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30.09.2010 · IWW-Abrufnummer 102687

Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 21.07.2010 – 1 K 332/09

1. Die Regelung zur quotalen Ermittlung der auf die ausländische Einkünfte entfallenden deutschen Einkommensteuer nach § 34c EStG, nach der sich die Anrechnung nur auf die steuerliche Durchschnittsbelastung auswirkt, verstößt nicht gegen die Grundsätze des freien Kapitalverkehrs nach Art. 63 AEUV.



2. Es besteht keine Verpflichtung des Gesetzgebers, ausländische Quellensteuer wie inländische Kapitalertragsteuer zu erstatten, wenn eine Anrechnung auf die deutsche Einkommensteuer nicht möglich ist.



3. Der Sitzstaat des Empfängers von Dividenden kann sich darauf beschränken, ausländische Quellensteuer nur im Rahmen der DBA-Regelungen anzurechnen.



4. Im Übrigen spricht auch die Möglichkeit, die ausländische Quellensteuer als Werbungskosten bei den ausländischen Einkünften abzuziehen gegen einen Verstoß gegen die Grundsätze der Freiheit des Kapitalverkehrs. Eine gemeinschaftswidrige Doppelbesteuerung liegt nicht vor.


FG Baden-Württemberg

v. 21.07.2010 - 1 K 332/09

Tatbestand
Streitig ist die Vereinbarkeit der Vorschrift über die Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Einkommensteuer, die auf diese Einkünfte entfällt mit dem Grundsatz der Freiheit des Kapitalverkehrs nach Artikel 63 AEUV.

Die Kläger sind verheiratet und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Im Streitjahr erzielten sie Einnahmen aus Kapitalvermögen. Dabei handelte es sich nicht nur um inländisches Kapitalvermögen sondern auch um Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im Ausland. Die Höhe der Einnahmen, die mit diesen Einnahmen im Zusammenhang stehenden Werbungskosten und die im Ausland entrichtete Quellensteuer sind unstreitig. Die ausländischen Kapital- und Dividendeneinkünfte der Kläger ermitteln sich wie folgt

Kläger
Anz. Steuer
Staat Bank Dividende (max. 15%) WK
Niederlande

Schweiz
USA

Frankreich
Japan
Luxemburg
Übrige Erträge
ohne Steuern
Summe

Ehefrau
Niederlande
Schweiz
Übrige Erträge
ohne Steuern
Summe
Ausländische Steuer insgesamt

Der Beklagte ermittelte die anrechenbare ausländische Steuer mit x.xxx Euro. Auf diese, zwischen den Beteiligten unstreitige Berechnung wird Bezug genommen (Anhang zur Einspruchsentscheidung vom 31.03.2009).

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die vorliegende Klage. Die Kläger tragen vor, dass sie im Ausland insgesamt x.xxx,xx Euro an Quellensteuer entrichtet hätten. Im zuletzt ergangenen Steuerbescheid seien jedoch nur x.xxx Euro auf die insoweit entstandene Steuerschuld angerechnet worden. Die Berechnung des Finanzamts entspreche zwar dem Gesetzeswortlaut, dieser verstoße jedoch gegen die Grundsätze der Freiheit des Kapitalverkehrs innerhalb und außerhalb der EU. In der Checkliste potenziell EG-rechtswidriger Normen des deutschen direkten Steuerrechts – Update 2009 (Der Betrieb 2009, Beilage Heft Nr. 5) werde darauf hingewiesen, dass die Berechnungsformel des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG gegen den Grundsatz der Freiheit des Kapitalverkehrs verstoßen würde. Die Kläger rügen, dass durch diese Art der Steuerberechnung in die Entscheidungsfreiheit Kapitalanlagen im Ausland zu tätigen eingegriffen werde. Da jedoch mit den ausländischen Einkünften im Zusammenhang stehende Werbungskosten zu berücksichtigen seien, und um Unsicherheiten bei der Ermittlung der auf die ausländischen Einkünfte entfallenden Einkommensteuer zu egalisieren, sei nicht die gesamte ausländische Quellensteuer anzurechnen sondern nur ein weiterer Teilbetrag von x.xxx Euro.

Die Kläger beantragen,

die im Wege der Steuerfestsetzung ergangene Einspruchsentscheidung vom 31.03.2009 zu ändern und die Einkommensteuer um x.xxx Euro zu ermäßigen

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Ermittlung der anrechenbaren ausländischen Steuer und die auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer nach § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG nicht gegen die Regelungen der Freiheit des Kapitalverkehrs verstößt.

Im Klageverfahren fand ein Erörterungstermin statt. Auf das Protokoll wird entsprechend Bezug genommen. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.



Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Regelung des § 34c Abs. 1 Satz 2 verstößt nicht gegen die Grundsätze der Freiheit des Kapitalverkehrs.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die anrechenbare ausländischen Quellensteuer und die auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer den Vorschriften des § 34c Abs. 1 i.V.m. 34c Abs. 6 EStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) entspricht.

Die von den Klägern erzielten ausländischen Dividenden und Zinseinnahmen stammen jeweils aus Ländern, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Die Regelungen der einschlägigen DBA`s sehen jeweils ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik für die ausländischen Dividendeneinnahmen vor. Die im Ausland erhobene Quellensteuer ist auf die deutsche Einkommensteuer nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts anzurechnen. Dies folgt im Einzelnen für die Einkünfte aus

• den Niederlanden aus den Art. 13, 20 Abs. 2 DBA,

• der Schweiz aus den Art. 10, 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA,

• aus Frankreich aus Art. 9, 20 Abs. 1c DBA,

• aus Luxemburg aus Art. 13, 20 Abs. 3 DBA,

• aus Japan aus Art. 10, 23b DBA und

• den USA aus Art. 10, 23 Abs. 3b DBA.

Soweit in den Doppelbesteuerungsabkommen die Anrechnung der ausländischen Steuer auf die deutsche Einkommensteuer vorgesehen ist, ist die Regelung des § 34c Abs. 2 Satz 2 bis 5 EStG entsprechend auf die nach dem Abkommen anzurechnende ausländische Steuer anzuwenden, § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG.

Damit ist die auf die ausländischen Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer in der Weise zu ermitteln, dass die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens, einschließlich der ausländischen Einkünfte ergebende deutsche Einkommensteuer im Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt wird, § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG. Die Anrechnung wirkt sich auf die steuerliche Durchschnittsbelastung aus. Persönliche Freibeträge, SA und außergewöhnliche Belastungen werden im Ergebnis anteilig gekürzt. Ist die ausländische Steuer geringer als der sich nach dieser Formel ergebende Höchstbetrag, kann sie insgesamt angerechnet werden. Ist die ausländische Steuer hingegen höher als der Höchstbetrag, so bleibt der nicht anzurechnende Teil der ausländischen Steuer unberücksichtigt. Ergibt sich ein Überhang ausländischer Steuer, der nicht zur Anrechnung kommt, so ist eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO nicht gerechtfertigt (BFH-Urteil vom 26.10.1972, I R 125/70, BStBl II 73, 271). Insbesondere bei einem niedrigen inländischen Steuersatz kann sich ein Überhang nicht abziehbarer ausländischer Steuern ergeben.

Die Regelung zur quotalen Ermittlung der auf die ausländischen Einkünfte entfallenden deutschen Einkommensteuer auf die ausländischen Einkünfte verstößt nicht gegen die Grundsätze des freien Kapitalverkehrs nach Art. 63 AEUV.

Nach dieser Vorschrift sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt Art. 63 AEUV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Dies darf jedoch nach Art. 65 Abs. 3 AEUV weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs i.S.d. Art. 63 AEUV darstellen.

In der Literatur wird teilweise vertreten, dass die durch die Berechnungsformel des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG eintretende Verkürzung der Berücksichtigung entrichteter Quellensteuern gegen den Grundsatz der Freiheit des Kapitalverkehrsverstoßen könnte (Cordewener / Schnitger, StuW 2006,50; Geurts in Frotscher EStG Kommentar, § 34c EStG Rz. 29; Kessler, Der Betrieb 2009 Beilage zu Heft Nr. 5). Andere Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die Regelung mit EU Recht vereinbar sei (Wagner in Blümich EStG Kommentar § 34c EStG Rz. 14; Kuhn in Herrmann / Heuer / Raupach Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz Kommentar § 34c EStG Anm. 79; Kirchhof /Gosch § 34c Rn. 32).

In der Rechtsprechung wurde bisher ein Verstoß der Regelung des § 34c Abs. 1 EStG gegen EU Recht verneint. Der BFH hat eine Verpflichtung des Gesetzgebers, ausländische Quellensteuern wie inländische Kapitalertragsteuern zu erstatten, wenn eine Anrechnung auf die deutsche Einkommensteuer nicht möglich ist, ausdrücklich abgelehnt (BFH-Beschluss vom 3.12.2003 I S 10/03 (PKH), BFH/NV 2004,525; die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen BVerfG, Beschluss vom 9.9.2004 ). Auch hat er bei Vermeidung der Doppelbesteuerung durch ein DBA einen Verstoß gegen den Grundsatz der Freiheit des Kapitalverkehrs verneint (BFH-Urteil vom 22.04.2009 I R 53/07, BFH/NV 2009, 1543).

In der Rechtsprechung der Finanzgerichte wird ein Verstoß gegen EU Recht ebenfalls verneint (FG Köln, Urteil vom 11.07.2002, 7 K 8572/98, EFG 2002, 1391; Hamburg, Beschluss vom 14.03.2006 VI 373/03, Juris Rechtsprechungsdatenbank; vgl. auch Hahn Juris PR 32/2006 Anm. 5).

Auch nach der Rechtsprechung des EuGH kann sich der Sitzstaat des Empfängers von Dividenden darauf beschränken, ausländische Quellensteuern nur im Rahmen der einschlägigen DBA Regelungen anzurechnen ( EuGH Urteil vom 14.12.2006, C 194/06 Orange European Smallcap Fund IStR 2008, 435).

Der Senat ist der Überzeugung, dass die Vorschrift des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG nicht gegen EU Recht verstößt. Dies folgt zur Überzeugung des Senats bereits aus der Rechtsprechung des EuGH, der den Sitzstaat des Dividendenempfängers lediglich verpflichtet, ausländische Quellensteuer nach Maßgabe des DBA Rechts anzurechnen. Eine darüber hinausgehende Anrechnung ausländischer Quellensteuer ist nach der Rechtsprechung des EuGH dagegen nicht geboten. Im Übrigen spricht auch die Möglichkeit, die ausländische Quellensteuer als Werbungskosten bei den ausländischen Einkünften abzuziehen gegen einen Verstoß gegen die Grundsätze der Freiheit des Kapitalverkehrs. Eine gemeinschaftsrechtswidrige Doppelbesteuerung liegt daher nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Die Revision wird angesichts der unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur und der fehlenden Rechtsprechung, soweit die Dividendeneinkünfte den Sparerfreibetrag übersteigen, zugelassen, § 115 FGO.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 34c DBA-Niederlande Art. 13 DBA-Niederlande Art. 20 Abs. 2 DBA CHE Art. 10 DBA CHE Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA FRA Art. 9 DBA FRA Art. 20 Abs. 1c DBA-Luxemburg Art. 13 DBA-Luxemburg Art. 20 Abs. 3 DBA-Japan Art. 10 DBA-Japan Art. 23b DBA USA Art. 10 DBA USA Art. 23 Abs. 3b A EUV Art. 63 A EUV Art. 65 Abs. 1a A EUV Art. 65 Abs. 3

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