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31.08.2010 · IWW-Abrufnummer 102443

Finanzgericht Münster: Urteil vom 06.05.2010 – 5 K 3950/07

Für die Frage, wann bei einer Betriebsveranstaltung die Befriedigung des privaten Bedarfs von betrieblichen Zwecken überlagert wird, ist die Rechtsprechung des BFH zur lohnsteuerrechtlichen Behandlung von Betriebsveranstaltungen heranzuziehen. Danach waren Aufwendungen in Höhe von 200,-- bis 250,-- EUR pro Mitarbeiter nicht im überwiegenden Arbeitgeberinteresse, sondern stellten umsatzsteuerpflichtige unentgeltliche Wertabgaben an Arbeitnehmer dar.


Finanzgericht Münster v. 06.05.2010

5 K 3950/07 U

Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen für Betriebsausflüge unentgeltliche Wertabgaben an Arbeitnehmer der Klägerin (Klin.) darstellen.

Die Klin. ist eine zum 31. März 2006 aufgelöste, aber noch nicht vollbeendete Steuerberatungspraxisgemeinschaft, die in den Streitjahren 18 Arbeitnehmer beschäftigte. Sie veranstaltete jeweils einen Betriebsausflug jährlich. Die Bruttokosten hierfür beliefen sich im Jahr 2003 auf 3.694,22 EUR und im Jahr 2004 auf 4.610,85 EUR. Die Klin. nahm eine pauschalierte Lohnversteuerung in Höhe von 25% dieser Aufwendungen vor.

In ihren am 23. August 2004 (für 2003) bzw. 15. Juli 2005 (für 2004) eingegangenen Umsatzsteuerjahreserklärungen gab die Klin. keine Umsätze im Hinblick auf die Betriebsausflüge an. Eine vom Finanzamt T durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung kam zu dem Ergebnis, dass wegen der Überschreitung der Freigrenze von 110,– EUR pro Arbeitnehmer die Betriebsausflüge gemäß Abschn. 12 der Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) steuerbare und steuerpflichtige Umsätze auslösten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tz. 1.1 des Prüfungsberichts vom 8. November 2005 Bezug genommen.

Der Bekl. folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ am 23. Februar 2006 entsprechende Umsatzsteueränderungsbescheide, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen. Am 27. Februar 2006 beantragte die Klin., die Bescheide gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) im Hinblick auf die Besteuerung der Betriebsausflüge zu ihren Gunsten zu ändern, da sich aus einer Auslegung der UStR und der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) ergebe, dass die Freigrenze von 110,– EUR für die Umsatzsteuer nicht gelte. Der Bekl. lehnte die Änderung mit Bescheid vom 12. Januar 2007 ab, gegen den die Klin. Einspruch einlegte.

Mit Einspruchsentscheidung vom 21. August 2007 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Die Aufwendungen für die Betriebsveranstaltungen seien als Zuwendungen von sonstigen Leistungen an das Personal für dessen privaten Bedarf nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerbar. Aufwendungen für den privaten Bedarf der Arbeitnehmer seien zwar nicht steuerbar, wenn sie überwiegend durch das betriebliche Interesse des Arbeitgebers veranlasst seien. Dies sei bei Betriebsveranstaltungen aber nur dann der Fall, wenn sie sich im üblichen Rahmen hielten. Zur Beurteilung der Üblichkeit seien die zur Lohnsteuer ergangene BFH-Rechtsprechung und die LStR heranzuziehen. Letztere sähen für die Streitjahre eine Freigrenze von 110,– EUR pro Arbeitnehmer vor, bei deren Überschreitung nicht mehr von einem überwiegenden betrieblichen Interesse ausgegangen werden könne.

Die Klin. hat am 20. September 2007 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, die Frage, ob ein betriebliches Interesse vorliege oder nicht, könne nicht anhand einer allgemeinen Grenze beantwortet werden, sondern sei vielmehr kanzleispezifisch und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu überprüfen. Im Streitfall seien die Aufwendungen ausschließlich im betrieblichen Interesse getätigt worden. Um die Leistungsbereitschaft ihrer Arbeitnehmer sowie die Mitarbeiter- und die Mandatsbindung zu erhöhen, zahle sie überdurchschnittlich hohe Gehälter mit entsprechenden Sozialleistungen, zu denen nach ihrer Kanzleiphilosophie auch die Veranstaltung entsprechender Betriebsausflüge gehöre. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Kanzlei in einer kleinen Stadt liege, in der sie als einer von wenigen Steuerberatern eine besondere Stellung habe.

Die Klin. beantragt,

den Bekl. unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 12. Januar 2007 und der Einspruchsentscheidung vom 21. August 2007 zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide für 2003 und 2004 vom 23.Februar 2006 dahingehend zu ändern, dass die Steuer für 2003 auf 131.515,70 EUR und für 2004 auf 147.838,53 EUR herabgesetzt wird,

hilfsweise für den Unterliegensfall,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Unterliegensfall,

die Revision zuzulassen.

Er verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

In der Sache wurde am 6. Mai 2010 vor dem Senat mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.



Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Ablehnung der beantragten Änderung der Umsatzsteuerbescheide ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klin. nicht in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung, FGO). Der Bekl. hat die Änderung der Bescheide nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO zu Recht abgelehnt, da sie rechtmäßig sind. Die Veranstaltung der Betriebsausflüge in den Streitjahren führten zu steuerbaren Umsätzen nach § 3 Abs. 9a Nr. 2, 2. Alt. UStG.

Nach dieser Vorschrift wird die unentgeltliche Erbringung einer sonstigen Leistung durch einen Unternehmer für den privaten Bedarf seines Personals einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen. Da die Vorschrift bei richtlinienkonformer Auslegung (Art. 5 Abs. 6, Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG) nicht anwendbar ist, wenn die Zuwendung des Unternehmers im Hinblick auf besondere Umstände geboten ist ( EuGH-Urteil vom 16. Oktober 1997 C-258/95 – Fillibeck – Slg. 1997, I-5577, HFR 1998, 61), entfällt die Steuerbarkeit, wenn die Befriedigung des privaten Bedarfs der Arbeitnehmer durch die mit der Maßnahme verfolgten betrieblichen Zwecke überlagert wird (BFH-Urteile vom 28. Mai 1998 V R 26/95, BFHE 186, 154, BStBl II 1998, 589; vom 9. Juli 1998 V R 105/92, BFHE 186, 157, BStBl II 1998, 635; vom 16. Dezember 1999 V R 43/99, HFR 2000, 596, BFH/NV 2000, 994 und vom 29. Mai 2008 V R 17/07, HFR 2008, 1271, BFH/NV 2008, 1893).

Für die Frage, wann bei einer Betriebsveranstaltung die Befriedigung des privaten Bedarfs von betrieblichen Zwecken überlagert wird, ist nach Auffassung des Senats die Rechtsprechung des BFH zur lohnsteuerrechtlichen Behandlung von Betriebsveranstaltungen heranzuziehen. Die lohnsteuerrechtlichen Abgrenzungskriterien für die Frage, wann bei einer Betriebsveranstaltung Arbeitslohn vorliegt, sind mit den umsatzsteuerrechtlichen Abgrenzungskriterien nahezu deckungsgleich. Steuerpflichtiger Arbeitslohn liegt nämlich dann nicht vor, wenn die Zuwendung im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers erfolgt (z.B. BFH-Urteil vom 20. Mai 1983 VI R 39/81, BFHE 138, 555, BStBl II 1983, 712).

Im Hinblick auf Betriebsveranstaltungen hat der BFH für die Jahre 1983 bis 1986 entschieden, dass bei der Überschreitung eines Höchstbetrages von 150,– DM pro Teilnehmer einer Betriebsveranstaltung steuerpflichtiger Arbeitslohn vorliegt (BFH-Urteil vom 25. Mai 1992 VI R 85/90, BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655). Für die Jahre 1996 und 1997 hat er unter grundsätzlicher Bestätigung dieser Rechtsprechung den Höchstbetrag auf 200,– DM angehoben (BFH-Urteil vom 16. November 2005 VI R 151/00, BFHE 211, 325, BStBl II 2006, 442).

Der Senat hält es aus Gründen der Praktikabilität für erforderlich, die Frage des eigenbetrieblichen Interesses bei Betriebsveranstaltungen für Zecke der Umsatzsteuer ebenfalls nach einer betragsmäßigen Grenze zu beurteilen. Eine Prüfung der unternehmensbezogenen und regionalen Besonderheiten in jedem Einzelfall ist aus Sicht des erkennenden Senats nicht durchführbar. Es sind auch keine anderen objektiven Kriterien ersichtlich, nach denen im Hinblick auf Betriebsveranstaltungen eine Prüfung mit angemessenem Aufwand durchgeführt werden könnte.

Die Klin. hat als Unternehmerin durch die Veranstaltung von Betriebsausflügen sonstige Leistungen unentgeltlich an ihre Arbeitnehmer erbracht. Die Leistungen diensten auch dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer, da bei Betriebsausflügen typischerweise Leistungen der Freizeitgestaltung und Verpflegung erbracht werden. Die privaten Zwecke werden auch nicht durch betriebliche Zwecke der Klin. überlagert. Im Streitfall belaufen sich die Gesamtaufwendungen für die Betriebsausflüge auf 3.694,22 EUR (2003) bzw. 4.610,85 EUR (2004) brutto. Geht man zugunsten der Klägerin davon aus, dass jeweils alle 18 Arbeitnehmer teilgenommen haben, betragen die Aufwendungen pro Teilnehmer und Veranstaltung ca. 200,– EUR bis 250,– EUR. Der vom BFH aufgestellte Höchstbetrag wäre selbst dann deutlich überschritten, wenn man aufgrund gestiegener Preise vom Erfordernis einer weiteren Anhebung der Freigrenze ausginge.

Darüber hinaus liegen keine besonderen Umstände vor, die die Zuwendung der Betriebsveranstaltungen als geboten erscheinen lassen. Der Umstand, dass Betriebsausflüge zur Verbesserung des Arbeitsklimas und damit möglicherweise auch der Steigerung der Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer dienen, sieht der Senat nicht als besonderes Erfordernis an, das eine Überlagerung der privaten Belange der Arbeitnehmer durch betriebliche Interessen der Klin. rechtfertigen würde.

Bei der Veranstaltung der Betriebsausflüge handelt es sich auch nicht um Aufmerksamkeiten. Aufmerksamkeiten sind Zuwendungen des Arbeitgebers, die ihrer Art nach und ihrem Wert Geschenken entsprechen, die im gesellschaftlichen Verkehr üblicherweise ausgetauscht werden und zu keiner ins Gewicht fallenden Bereicherung des Arbeitnehmers führen (BFH-Urteil vom 24. November 1992 V R 44/88, BFH/NV 1994, 200). Hiervon kann ausgegangen werden, wenn eine Wertgrenze von 40,– EUR nicht überschritten wird (Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, Umsatzsteuer Kommentar, § 3 Rn. 74c; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rn. 366; Abschn. 12 Abs. 3 Satz 2 UStR 2008). Diese wird im Streitfall deutlich überschritten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

RechtsgebietEWGVorschriftenRL 77/388/EWG Art. 5 Abs 6 RL 77/388/EWG Art. 6 Abs 2 Buchst a UStR Abschn 12 UStG § 3 Abs 9a Nr 2

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