesetzt worden. Nach der Aussage des Zeugen P. wären bei einer mehrerlösbezogenen Berechnung der Geldbuße die Mehrerlöse im Bußgeldbescheid entsprechend aufgeführt worden. Der gegen die Klägerin ergangene Bußgeldbescheid enthält aber keine derartige Einzelberechnung, was nach der Zeugenaussage dafür spricht, dass eine „mehrerlösbezogene” Festsetzung auch tatsächlich nicht erfolgt ist. Gestützt wird diese Annahme dadurch, dass sich bei einem auf die Klägerin entfallenden „Absprachevolumen” von insgesamt … Millionen cbm (vgl. Seite 9 des Bußgeldbescheids) ein erheblich höherer Mehrerlös als …,– Euro ergeben hätte. Bei einem Mehrerlös von ca. … DM pro cbm (vgl. u.a. Aussage des Zeugen, Vermerk des Finanzamts S. – Blatt 51 der Gerichtsakte – und entsprechender Vortrag des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung zu Geldbußen gegenüber … unternehmen im … Raum) hätte sich insoweit schon ein von der Klägerin erzielter (einfacher) Mehrerlös in Höhe von mindestens ca. … Millionen Euro ergeben. Selbst bei einem Unsicherheitsabschlag von 50 % wäre noch ein erheblich über der Geldbuße in Höhe von …,– Euro liegender (einfacher) Mehrerlös entstanden. Dies hat auch der Zeuge P. so bestätigt. Andere Schätzungsgrundlagen liegen dem Senat nicht vor. Insbesondere hat die Klägerin keine eigenen Berechnungen oder Schätzungen vorgenommen. Der Senat wertet zudem als Indiz für die schlechte wirtschaftliche Lage der Klägerin, dass sie beim Bundeskartellamt unter dem 16. September 2002 eine Ratenzahlung mit der Begründung beantragt hat, sie sei nicht in der Lage, die mit dem Bußgeldbescheid vom 10. Juli 2002 festgesetzte Geldbuße in Höhe von …,– Euro zuzüglich Auslagen und Gebühren in einem Zuge zu bezahlen, da die eigene Liquidität hierzu nicht ausreiche, die Beträge könnten nicht durch Bankkredite finanziert werden und eine Vollstreckung des Bußgeldbescheids hatte ihre Zahlungsunfähigkeit zur Folge. Aus den vorgenannten Gründen hält der Senat den (bloßen) Hinweis im Bußgeldbescheid („… Bei der Bemessung der Geldbuße … war zu berücksichtigen, dass den Nebenbetroffenen … erhebliche Mehrerlöse zugeflossen sind …”) und den entsprechenden (bloßen) Hinweis in dem im Rahmen der Außenprüfung übersandten Schriftsatz des Bundeskartellamts vom 07.12.2004 („… die Beschlussabteilung hat bei der Festsetzung der Geldbuße … – wie in allen anderen Fällen dieses Verfahrens – die Bußgeldhöhe … anhand des erzielten (geschätzten) Mehrerlöses festgesetzt …”) ebenso wie den Hinweis im Bußgeldbescheid („… Bei der Bemessung der Geldbußen … wurde berücksichtigt, dass diese steuerlich nicht abzugsfähig sind. …”) für von dem Bundeskartellamt „standardmäßig” verwendete Formulierungen, die für die konkrete Festsetzung der Geldbuße gegenüber der Klägerin nicht zutreffend waren, da tatsächlich weder eine Berechnung eines Mehrerlöses noch eine Berechnung der ertragsteuerlichen Belastung erfolgt ist (vgl. zur Erforderlichkeit der Aufforderung zur Darlegung und Nachweis der ertragsteuerlichen Belastung durch das Bundeskartellamt: Urteil des FG Niedersachsen vom 27. April 2006 10 K 65/01, EFG 2006, 1737 unter II. 2. b) aa)). Ferner spricht auch für den bloßen Ahndungscharakter der Geldbuße die zu dem Hinweis auf die steuerliche Nichtabsetzbarkeit der Geldbuße gemachte Aussage des Zeugen. Danach sollte mit der Aufnahme dieses Satzes in den Bußgeldbescheid zum Ausdruck gebracht werden, dass die Möglichkeit, das Bußgeld durch den Abzug als Betriebsausgabe (noch) zu verringern, ausgeschlossen wird. Diese Aussage belegt nach Ansicht des Senats letztendlich auch, dass die 1. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes mit der Geldbuße nur eine reine Ahndung aussprechen wollte.

Da die Geldbuße im Streitfall mithin (ausnahmsweise) nicht „mehrerlösbezogen” festgesetzt wurde, sondern reinen Ahndungscharakter hatte, kommt es im Streitfall auf den fehlerhaften methodischen Ansatz des Bundeskartellamts, dass Geldbußen, die das dreifache des Mehrerlöses nicht überschreiten, grundsätzlich als Sanktion zu verstehen sind, nicht an (vgl. zum fehlerhaften methodischen Ansatz: Urteil des FG Niedersachsen vom 27. April 2006 10 K 65/01, EFG 2006, 1737). Im Übrigen weicht der Senat auch nicht von den von der Klägerin zitierten Entscheidungen des BFH (Urteil vom 09. Juni 1999 I R 100/97, BFHE 189, 79, BStBl II 1999, 658 bzw. Beschluss vom 24. März 2004 I B 203/03, BFH/NV 2004, 959), des FG Baden-Württemberg (Urteil vom 20. September 2001 3 K 168/01, EFG 2002, 72) und des FG Niedersachsen (Urteil vom 27. April 2006 10 K 65/01, EFG 2006, 1737) ab, da allen Entscheidungen – anders als im Streitfall – unstreitig „mehrerlösbezogene” Geldbußen zugrunde lagen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

RechtsgebieteGWB, OWiG, EStGVorschriftenGWB § 81 Abs 2 OWiG § 17 Abs 1 bis 3 EStG § 4 Abs 5 Satz 1 Nr 8 Satz 4

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