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19.01.2011 · IWW-Abrufnummer 110063

Landgericht Amberg: Beschluss vom 03.11.2010 – 52 Qs 88/2010

Ist zur sachdienlichen Verteidigung die Überprüfung der Einhaltung der Prozessvorschriften hinsichtlich der Erstellung einer' Wahllichtbildvorrage erforderlich, so ist ein Fall der notwendigen Vertei¬digung gegeben, da nur der Verteidiger zur Einsicht in die Akten berechtigt ist.


Aktenzeichen: 52 Qs 88/2010
Die Große Jugendkammer des Landgerichts Amberg: erlässt in dem Strafverfahren gegen pp.
wegen gefährlicher Körperverletzung hier: Beschwerde
ohne Mündliche Verhandlung am 3.11.2010 folgenden Beschluss
1. Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 01.09.2010 aufgehoben.
2. Dem Angeklagten X. wird Rechtsanwalt Y. als Pflichtverteidiger beigeordnet.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Verurteilten im Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse.
Gründe:
I.
Unter dem 10.08.2010 erhob. die Staatsanwaltschaft Amberg gegen den Beschwerdeführer und den weiteren Angeklagten Z. Anklage zum Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Amberg. Dem Beschwerdeführer X. liegt insoweit zur Last, am 11.12.2009 gegen 04.25 Uhr auf dem Parkplatz der Diskothek A. den Geschädigten B. gemeinschaftlich handelnd mit dem Mitangeklagten Z. körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben, insbesondere habe der Geschädigte infolge von Faustschlägen auch des Beschwerdeführers eine Kopfplatzwunde und eine Nasenbeinfraktur erlitten. Zudem habe er zwei Zähne verloren. Dies hätten die Angeklagten zumindest billigend, in Kauf genommen.
Mit Schriftsatz vom 23.08.2010 beantragte der Verteidiger des Angeklagten X. Herr Rechtsanwalt Y. die Bestellung als Pflichtverteidiger. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass eine Jugendstrafe als mögliche Ahndung im Raum stehe. Zudem sei die Sach- und Rechtslage schwierig. Zur effizienten Verteidigung sei vorliegend Akteneinsicht zwingend erforderlich. Ausweislich der Anklageschrift solle der Angeklagte X. von einem Zeugen aufgrund einer Wahllichtbildvorlage identifiziert worden sein. Zur Sichtung der in der Akte befindlichen Unterlagen über eine erfolgte Wahllichtbildvorlage sei Akteneinsicht zur effizienten Verteidigung zwingend erforderlich.
Mit Beschluss vom 01.09.2010 lehnte das Amtsgericht Amberg den Antrag des Beschwerdeführers auf Bestellung eines Pflichtverteidigers ab. Hinsichtlich der Gründe wird auf den Inhalt des vorgenannten Beschlusses Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 20.09.2010 legte Rechtsanwalt Y. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 01.09.2010 das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Angeklagte X. nicht in der Lage sei, sich selbst zu verteidigen. Die Täterbeschreibungen durch die Zeugen seien unterschiedlich und müssten den einzelnen Zeugen jeweils vorgehalten werden. Hierzu sei bereits Akteneinsicht erforderlich. Darüber hinaus wurden den einzelnen Zeugen, Wahllichtbildvorlagen vorgelegt. Insoweit sei von Interesse und Bedeutung, ob die Zeugen zuvor Kenntnis von den vom Geschädigten B. vorgelegten Bildern hatten und so möglicherweise bereits in ihrer Meinungsbildung hinsichtlich der Wiedererkennung beeinflusst waren. Zur sachdienlichen Verteidigung sei daher die Überprüfung der Einhaltung der Prozessvorschriften hinsichtlich der Erstellung einer Wahllichtbildvorlage erforderlich. Aufgrund der hierfür notwendigen Akteneinsicht, die nur durch einen Verteidiger erfolgen könne, sei auch ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben.
Die Staatsanwaltschaft Amberg beantragte unter dem 06.10.2010 die Beschwerde als unbegründet aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zu verwerfen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung gem. § 140 Abs. 2 StPO vor.
Die Sach- und Rechtslage ist schwierig. Verschiedene Zeugen konnten im Laufe der Ermittlungen die beiden Angeklagten anhand einer Wahllichtbildvorlage identifizieren. Demgegenüber befinden sich jedoch auch Bilder in der Akte, die die beiden Angeklagten zeigen. Diese Bilder wurden, vom Geschädigten B. anlässlich seiner Zeugenvernehmung und somit zeitlich vor Durchführung der Wahllichtbildvorlagen übergeben. Es besteht daher grundsätzlich die Möglichkeit, dass entsprechende Bilder den weiteren. Zeugen vor Durchführung der Wahllichtbildvorlage ebenfalls zur Verfügung standen. Ist jedoch zur sachdienlichen Verteidigung die Überprüfung der Einhaltung der Prozessvorschriften hinsichtlich der Erstellung einer Wahllichtbildvorrage erforderlich, so ist ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben, da nur der Verteidiger zur Einsicht in die Akten berechtigt ist.
Ob darüber hinaus angesichts der Schwere des Tatvorwurfs und der Vorahndungen des Beschwerdeführers eine Jugendstrafe von mindestens I Jahr zu erwarten ist, und somit auch eine "Schwere der Tat" i.S.d. § 140 II StPO vorliegt, kann letztlich offen bleiben.
Jedenfalls liegen die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage vor. Dem Beschwerdeführer war deshalb auf seinen Antrag hin Rechtsanwalt Y. als Pflichtverteidiger zu bestellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §.464, 467 Abs. 1 StPO analog.

RechtsgebieteProzessrecht, Akteneinsicht, notwendige VerteidigungVorschriften§ 140 Abs. 2 StPO

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