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02.11.2010 · IWW-Abrufnummer 103771

Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 16.06.2010 – 1 K 2111/06

1. Hat der zu 95 % beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer einer Steuerberater-GbR einen Teil des Mandantenstammes von einer durch Realteilung aufgelösten früheren Steuerberater-GbR übernommen und dadurch eine umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung bezogen, kann der durch seine entgeltliche Geschäftsführertätigkeit für die neue GbR als Unternehmer anzusehende Gesellschafter die Umsatzsteuer aus der Übertragung des – ertragsteuerlich dem Sonderbetriebsvermögen I der neuen GbR zuzuordnenden und dieser unentgeltlich überlassenen – Mandantenstammes als Vorsteuern abziehen.


2. Ein Mandantenstamm ist seinem Wesen nach ein Vermögensgegenstand, der nur in einem unternehmerischen Bereich existent sein kann.


3. Der Verstoß gegen die Pflicht zur rechtzeitigen Rechnungsausstellung über eine umsatzsteuerpflichtige Leistung führt beim Leistungsempfänger nicht zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach Rechnungserhalt.


IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Präsidenten des Finanzgerichts … als Vorsitzender, den Richter am Finanzgericht … und den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2010 für Recht erkannt:
Die Umsatzsteuer für 2004 wird unter Änderung des Jahressteuerbescheids 2004 in der Fassung der Umsatzsteuer-Erklärung für 2004 vom 18. Januar 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2006 unter Berücksichtigung eines Vorsteuerbetrags in Höhe von 232.345,28 EUR festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft den Vorsteuerabzug für die Übernahme des Mandantenstammes aus der Realteilung einer Steuerberatungsgesellschaft.
Der Kläger war bis zum 31. Dezember 1994 zu 60 % als Gesellschafter an der X & Partner Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (im Folgenden: Alt-GbR) beteiligt. Neben ihm waren zu je 20 % die Steuerberater K und W Mitgesellschafter. Zum 31. Dezember 1994 wurde diese Gesellschaft in der Weise aufgelöst, dass jeder der Gesellschafter jeweils einen Teil des Mandantenstammes übernahm. Die beiden Gesellschafter K und W waren ab dem 1. Januar 1995 jeweils in Einzelkanzleien in G und R als Steuerberater freiberuflich tätig (siehe hierzu Urteil des Senats vom 24. September 2003 1 K 250/00, EFG 2003, 1776; Rbh, Bl. 11 ff.).
Der Kläger gründete demgegenüber zum 31. Dezember 1994 eine neue Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die ab dem 1. Januar 1995 ebenfalls unter dem Namen X & Partner tätig war (im Folgenden: Neu-GbR). An dieser Gesellschaft waren der Kläger zu 95 % und der – im Jahr 2000 verstorbene – Steuerberater T zu 5 % beteiligt.
Hinsichtlich der Auflösung der Alt-GbR hat der Senat mit seinem Urteil vom 24. September 2003 1 K 250/00 entschieden, dass diese zum 31. Dezember 1994 durch Realteilung aufgelöst worden sei (Rbh, Bl. 11 ff.). Daraufhin setzte der Beklagte am 28. Juni 2004 Umsatzsteuer für 1994 für die Übertragung des Mandantenstamms gegenüber der Alt-GbR fest. Der Umsatzsteuerbescheid wurde bestandskräftig, und die Umsatzsteuerschuld wurde beglichen. Dementsprechend stellte die Alt-GbR, vertreten durch den Kläger, gegenüber dem Kläger hierfür auf den 16. August 2004 eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis aus (Bl. 42; USt VA Aug. 2004, Bl. 3). In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat August 2004, die er im September 2004 beim Beklagten einreichte, machte der Kläger unter anderem die Vorsteuer aus dem Erwerb des Mandantenstamms in Höhe von rund 232.000 EUR geltend. Der Beklagte versagte den Vorsteuerabzug mit Bescheid vom 14. Dezember 2004. Hiergegen legte der Kläger am 12. Januar 2005 Einspruch ein (Rbh, Bl. 2) und reichte am 18. Januar 2006 eine Umsatzsteuerjahreserklärung für 2004 ein, die zwar den streitigen Vorsteuerbetrag nicht enthielt, in welcher der Kläger allerdings Umsätze als Steuerberater aus der Geschäftsführertätigkeit für die Neu-GbR in Höhe von 44.990 EUR erklärte (USt I, Bl. 11 f.). Der Beklagte wies den Einspruch mit seiner Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2006 als unbegründet zurück (Rbh, Bl. 53 ff.). Er war dabei der Auffassung, der Kläger habe zwar den Mandantenstamm aufgrund der Realteilung im Rahmen eines steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungsaustauschs erhalten, den übernommenen Mandantenstamm aber nicht im Rahmen eines eigenen Unternehmens genutzt. Die Verwendung dieses Wirtschaftsguts sei von der Neu-GbR als vom Kläger zu trennende Unternehmerin für eigene unternehmerische Zwecke genutzt worden, so dass dem Kläger insoweit kein Vorsteuerabzug zustehe.
Am 10. März 2006 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, der Mandantenstamm bilde notwendiges Betriebsvermögen. Er könne daher nicht in das Privatvermögen bzw. in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht in die nichtunternehmerische Sphäre überführt werden. Der Mandantenstamm könne sich zwar in der Hand des Unternehmers verflüchtigen, er gehöre jedoch zwingend zum Unternehmensbereich und könne nicht zum Gegenstand eines Endverbrauchs gemacht werden. Daher sei der Erwerber des Mandantenstamms zwingend Unternehmer, dem insoweit der Vorsteuerabzug gebühre.
Der Kläger beantragt,
den Jahressteuerbescheid 2004 in der Fassung der Umsatzsteuer-Erklärung für 2004 vom 18. Januar 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2006 dahingehend zu ändern, dass ein Vorsteuerbetrag in Höhe von 232.345,28 EUR berücksichtigt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Er verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Einspruchsentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die beigezogenen Behördenakten (drei Bände, Bl. 39 d.A.), die Gerichtsakten der unter den Geschäftszeichen 1 K 250/00 und 1 K 114/04 (zuvor 1 K 266/00) geführten Verfahren und die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist als Änderungsanfechtungsklage (§§ 40 Abs. 1 1. Alt., 100 Abs. 2 FGO) zulässig. Denn der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die von ihm eingereichte Umsatzsteuer-Jahreserklärung, die als Steueranmeldung (§§ 150 Abs. 1 Satz 3, 167 Abs. 1 AO, § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§§ 168 Satz 1, 164 Abs. 1 AO). Sie kann daher zulässigerweise zum Gegenstand eines Einspruchs und demzufolge auch einer Anfechtungsklage gemacht werden (vgl. zum Beispiel von Wedelstädt in Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 19. Aufl. 2008, § 168 AO, Rz. 9; AEAO zu § 168 Nr. 13).
2. Die Klage ist auch begründet.
Der angefochtene Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, so dass er zu ändern ist (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2FGO). Der Beklagte hat zu Unrecht den Vorsteuerabzug versagt, denn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG für den Vorsteuerabzug sind gegeben.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer als Vorsteuerbetrag die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen abziehen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt außerdem voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG).
a) Der Kläger hat Umsatzsteuer in Höhe von 15 % der Bemessungsgrundlage an die Alt-GbR für die Überlassung des Mandantenstammes infolge der Realteilung gezahlt. Hierbei handelt es sich um einen steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz.
aa) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG), die ein Unternehmer (§ 2 Abs. 1 UStG) im Inland (§ 1 Abs. 2 Satz 1 UStG) gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Die Übernahme des Mandantenstamms im Rahmen der Realteilung erfolgt aufgrund einer sonstigen Leistung der Alt-GbR im Sinne von §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1, 3 Abs. 9 Satz 1 UStG. Es liegt insoweit kein nach § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbarer Leistungsaustausch vor. Denn die Übertragung des Mandantenstammes auf den Kläger im Wege der Realteilung stellt keine Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG dar.
Aus diesem Ausgangsumsatz der Alt-GbR in der Gestalt der Übertragung des Mandantenstamms hat der Beklagte die zutreffende Konsequenz gezogen und die hierauf entfallende Umsatzsteuer festgesetzt. Dies ist unter den Beteiligten nicht mehr streitig, nachdem das wegen der Umsatzsteuer für 1994 von der Alt-GbR betriebene finanzgerichtliche Verfahren durch den rechtskräftigen Gerichtsbescheid des Senats vom 22. September 2004 1 K 114/04 beendet wurde (FG 1 K 114/04, Bl. 51 ff.).
bb) Die in der Übertragung des Mandantenstamms liegende sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG) wurde für das Unternehmen des Klägers ausgeführt.
(1) Der Kläger war Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG.
Er war unmittelbar im Anschluss an die Auflösung der Alt-GbR im Rahmen der Neu-GbR als Steuerberater tätig. Die Neu-GbR ist dabei als solche Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG, da sie nach dem ausdrücklichen Willen des Klägers und seines Mitgesellschafters nach außen aufgetreten ist. Es handelte sich dabei – entgegen der Auffassung des Klägers – um eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im Sinne von §§ 705 ff. BGB, da der Kläger und Steuerberater T sich zur Erreichung eines gemeinsamen, wirtschaftlichen Zwecks zusammengeschlossen hatten, nämlich zum Betrieb einer Steuerberatungskanzlei. Dies gilt ungeachtet der Beteiligungsverhältnisse. Demgegenüber handelte es sich nicht um eine Mitunternehmerschaft im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, da der Steuerberater T nach dem nachvollziehbaren Vortrag des Klägers weder Mitunternehmerrisiko trug noch Mitunternehmerinitiative entfalten konnte. Dies ändert indessen nichts an der Unternehmereigenschaft der Neu-GbR.
Dagegen begründet die Gesellschafterstellung in einer Personengesellschaft als solche grundsätzlich keine Unternehmereigenschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG, denn das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen stellt keine unternehmerische Tätigkeit dar (EuGH vom 14. November Rs. C-142/99, EuGHE I 2000, 9567; vom 27. September 2001 Rs. C-16/00, EuGHE I 2001, 6663; vom 29. April 2004 Rs. C-77/01, EuGHE I 2002., 4295). Wer sich an einer Personengesellschaft beteiligt, übt zwar eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus. Gleichwohl ist er aber im Regelfall nicht Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG, weil Gewinnbeteiligungen aus Gesellschaftsverhältnissen nicht als umsatzsteuerrechtliches Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs anzusehen sind (EuGH vom 21. Oktober 2004 Rs. C-8/03, EuGHE I, 10157; Stadie in Rau/Dürrwächter, § 2 UStG, Rz. 425). Daher richtet sich die Beantwortung der Frage, ob ein Gesellschafter auch Unternehmer ist, nach den allgemeinen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG.
Der Kläger war ungeachtet seiner Stellung als Gesellschafter der Neu-GbR Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn, weil er als deren Geschäftsführer eine gesondert zu betrachtende berufliche Tätigkeit selbständig ausübte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG). Denn diese Tätigkeit hat der Kläger nachhaltig und zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt. Dies folgt aus der Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2004, in welcher der Kläger Umsätze aus dieser Tätigkeit in Höhe von 44.990 EUR erzielt hat. Dabei ist es durch die Rechtsprechung des EuGH und des BFH geklärt, dass die Unternehmereigenschaft auch dadurch begründet werden kann, dass ein Gesellschafter gegenüber seiner Personengesellschaft steuerbare entgeltliche Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbringt, wenn sie auf konkreten Leistungsbeziehungen des Gesellschafters zur Gesellschaft beruhen, die auf den Austausch der Leistungen gegen Entgelt gerichtet sind (siehe zum Beispiel BFH vom 8. November 1995 V R 8/94, BStBl II 1996, 176; vom 18. Dezember 1996 XI R 12/96, BStBl II 1997, 374, jeweils mit weiteren Nachweisen); das heißt, zwischen der erbrachten Leistung und dem hierfür erhaltenen Gegenwert muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen (vgl. EuGH vom 3. März 1994 Rs. C-16/93, EuGHE 1994, 743, 753 „Tolsma”).
Dass die Geschäftsführungstätigkeit des Klägers nachhaltig war, weil sie auf Dauer zur Erzielung von Entgelten angelegt war, unterliegt im Streitfall keinen Zweifeln.
(2) Im Rahmen dieser unternehmerischen Tätigkeit hat der Kläger den Mandantenstamm von der Alt-GbR für seinen eigenen unternehmerischen Bereich übernommen. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG umfasst das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Deshalb kann von dieser Unternehmertätigkeit des Klägers als Steuerberater und Geschäftsführer der Neu-GbR das Innehaben des Mandantenstamms nicht abgespalten werden. Die Geschäftsführertätigkeit des Klägers in der Neu-GbR ist ohne den Mandantenstamm nicht vorstellbar, da dieser die wesentlichste, wenn auch nicht die einzige wesentliche Betriebsgrundlage der Gesellschaft darstellt.
Die Betrachtungsweise des Beklagten, wonach der Mandantenstamm jedenfalls nicht in dessen unternehmerischen Bereich gehalten werden soll, lässt unberücksichtigt, dass eben dieser Mandantenstamm – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – im Sonderbetriebsvermögen I des Klägers als Gesellschafter der Neu-GbR gehalten wird und deren wesentliche Betriebsgrundlage darstellt. Bei dem Mandantenstamm handelt es sich um ein Wirtschaftsgut, das seinem Wesen nach nur in einem Betriebsvermögen bzw. in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht nur in der unternehmerischen Sphäre existent sein kann. Eine Überführung dieses speziellen Wirtschaftsguts und seine Nutzung – und damit auch seine Existenz – in einer außerunternehmerischen Sphäre ist denknotwendig ausgeschlossen. Es kann zwar an einen anderen Unternehmer veräußert werden und den unternehmerischen Bereich des Veräußerers verlassen, es kann aber nur in einen anderen unternehmerischen Bereich überführt werden, nämlich den des Erwerbers. Wollte man im Streitfall der Auffassung des Beklagten folgen, so setzte dies voraus, dass ein Mandantenstamm in den privaten, nichtunternehmerischen Bereich überführt werden könnte. Daher kann dem Kläger nicht entgegengehalten werden, er habe den Mandantenstamm zwar im Rahmen eines steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungsaustauschs übernommen, ihn dann aber nicht mehr für eigene unternehmerische Zwecke verwendet.
Zwar ist derjenige nicht Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (ABl. EU 2006, Nr. L 347, Seite 1, berichtigt ABl. EU 2007, Nr. L 335, Seite 60; zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/69 EG vom 25. Juni 2009, ABl. EU 2009, Nr. L 175, Seite 12 – Mehrwertsteuersystemrichtlinie –) und damit nicht Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG, der regelmäßig gegenüber Unternehmern ausschließlich unentgeltlich Dienstleistungen erbringt (vgl. EuGH vom 1. April 1982 Rs. 89/81 „Hong-Kong Trade Development Council”, EuGHE 1982, 1277). Denn eine die Unternehmereigenschaft begründende wirtschaftliche Tätigkeit nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie und damit eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit, die mit Einnahmeerzielungsabsicht ausgeübt wird (§ 2 Abs. 1 UStG), setzt voraus, dass der Unternehmer Leistungen gegen Entgelt erbringt oder zumindest zu erbringen beabsichtigt (vgl. BFH vom 18. Juni 2009 V R 30/07, BFH/NV 2009, 2005, mit weiteren Nachweisen; BFH vom 20. Januar 2010 XI R 13/08, BFH/NV 2010, 1137; siehe zum Ganzen auch Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 2 UStG, Rz. 7 mit weiteren Nachweisen).
Die Unternehmereigenschaft des Klägers könnte daher nicht allein mit der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung des Mandantenstamms an die Neu-GbR begründet werden. Denn nur dies kommt im Streitfall in Betracht, da der Kläger den Mandantenstamm offensichtlich nicht aufgrund eines steuerbaren und steuerpflichtigen Vorgangs auf die Neu-GbR übertragen hat. Dies folgt aus dem Umstand, dass er den Mandantenstamm – in ertragsteuerrechtlicher Hinsicht – als Sonderbetriebsvermögen I behandelt hat und ein für die gegenteilige Annahme erforderlicher Übertragungsvorgang nicht ersichtlich ist. Zum Sonderbetriebsvermögen I gehören nämlich nur solche Wirtschaftsgüter, die im – zumindest wirtschaftlichen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) – alleinigen Eigentum des betreffenden Gesellschafters stehen (vgl. zum Beispiel Maier in Grobshäuser/Maier/Kies, Besteuerung der Gesellschaften, Stuttgart 2005, Tz. 2.3.2.1 [S. 68 f.]; Grützner in Lange, Personengesellschaften im Steuerrecht, 7. Aufl. 2008, Rz. 856).
Die Unternehmereigenschaft des Klägers ergibt sich jedoch – wie dargestellt – aus der Erbringung von entgeltlichen Geschäftsführerleistungen gegenüber der Neu-GbR, die in untrennbarem Zusammenhang mit der Überlassung des Mandantenstamms steht.
Die vorstehenden Erwägungen stehen mit dem System des Umsatzsteuerrechts im Einklang. Denn den Regelungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie sowie dem deutschen Umsatzsteuergesetz, das diese Richtlinie in nationales Recht umsetzt (vgl. Art. 249 Abs. 3 EGV; vgl. dazu zum Beispiel Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl. 2004, Art. 249 EGV, Rz. 8), liegt zum einen der Gedanke zugrunde, dass nur der Endverbrauch und ihm gleichgestellte Umsätze besteuert werden sollen bzw. dass kein Endverbrauch unversteuert bleiben soll. Damit hängt zum anderen das Gebot der Neutralität der Umsatzsteuer zusammen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität und insbesondere das Recht auf Vorsteuerabzug als integrierender Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ein grundlegendes Prinzip des durch das Gemeinschaftsrecht eingeführten Mehrwertsteuersystems (vgl. EuGH vom 10. Juli 2008, Rs. C-25/07, EuGHE 2008, I-5129, „Sosnowska” Rz. 14 und 15 mit weiteren Nachweisen; vom 23. April 2009, Rs. C-74/08, „PARAT Automotive Cabrio”, Rz. 15, juris; vom 29. Oktober 2009, Rs. C-174/08 „NCC Construction Danmark”, juris).
b) Der Kläger hat über den Umsatz, der ohne Zweifel im Inland (§§ 1 Abs. 2 Satz 1, 3a Abs. 1 Satz 1 UStG) ausgeführt wurde, auch eine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung, die ihm von der Alt-GbR mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer ausgestellt wurde. Dass die Rechnung erst rund zehn Jahre nach Ausführung des Umsatzes erstellt wurde, steht dem Vorsteuerabzug nicht entgegen. Auch dem Umstand, dass die Alt-GbR bei der Rechnungserstellung vom Kläger allein vertreten wurde, während die in der mündlichen Verhandlung eine von allen Gesellschaftern unterschriebene Rechnung an den Mitgesellschafter W vorgelegt wurde, misst der Senat keine entscheidende Bedeutung bei. Denn die sonstige Leistung, die den Gegenstand der Rechnung bildet, – die Übertragung des Mandantenstamms – hat unzweifelhaft stattgefunden. Die Rechnung enthält alle § 14 Abs. 4 UStG geforderten Angaben. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG verlangt nicht die Unterschrift des Rechnungsausstellers bzw. im Streitfall die Unterschrift aller vertretungsberechtigter Gesellschafter der Alt-GbR. Vielmehr ist zwischen den Beteiligten unstreitig und wird vom Senat nicht bezweifelt, dass der Kläger im Einverständnis mit seinen früheren Mitgesellschaftern gehandelt hat, als die Rechnung ausstellte.
Ebensowenig sieht das Gesetz eine zeitliche Grenze für die Ausstellung der Rechnung vor. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG sieht vor, dass die Rechnung, die der Unternehmer über die Leistung an einen anderen Unternehmer erteilt, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung auszustellen verpflichtet ist (vgl. Art. 222 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Die nicht rechtzeitige Ausstellung einer Rechnung stellt gemäß § 26a Abs. 1 Nr. 1 UStG eine Ordnungswidrigkeit dar. Der Verstoß die Pflicht zur rechtzeitigen Rechnungsausstellung führt jedoch bei Empfänger der Leistung nicht zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4. Der Senat lässt die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO zu, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert. Die Rechtsfrage, ob ein Mandantenstamm seinem Wesen nach einen Vermögensgegenstand darstellt, das nur in einem unternehmerischen Bereich existent sein kann, war bislang noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ist daher klärungsbedürftig.

VorschriftenUStG 1999 § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, UStG 1999 § 2 Abs. 1, UStG 1999 § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 2, UStG 1999 § 26a Abs. 1 Nr. 1, UStG 1999 § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, UStG 1999 § 3 Abs. 9 S. 1, UStG 1999 § 1 Abs. 1a, EG Art. 9 Abs. 1

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