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12.10.2010 · IWW-Abrufnummer 103010

Kammergericht Berlin: Beschluss vom 12.07.2010 – (3) 1 Ss 180/10 (77/10)

Zur Frage der Fahrlässigkeit beim Fahren ohne Fahrerlaubnis.


KAMMERGERICHT

Beschluss

Geschäftsnummer
(3) 1 Ss 180/10 (77/10)
(295 Cs) 3041 PLs 6016/09 (180/09)

In der Strafsache gegen

XXX

wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis

hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 12. Juli 2010 einstimmig beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 22. Januar 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e:

Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 22. Januar 2010 wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von zwanzig Tagessätzen zu je fünfzehn Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte (Sprung-)Revision eingelegt, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge (vorläufig) Erfolg.

Das Amtsgericht hat festgestellt, dass dem Angeklagten durch Bescheid des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 11. Juni 2008 die Fahrerlaubnis entzogen und die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheides angeordnet worden ist. Dieser sei ihm am 14. Juni 2008 durch Einlegen in den Briefkasten seiner Wohnanschrift zugestellt worden und seit dem 15. Juli 2008 unanfechtbar. Zwar habe der Angeklagte hiervon keine positive Kenntnis gehabt, er hätte jedoch im Hinblick auf seine verkehrsrechtlichen Vorbelastungen mit der Entziehung der Fahrerlaubnis rechnen können und müssen, zumal er am 25. Mai 2008 bei einer weiteren Zuwiderhandlung nach § 24a StVG festgestellt worden sei. Zumindest hätte er sicherstellen müssen, dass ihn die Post erreicht, oder sich bei dem Landesamt informieren müssen, ob ein Entziehungsverfahren gegen ihn betrieben werde. Er sei deshalb des fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig, als er am 2. Oktober 2008 gegen 2.30 Uhr mit dem Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen HH-BL 967 u.a. die Adalbertstraße in Berlin-Kreuzberg befahren habe.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zutreffend knüpft der Tatrichter die Strafbarkeit nach § 21 StVG an die formell-rechtliche Wirksamkeit des die Fahrerlaubnis entziehenden behördlichen Bescheides. Sie setzt seine ordnungsgemäße Bekanntgabe voraus, die vorliegend mittels Einwurf in den Wohnungsbriefkasten erfolgt ist. Während für den Beginn der Rechtsmittelfrist genügt, dass nachgewiesen werden kann, wann der Bescheid in den Herrschaftsbereich des Adressaten gelangt ist, so dass dieser die Möglichkeit hatte, von dessen Inhalt Kenntnis zu nehmen, kommt es für eine etwaige Strafbarkeit darauf an, dass der Täter Kenntnis von den tatbestandlichen Voraussetzungen der Straftat hat oder hätte haben können. Fahrlässig handelt damit nicht bereits, wem der Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis und dessen sofortige Vollziehbarkeit wirksam zugestellt worden ist, sondern nur, wer unter Berücksichtigung der ihm zumutbaren Sorgfalt und Umsicht mit einer derartigen behördlichen Reaktion auf sein Verhalten als Verkehrsteilnehmer rechnen musste. Entgegen der Annahme des Tatrichters und der Generalstaatsanwaltschaft Berlin besteht jedoch für den Inhaber einer rechtswirksam erteilten Fahrerlaubnis keine Verpflichtung, sich bei der Verwaltungsbehörde nach deren Fortbestand zu erkundigen. Dies gilt auch, sofern der Verkehrsteilnehmer häufiger verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist. Angesichts der weitgehend unbekannten und unterschiedliche Fristen enthaltenden Tilgungsbestimmungen kann von ihm in aller Regel nicht erwartet werden, dass er einen genauen Überblick über die unter seinem Namen gespeicherten Eintragungen hat. Es bedarf daher konkreter Anhaltspunkte, die die Annahme nahe legen, der Angeklagte habe von dem verwaltungsrechtlichen Entziehungsverfahren und einer unmittelbar bevorstehenden Entscheidung Kenntnis gehabt, deshalb täglich mit der Zustellung eines Bescheides gerechnet und es dennoch an einer Kontrolle seiner Post fehlen lassen. Dies belegen die Urteilsausführungen nicht.

Da der Senat weitere Feststellungen nicht ausschließen kann, hebt er das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurück.

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