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04.11.2010 · IWW-Abrufnummer 103547

Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 01.09.2010 – 9 WF 222/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


9 WF 222/10
Brandenburgisches Oberlandesgericht
32 F 240/09 Amtsgericht Oranienburg
erlassen am: 2.9.2010
Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss
In dem Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren XXX
hat der 1. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Gieseke als Einzelrichterin
am 1. September 2010 b e s c h l o s s e n :
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. Mai 2010 - Az. 32 F 240/09 - aufgehoben.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e
1.
Mit dem ihm am 25. Mai 2010 (Bl. 73 GA) zugestellten Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. Mai 2010 (Bl. 60 f. GA) ist auf Antrag des Beklagten vom 23. März 2010 (Bl. 41 GA) die - bisher allerdings tatsächlich unterbliebene - Übersendung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nebst Belegen zur Einsichtnahme nach § 117 Abs. 2 ZPO unter Hinweis auf einen gegen den Kläger bestehenden Auskunftsanspruch des Beklagten nach § 836 ZPO angeordnet worden.
Dagegen richtet sich die am 28. Mai 2010 eingegangene Beschwerde des Klägers (Bl. 71 f. GA). Er hält die Einsichtnahme des Beklagten ohne die - hier tatsächlich nicht erteilte - Zustimmung des Klägers für unzulässig und verweist im Übrigen darauf, dass schon die Zwangsvollstreckung aus den - im weitergehenden Verfahrenskostenhilfeprüfungs-verfahren gesondert geltend gemachten Gründen - nicht zulässig sei und schon deshalb ein - schließlich allein gegen den Drittschuldner zu richtender - Auskunftsanspruch nach § 836 ZPO nicht bestehe.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nach Anhörung des Beklagten, der die angefochtene Entscheidung mit Schriftsatz vom 22. Juni 2010 (Bl. 78 GA) verteidigt, mit Beschluss vom 28. Juli 2010 (Bl. 88 GA) nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2a.
Die (sofortige) Beschwerde des Klägers gegen die Gewährung des Rechts zur Einsicht in die vom Kläger zum Prozesskostenhilfeverfahren eingereichten Unterlagen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist gemäß § 76 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit §§ 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Zwar ist in § 117 Abs. 2 Satz 4 ZPO geregelt, dass die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei über die Übermittlung der Erklärung nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO an den Gegner „lediglich“ zu unterrichten ist. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass die der Übermittlung zugrunde liegende Entscheidung des Gerichts gar nicht förmlich im Beschlusswege ergehen müsste und jedenfalls nicht anfechtbar ist. Derartige Überlegungen greifen allerdings für den hier vorliegenden Fall, dass eine förmliche Entscheidung - wenn auch ohne Rechtsbehelfsbelehrung nach § 39 FamFG - ergangen ist, keinen Raum. Im Übrigen birgt die Frage, ob die Voraussetzungen des § 117 Abs. 2 Satz 2, 2. HS im Einzelfall vorliegen, durchaus nicht unerhebliches Streitpotenzial, wie der vorliegende Fall zeigt. Schließlich gebietet der Umstand, dass die Unterlagen nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit Blick auch auf das mit Verfassungsrang ausgestattete Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) grundsätzlich vor unbefugter Einsichtnahme durch Dritte zu schützen sind, die Möglichkeit der Anfechtung. Im Übrigen ergibt sich aus § 127 Abs. 2 ZPO keinerlei Einschränkung der Anfechtbarkeit von Entscheidungen insoweit; es wird nach der hier vertretenen Auffassung auch für die Frage des Einsichtsrechts des Prozessgegners uneingeschränkt das Rechtsmittel der (sofortigen) Beschwerde eröffnet.
b)
Das Rechtsmittel des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es allerdings zur Einsichtnahme in die Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die Belege der ausdrücklichen Zustimmung der Partei nicht in jedem Falle, sondern nur grundsätzlich. Der Gesetzgeber hat im Zuge des zum 1. September 2009 in Kraft getretenen FGG-Reformgesetzes nämlich in § 117 Abs. 2 Satz 2, 2. HS ZPO ausdrücklich eine Ausnahme von der Zustimmungspflicht für den Fall, dass der Gegner (hier der Beklagte) gegen den Antragsteller (hier den Kläger) nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat. Diese Vorschrift ist im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren nach § 76 Abs. 1 FamFG entsprechend anzuwenden, da in den §§ 76 - 78 FamFG insoweit nichts Abweichendes bestimmt ist.
Abweichend vom Amtsgericht erachtet allerdings der Senat die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes im Streitfall für nicht gegeben. Der hier vom Beklagten reklamierte Auskunftsanspruch nach § 836 ZPO - der sich entgegen der Auffassung des Klägers selbstverständlich gegen den Vollstreckungsschuldner selbst richtet; die Erklärungspflichten des Drittschuldners regelt § 840 ZPO - fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 117 Abs. 2 Satz 2, 2. HS ZPO.
Nach dem Willen des Gesetzgebers ist Voraussetzung für die Gewährung von Einsicht in die nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO einzureichenden Unterlagen, dass zwischen den Parteien ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch über Einkünfte und Vermögen besteht. In der Gesetzesbegründung sind hierzu ausdrücklich angeführt die Auskunftsansprüche nach §§ 1605, 1361 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. § 1605 und § 1580 BGB. Das aus solchen Auskunftsansprüchen rührende Einsichtsrecht des Gegners nach § 117 Abs. 2 Satz 2, 2. HS ZPO wird ganz maßgeblich getragen von dem Aspekt der Prozessökonomie: Wenn der Gegner auf die Kenntnis der Angaben, die Gegenstand der Erklärung des Antragstellers sind, ohnehin einen zivilrechtlichen Anspruch hat, erscheint es verfahrensökonomisch, den Gegner sogleich in das Verfahren einzubeziehen, um etwaige Unrichtigkeiten in der Erklärung so früh wie möglich korrigieren zu können (BT-Drucks. 16/6308, S. 325). Damit sollen unnötige Auskunftsverfahren verhindert werden (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Keske, FamFG, 2. Aufl., §§ 76 - 77 FamFG, Rdnr. 28).
So liegt der Streitfall nicht. Das Bestehen eines bürgerlich-rechtlichen Auskunftsanspruchs im engeren, an den in der Gesetzesbegründung genannten Vorschriften orientierten Sinne nimmt der Beklagte für sich gar nicht in Anspruch. Er bezieht sich vielmehr ausdrücklich auf einen im Vollstreckungsrecht wurzelnden Auskunftsanspruch, der schon grundsätzlich für ein Ein-sichtsrecht nach § 117 Abs. 2 Satz 2, 2. HS ZPO nicht genügen kann. Es kommt hinzu, dass der in § 836 Abs. 3 ZPO geregelte Auskunftsanspruch keine zureichende Anspruchsgrundlage für ein Recht auf umfassende Auskunft zu den gegenwärtigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, also zum (Erwerbs-)Einkommen und Vermögen insgesamt ist.
Die Auskunfts- und Urkundenherausgabepflicht des Klägers nach § 836 Abs. 3 ZPO bezieht sich nämlich nur auf die zur Geltendmachung des gepfändeten und zur Einziehung oder an Zahlungs statt überwiesenen Arbeitseinkommens erforderlichen Angaben. Diese Auskunft hat dem Gläubiger alle für die Beitreibung der gepfändeten und überwiesenen Forderung aus Erwerbstätigkeit und Verfolgung ihrer Nebenrechte erheblichen Einzelheiten zu vermitteln. Dazu gehören Grund und Umfang (Betrag) der Forderung, Zeit und Ort der Leistung, Beweis-mittel, Verteidigungsmittel gegen Einwendungen des Drittschuldners u.ä. (vgl. Kurt Stöber, Forderungspfändung, 15. Aufl., 2010, Rdnr. 945a, 621 ff.). Einen allgemeinen Anspruch auf Auskunft zu Einkommen und Vermögen des Schuldners, der etwa die im Prozesskostenhilfe-prüfungsverfahren durchaus erheblichen Angaben zu Wohnkosten, besonderen Belastungen, soweit sie nicht vorrangige Einkommenspfändungen betreffen, und insbesondere die - von der vorliegenden Pfändung gerade nicht erfassten - sonstigen Vermögenswerte einschließen würde, verschafft § 836 Abs. 3 ZPO demnach gerade nicht.
Schließlich sieht § 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO zur Durchsetzung des Auskunftsanspruchs das Offenbarungsverfahren nach §§ 899 ff. ZPO vor, ein Verfahren also, das außerhalb des zivil- bzw. familienrechtlichen Erkenntnisverfahrens stattfindet und den eigenen Regelungen des Vollstreckungsrechts folgt. Auch dieser Umstand streitet gegen die Annahme, dass der voll-streckungsrechtliche Auskunftsanspruch nach § 836 Abs. 3 Satz 1 ZPO ein Recht zur Einsichtnahme in die Unterlagen nach § 117 Abs. 2 ZPO vermitteln könnte.
Nach alledem liegen die Voraussetzungen für die Übermittlung der nach § 117 Abs. 2 Satz 1 zur Akte gereichten Unterlagen des Klägers an den Beklagten nicht vor, so dass der die Übersendung gleichwohl anordnende Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben war.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei (vgl. Nr. 1912 der Anlage 1 zum FamGKG); außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 76 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO).

RechtsgebietAkteneinsicht Vorschriften§§ 117, 836 ZPO

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