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07.09.2010 · IWW-Abrufnummer 102744

Sozialgericht Dresden: Urteil vom 30.03.2010 – S 39 KR 206/07

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


S 39 KR 206/07

SOZIALGERlCHT DRESDEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
In dem Rechtsstreit XXX

hat die 39. Kammer des Sozialgerichts Dresden auf die mündliche Verhandlung am 30. März 2010 in Dresden durch die Richterin am Sozialgericht XXX, die ehrenamtliche Richterin XXX und die ehrenamtliche Richterin XXX für Recht erkannt:

I.. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Hinsichtlich des Klageantrages zu 1. sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
III. Hinsichtlich des Klageantrages zu 2. trägt der Kläger zu 2. die Kosten des Verfahrens.
IV. Der Streitwert wird hinsichtlich des Klageantrages zu 2. auf 5000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers zu 1.

Die Klägerin zu 2. ist eine 1999 gegründete kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts. Sie betreibt Einrichtungen der Alten-, Behinderten-, Kinder- und Jugend-, und Suchtkrankenhilfe und führt die Entwicklung und Betreuung weiterer sozialer Hilfs- und Beratungsangebote therapeutischer und sozialpädagogischer Aktivitäten für entsprechend bedürftige Menschen fort.
Ihre Organe sind der aus neun Personen bestehende Stiftungsrat und der Vorstand.

Der Kläger zu 1. war zunächst Mitglied des Stiftungsrates der Klägerin zu 2., bevor er am 01.07.2000 durch Beschluss des Stiftungsrates zum zweiten von zwei Vorständen berufen wurde. Der Kläger ist zuständig für die Bereiche Recht, Finanzen, Betriebswirtschaft, der andere Vorstand für die inhaltlich-pädagogische Leitung der Einrichtungen, das Bauwesen, die Mitarbeiterführung und die Außenrepräsentation.
Nach der am 18.12.2003 genehmigten Satzung der Klägerin zu 2. ist der Stiftungsrat zuständig für Grundsatzentscheidungen und führt die Aufsicht über den Vorstand. Er gibt Anregungen für die Arbeit des Vorstandes. Der Stiftungsrat greift nicht in die unmittelbare Geschäftsführung ein. Weitere Aufgaben und Rechte des Stiftungsrates sind die Entscheidung über die Berufung und Abberufung der Mitglieder des Vorstandes sowie Abschluss, Änderung und Kündigung ihrer Anstellungsverträge. Bei Abschluss der Anstellungsverträge wird die Stiftung durch den Stiftungsratsvorsitzenden vertreten. Der Vorstand hat das Recht der jederzeitigen Unterrichtung über alle Angelegenheiten der Stiftung, Einsichtnahme in die Bücher und Prüfung der Kassenführung, gegebenenfalls durch Dritte. Er verabschiedet den jährlichen Haushaltsplan. Dabei bedürfen wesentliche Änderungen der Zustimmung des Stiftungsrates. Er fasst Beschluss über den Jahresabschluss und die Entlastung des Vorstandes. Der Stiftungsrat verabschiedet die Geschäftsordnung des Vorstandes und muss deren Änderung zustimmen. Er kann vom Vorstand Vorlagen zur Beschlussfassung im Stiftungsrat erbitten. Zustimmungsbedürftig (§ 9 Abs. 2 Nr. 5 der Satzung) sind
a) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, soweit sie nicht Bestandteil des verabschiedeten Wirtschaftsplanes sind;
b) Aufnahme von Darlehen.und Übernahme von Bürgschaften ab 50.000,- Euro oder eines Volumens ab 150.000,. Euro pro Geschäftsjahr, soweit dieses nicht schon im verabschiedeten Wirtschaftsplan enthalten ist;
c) alle sonstigen Verpflichtungsgeschäfte, die einzeln oder zusammen genommen einen Betrag von 150.000,- Euro übersteigen, soweit sie nicht schon im verabschiedeten Wirtschaftsplan enthalten sind;
d) Aufnahme oder Beendigung bestehender Arbeitszweige, deren Erweiterung, Einschränkung oder Veränderung sowie Maßnahmen, die für den Auftrag und den Zweck der Stiftung von erheblicher Bedeutung sind oder sein können;
e) Gründung von und Beteiligung an Gesellschaften und Einrichtungen;
f) größere Bau- und Investitionsmaßnahmen, soweit sie nicht Bestandteil des verabschiedeten Wirtschaftsplanes sind;
g). Änderungen der Satzung;
h) Auflösung der Stiftung oder Zusammenlegung mit einer anderen Stiftung.
Gem. § 9 Abs. 2 Nr. 7 der Satzung kann der Vorstand beschließen, dass auch weitere Rechtsgeschäfte seiner Zustimmung bedürfen.
Der Vorsitzende des Stiftungsrates vertritt die Stiftung bei In-sich-Geschäften des Vorstandes, soweit diese nicht lediglich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit bestehen. Der Vorstand ist von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit, soweit Rechtsgeschäfte mit steuerbegünstigten Institutionen betroffen sind, solange nicht der Stiftungsrat eine Beschränkung dieser Befreiung beschließt. Daneben kann jedes Vorstandsmitglied für ein einzelnes Rechtsgeschäft durch Beschluss des Stiftungsrates von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden, solange die Vorschriften dieser Satzung dem nicht entgegenstehen (Satzungsänderung, genehmigt mit Bescheid vom 16.09.2005)
Der Vorstand leitet und verwaltet die Stiftung (§ 12 der Satzung), er vertritt die Stiftung gerichtlich und außergerichtlich (§ 11 Abs. 3). Er besteht aus einem oder mehreren Mitgliedern, das erste Vorstandsmitglied wird vom Stifter bestellt, weitere Bestellungen nimmt der Stiftungsrat vor. Mitglieder des Vorstandes können aus wichtigem Grund mit zwei Drittel der Stimmen der Mitglieder des Stiftungsrates abberufen werden, § 11 Abs. 2.
Der Vorstand ist Vorgesetzter aller Mitarbeiter in der Stiftung. Er tritt zu regelmäßigen Sitzungen zusammen, Beschlüsse können nur einstimmig gefasst werden. Er gibt sich eine Geschäftsordnung und erarbeitet einen Geschäftsverteilungsplan, die der Zustimmung durch den Stiftungsrat bedürfen, § 13
Der Vertrag des Klägers zu 1. mit der Stiftung (Vorstandsvertrag) wurde am 18.03.2005 neu gefasst.
Laut Präambel bilden alle Mitglieder und satzungsmäßigen Organe der Stiftung ohne Rücksicht auf ihre Tätigkeit und Stellung eine Dienstgemeinschaft.
Der Kläger zu 1. ist nach Maßgabe der Stiftungssatzung alleinvertretungsberechtigt (§ 2 Nr.l). Zu den Dienstaufgaben des Vorstandes gehört auch die Übernahme der Geschäftsführung von Einrichtungen und ggf. Gesellschaften, die die Stiftung unterhält, betreibt oder an denen die Stiftung beteiligt ist (§ 2 NI. 2). Im Verhältnis zu den Mitarbeitern nimmt der Vorstand die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften wahr (§ 2 NI. 3). Der Vorstand haftet nur für Schäden, die durch grob fahrlässige oder vorsätzliche Verletzung der ihm obliegenden Pflichten herbeigeführt wurden (§ 2 Nr. 4).
Der Kläger zu 1. hat seine volle Arbeitskraft der Stiftung zur Verfügung zu stellen, er ist an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden. Wenn es die Erfüllung seiner Aufgaben erfordert, hat er jederzeit zur Verfügung zu stehen (§ 3). Nebentätigkeiten bedürfen der vorherigen Einwilligung des Stiftungsrates, von ehrenamtlichen Tätigkeiten ist der Vorsitzende des Stiftungsrates vor der Aufnahme zu unterrichten. Auch diese dürfen die Vorstandsarbeit nicht beeinträchtigen bzw. sich nicht nachteilig für die Stiftung auswirken.

Der Vorstand darf die nach der Satzung und der Geschäftsordnung für den Vorstand zustimmungspflichtigen Geschäfte erst nach erfolgter Einwilligung durch den Stiftungsrat abschließen bzw. umsetzen (§ 4). Die jährliche Vergütung des Vorstandes beträgt 75.000,- Euro, die in 12 gleichen Raten ausgezahlt wird (§ 6). Über eine Anpassung der Vergütung entschiedet der Stiftungsrat auf Antrag des Vorstands, jedenfalls aber in dreijährigem Rhythmus beginnend mit der Unterzeichnung des Vertrages. Mit der Zahlung der Vergütung sind Überstunden, Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art abgegolten (§.6).

Die Stiftung stellt dem Vorstand einen Dienstwagen zur Verfügung (§ 7),
Die Stiftung versichert den Vorstand gegen Folgen von Unfällen, die er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit erleidet (§ 8 Nr. 4). Bei Krankheit wird die Vergütung für eine Dauer von sechs Monaten fortgezahlt (§ 8 Nr. 5).
Der Vorstand hat Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von 31 Arbeitstagen gerechnet auf eine 5-Tage-Woche.Der Urlaub ist so festzulegen, dass die Belange der Stiftung nicht beeinträchtigt werden. Der Vorstand erhält die angemessenen notwendigen Aufwendungen und Auslagen einschließlich Reise- und Bewirtungskosten erstattet, die ihm in Ausübung seiner Tätigkeit nach diesem Vertrag entstehen (§ 11).
Die ordentliche Kündigungsfrist beträgt ein Jahr zum Kalenderjahresende. Nur die Abberufung aus wichtigem Grund ist Grund zur ordentlichen Kündigung des Vertrages. Die Kündigung ist in diesem Fall binnen eines Monats nach der Abberufung durch die Stiftung zu erklären (§ 12).

Die Verbuchung der Vergütung erfolgte als Gehalt.
Mit Schreiben vom 18.10.2005 wandte sich der Kläger zu 1. an die Beklagte als zuständige EinzugsteIle und beantragte eine Entscheidung darüber, ob in seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2. Versicherungspflicht bestehe.

Mit Bescheid" vom 27.03.2006 stellte die Beklagte fest, dass für den Kläger Versicherungspflicht als Arbeitnehmer bestehe. Zur Begründung führte sie aus, bei Vorständen von gemeinnützigen Stiftungen liege ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur Stiftung vor, wenn dem Vorstand einen fest umgrenzten Geschäftsbereich innerhalb der wirtschaftlichen Bedeutung der Stiftung zugewiesen worden sei, er seine Arbeiten im Verwaltungs- und Organisationsbereich der Stiftung verrichte und damit in den Betrieb der Stiftung eingegliedert sei und er ein regelmäßiges Entgelt erhalte, welches eine Aufwandsentschädigung übersteige. Die Ausübung der Tätigkeit erfolge in den Räumen der Stiftung, der Kläger zu 1. vertrete die Stiftung in den Bereichen Finanzen und Recht. Für seine Tätigkeit erhalte er ein regelmäßiges Entgelt, welches über eine Aufwandsentschädigung hinausgehe und bei Arbeitsunfähigkeit für 6 Monate fortgezahlt werde.
Zwar sei er in der Gestaltung der vertraglichen Beziehungen zur Diakonie – Sozialwerk XXX frei und keinen Weisungen unterworfen; wichtige Entscheidungen könne er aber nicht ohne die Zustimmung des Stiftungsrates treffen. Ab dem 01.03.2005 bestehe daher Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung sowie der Pflegeversicherung, jedoch bestehe Krankenversicherungsfreiheit wegen der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze.

Mit Bescheid vom 28.03.2006 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 2. Versicherungspflicht des Klägers zu 1. in der Kranken,- Renten-, Pflegeversicherung und Arbeitslosenversicherung ab dem 01.03.2005 fest.
Am 24.04.2006 legten sowohl der Kläger zu 1. als auch die Klägerin zu 2. Widerspruch gegen die Bescheide ein. Sie begründeten dies mit der Sonderstellung der Stiftung, die nicht mit einer GmbH oder sonstiger Gesellschaft vergleichbar sei. Der Vorstand sei die Stiftung, er habe gerade keine Eigentümerversammlung über sich. Jedes Vorstandsmitglied sei mit der Einzelvertretung der gesamten Stiftung betraut. Der feste Aufgabenbereich sei lediglich eine interne Aufgabenteilung, die mit dem anderen Vorstandsmitglied abgesprochen worden sei. Er handle sich jedoch um keine Zuweisung von Aufgaben. Die Aufgabenteilung beinhalte nicht, dass das jeweilige Vorstandsmitglied ausschließlich in diesem Bereich tätig sei. Jedes Vorstandsmitglied bleibe trotz der internen Aufgabenteilung für alle Bereiche zuständig und verantwortlich. Dies werde bestätigt durch § 11 Abs. 3 Satz 2 der Stiftungssatzung, wonach jedes Vorstandsmitglied allein vertretungsberechtigt sei. Der Kläger zu 1. sei in der Bestimmung und Gestaltung seiner Tätigkeit in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeitsort und Art der Beschäftigung frei. Umgekehrt solle er jederzeit zur Verfügung stehen, wenn es die Erfüllung seiner Aufgabe erfordere. Daraus ergebe sich, dass die Tätigkeit gerade nicht immer in den Räumen der Stiftung erfolge. Der Kläger zu 1. habe zwar in den Geschäftsräumen der Stiftung ein Büro. Dies erfolge lediglich aus organisatorischen Gründen, beinhalte aber nicht, dass er seine Tätigkeit im Wesentlichen in diesen Räumen zu erbringen habe. Ferner sei es auch seine Sache, wie er den Stiftungszweck verwirkliche.
Der Stiftungsrat habe lediglich eine kontrollierende und beratende Funktion. Es handele sich um ein Aufsichtsgremium, das nicht aktiv in die laufenden Geschäfte eingreifen dürfe. Ein Zustimmungserfordernis des Stiftungsrates bestehe nur in solchen Fällen, in denen auch die Stiftungsaufsicht zustimmen müsste. Eine solche Zustimmung sei höchstens ein bis zwei mal im Jahr erforderlich und stelle dann auch eine Formalie dar. Daraus ergebe sich, dass die Tätigkeit des Vorstandes im Wesentlichen von jeder Weisung frei sei. Es bestehe eine Befreiung von der Beschränkung des § 181 BGB. Die dort vorgenommene Einschränkung sei nur deshalb vorgenommen worden, weil die Stiftung sonst keine Mittel von der Aktion Mensch erhalten würde.

Die Bestellung bzw. Abberufung als Vorstand sei kein arbeitsrechtlicher Akt. Die vertragliche Ausgestaltung gleiche eher einem Werk- als einem Arbeitsvertrag. Eine Abberufung sei nur aus wichtigem Grund, also regelmäßig der Nichterfüllung bzw. nicht ordentliche Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung möglich. Demzufolge sei im Fall der Abberufung weder der ordentliche Rechtsweg noch der Arbeitsrechtsweg, sondern der Weg zum Kirchengericht/Verwaltungsgericht zu beschreiten. Der Vorstand unterliege umfassender Haftung. Er hafte bereits bei leichter Fahrlässigkeit persönlich und ohne Begrenzung.
Die Beigeladene zu 1. schloss sich mit Schreiben vom 24.01.2007 der Auffassung der Beklagten an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2007 wies die Beklagte sinngemäß sowohl den Widerspruch des Klägers zu 1. gegen den Bescheid vom 27.03.2006 als auch den Widerspruch der Klägerin zu 2. gegen den Bescheid vom 28.03.2006 zurück. Zur Begründung wiederholte sie die Gründe der Bescheide.

Mit ihrer am 24.04.2007 gemeinsam erhobenen Klage verfolgen der Kläger zu I, und die Klägerin zu 2. ihr Begehren weiter. Ergänzend zu der Begründung der Widersprüche tragen sie vor, die Kontrollrechte des Stiftungsrates seien mit denen des Aufsichtsrates in einer Aktiengesellschaft vergleichbar. Auch Vorstand einer Aktiengesellschaft erhalte ein Gehalt und nicht nur eine Aufwandsentschädigung, dieser werde auch regelmäßig keine Nebentätigkeit ausüben dürfen. Würde der Kläger zu I. eine bloße Aufwandsentschädigung erhalten, stünde dies in einem Missverhältnis zu seiner Verantwortung und Haftung. Die lange Kündigungsfrist sei mit der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht vereinbar. Nach dem Kirchengesetz über kirchliche Stiftungen in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg - schlesische Oberlausitz ergebe sich, dass gegen die Abberufung der kirchliche Verwaltungsgerichtsweg offen stehe. Der Urlaubsanspruch des Klägers zu 1. sei durch dessen Arbeitspflichten eingeschränkt. Da sich beide Vorstandsmitglieder gegenseitig vertreten, wäre ohne eine konkrete Urlaubsregelung wäre auch wesentlich längerer Urlaub möglich.
Sitzungsprotokolle von Vorstandssitzungen existierten nicht, da jedes Vorstandsmitglied die Stiftung allein vertrete. Der Vorstand fasse Beschlüsse, die er insbesondere für die Fälle, in denen das Stiftungsrecht die Zustimmung der Stiftungsaufsicht vorsehe, schriftlich ausfertige.

Der Kläger zu 1. beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2007 aufzuheben und festzustellen, dass für ihn in seiner Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Diakonie-Sozialwerk XXX keine Sozialversicherungspflicht als Arbeitnehmer besteht.
Die Klägerin zu 2. beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2007 aufzuheben und festzustellen, dass für den Kläger zu 1. für seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Stiftung Diakonie - Sozialwerk XXX keine Sozialversicherungspflicht als Arbeitnehmer besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie führt ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren aus, der Vorstandsvertrag weise keine Merkmale eines Werkvertrages auf. Bei Kündigungen halte sie den Rechtsweg zum Arbeitsgericht für eröffnet. Die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB und die Alleinvertretungsbefugnis seien für sich keine Merkmale einer selbständigen Tätigkeit. Der Vorstand unterliege bei der Führung der Stiftungsgeschäfte Beschränkungen, so sei der Stiftungsrat zuständig für Grundsatzentscheidungen und führe die Aufsicht über den Vorstand. Außerdem treffe der Stiftungsrat Entscheidungen über die Berufung und Abberufung der Mitglieder des Vorstandes sowie den Abschluss, die Änderung und Kündigung der Anstellungsverträge. Alle Mitarbeiter und Organe der Stiftung bildeten eine Dienstgemeinschaft.

Die Beigeladene zu 1. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladenen zu 1. bis 3. schließen sich dem Vorbringen der Beklagten an.
Das Gericht hat Beweis erhoben. durch Vernehmung des ehemaligen. Stiftungsratsvorsitzenden der Klägerin zu 2. XXX als Zeugen. Wegen des Inhalts seiner Aussage wird auf die Niederschrift vom 30.03.2010, BI. 167 ff. der Gerichtsakte, Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die in subjektiver Klagehäufung erhobenen Klagen sind zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27.03.2006 und der Bescheid der Beklagten vorn 28.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2007 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten.

Der Kläger zu 1. ist als Vorstand der Klägerin zu 2. im streitgegenständlichen Zeitraum sozial versicherungspflichtig, da er zu ihr in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht.

Maßgebend für die Beurteilung sind hier § 5 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hinsichtlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, § 20 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) hinsichtlich der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hinsichtlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und §§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) hinsichtlich der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung.
Diese Vorschriften setzen jeweils ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 SGB IV voraus.
Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis liegt dann vor, wenn der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Ort, Dauer und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, BSG, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4, SozR 3-4100 § 168 Nr. 11, SozR 3-2500 § 5 Nr. 17). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (BSGE 45,199, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13).

Nach der glaubhaften, in sich widerspruchsfreien Aussage des Zeugen, die sich hier mit den Angaben des Klägers zu 1. im Wesentlichen deckt, wichen die tatsächlichen Verhältnisse während der Zeit, in der der Zeuge Stiftungsratsvorsitzender der Klägerin zu 2. war, nicht von den in Vorstandsvertrag und Satzung getroffenen Regelungen ab.

Der Kläger zu 1. war bzw. ist damit verpflichtet, der Klägerin zu 2. seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Er ist an den Vorstandsvertrag, die Geschäftsordnung des Vorstandes und die Satzung der Klägerin zu 2. gebunden. Der Stiftungsrat ist zuständig für Grundsatzentscheidungen und führt die Aufsicht über den Vorstand. Er gibt Anregungen für die Arbeit des Vorstandes.

Der Stiftungsrat entscheidet über Berufung und Abberufung der Mitglieder des Vorstandes sowie Abschluss, Änderung und Kündigung ihrer Anstellungsverträge.
Der Vorstand hat das Recht der jederzeitigen Unterrichtung über alle Angelegenheiten der Stiftung, Einsichtnahme in die Bücher und Prüfung der Kassenführung, gegebenenfalls durch Dritte. Er verabschiedet den jährlichen Haushaltsplan. Dabei bedürfen wesentliche Änderungen der Zustimmung des Stiftungsrates. Er fasst Beschluss über den Jahresabschluss und die Entlastung des Vorstandes. Der Stiftungsrat verabschiedet die Geschäftsordnung des Vorstandes und muss deren Änderung zustimmen. Er muss auch der internen Geschäftsverteilung zwischen den Vorständen, die sich hier durchaus in: der täglichen Praxis herausgebildet haben mag, zustimmen.
Der Stiftungsrat kann vom Vorstand Vorlagen zur Beschlussfassung im Stiftungsrat erbitten. Eine Reihe wesentlicher Geschäfte bedürfen der Zustimmung des Stiftungsrates, dabei handelt es sich nicht ausschließlich um solche Geschäfte, die auch der Genehmigung der Stiftungsaufsicht unterliegen. Lediglich die durch den Stiftungsrat beschlossenen Satzungsänderungen oder die Auflösung der Stiftung bzw. Zusammenlegung mit einer anderen Stiftung bedürfen einer Genehmigung durch die Stiftungsaufsicht.
Zwar hat der Stiftungsrat bislang, wie sowohl die Kläger vorgetragen haben als auch der Zeuge ausgesagt hat, nie die Zustimmung zu einem zustimmungspflichtigen Geschäft verweigert. Aus dieser Tatsache allein kann jedoch nicht geschlossen werden, d~r Stiftungsrat wolle von seinen rechtlichen Befugnissen gegenüber dem Vorstand auch künftig keinen Gebrauch machen und diesem völlig freie Hand lassen (so BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 18 für einen Vereinsvorstand).
Der Stiftungsrat kann ferner jederzeit beschließen, dass auch weitere Rechtsgeschäfte seiner Zustimmung bedürfen, § 9 Abs. 2 Nr. 7 der Satzung.
Nebentätigkeiten des Klägers zu 1. hängen von der Genehmigung durch den Stiftungsrat ab, ebenso eine ehrenamtliche Tätigkeit von dessen Zustimmung.

Der Kläger zu 1. unterliegt damit in seiner Tätigkeit als Vorstand einer umfassenden Beaufsichtigung durch den Stiftungsrat, auch wenn dieser ihm keine konkreten Arbeitsanweisungen erteilt und erteilen durfte.

Dass der Stiftungsrat nicht berechtigt ist, in die unmittelbare Geschäftsführung einzugreifen, ist insofern nicht ausschlaggebend. Gerade bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht eingeschränkt und zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein, solange der Versicherte in den Betrieb eingegliedert ist. Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt blieben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 8, SozR 3-2940 § 3 Nr. 2). Die Ordnung der Stiftung wird hier in ihren wesentlichen Punkten durch den Stiftungsrat bestimmt, der Kläger ist in diese eingegliedert.

Dem entspricht die Präambel des Vorstandsvertrages, nach der alle Mitglieder und Organe der Stiftung eine Dienstgemeinschaft bilden.

Demgegenüber verrichtet der Kläger zu 1. seine Tätigkeit zwar nicht ausschließlich in seinem Büro in den Räumen der Klägerin zu 2., aber auch nicht an einer eigenen Betriebsstätte.
Nach seinem Vorstandsvertrag ist kein Werk in der Gestalt eines bestimmten Erfolges, sondern eine laufende Dienstleistung geschuldet.

Ein eigenes Unternehmerrisiko trägt der Kläger zu 1. nicht. Eigenes Kapital setzt er nicht ein. Er erhält eine jährliche Vergütung, die in 12 gleichen Raten ausgezahlt wird. Die Verbuchung der Vergütung erfolgt dabei als Gehalt. Dieses übersteigt bei weitem eine bloße Aufwandsentschädigung. Aufwendungen und Auslagen einschließlich Reise- und Bewirtungskosten werden ihm gesondert erstattet. Über eine Anpassung der Vergütung wird mindestens in dreijährigem Rhythmus durch den Stiftungsrat entschieden. Bei Krankheit wird die Vergütung für eine Dauer von sechs Monaten fortgezahlt. Der Kläger zu 1. hat einen Dienstwagen zur Verfügung. Der Kläger zu 1. ist über die Klägerin zu 2. gegen Folgen von Unfällen, die er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit erleidet, versichert. Er hat Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von 31 Arbeitstagen gerechnet auf eine 5-Tage-Woche. Dass der Urlaub dabei so festzulegen ist, dass die Belange der Klägerin zu 2. nicht beeinträchtigt werden, trifft auch für eine Vielzahl anderer Arbeitnehmer im Verhältnis zum Arbeitgeber zu. Im Vorstandsvertrag ist eine Kündigungsfrist vereinbart, was ebenfalls für die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers zu 1. spricht. Die lange Kündigungsfrist von einem Jahr zum Kalenderjahresende ist auch in herausgehobenen Angestelltenpositionen in der freien Wirtschaft keine Seltenheit. Dass gegen die Abberufung - nicht zwingend auch gegen die Kündigung - der Rechtsweg zum Kirchengericht eröffnet ist, steht der Wertung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht entgegen (vgl. BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 18 zum Vorstandsmitglied eines Vereines, für den § 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz einschlägig war).

Der Kläger erzielt seine regelmäßige Vergütung ohne eigenes wirtschaftliches Risiko. Das Risiko der Geschäftshandlungen des Klägers zu 1. trägt die Stiftung. Die den Kläger zu 1. persönlich treffende Gefahr der Haftung für durch schuldhaftes Verhalten entstandene Schäden, leichte Fahrlässigkeit ist dabei ausgeschlossen, ist kein typisches Unternehmerrisiko, denn eine Haftung für schuldhaftes Verhalten trifft auch den Arbeitnehmer (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 73).

Eine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB ist in § 11 der Satzung nur hinsichtlich Geschäften mit steuerbegünstigten Organisationen erfolgt. Auch eine vollständige Befreiung vom Verbot des § 181 BGB wäre nur ein Anhaltspunkt für eine selbständige Tätigkeit (Kass.-Komm.-Seewald, SGB IV, § 7 Rn. 91).

Die Stellung des Klägers zu 1. als Organ der Stiftung schließt ein Beschäftigungsverhältnis nicht aus, dies würde nur dann gelten, wenn lediglich repräsentative Funktionen wahrgenommen würden, was hier nicht der Fall ist. Der Vorstand leitet und verwaltet die Stiftung. Der Kläger zu 1. führt alle laufenden Geschäfte der Stiftung. Damit nimmt er überwiegend dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsfunktionen aus, was für die Begründung eines Beschäftigungsverhältnis spricht (BSGE 47, 201,205 = SozR 2200 § 165 Nr. 32 für die juristische Person des öffentlichen Rechts, BSG SozR 2200 § 165 Nr. 73 vom 15.12.1983 12 RK 57/82 zum Vorstand bürgerlich-rechtlicher Verein, BSG SozR 3-2940 § 3 Nr. 1 vom 21.02.1990 12 RK 47/87 Vorstand einer Genossenschaft).

Auch der Umstand, dass als Mitglied des Vorstandes des Arbeitgebers zugleich auch Einfluss auf dessen Willenbildung genommen werden kann, rechtfertigt keine andere Beurteilung (BSGE 47,201 = SozR 2200 § 165 Nr. 32).
Der Kläger ist auch nicht wie der Vorstand einer Aktiengesel1schaft zu behandeln. Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften und ihre Stellvertreter sind generell keine Beschäftigten §§ 1 S. 4 VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III. Diese Regelungen finden Anwendung auf Vorstände von Aktiengesellschaften, stellvertretende Vorstände und Vorstandsvorsitzende großer Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Eine anderweitige analoge Anwendung ist nach std. Rspr., der sich die Kammer anschließt, abzulehnen (BSG SozR 3-2400, § 7 Nr. 18, SozR 3-2940 § 3 Nr. 1). Die ausnahmsweise Regelung ist auf die Rechtsform bezogen. Damit ist allein die Rechtsform, nicht die tatsächliche Vergleichbarkeit ausschlaggebend. Die Unterscheidung in typisierender Betrachtungsweise ist auch gerechtfertigt, da sich Aktiengesellschaften in Größe und Bedeutung typischerweise von anderen Unternehmen unterscheiden; dies wirkt sich auch bei den Vorstandsmitgliedern aus.
Da die tatsächlichen Umstände nur ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zulassen, ist der Wille der Beteiligten nicht ausschlaggebend.

Die Klagen waren daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Klägers zu 1. beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz, hinsichtlich der Klägerin zu 2. auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und folgt jeweils der Entscheidung in der Hauptsache. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

Rechtsmittelbelehrung: XXX

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