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08.10.2010 · IWW-Abrufnummer 102849

Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 15.07.2010 – 12 U 6/10

Zum Einschluss des Risikos einer Haftung wegen Schäden, die aus einem fehlerhaften Anschluss eines Wasserhahns an die Sanitärinstallation herrühren, in den Haftpflichtversicherungsschutz eines Möbelschreinerbetriebs.


OLG Karlsruhe
Urteil
vom 15.7.2010
12 U 6/10
Gründe
I.
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten seit 2006 u.a. eine gewerbliche Haftpflichtversicherung für Betriebe des Baunebengewerbes. Im Versicherungsantrag ist als Betriebsart Bau- und Möbelschreinerei genannt. In der Rubrik "Versichertes Risiko" heißt es "Bau- und Möbelschreinerei inkl. Handel mit Möbeln".
Die Klägerin war von einem Kunden beauftragt mit der Anfertigung und dem Einbau von Mobiliar in einem Arbeitszimmer, wobei auch in einer Wandnische eine kleine Teeküche mit Waschbecken anzubringen war. Der Monteur der Klägerin, welcher das Mobiliar einbaute, schloss den Wasserhahn des Waschbeckens an einen dort schon vorhandenen Boiler an. Der Anschluss erfolgte direkt an die Trinkwasserleitung. Der Wasserhahn wies keine Druckreduzierung auf. Dies führte dazu, dass der drucklose Boiler in der Nacht vom 27.02./28.02.2009 platzte. Es liefen mehrere 100 Liter Wasser aus und es kam zu Wasserschäden an Möbeln, Fußböden, Bildern und Ikonen. Auf die Schadensmeldung der Klägerin vom 02.03.2009 lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 12.03.2009 den nachgesuchten Deckungsschutz ab mit der Begründung, es bestehe kein Versicherungsschutz, da der Anschluss des Wasserhahns nicht vom versicherten Risiko einer Bau- und Möbelschreinerei umfasst sei.
Die Klägerin hat vorgetragen, dass es zwar zutreffend sei, dass ihre Tätigkeit im Bereich der Bau- und Möbelschreinerei liege und entsprechend dies als versichertes Risiko im Versicherungsantrag aufgeführt sei. Es sei auch zutreffend, dass es sich beim Anschluss eines Wasserhahns an einen Boiler grundsätzlich um eine Sanitärinstallationsarbeit handele. Dennoch sei der Versicherungsschutz nicht ausgeschlossen. Der Anschluss des Wasserhahnes durch den Monteur der Klägerin sei ausnahmsweise gefälligkeitshalber erfolgt. Es stelle eine Tätigkeit im Interesse des Betriebes der Klägerin dar, für welche Versicherungsschutz aufgrund eines inneren Zusammenhanges mit der vom Auftraggeber beauftragten Leistung der Klägerin bestehe. Eine Risikoerhöhung oder -erweiterung liege schon nicht vor, da es sich nur um eine kurzfristige Veränderung der Gefahrhöhe gehandelt habe. Außerdem verstoße die Ablehnung des Versicherungsschutzes gegen Treu und Glauben. Gegebenenfalls hätte die Beklagte die Klägerin darüber aufklären müssen, wie weit der Versicherungsschutz reicht und für welchen Fall zweckmäßigerweise eine Erweiterung der Versicherung beantragt werden müsse. Hierauf sei nicht hingewiesen worden.
Die Klägerin hat beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für das Schadensereignis in ..", welches bei ihr unter der Schadensnummer ... geführt wird, Versicherungsschutz aus dem Versicherungsvertrag Nr.: .... zu gewähren.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.680,10 vorgerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, dass die Klägerin keine Deckung für Gas- und Wasserinstallationsarbeiten beantragt habe, was ein schwereres Risiko als die Tätigkeit als Bau- und Möbelschreiner beinhaltet hätte. Aufgrund des im Haftpflichtrecht geltenden Grundsatz der Spezialität der versicherten Gefahren komme Versicherungsschutz nicht in Betracht. Es handele sich um handwerksrechtlich unterschiedliche Handwerksbereiche. Es handle sich auch nicht um eine Erhöhung oder Erweiterung des Risikos im Sinne von § 1 Ziff. 1 b AHB, da es hierbei immer nur um Erhöhungen oder Erweiterungen im Bereich des versicherten Risikos gehen könne. Zur Küchenmontage habe der Anschluss des Wasserhahnes nicht gehört.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 15. Dezember 2009, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Obermeisters F. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Juli 2010 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die mit diesen Schriftsätzen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
1. Im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte der Klägerin gem. §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 1 BGB i.V.m. Nr. 1 ff AHB Deckungsschutz aus der Haftpflichtversicherung zu gewähren hat. Die schadensauslösende Tätigkeit der Montage eines Wasserhahns ist Gegenstand der Haftpflichtversicherung der Beklagten.
Der Senat neigt dabei der Auffassung zu, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der seine berufliche bzw. betriebliche Tätigkeit gegen Haftpflichtrisiken versichert, mit seinem Versicherungsantrag regelmäßig zum Ausdruck bringen will, dass nicht ein bestimmtes Berufsbild oder Betriebsmodell unabhängig von seiner tatsächlichen Ausgestaltung versichert werden soll, sondern seine gewöhnliche Tätigkeit bzw. sein realer Betrieb. Wird ein so verstandener Antrag ohne Einschränkungen angenommen, so kann sich der Versicherer wohl nur durch Risikoausschlüsse der Eintrittspflicht für Risiken entziehen, die er nicht übernehmen möchte. Ein Risikoausschluss für Tätigkeiten, die originär einem anderen Handwerk zugehören, findet sich in den vereinbarten Bedingungen nicht. Letztlich muss der Senat hierzu jedoch nicht abschließend Stellung nehmen, denn das Risiko einer Schadensstiftung durch eine fehlerhafte Montage eines Wasserhahns ist hier - was das Landgericht aber auch die Beklagte übersehen haben - ausdrücklich von den Versicherungsbedingungen umfasst.
Die Bestimmungen über das versicherte Risiko nach Nr. 3 AHB werden durch die dem Vertrag zu Grunde liegenden "Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Haftpflichtversicherung für Betriebe des Baunebengewerbes" konkretisiert. In deren Nr. 1 ist bestimmt:
"Maßgebend ist die Beschreibung unter Position "versicherte Risiken" bzw. "Deckungserweiterungen/Nebenrisiken aufgrund besonderer Vereinbarung" im Versicherungsschein oder seinen Nachträgen, wobei das Risiko gem. § 5 Handwerksordnung (HWO) eingeschlossen ist.
Die hierdurch unter Verweis genommene Regelung des § 5 HWO bestimmt:
Wer ein Handwerk nach § 1 Abs. 1 betreibt, kann hierbei auch Arbeiten in anderen Handwerken nach § 1 Abs. 1 ausführen, wenn sie mit dem Leistungsangebot seines Gewerbes technisch oder fachlich zusammenhängen oder es wirtschaftlich ergänzen.
Welche Arbeiten mit einem Gewerk technisch oder fachlich zusammenhängen oder es wirtschaftlich ergänzen, entscheidet die Verkehrsauffassung (Honig/Knörr, Handwerksordnung, 4. Auflage 2008, Rdnr. 8). Ein fachlicher Zusammenhang in diesem Sinne ist gegeben, wenn die Arbeiten in einer derartig engen Verbindung zu einem konkreten Arbeitsauftrag stehen, dass die gemeinsame Verrichtung zwar nicht notwendigerweise technisch, wohl aber wirtschaftlich geboten ist (OLG Stuttgart, GewA 1990, 416; VG Berlin, GewA 1992, 188). Die Entscheidung ist für den Einzelfall zu treffen, wobei hierbei großzügig zu verfahren ist (Honig/Knörr, a.a.O., Rdnr. 9).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht der Senat von einem derartigen fachlichen Zusammenhang aus. Die Klägerin hatte als Hauptauftrag aus ihrem eigenen Handwerk eine Möbelherstellung und -montage vorzunehmen, zu dem auch eine Teeküche gehörte. Der gerichtliche Sachverständige führt in überzeugender Weise aus, dass ein Schreiner bei einer Küchenmontage auch die in diesem Zusammenhang stehenden sanitären Installationsarbeiten wie die Montage eines Wasserhahns - und zwar auch dessen Anschluss an einen Boiler zur Warmwasseraufbereitung - ausführt. Dass dies gängige Praxis im Schreinereihandwerk ist, erläutert der Sachverständige an einem einschlägigen Verkaufsprospekt eines namhaften Küchentechnikherstellers, der sich mit seinen Produkten an Schreinereien wendet und dabei gezielt Montageanleitungen für Anschlüsse an das Wassersystem mitliefert. Der Sachverständige macht deutlich, dass hinsichtlich des Anschließens eines Wasserhahns ein enger Zusammenhang zur Montage der Kücheneinrichtung besteht und es bei wirtschaftlicher Betrachtung völlig unverhältnismäßig wäre, hierfür jedes Mal gesondert einen Sanitärfachbetrieb zu beauftragen. Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich der Senat an. Das Anschließen eines Wasserhahns an die vorhandene Sanitärinstallation stellt eine mit den Aufbauarbeiten der Küchenmöbel fachlich zusammenhänge Tätigkeit dar.
Zudem läge zumindest eine wirtschaftlich ergänzende Arbeit vor. Der Begriff der "wirtschaftlichen Ergänzung" ist dabei ein unbestimmter Rechtsbegriff, zu dessen Konkretisierung Haupt- und Zusatztätigkeit in Vergleich zu setzen sind (Honig/Knörr, a.a.O., Rdnr. 10). Dabei soll dem Interesse sowohl des Kunden als auch des Handwerkers nach mehr "Arbeiten aus einer Hand" noch weiter Rechnung getragen werden (ebda). Vor diesem Hintergrund ist das Montieren eines Wasserhahns eine untergeordnete Tätigkeit im Vergleich zur Erstellung und zur Montage einer Küche. Demnach ist das Anschließen eines Wasserhahns lediglich von ergänzendem Charakter. Diese Ergänzung hat auch einen wirtschaftlichen Hintergrund, da der Kunde nicht dazu gezwungen werden soll, wegen einer vergleichsweise kleinen Verrichtung einen weiteren Handwerker zu beauftragen und zu entlohnen.
Nach allem war das Risiko einer Haftung wegen Schäden, die aus einem fehlerhaften Anschluss des Wasserhahns an die Sanitärinstallation herrühren, über den ausdrücklichen Einschluss von Tätigkeiten nach § 5 HWO durch die Versicherung abgedeckt.
2. Die geltend gemachte Nebenforderung hat das Landgericht zu Recht als Verzugsschaden betrachtet.
3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

RechtsgebietAHBVorschriftenAHB § 1 Ziff. 1 b

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