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21.12.2010 · IWW-Abrufnummer 104162

Arbeitsgericht Elmshorn: Beschluss vom 08.02.2010 – 1 Ca 2067c/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Arbeitsgericht Elmshorn
Aktenzeichen: 1 Ca 2067 c/09
Beschluss vom 08.02.2010
in der Rechtssache
pp.
hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Elmshorn durch den Richter … als Vorsitzenden nach Anhörung der Parteien ohne mündliche Verhandlung am 08.02.2009 von Amts wegen beschlossen:
1. Das Arbeitsgericht Elmshorn erklärt sich für örtlich unzuständig.
2. Der Rechtsstreit wird an das örtlich zuständige Arbeitsgericht München verwiesen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.
Der Kläger ist bei der Beklagten, die ihren Sitz in M. hat, seit dem 05.03.2001 beschäftigt, zuletzt als Key Account Manager "Projektor und Professional Monitors". Der Kläger ist von seinem Homeoffice aus an seinem Wohnort in U. für die Beklagte tätig. In dem zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsvertrag heißt es einleitend:
"[...] wird folgender, nicht einem Tarifvertrag unterliegender Arbeitsvertrag geschlossen:"
§ 13 des Arbeitsvertrags lautet:
"Gerichtsstand für beide Vertragspartner ist der Erfüllungsort."
Hinsichtlich des weiteren Vertragsinhalts wird auf den als Kopie beigefügten Arbeitsvertrags verwiesen (Anlage K 1, Bl. 7 ff. d.A.).
Die Beklagte vertreibt ihre Produkte an Wiederverkäufer, Großverbraucher und betriebliche Anwender.
Sie kündigte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.11.2009 zum 28.02.2010 und stellte den Kläger ab dem 01.12.2009 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der Betriebsrat hatte der Kündigung zuvor mit Schreiben vom 23.11.2010 widersprochen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Widerspruchsschreibens wird auf die Anlage K 4 (Bl. 14 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger kündigt an, folgende Anträge zu stellen:
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die ordentliche betriebsbedingte Kündigung datierend vom 25.11.2009, zugegangen am 26.11.2009, beendet wird.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zum 28.02.2010 zu bisherigen vertraglichen Bedingungen als Key Account Manager Projektor und Professional Monitors zu beschäftigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten vertraglichen Bedingungen als Key Account Manager Projektor und Professional Monitors gemäß § 102 Abs.5 BetrVG nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte rügt unter Verweis auf den für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer in den bayrischen Betrieben des Groß- und Außenhandels (im Folgenden MTV) die örtliche zuständigkeit des Arbeitsgerichts Elmshorn. § 18 Ziff.5 MTV lautet:
"Bei Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis ist der Sitz des Betriebes, bei einer Zweigniederlassung deren Sitz Gerichtsstand."
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Das Arbeitsgericht Elmshorn ist örtlich unzuständig. Der Rechtsstreit war gemäß § 48 Abs.1 ArbGG i.V.m. §§ 17 ff. GVG an das gemäß § 18 Ziff.5 MTV ausschließlich zuständige Arbeitsgericht München zu verweisen, da die Beklagte in dessen Bezirk ihren Sitz hat.
1. § 18 Ziff.5 MTV begründet einen ausschließlichen Gerichtsstand. Dies ergibt die Auslegung der Tarifnorm. Die Auslegung des normativen Teiles eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des BAG den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Beim nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Willen der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an einer Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorrang, die zu einer vernünftigen, sachgerechten und zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. nur BAG v. 06.07.2006, Az. 2 AZR 587/05, zitiert nach juris). Der Wortlaut des § 18 Ziff.5 MTV ist nicht eindeutig. Die Tarifvertragsparteien haben nicht ausdrücklich eine ausschließlichen Zuständigkeit vereinbart, sondern sprechen nur von dem Gerichtsstand. Eine systematische Auslegung spricht jedoch dafür, dass die Tarifvertragsparteien einen ausschließlichen Gerichtsstand vereinbaren wollten. § 48 Abs.2 ArbGG eröffnet den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit, die Zuständigkeit eines an sich örtlich unzuständigen Gerichts zu vereinbaren. Darüber hinaus ist anerkannt, dass die Tarifvertragsparteien auch lediglich die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichtsstandes festlegen können (vgl. Erfurter Kommentar - Koch, 10.Aufl., § 48 ArbGG Rn.23; Germelmann, ArbGG, 7.Aufl., § 48 Rn.134; Schwab/Weth, ArbGG, § 48 Rn.116). Wäre § 18 Ziff.5 MTV nicht als Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands zu verstehen, so wäre die Regelung vor dem Hintergrund des allgemeinen Gerichtsstands juristischer Personen nach § 17 ZPO und dem besonderen Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 ZPO rein deklaratorischer Natur. Auch der Sinn und Zweck des § 18 Ziff.5 MTV spricht daher dafür, dass die Tarifvertragsparteien einen ausschließlichen Gerichtsstand vereinbaren wollten. Es ist kaum anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien die gesetzlichen Gerichtsstände nur ausschnittsweise im Tarifvertrag aufnehmen wollten.
2. § 18 Ziff.5 MTV findet auch auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung, da dieses in den Geltungsbereich des MTV fällt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist dem räumlichen Geltungsbereich des MTV zuzuordnen. Gemäß § 1 Ziff.1 MTV gilt der MTV räumlich für das Land Bayern. Maßgeblich für den räumlichen Geltungsbereich ist demnach, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien seinen Schwerpunkt in Bayern hat (vgl. BAG v. 26.10.1983, Az.4 AZR 248/81, zitiert nach juris; Wiedemann, TVG, 6.Aufl., § 4 Rn.124; Löwisch/Rieble, TVG, 2.Aufl., § 4 Rn.69). Wird ein Arbeitnehmer auf Dauer an einem bestimmten Ort außerhalb des Unternehmenssitzes und nicht innerhalb einer selbständigen Betriebsstätte oder Betriebsabteilung beschäftigt, wird also das Weisungsrecht des Arbeitgebers vom Unternehmenssitz aus aus einem anderen Tarifgebiet ausgeübt, so ist der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses am Unternehmenssitz zu verorten (vgl. BAG v. 25.06.1998, Az. 6 AZR 475/96, zitiert nach juris, dort Rn.24; Wiedemann, TVG, 6.Aufl., § 4 Rn.129; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 12.Aufl., § 203 Rn.22). Das Homeoffice in U. ist weder eine selbständige Betriebsstätte noch eine selbständige Betriebsabteilung, da - dies ist dem Arbeitsvertrag, insbesondere § 1 Abs.5, sowie der Aufgabenbeschreibung vom März 2008, zu entnehmen - der Kläger vom Sitz der Beklagten aus Weisungen erhält. Der Kläger verfolgt von seinem Homeoffice aus auch keinen eigenen Betriebszweck. Die Beklagte unterfällt dem betriebliche Geltungsbereich des MTV, da sie ein Großhandelsgeschäft i.S.v. § 1 Ziff.2 MTV betreibt. Zum Großhandel gehören Betriebe, die Handelswaren und sonstige Leistungen beschaffen und an Wiederverkäufer, Weiterverarbeiter, gewerbliche Verwender oder Großverbraucher absetzen (BAG v. 25.01.2006, Az. 4 AZR 622/04, zitiert nach juris). Die Beklagte vertreibt ihre Produkte an Wiederverkäufer, Großverbraucher und betriebliche Anwender.Der Kläger wird auch vom persönlichen Geltungsbereich i.S.d. § 1 Ziff.3 MTV erfasst.
3. Einer Anwendbarkeit des § 18 Ziff.5 MTV stehen auch nicht die individualvertraglichen Regelungen des Arbeitsvertrags entgegen. Zwar gilt das aus § 4 Abs.3 2.Alt. TVG folgende Günstigkeitsprinzip auch für prozessuale Normen des Tarifvertrags (Löwisch/Rieble, TVG, 2.Aufl., § 4 Rn.280). Jedoch steht der Wirksamkeit der Gerichtsstandvereinbarung in § 13 des Arbeitsvertrags sowie einem Ausschluss des tarifvertraglichen ausschließlichen Gerichtsstands durch die den Arbeitsvertrag einleitende Abbedingung jeglicher Tarifverträge die Vorschrift des § 38 ZPO entgegen. Die Voraussetzungen des § 38 ZPO sind vorliegend nicht erfüllt. Weder sind die Absätze 1 und 2 des § 38 ZPO einschlägig noch handelt es sich um eine Vereinbarung nach dem Entstehen der Streitigkeit i.S.d. § 38 Abs.3 Nr.1 ZPO. Die Parteien haben auch keinen Fall i.S.d. § 38 Abs.3 Nr.2 ZPO geregelt.
4. § 18 Ziff.5 MTV erfasst auch Bestandsschutzstreitigkeiten und damit auch die vorliegende Kündigungsschutzklage. Dies ergibt sich nach Auslegung des Tarifvertrages. Der Wortlaut des § 18 Zif..5 MTV ist nicht eindeutig. Dass die Tarifvertragsparteien tatsächlich eine ausschließliche Zuständigkeit lediglich für die sich aus einem Arbeitsverhältnis ergebenden Ansprüche und nicht für solche Ansprüche, die den Bestand des Arbeitsverhältnisses selbst betreffen, bestimmen wollten, ist nach dem Wortlaut des § 18 Ziff.5 MTV "Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis" nicht zwingend . Im sprachlichen Sinne ist eine Rechtsstreitigkeit – und nicht etwa ein Anspruch – aus einem Arbeitsverhältnis eine solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in irgendeiner Form in Zusammenhang steht (ArbG Kiel v. 19.12.2009, Az. 1 Ca 2203 d/09, zitiert nach juris). Aus systematischer Sicht liegt es nahe, dass die Tarifvertragsparteien sich bei der Formulierung der Vorschrift an die sie zur Regelung des Gerichtsstandes ermächtigen Norm des § 48 Abs.2 ArbGG angelehnt haben. Im Übrigen spricht der Sinn und Zweck für eine Konzentration aller Streitigkeiten um das Arbeitsverhältnis an einem Gerichtsstand. Eine Differenzierung nach Streitgegenständen macht insofern keinen Sinn, als dass das eigentliche Ziel der Vereinheitlichung der Rechtsprechung vom Tarifvertrag nicht erreicht werden kann, wenn mit den Bestandsstreitigkeiten ein Großteil der Rechtsstreite in Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen, für die der entsprechende Tarifvertrag gilt, eben nicht an einem Arbeitsgericht geklärt werden. Zudem würde ein enges Verständnis zu nicht praktikablen Ergebnissen führen, da andernsfalls insbesondere oftmals im Wege der Klagehäufung anlässlich der Bestandsschutzstreitigkeit geltend gemachten Vergütungsansprüche, die, falls die Kündigungsschutzklage nicht am tarifvertraglich vorgesehenen Gerichtsstand eingelegt wird, parallel in einem abgetrennten Verfahren in Bayern weiter verfolgt werden müssten.
5. Die Tarifvertragsparteien sind gesetzlich berechtigt, auch in arbeitsvertraglichen Bestandsstreitigkeiten einen ausschließlichen Gerichtsstand zu vereinbaren. § 48 Abs.2 S.1 Ziff.1 ArbGG ist dahingehend zu verstehen, dass Rechtsstreite aus dem Arbeitsverhältnis auch solche über den Bestand desselben umfassen (vgl. zum Überblick über die Kommentarliteratur ArbG Kiel v. v. 19.12.2009, Az. 1 Ca 2203 d/09, zitiert nach juris). Dies ergibt die Auslegung der Norm. Mit dem Wortlaut ist ein solches Verständnis vereinbar. „Rechtsstreitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis“ können auch Streitigkeiten über den Bestand des Arbeitsverhältnisses sein, schließlich sind auch diese Streitigkeiten in dem bis dahin bestehenden Arbeitsverhältnis begründet. Systematisch spricht die parallele Formulierung in § 2 Abs.1 Ziff.3 a ArbGG zwar für eine enge Auslegung der Norm. Allerdings wiederholt § 48 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1 ArbGG nicht nur den Text der Ziffer 3 a, sondern auch den ersten Teil der Ziffer 3 c. § 2 Ziff.3 c ArbGG hat den Sinn, die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte über den Zeitraum des bestehenden Arbeitsverhältnisses hinaus auf den Zeitraum und die Sachverhalte vor Beginn und nach Ende des Arbeitsverhältnisses zu erstrecken. Die Einräumung einer Tarifkompetenz nach § 48 Abs.2 ArbGG für Sachverhalte der Vertragsanbahnung macht keinen Sinn, wenn das Ergebnis einer solchen Vertragsanbahnungssituation, nämlich der Bestand des Arbeitsverhältnisses, der Tarifkompetenz der Vertragspartner entzogen ist: Wenn die Tarifvertragsparteien einen ausschließlichen Gerichtsstand für Streitigkeiten im Vorfeld des Vertragsschlusses vereinbaren können, dann können sie dies erst recht für Streitigkeiten über den Bestand des Arbeitsverhältnisses (ArbG Kiel v. 19.12.2009, Az. 1 Ca 2203 d/09, zitiert nach juris). Auch der Sinn und Zweck des § 48 Abs.2 S.1 Ziff.1 ArbGG spricht für ein sich auf Bestandsschutzstreitigkeiten erstreckendes Verständnis. Die Tarifvertragsparteien sollen die Möglichkeit haben, im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung und Auslegung tarifvertraglicher Vorschriften – und zwar aller tarifvertraglicher Vorschriften – die örtliche Zuständigkeit durch tarifvertragliche Vereinbarung zu konzentrieren (vgl. Germelmann, ArbGG, 7.Aufl., § 48 Rn.133).
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben ( § 48 Abs.1 Ziff.1 ArbGG) .

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