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26.11.2010 · IWW-Abrufnummer 103887

Oberlandesgericht Naumburg: Beschluss vom 30.07.2010 – 2 W 27/10

1. Bei einer Klage auf Herausgabe eines Sicherungsgutes (hier: ein zur Sicherheit übereigneter Hoflader) zum Zwecke seiner Verwertung bestimmt sich der Kostenstreitwert nach § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. § 6 ZPO nach dem Verkehrswert der Sache (in Abgrenzung zu BGH, Bes. vom 12.22.1959, VII ZR 215/58 - RPfl 1959, 186).



2. Der Verkehrswert kann regelmäßig ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen geschätzt werden.


2 W 27/10

In dem Rechtsstreit

...

hier: Kostenwert des Verfahrens in erster Instanz

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Wiedemann als Einzelrichter am 30. Juli 2010 beschlossen:

Tenor:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 26. August 2009 in der Fassung des Beschlusses vom 16. März 2010 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Kostenwert des Verfahrens in erster Instanz wird auf eine Gebührenstufe zwischen mehr als 13.000 € und bis zu 16.000 € festgesetzt.

Die Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.

Gründe
I. Die Klägerin hat im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten die Herausgabe eines ihr zu Sicherungszwecken übereigneten Hofladers mit der ausdrücklichen Ankündigung seiner Verwertung durch einen Verkauf verlangt. Sie hat den Verkehrswert des Hofladers auf 16.000 € geschätzt. Die Beklagte hat sich im Rahmen ihrer Klageerwiderung u.a. auch gegen die Höhe dieser Schätzung gewandt, zunächst ohne Angabe eines eigenen Schätzwertes. Der Rechtsstreit ist einvernehmlich durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs beendet worden. Danach hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zu tragen.

Mit Beschluss vom 26. August 2009 hat das Landgericht den Streitwert für die Gebührenberechnung (Kostenwert) auf 5.000 € festgesetzt und zur Begründung sinngemäß ausgeführt, dass die Festsetzung "mangels anderer Anhaltspunkte" auf einer freien Schätzung des Gerichts beruhe.

Gegen diese Wertfestsetzung haben sich beide Parteien des Rechtsstreits gewandt. Die Klägerin begehrt eine Heraufsetzung des Kostenwerts auf 16.000 €, die Beklagte eine Verminderung auf 2.300 €.

Das Landgericht hat im Rahmen seines Abhilfeverfahrens den Kostenwert des Rechtsstreits und des Vergleichs mit Beschluss vom 16. März 2010 auf 3.987,39 € festgesetzt. Dabei hat das Gericht maßgeblich auf den Wert der zu sichernden Restforderung abgestellt und hierzu die Auffassung vertreten, dass das Sicherungseigentum wirtschaftlich einem Pfandrecht näher stehe, weshalb in entsprechender Anwendung des § 6 ZPO der Wert der gesicherten Forderung zur Wertfestsetzung heranzuziehen sei. Im Übrigen hat das Landgericht die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung über beide Rechtsmittel vorgelegt.

Der Senat hat mit Verfügung vom 10. Juni 2010 rechtliche Hinweise erteilt und den Parteien Gelegenheit zur jeweiligen abschließenden Stellungnahme im Beschwerdeverfahren eingeräumt. Hiervon haben die Klägerin am 6. Juli 2010 und die Beklagte am 30. Juli 2010 Gebrauch gemacht.

II. Die Beschwerden der Klägerin und der Beklagten sind jeweils zulässig, insbesondere wahren beide Rechtsmittel die in §§ 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmte Beschwerdefrist und überschreiten die Mindestbeschwer nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die Beschwerde der Klägerin hat in vollem Umfange Erfolg, die Beschwerde der Beklagten ist danach unbegründet.

1. Der Kostenwert des Rechtsstreits und des Vergleichs ist am Verkehrswert des Hofladers zu orientieren.

Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass für die Festsetzung des Kostenwertes die Vorschriften der §§ 39 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V. mit § 6 ZPO heranzuziehen sind. Nach § 6 ZPO unterscheidet sich der Maßstab der Wertfestsetzung danach, ob das Begehren des Antragstellers primär auf die bewegliche Sache selbst gerichtet ist - dann ist der volle Verkehrswert der Sache maßgeblich - oder ob der in der Sache verkörperte Wert lediglich im Hinblick auf die Sicherung einer Forderung relevant ist - diesen Falls beschränkt sich das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers auf die Höhe der zu sichernden Forderung jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - geringer ist als der behauptete Verkehrswert der Sache.

Anders, als das Landgericht meint, ist die hier vorliegende Klage auf Herausgabe des Sicherungsgutes zum Zwecke seiner Verwertung eindeutig auf die bewegliche Sache selbst und auf die Ausübung von Eigentumsrechten gerichtet. Die Darlehensforderung soll nicht mehr nur abgesichert werden, sondern sie soll unter Verwertung des Sicherungsgutes getilgt werden. Dies unterscheidet die vorliegende Konstellation auch von derjenigen, wie sie u.a. dem Beschluss des Bundesgerichtshofes v. 12. Februar 1959 (VII ZR 215/58 - RPfleger 1959, 186) oder dem Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. November 1993 (11 W 50/93 - OLGR 1994, 27) jeweils zugrunde lag; dort ging es stets um die Frage des Bestehens, Fortbestehens oder des Nichtbestehens des Sicherungseigentums als Sicherheitsleistung.

2. Für die Wertermittlung ist auf den Nettowert des Hofladers zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Januar 2009 abzustellen (§ 40 GKG). Insoweit ist dem Gericht eine Schätzung eröffnet; die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht steht weder wirtschaftlich noch prozessökonomisch in einem vernünftigen Verhältnis zum Zweck der Festsetzung.

3. Der Senat schätzt den Netto-Verkehrswert des Hofladers auf eine Preisspanne zwischen mehr als 13.000 € und maximal 16.000 €. Eine genauere Schätzung ist nicht erforderlich, weil sie sich kostenrechtlich nicht auswirken kann.

Als Anhaltspunkte für die Schätzung des Senats liegen einerseits Informationen über den ursprünglichen Kaufpreis des Hofladers in Höhe von 16.900 € netto im August 2003 vor, des Weiteren die Ergebnisse von Internet-Recherchen der Klägerin und des Senats über Verkaufsangebote zwischen 13.400 € (allerdings ohne Geräte) und 18.900 € netto (Stand: Dezember 2008) bzw. 13.800 € und 16.000 € netto (Stand Juni 2010). Schließlich hat die Beklagte ohne weitere Angaben eine Bescheinigung des Unternehmens K. oHG vom 18. September 2009 vorgelegt, wonach der Wert des Hofladers ca. 2.300 € nicht überschreite. Sie hat weiter Ausführungen zur buchhalterischen Abschreibung des Hofladers gemacht. Auf den ausdrücklichen Hinweis des Senats, dass die vorgelegte Bescheinigung nicht erkennen lasse, worauf die Bewertung beruhe, hat die Beklagte nichts Näheres vorgetragen, z. Bsp. zur Ausstattung, zur Motorleistung, zu den Betriebsstunden oder zum Zustand des Hofladers.

Der pauschalen Wertangabe in der Bescheinigung vom September 2009 kann ohne weitere Angaben nahezu keine Aussagekraft beigemessen werden. Die Wertangabe ist weder nachvollziehbar noch überprüfbar. Gleiches gilt im Übrigen für die Fachkunde des Ausstellers der Bescheinigung.

Hinsichtlich der Ergebnisse der Marktbetrachtung ist zwar zu berücksichtigen, dass für einen nachvollziehbaren Vergleich weitere Angaben zu technischen Parametern des konkreten Hofladers und zu dessen aktuellem Zustand erforderlich gewesen wären; diese hätte jedoch nur die Beklagte darlegen können. Da sie trotz gerichtlicher Aufforderung nichts vorgetragen hat, geht eine etwaige Ungenauigkeit des Vergleichs zu ihren Lasten. Alle weiteren im Schriftsatz vom 30. Juli 2010 aufgeführten Argumente vermögen die Aussagekraft der Verkaufsangebote nicht zu erschüttern. Der Markt für landwirtschaftliche Geräte ist längst ein europäischer Markt; die Überwindung von Landesgrenzen ist im EU-weiten Binnenmarkt kein ernsthaftes Problem mehr. Auch der Umstand, dass die letztlich erzielten Preise von den ursprünglichen Verkaufsangeboten abweichen können und eben Verhandlungssache sind, erschüttert die Aussagekraft einer Vielzahl von Angeboten im Hinblick auf die Größenordnung des Verkehrswertes nicht. Schließlich überzeugt auch das Argument der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten nicht. Mit der Regelung linearer steuerlicher Abschreibungen des Anschaffungsaufwandes wird nicht das Ziel einer genauen Abbildung des wirtschaftlichen Wertes des Anlagevermögens verfolgt, sondern es sollen gezielt Anreize für ständige Neuinvestitionen gesetzt werden. Ein Bezug zum Nutzwert des entsprechenden Objekts, wie hier des Hofladers, besteht nicht. Der Nutzwert und die (verbleibenden) Verwendungsmöglichkeiten des Hofladers bestimmen hingegen regelmäßig seinen Verkehrswert.

Das im Wesentlichen übereinstimmende Ergebnis der Marktbetrachtung der Klägerin und des Senats erfährt zudem eine gewisse Bestätigung durch den ursprünglich vereinbarten Kaufpreis aus dem Jahre 2003, und zwar auch unter Berücksichtigung des alters- und nutzungsbedingten Wertverfalls.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 68 Abs. 3 GKG.

RechtsgebieteGKG, ZPOVorschriften§ 48 Abs. 1 GKG § 6 ZPO

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