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16.12.2010 · IWW-Abrufnummer 103936

Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 08.06.2010 – 3 W 58/09

1. In dem selbständigen Beweisverfahren auf Begutachtung durch einen Sachverständigen (§ 485 Abs. 2 ZPO) ist der Sachvortrag des Antragstellers hinsichtlich des Hauptanspruchs, zu dessen Geltendmachung die Begutachtung dienen soll, grundsätzlich nicht auf seine Schlüssigkeit oder Erheblichkeit zu prüfen. Ausnahmen können etwa gelten, wenn von vornherein ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht erkennbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2004, III ZB 33/04, NJW 2004, 3488; (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 485, Rn. 7a m.w.N.).



2. Beschränkt sich die Herstellergarantie eine juristischen Person auf Zahlungspflichten, so ist der Garant ohne Hinzutreten besonderer Umstände an seinem Sitz zu verklagen, § 29 ZPO.



3. Erfüllungsort für Geldschulden ist regelmäßig der Wohnsitz des Geldschuldners, §§ 270 Abs. 1, Abs. 4, 269 BGB (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO, 7. Aufl., § 29, Rn. 2 "Geldschulden" m.w.N.).


3 W 58/09

In dem Rechtsstreit

des Herrn F... S...,

- Antragsteller und Beschwerdeführer -

- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

gegen

1. Herrn A... P...,

- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

2. die B... GmbH,

- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

3. die F... Werke GmbH,

- Verfahrensbevollmächtigte: ... Rechtsanwälte

- Antragsgegner und Beschwerdegegner -

hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts

durch

den Richter am Oberlandesgericht Hüsgen

als Einzelrichter

am 08.06.2010

beschlossen:

Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 26.11.2009 und unter Zurückweisung seiner weitergehenden Beschwerde wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin vom 09.11.2009 in der Fassung vom 26.11.2009 - 2 OH 11/09 - teilweise aufgehoben.

Die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu folgenden Fragen wird angeordnet:

"1. Klappert das Ausstellfenster des PKW Ford Transit Tourneo Connect, Fahrgestellnummer W... im geöffneten Zustand, verbunden mit spürbaren Vibrationen und Geräuschen?

2. Wackelt der Außenspiegel des Fahrzeuges bei Geschwindigkeiten von mehr als 100 km/h, sodass u.a. eine ordnungsgemäße Beobachtung des Nachfolgeverkehrs für den Fahrzeugführer nicht sichergestellt ist?

3. Kommt es im Fahrbetrieb zum "Knacken der Schiebetüren", verbunden mit einer Geräuschentwicklung?

4. Handelt es sich für den Fall, dass die Beweisfragen zu 1) bis 3) vom Sachverständigen bestätigt werden, um einen Mangel des Kaufgegenstandes?"

Die Auswahl eines geeigneten Sachverständigen und die Vorschussanordnung werden dem Landgericht übertragen.

Der Antragsteller hat die Kosten der Antragsgegnerin zu 3 zu tragen.

Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Zurückweisung seines Antrages auf ein selbstständiges Beweisverfahren.

Beweisgegenständlich sind mögliche Fahrzeugmängel, hinsichtlich derer er die Antragsgegner zu 1 und 2 als Verkäufer und die Antragsgegnerin zu 3 aufgrund einer Herstellergarantie gegebenenfalls in Anspruch zu nehmen beabsichtigt.

Die Antragsgegner zu 1 und 2 wenden sich gegen die Entstehung eines Nacherfüllungsanspruchs, die Antragsgegnerin zu 3 gegen die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.

Mit Beschluss vom 09.11.2009 (vgl. 48 GA) hat das Landgericht den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein rechtliches Interesse sei nicht gegeben, wenn, wie hier, hinter der begehrten Tatsachenfeststellung stehende Ansprüche nicht gegeben sein könnten. Zudem sei für die Ansprüche des Antragsgegners gegen die Antragsgegnerin zu 2 das Landgericht Berlin, für die gegen die Antragsgegnerin zu 3 das Landgericht Köln örtlich zuständig. Gegen diesen, ihm am 12.11.2009 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 25.11.2009, Eingang beim Landgericht am 26.11.2009, sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Nichtabhilfebeschluss vom 26.11.2009 hat das Landgericht unter näherer Darlegung der Gesichtspunkte, die gegen eine Verkäuferstellung des Antragsgegners zu 1 sprechen könnten und mit vertieften Ausführungen zu einer seiner Ansicht nach vertraglichen vereinbarten Änderung des Leistungsortes für Nachbesserungsarbeiten die Sache dem Senat vorgelegt.

II. Die nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde hat teilweise Erfolg.

1. Das Landgericht hat das rechtliche Interesse des Antragstellers für das Verfahren nach § 485 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegenüber dem Antragsgegner zu 1 zu Unrecht verneint.

In dem selbständigen Beweisverfahren auf Begutachtung durch einen Sachverständigen (§ 485 Abs. 2 ZPO) ist der Sachvortrag des Antragstellers hinsichtlich des Hauptanspruchs, zu dessen Geltendmachung die Begutachtung dienen soll, grundsätzlich nicht auf seine Schlüssigkeit oder Erheblichkeit zu prüfen. Ausnahmen können etwa gelten, wenn von vornherein ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht erkennbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16.09.2004 - III ZB 33/04 = NJW 2004, 3488; (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 485, Rn. 7a m.w.N.)

Derartige Ausnahmen liegen nicht vor. Vielmehr kommt der Antragsgegner 1 in einem Nacherfüllungsprozess des Antragstellers ohne weiteres als Prozessgegner in Betracht, da er in der verbindlichen Bestellung vom 01.03.2007 die Verkäuferposition für sich beansprucht hat (vgl. 5 GA).

2. Das Landgericht hat seine örtliche Zuständigkeit aus § 29 ZPO für das Beweissicherungsverfahren gegen die Antragsgegnerin zu 2 rechtsfehlerhaft verneint.

Bei Fehlen anderweitiger Absprachen der Parteien sind die nach § 439 BGB geschuldeten Nacherfüllungshandlungen entsprechend der herrschenden Meinung im Zweifel dort zu erbringen, wo sich die Kaufsache gemäß ihrer Zweckbestimmung befindet, wie auch das Landgericht noch zutreffend erkannt hat.

Entgegen seiner Ansicht trägt die Übernahmebestätigung des Antragstellers vom 15.06.07 (9 GA) allerdings keine Annahme einer abweichenden Parteiabsprache zwischen ihm und der Antragsgegnerin zu 2. Es handelt sich um eine einseitige Quittung (§ 368 BGB) an den Antragsgegner zu 1; Abgabe und Zugang eines Abänderungsangebotes gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 sowie deren Annahme erschienen hingegen schon durchaus zweifelhaft. Eine Willenserklärung des Antragstellers hätte im Übrigen auch nicht den ihr vom Landgericht zugemessenen Inhalt. Prima facie handelte es sich bei der Passage in der maschinenschriftlich vorbereiteten Quittung um eine AGB, die bereits nach § 307 Abs. 1 S 2 BGB wegen Intransparenz nichtig wäre. Selbst wenn man ihr eine klare und verständliche Abänderungsvereinbarung über den Leistungsort für kaufvertragliche Nacherfüllungshandlungen entnehmen wollte, wäre diese überraschend und nach § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam, weil ein Käufer mit einer vertraglichen Änderung des Leistungsortes in einer Quittung regelmäßig nicht zu rechnen braucht. Eine Änderung des Leistungsortes für Nacherfüllungshandlungen zugunsten der Antragsgegnerin zu 2 scheiterte zudem an dem Günstigkeitsgebot des § 305 c Abs. 2 BGB, da die Quittung die Auslegung des Antragsgegners zu 1 als Verkäufer zulässt und angesichts des verwendeten Genus sogar nahelegt - unabhängig davon, dass der Antragsgegner zu 1 diese Vertragsposition in der verbindlichen Bestellung vom 01.03.2007 ohnehin ausdrücklich für sich beansprucht hat.

3. Hinsichtlich des Verfahrens gegen die Antragsgegnerin zu 3 bleibt die sofortige Beschwerde ohne Erfolg.

Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Neuruppin für Ansprüche des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin zu 3 aus der behaupteten Herstellergarantie lässt sich hier aus § 29 ZPO, der vom Antragsteller insoweit einzig geltend gemachten Zuständigkeitsnorm, nicht herleiten. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung kommt es auf den Erfüllungsort an. Erfüllungsort für Geldschulden ist regelmäßig der Wohnsitz des Geldschuldners, §§ 270 Abs. 1, Abs. 4, 269 BGB (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO, 7. Aufl., § 29, Rn. 2 "Geldschulden" m.w.N.). Dass die Antragsgegnerin zu 3 andere als Geldleistungen zu erfüllen hätte, oder ihre Garantieverbindlichkeit in einer ihrer gewerblichen Niederlassungen im Bereich des Landgerichts Neuruppin eingegangen wäre, lässt sich vorliegend ebenso wenig feststellen, wie sonstige Umstände, die den Schwerpunkt des Garantieverhältnisses zum Wohnort des Antragstellers verlagert hätten. Die Antragsgegnerin zu 3 hat eine die Zuständigkeit des Landgerichts Neuruppin begründende Garantieerklärung bestritten und der Antragssteller hat die für diesen Fall angekündigte Vorlage der Garantievereinbarung unterlassen.

4. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der erfolglosen Beschwerde folgt aus § 97 ZPO (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 490, Rn. 5).

Der Gebührenstreitwert für die Beschwerde beträgt bis zu 22.000 €.

RechtsgebieteZPO, BGBVorschriften§ 29 ZPO § 485 Abs. 2 ZPO § 269 BGB § 270 Abs. 1 BGB § 270 Abs. 4 BGB

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