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29.10.2010 · IWW-Abrufnummer 103536

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 26.08.2010 – 6 K 1130/09

Beim Vorliegen von Zweifeln an der Richtigkeit der Belegangaben kann Gutglaubenschutz nach § 6a Abs. 4 UStG gewährt werden, wenn auch bei tatsächlicher Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers dies vom Lieferer nicht zu erkennen war.



Finanzgericht Rheinland-Pfalz
v. 26.08.2010

6 K 1130/09

Tatbestand
Strittig sind innergemeinschaftliche Lieferungen.

Die Klägerin betreibt einen Kraftfahrzeug-Handel.

Mit Spontanauskunft vom 6. März 2008 teilten die slowenischen Finanzbehörden dem Beklagten mit, dass die Klägerin als Lieferantin für die slowenische Firma V in Erscheinung getreten sei. Bei den Personen, die für die V aufgetreten seien, handele es sich um sog. Missing Trader, gegen die polizeiliche Ermittlungen durchgeführt würden (Aktenvermerk vom 2. September 2008, Blatt 3ff der Umsatzsteuerakte).

Daraufhin führte der Beklagte bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Nachschau durch. Dabei stellte der Umsatzsteuer-Sonderprüfer fest, dass ein VW Golf GTI mit Rechnung vom 4. Oktober 2007 zum Preis von 8.900 € (Blatt 12 der Vorheftung zur Umsatzsteuerakte) und ein weiterer VW Golf GTI mit Rechnung vom 24. Oktober 2007 zum Preis von 4.200 € (Blatt 3 der Vorheftung zur Umsatzsteuerakte) an die V verkauft und die Verkäufe als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt worden waren. Für die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der V hatte die Klägerin am 4. Oktober 2007 und am 25. Oktober 2007 Bestätigungen vom Bundeszentralamt für Steuern eingeholt (Blatt 18 und 8 der Vorheftung zur Umsatzsteuerakte). Die Kaufpreise waren bar gezahlt und von der Klägerin auf ihr Konto bei der H-Bank eingezahlt worden (Blatt 11 und 2 der Vorheftung zur Umsatzsteuerakte). Dem Umsatzsteuer-Sonderprüfer legte die Klägerin Firmenpapiere, aus denen die für die V handlungsberechtigten Personen hervorgingen (Blatt 5, 6, 14, 15, 16 der Vorheftung zur Umsatzsteuerakte), sowie eine Vollmacht für den Abholer „W. F.”, ausgestellt durch den Geschäftsführer der V, vor (Blatt 7, 19 der Vorheftung zur Umsatzsteuerakte). Weiterhin legte die Klägerin Personalausweiskopien des Geschäftsführers und des in der Vollmacht benannten Abholers vor (vgl. Blatt 6, 9, 10, 17, 20 der Vorheftung zur Umsatzsteuerakte). Die Rechnungen sind mit einer „Erklärung des Käufers” versehen, wonach der Erwerb des Kraftfahrzeugs für das Unternehmen des Käufers bestimmt sei und der Käufer sich verpflichte, das Fahrzeug auf direktem Wege nach Slowenien zu befördern. Neben einem Firmenstempel der V ist eine unleserliche Unterschrift ohne weitere Namensangabe hierzu beigefügt. Der Umsatzsteuer-Sonderprüfer bemängelte, dass diese Unterschrift nicht mit der Unterschrift des angeblichen Abholers „F” auf dessen Personalausweiskopie übereinstimmen würde. Für beide Lieferungen würde die Aufzeichnung über den Tag der Lieferung sowie über den Tag der Vereinnahmung des Entgelts fehlen und dies würde auch sonst nicht aus den Belegen hervorgehen. Der Umsatzsteuer-Sonderprüfer war der Auffassung, dass daher die Steuerfreiheit der Lieferung zu versagen sei (Blatt 29 der Vorheftung zur Umsatzsteuerakte).

Der Beklagte folgte der Auffassung des Umsatzsteuer-Sonderprüfers und änderte die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für das IV. Quartal 2007 mit Bescheid vom 17. September 2008. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2009 zurückgewiesen wurde. Nach Erhebung der hiergegen gerichteten Klage führte der Beklagte eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch, die -wegen Sachverhalten, die nicht mehr Gegenstand der Klage sind- zu einer von der abgegebenen Umsatzsteuererklärung abweichenden Umsatzsteuerfestsetzung 2007 mit Bescheid vom 5. Mai 2009 führte.

Die Klägerin trägt vor, für die Fahrzeuglieferungen nach Slowenien würden die Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen. Auf den Rechnungen vom 4. Oktober 2007 und vom 24. Oktober 2007 sei ausdrücklich von dem Beauftragten des slowenischen Abnehmers bestätigt worden, dass die Fahrzeuge nach Slowenien befördert würden. Es sei ausreichend, dass die Bestätigungen durch einen Beauftragten abgegeben worden seien und dessen Beauftragung sei lückenlos nachgewiesen worden. Es sei dem Beklagten eine auf Herrn F lautende Vollmacht des slowenischen Abnehmers sowie eine Passkopie des Abholers vorgelegt worden. Es sei nicht ersichtlich, welche weiteren Nachweise sie noch hätte erbringen sollen. Auf den Rechnungen seien die Tage, an denen die Kraftfahrzeuge geliefert worden seien, dokumentiert. An diesen Tagen seien die Fahrzeuge an den Beauftragten des Abnehmers übergeben und ihm damit die Verfügungsmacht verschafft worden. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH dürften in Hinblick auf die Neutralität der Mehrwertsteuer keine überhöhten formellen Anforderungen an den Nachweis einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung gestellt werden. Jedenfalls aber sei ihr Vertrauensschutz zu gewähren, weil sie eventuelle Unrichtigkeiten der Angaben des slowenischen Abnehmers auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht hätte erkennen können. Wenn sich hier im Nachhinein herausgestellt haben sollte, dass der Abnehmer kein in Slowenien amtlich registrierter Unternehmer sei, so hätte sie doch alles ihr Mögliche getan. Sie hätte sich vom Abholer seine Identität nachweisen und bestätigen lassen, dass die Fahrzeuge nach Slowenien ausgeführt würden. Außerdem hätte sie sich eine Ansässigkeitsbescheinigung der slowenischen Finanzbehörden vorlegen lassen und eine qualifizierte Bestätigungsabfrage beim Bundeszentralamt für Steuern durchgeführt. Sie hätte eine Fälschung der ihr vorgelegten Unterlagen auch unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen können. Es könne nicht zu ihren Lasten gehen, wenn sich nach einer ordnungsgemäßen Abfrage später herausstellen würde, dass der Abnehmer möglicherweise nicht alle umsatzsteuerlichen Pflichten in seinem Ansässigkeitsstaat erfüllt hätte. Dieses Risiko könne nicht auf sie abgewälzt werden.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 12. Februar 2010 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2009 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 2.091 € vermindert wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, im Streitfall fehle es an dem erforderlichen Verbringungsnachweis. Aus den vorgelegten Rechnungen vom 4. und 24. Oktober 2007 sei nur eine Paraphe im Stempel des Käufers ersichtlich, die in keiner Weise mit der Unterschrift des Herrn F in der Passkopie übereinstimmen würde. Allgemein würde eine Paraphe oder ein Namenskürzel nicht genügend Merkmale aufweisen, um als sicheres Authentifizierungsmerkmal dienen zu können. Im Streitfall sei nicht nachprüfbar bzw. feststellbar, wer die Bestätigung des Vorbringens ins übrige Gemeinschaftsgebiet abgegeben hätte. Mangels Angabe des Datums der Abholung sei nicht ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt die Versicherung, das Fahrzeug zu überführen, abgegeben worden sein soll. Dieses Datum sei nicht zwingend dem Rechnungsdatum gleichzusetzen. Die Klägerin hätte daher die ihr obliegenden Nachweispflichten nicht erfüllt, so dass das Vorliegen von innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht objektiv feststehen würde. Hinzu komme, dass die slowenische Steuerverwaltung über die missbräuchliche Verwendung der Firmendaten der V unterrichtet hätte. Auch die Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes würden nicht vorliegen, da sich die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen konnte, erst dann stellen würde, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten vollständig nachgekommen wäre. Dies sei im Streitfall aber gerade die nicht der Fall.

Der Beklagte hat die Umsatzsteuerfestsetzung 2007 im Klageverfahren wegen anderer Streitpunkte, die nicht mehr Gegenstand der Klage sind, mit Bescheid vom 12. Februar 2010 geändert.



Gründe
Die Klage ist begründet.

A.

Nach der neueren Rechtsprechung des BFH sind die Voraussetzungen für das Vorliegen und den Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung durch eine Reihe von Urteilen unter Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH im Wesentlichen geklärt. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich danach, dass die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH sind die Nachweispflichten aber keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 - V R 59/03, ; vom 8. November 2007 - V R 71/05 und V R 72/05, und ).

Die Vorschrift des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG, wonach eine -gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie- innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt, wenn bei einer Lieferung

1. der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer

a) ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder

b) eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, beziehungsweise

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber und

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt,

steht insoweit im Einklang mit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der im Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG).

Nach der Rechtsprechung des EuGH befreien die Mitgliedstaaten gem. Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 Richtlinie 77/388/EWG u.a. die Lieferungen, die durch den Erwerber nach Orten außerhalb des Inlandes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen bewirkt werden, der als solcher in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versandes oder der Beförderung des Gegenstandes handelt. Die innergemeinschaftliche Lieferung setzt nach der Rechtsprechung des EuGH -in Übereinstimmung mit den nationalen Grundsätzen- neben den Anforderungen an den Abnehmer voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist. Hingegen ist nicht erforderlich, dass der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert worden ist (EuGH-Urteile vom 27. September 2007 - Rs. C-409/04, Teleos, ; vom 27. September 2007 - Rs. C-184/05, Twoh, ).

Die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG müssen nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein. Wie der Unternehmer diesen Nachweis zu führen hat, ist vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung gem. § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG in §§ 17a, 17c UStDV geregelt worden. Hierzu bestimmt § 17a Abs. 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat und dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis). Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachweisen muss und die Voraussetzungen müssen gemäß § 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV „eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen” sein (sog. Buchnachweis).

Hinsichtlich des Nachweises einer innergemeinschaftlichen Lieferung enthält die Richtlinie 77/388/EWG keine Vorschrift, die sich unmittelbar mit dieser Frage befasst. Die Richtlinie 77/388/EWG bestimmt lediglich in Art. 28c Teil A erster Halbsatz, dass die Mitgliedstaaten die Bedingungen für die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von Gegenständen festlegen. Die Vorschrift des Art. 22 der Richtlinie 77/388/EWG regelt zwar bestimmte formelle Pflichten der Steuerschuldner in Bezug auf Aufzeichnungen, Rechnungen, Steuererklärungen und die der Finanzverwaltung vorzulegende Aufstellung. Nach Art. 22 Abs. 8 Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten jedoch weitere Pflichten vorsehen, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern. Diese Pflichten dürfen aber nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist und dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen, die ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist. Dabei erfordert der Grundsatz der Neutralität, dass die Mehrwertsteuerbefreiung gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 - Rs. C-146/05, Collée, ). Bei der Ausübung ihrer Befugnisse müssen die Mitgliedstaaten dabei die allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten, zu denen u. a. die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit gehören (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 - Rs. C-184/05, Twoh, a.a.O.).

Nach der neueren Rechtsprechung des BFH folgt daraus, dass sofern der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nachkommt, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 6a Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der -formellen- Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte (BFH-Urteile vom 6. Dezember 2007 - V R 59/03, a.a.O.; vom 8. November 2007 - V R 71/05 und V R 72/05, a.a.O.).

Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach, ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 6a Abs. 1 UStG erfüllt sind.

Erweisen sich die Nachweisangaben aber als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht nach allgemeinen Beweisregeln und -grundsätzen ausräumt, ist die Lieferung steuerpflichtig. Der Unternehmer trägt dabei das Risiko einer nicht geglückten Aufklärung einer als zweifelhaft erscheinenden Beförderung zum Bestimmungsort oder einer zweifelhaften Bevollmächtigung eines Abnahmebeauftragten. Ausnahmsweise kann die Lieferung aber unter den Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn die Unrichtigkeit auf Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Ebenso ist es, wenn die Unrichtigkeit von Belegangaben noch nicht feststeht, an ihrer Richtigkeit aber begründete Zweifel bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 - V R 65/06, ).

B.

Im Streitfall liegen nach der vorgenannten Rechtsprechung die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung vor.

Zu der Erfüllung der formellen Nachweispflichten ist in § 17a Abs. 1 Satz 1 UStDV geregelt, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dies muss sich gem. § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV aus den Belegen eindeutig ergeben. In den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer soll der Unternehmer den erwähnten Nachweis gem. § 17a Abs. 2 UStDV durch

- das Doppel der Rechnung (Nr. 1),

- einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein (Nr. 2),

- eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten (Nr. 3) sowie

- eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet „zu befördern” (Nr. 4) führen.

Der für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung geforderte Belegnachweis kann nicht durch eine mündliche, sondern nur durch eine schriftliche Versicherung geführt werden. Dies ergibt der Hinweis auf „Belege” in § 17a Abs. 1 Satz 1 UStDV. Die gesetzlich geforderte eindeutige und leichte Nachprüfung muss gem. § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV aus Urkunden in Form von Belegen möglich sein (BFH-Urteil vom 18. Juli 2002 - V R 3/02, BStBl. II 2003, 616).

In diesen sog. Abholfällen i. S. d. § 17 a Abs. 2 UStDV, in denen ein vom Abnehmer Beauftragter den Liefergegenstand abholt, muss sich aus der Versicherung gemäß § 17 a Abs. 2 Nr. 3 UStDV ergeben, dass dieser Beauftragter des Abnehmers ist und es muss ein Bezug zu der Lieferung bzw. dem Liefergegenstand, für den Abholvollmacht erteilt wird, erkennbar sein. In diesem Fall muss die Empfangsbestätigung oder die Versicherung eine mit Datum versehene Unterschrift des Beauftragten enthalten und die Identität des Beauftragten muss belegt werden (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 26/05, ). Die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht gehört nicht zu den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Belegnachweises, ebenso wenig der Nachweis der Legitimation des Unterzeichners einer solchen Vollmacht (vgl. BFH-Beschluss vom 3. August 2009 - XI B 79/08, ). Dabei haben die Belege im Hinblick auf die Nachweisfunktion stets bestimmten Mindestanforderungen zu entsprechen. So kommt einem Beleg, der weder selbst noch durch Verbindung mit anderen Unterlagen den Namen und die Anschrift des Ausstellers erkennen lässt und der darüber hinaus keinen Zusammenhang zu der Lieferung, auf die er sich beziehen soll, aufweist, zwar kein Beweiswert zu, zumal die Belegangaben dann nicht eindeutig und leicht nachprüfbar sind. Bei den vom Unternehmer zu erbringenden Nachweisen handelt es sich aber nicht um einen „schlüssigen” oder einen überzeugenden Nachweis des physischen Grenzübertritts selbst (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 - V R 65/06, BStBl. II BStBl 2006 II S. 2010, BStBl 2006 II S. 511).

Diesen vorgenannten Anforderungen nach § 17a Abs. 2 Nrn. 3 und 4 UStDV genügt die von der Klägerin vorgelegte „Erklärung des Käufers” auf den Rechnungen mit der Verpflichtung, das Fahrzeug auf direktem Wege nach Slowenien zu befördern jedenfalls in Verbindung mit den weiteren vorgelegten Unterlagen. Denn aus der „Erklärung des Käufers” über dem Firmenstempel der V ist ersichtlich, dass die gebrauchten Kraftfahrzeuge durch einen Beauftragten des Käufers zur Verbringung zu dem Käufer in dem anderen Mitgliedstaat abgeholt wurden und die Beauftragung des Abholers ergibt sich aus der vorgelegten Vollmacht. Zwar gehört die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht zum Nachweis der Abholberechtigung des Abholenden nicht zu den Erfordernissen für einen i.S.d. § 17a Abs. 1 und 2 UStDV ordnungsgemäßen Belegnachweis (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 - V R 65/06, a.a.O.), durch die Vorlage der Vollmacht des Geschäftsführers der VSM für den Abholer und der Ausweiskopien des Geschäftsführers der VSM und des Abholers steht für das Gericht aber zweifelsfrei fest, dass die Kraftfahrzeuge durch einen Beauftragten des Abnehmers bei der Klägerin abgeholt wurden. Denn für die tatsächliche Durchführung der innergemeinschaftlichen Lieferung kann der Nachweis auch durch andere Belege erbracht werden (vgl. BFH-Urteil vom 01. Februar 2007 - V R 41/04, ). Das Gericht sieht die vorgelegte Vollmacht daher zur Ergänzung der „Erklärung des Käufers” für den Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferungen als geeignet an. Die vorgelegte Vollmacht wurde auch für die Abholung des genau bezeichneten Kraftfahrzeugs erteilt (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 - V R 71/05, BStBl. II 2009, 52). Durch die vorgelegte Vollmacht in Verbindung mit der Ausweiskopie des Geschäftsführers der V und dem Übereinstimmen der Unterschriften auf Ausweis und Vollmacht werden Zweifel an der Abholberechtigung des Beauftragten und der Abholung für den Käufer gerade ausgeräumt (vgl. BFH-Beschluss vom 3. August 2008 - XI B 79/08 , ). Einen üblichen Geschehensablauf unterstellt, hat der Abholer bei der Klägerin neben der Vollmacht seinen Ausweis zur Kopie vorgelegt und die Erklärung auf der Rechnung mit dem Firmenstempel der V versehen und diese dann unterzeichnet. Die Klägerin konnte sich auf Grund des Fotos auf dem Ausweis des Abholers von dessen Identität überzeugen. Die Unterschrift des Beauftragten des Abnehmers auf den Rechnungen ist insoweit zwar keine Unterschrift mit Vor- und Zunamen wie auf dem vorgelegten Ausweis, sondern vielmehr nur ein Namenszug. Hier die gleichen Anforderungen wie bei der Unterschrift auf einem Ausweis mit Vor- und Zunamen zu stellen, wäre aber übertrieben formalistisch. Im übrigen besteht im Allgemeinen die Gepflogenheit, nicht alle Schriftstücke mit der gleichen Sorgfalt zu unterschreiben, bei häufiger Unterschrift verändern sich die Schriftzüge in dem Sinne, dass Individualisierungsmerkmale weniger deutlich werden und Unterschriften können je nach Schreibgerät, Schreibunterlage, Art des Schriftstücks und Körperhaltung bei der Unterschrift unterschiedlich aussehen. Die vom Beklagten vorgebrachten Zweifel, die Unterschrift unter der „Erklärung des Käufers” auf den Rechnungen stamme nicht von dem beauftragten Abholer, stellen sich dem Gericht hier daher nicht. Den Belegnachweis für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung hat die Klägerin vielmehr erbracht.

Die Nachweise erweisen sich wegen der bloßen Berufung des Beklagten auf Informationen der slowenischen Steuerverwaltung über die missbräuchliche Verwendung der Firmendaten der V nicht als unzutreffend und es bestehen auch keine berechtigten Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben. Es steht nämlich keinesfalls fest, dass im Streitfall eine Abholung der Kraftfahrzeuge unter missbräuchlicher Verwendung der Firmendaten des Käufers durch den Abholer für eine dritte Person -bzw. für sich selbst- erfolgt ist. Die bloßen Zweifel des Beklagten an den vorgelegten Nachweisen aufgrund der Mitteilung der slowenischen Steuerverwaltung sind im Streitfall nicht geeignet anzunehmen, dass die Firmendaten der V von dritten Personen missbräuchlich verwendet wurden. Allein aus der Mitteilung, dass die Firmendaten missbräuchlich verwendet werden und die für die Firma aufgetretenen Personen als sog. „missing trader” unter polizeilichen Ermittlungen stünden, folgt nicht, dass die Geschäfte nicht durch die V selbst getätigt wurden. Die Bezeichnung „missing trader” wird nach den Erfahrungen des Gerichts von den Steuerverwaltungen der anderen Mitgliedstaaten nämlich für Firmen verwandt, die in den anderen Mitgliedstaaten zunächst unternehmerisch tätig geworden sind, dann aber keine Steuern gezahlt haben und deren Inhaber die Geschäftstätigkeit nicht fortgeführt haben. Denn das Bundeszentralamt für Steuern hat der Klägerin die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der V bestätigt, woraus folgt, dass die slowenischen Finanzbehörden der V eine solche erteilt haben und diese zum Lieferzeitpunkt noch gültig war. Die Zweifel des Beklagten teilt das Gericht somit auch in Kenntnis der Mitteilung der slowenischen Steuerverwaltung aufgrund der vorliegenden Belege nicht.

Im Streitfall kommt es zudem nicht darauf an, ob der Beklagte berechtigte Zweifel an den Nachweisangaben dargelegt hat. Denn nach der vorgenannten Rechtsprechung des BFH kann eine Lieferung ausnahmsweise unter den Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG auch dann steuerfrei sein, wenn die Unrichtigkeit der Nachweise auf Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Ebenso ist es, wenn die Unrichtigkeit von Belegangaben noch nicht feststeht, an ihrer Richtigkeit aber begründete Zweifel bestehen. Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt sich dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 26/05, a.a.O.). Bloße Zweifel an der Richtigkeit der Belegnachweise rechtfertigen die Versagung der Steuerfreiheit daher nicht, wenn auch bei tatsächlicher Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers Gutglaubenschutz nach § 6a Abs. 4 UStG zu gewähren ist.

Da die Klägerin den Belegnachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferungen nach Überzeugung des Gerichts geführt hat, kann sie sich darauf berufen, dass ihr die Mitteilung der slowenischen Finanzbehörden unbekannt waren und sie daher nicht wusste, dass nichtberechtigte Personen unter Ausnutzung der Firmenpapiere der V aufgetreten sind. Denn der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hat die Klägerin genügt. Auch wenn der Klägerin durch einen Vergleich der Unterschrift des Abholers auf der „Erklärung des Käufers” mit der Unterschrift auf dem Ausweis des Abholers wegen der fehlenden Übereinstimmung Zweifel an der Identität des Abholers gekommen wären, so wären die Zweifel doch durch die persönliche Inaugenscheinnahme des Abholers und einem Vergleich mit dem Lichtbild in dessen Ausweis ausgeräumt worden. Wenn aber der Abholer unter Vorlage von gefälschten Firmenpapieren, aus denen der Geschäftsführer der V hervorging, und einer gefälschten Vollmacht des Geschäftsführers gegenüber der Klägerin aufgetreten ist, hätte die Klägerin dies auch bei größter Sorgfalt nicht erkennen können. Jedenfalls nicht wegen der vom Beklagten bemängelten Nichtübereinstimmung von Unterschrift des Abholers auf Ausweis und „Erklärung des Käufers”. Die Klägerin hat sich die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Käufers vom Bundesamt für Steuern auch bestätigen lassen. Das Risiko, ob die Angaben, die in dem Verfahren nach § 18e UStG bestätigt werden, tatsächlich zutreffen, darf jedenfalls nicht den Steuerpflichtigen treffen (vgl. Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Mai 2010 - 12 K 247/06, in juris). Auch handelte es sich im Streitfall nicht um hochwertige und hochpreisige Gebrauchtfahrzeuge, bei denen das Vortäuschen innergemeinschaftlicher Lieferungen lohnend ist, und die stattgefundene Barzahlung kann im Gebrauchtwagenhandel bei Geschäften diesen Umfangs als üblich angesehen werden. Anlass zu besonderer Vorsicht, welche über die übliche Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hinausgeht, hatte die Klägerin hier nicht. Daher ist die Lieferung jedenfalls nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfrei zu behandeln.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

RechtsgebieteUStG, UStDVVorschriftenUStG § 6a UStDV § 17a UStDV § 17c Richtlinie 77/388/EWG Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1

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