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22.12.2010 · IWW-Abrufnummer 104192

Oberlandesgericht Zweibrücken: Beschluss vom 11.05.2010 – 2 WF 33/10

Die Zahlung, die der beigeordnete Rechtsanwalt von seinem Mandanten oder einem Dritten auf den Teil der Geschäftsgebühr erhalten hat, der auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, kann nur insoweit auf seinen Gebührenanspruch gegenüber der Staatskasse angerechnet werden, als sie die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung für das konkrete Verfahren übersteigt.


2 WF 33/10

Tenor:
Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluss geändert:

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Amtsgericht - Familiengericht - Landau in der Pfalz vom 3. November 2009 wird geändert:

Die der Beschwerdeführerin als Zessionarin der den Klägern beigeordneten Rechtsanwältin V... aus der Landeskasse nach § 49 RVG zu zahlende Vergütung wird auf 755,65 € festgesetzt.

Gründe
I. Die Kläger haben den Beklagten zunächst außergerichtlich und sodann im Wege der Klage auf Abänderung einer notariellen Urkunde betreffend die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen.

Mit Beschluss vom 20. Juli 2009 hat das Familiengericht den Klägern Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung für den ersten Rechtszug bewilligt und ihnen Rechtsanwältin V... beigeordnet.

Der Rechtsstreit ist noch nicht abgeschlossen; es ist noch über die Berufung der Kläger zu befinden (2 UF 22/10).

Die beigeordnete Rechtsanwältin hat ihre Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse im Einverständnis mit den Klägern an die D... A... V... A... abgetreten. Die Verrechnungsstelle hat die Abtretung angenommen.

Mit Schreiben vom 2. November 2009 hat die Zessionarin beantragt, die Vergütung der beigeordneten Rechtsanwältin auf insgesamt 755,65 € festzusetzen. Hierin enthalten ist eine Verfahrensgebühr von 319,80 € zuzüglich Mehrwertsteuer (1,3 Wertgebühr nach § 49 RVG aus dem Gegenstandswert von 11 358,00 €). Im Antrag ist mitgeteilt, dass die beigeordnete Rechtsanwältin für die außergerichtliche Vertretung bezüglich desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr gemäß VV 2300 - 2303 aus einem Gegenstandswert von 7 392,00 € erhalten hat, deren hälftige Anrechnung auf die Verfahrensgebühr jedoch unterbleibe, weil die Differenz zwischen den Prozesskostenhilfeanwaltsgebühren und den Wahlanwaltsgebühren höher sei als die hälftige Geschäftsgebühr (267,80 € netto).

Mit Beschluss vom 3. November 2009 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts die Vergütung der Prozessbevollmächtigten der Kläger auf 436,97 € festgesetzt. Dabei hat er die mitgeteilte hälftige Geschäftsgebühr zuzüglich 19 % Umsatzsteuer auf den Vergütungsanspruch nach § 49 RVG angerechnet. § 58 Abs. 2 RVG, auf den sich die beigeordnete Rechtsanwältin für ihre Auffassung, dass eine Anrechnung zu unterbleiben habe, beziehe, sei auf den Vorschuss, den der Mandant seinem Anwalt auf die außergerichtlich entstandene Vergütung geleistet habe, nicht anwendbar.

Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Zessionarin hat das Familiengericht mit Beschluss vom 19. November 2009 zurückgewiesen.

Dagegen wendet sich die Zessionarin mit der Beschwerde, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat.

II. Auf das Verfahren ist das bis zum 31. August 2009 geltende Recht anzuwenden, weil es vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden ist (Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG).

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG in seiner im Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehenen Besetzung entscheidet, ist zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert von 200,00 € überschritten (§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG). Die zur Festsetzung angemeldeten, unberücksichtigt gebliebenen Gebühren belaufen sich einschließlich Umsatzsteuer auf 318,68 €.

Als Abtretungsgläubigerin des Vergütungsanspruches des beigeordneten Anwaltes ist die Verrechnungsstelle antrags- und beschwerdeberechtigt.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Die beigeordnete Rechtsanwältin und damit auch die Zessionarin .haben gegen die Staatskasse Anspruch auf Festsetzung der geltend gemachten vollen Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG. Eine Teilanrechnung der von den Klägern erhaltenen Geschäftsgebühr auf die von der Staatskasse gemäß § 49 RVG geschuldete Verfahrensgebühr ist nicht gerechtfertigt.

1. Zwar ist Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV-RVG, wonach die wegen desselben Gegenstandes nach Nrn. 2300 - 2303 entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist, auch anzuwenden, wenn dem Mandanten im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren der Rechtsanwalt beigeordnet wird. Die Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG enthält insoweit keine Differenzierung. Die Anrechnung hat daher immer dann zu erfolgen, wenn vorprozessual eine Geschäftsgebühr entstanden ist und in einem nachfolgenden Verfahren eine Verfahrensgebühr anfällt, mag diese auch wegen Anwendung der Gebührenbestimmung des § 49 RVG geringer sein.

Die Anrechnungsregel gilt allerdings grundsätzlich nur im Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten. Sie wirkt nicht ohne weiteres auch im Verhältnis zu Dritten, namentlich also in Kostenfestsetzungsverfahren.

Dies hat der Gesetzgeber nunmehr durch Einführung des § 15 a Abs. 2 RVG, der auch für so genannte Altfälle gilt (vgl. Senatsbeschluss vom 29. April 2010 2 WF 6/10; BGH FamRZ 2010, 456 [BGH 09.12.2009 - XII ZB 175/07] und 2009 1822) klargestellt. Danach kann ein Dritter sich auf die Anrechnungsregelung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.

Im Kostenfestsetzungsverfahren des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse ist letztere Dritte in diesem Sinne.

Die durch die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts entstandene Geschäftsgebühr ist von der Beiordnung nicht umfasst, weil diese nur die Gebühren des gerichtlichen Verfahrens betrifft. Insoweit besteht mithin auch kein Anspruch des Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse, sondern lediglich gegenüber seinem Mandanten. Die Voraussetzungen, unter denen sich die Staatskasse als Dritter auf die Anrechnungsvorschriften der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV-RVG berufen könnte, dürften daher grundsätzlich nicht gegeben sein.

Der beigeordnete Rechtsanwalt hat deshalb im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 55 RVG zunächst Anspruch auf Festsetzung der vollen Verfahrensgebühr nach der Prozesskostenhilfetabelle (§ 49 RVG).

2. Allerdings darf der beigeordnete Rechtsanwalt nicht besser stehen als der Wahlanwalt.

Es gilt daher zu vermeiden, dass er einerseits vom Mandanten die Geschäftsgebühr und daneben von der Staatskasse die volle Verfahrensgebühr nach § 49 RVG erhält, wenn diese Zahlungen in der Summe höher sind als das, was er als Wahlanwalt insgesamt von seinem Mandanten erhalten würde.

Denn der Anspruch gegen die Staatskasse sowie der gegen den Mandanten stehen zueinander in einem Abhängigkeitsverhältnis.

Deshalb ist es sachgerecht, dass der Rechtsanwalt sich erhaltene Zahlungen auf den Teil der Geschäftsgebühr, der - im Innenverhältnis zum Mandanten - auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, auf den Erstattungsanspruch gegenüber der Staatskasse anrechnen lassen muss.

Insoweit ist die Sachlage vergleichbar mit derjenigen, in der ein Anwalt von seinem Mandanten Vorschüsse oder Zahlungen auf Gebühren für das gerichtliche Verfahren erhalten hat.

Für deren Anrechnung gilt § 58 Abs. 2 RVG. Danach ist der Rechtsanwalt berechtigt, erhaltene Vorschüsse und Zahlungen zunächst auf die Gebühren zu verrechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht, mithin auf die (höheren) Wahlanwaltsgebühren nach § 13 RVG.

Die Zahlung, die der beigeordnete Rechtsanwalt von seinem Mandanten oder einem Dritten auf den Teil der Geschäftsgebühr erhalten hat, der auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, ist demnach nur insoweit auf seinen Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse anzurechnen, als sie die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung für das konkrete Verfahren übersteigt (so auch OLG Frankfurt am Main JurBüro 2007, 149 [OLG Frankfurt am Main 27.04.2006 - 6 WF 32/06]; Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, Kommentar zum RVG, 18. Aufl., § 58 Rdnrn. 35 ff. m.w.N.; anderer Auffassung etwa OLG Düsseldorf JurBüro 2009, 188; Hessisches LAG JurBüro 2009, 586 - allerdings unter Außerachtlassung der gebotenen Differenzierung zwischen Innenverhältnis und Außenverhältnis bei der Frage der Anwendbarkeit der Anrechnungsregelung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV-RVG).

Vorliegend ist unstreitig eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG für die vorgerichtliche Tätigkeit der später beigeordneten Rechtsanwältin für die Kläger in Höhe von 535,60 € (Gebührensatz 1,3 aus einem Gegenstandswert von 7 392,00 € und Wertansatz nach § 13 RVG) zuzüglich 19 % Umsatzsteuer entstanden und von den Klägern an ihre Prozessbevollmächtigte gezahlt worden.

Auf die der beigeordneten Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr von 319,80 € (Gebührensatz 1,3 aus einem Gegenstandswert von 11 358,00 € und Wertansatz nach § 49 RVG) zuzüglich 19 % Umsatzsteuer wäre diese Gebühr zur Hälfte, also mit 267,80 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer, anzurechnen, soweit dieser Teil der Geschäftsgebühr nicht zur Deckung der nicht aus der Staatskasse geschuldeten Vergütung, also der Differenz zwischen den entstandenen Wahlanwaltsgebühren und den Prozesskostenhilfegebühren eingesetzt werden kann.

Die Wahlanwaltsgebühren liegen hier bei insgesamt 1 588,65 €; die Prozesskostenhilfegebühren bei 755,65 € (insoweit kann auf die zutreffende Berechnung im Festsetzungsantrag vom 30. Oktober 2009 sowie die inhaltlich gleiche Berechnung des Urkundsbeamten in der Anlage zum Festsetzungsbeschluss - Bl. 69 PKH-Heft - Bezug genommen werden).

Mit 833,00 € ist die Differenz höher als der anzurechnenden Teil der Geschäftsgebühr von (267,80 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer =) 318,68 €.

Für eine Anrechnung der Zahlung, die die beigeordnete Rechtsanwältin auf die für die vorgerichtliche Tätigkeit angefallene Geschäftsgebühr erhalten hat, auf die ihr aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung ist daher kein Raum.

3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG). Es bedarf daher auch nicht der Festsetzung eines Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren.

RechtsgebieteZPO, RVG, VV-RVGVorschriften§ 121 ZPO § 15a Abs. 2 RVG § 49 RVG § 55 RVG § 58 Abs. 2 RVG Vorbem. 3 Abs. 4 VV-RVG Nr. 2300 VV-RVG

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