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31.08.2010 · IWW-Abrufnummer 102428

Finanzgericht München: Urteil vom 19.05.2010 – 3 K 1180/08

1. Der Senat neigt dazu, dass die zurückgegebene Rechnung die Rechnungsberichtigung gegenüber dem Rechnungsempfänger nur dann ersetzen kann, wenn der Rechnungsaussteller das Original der zurückerhaltenen Rechnung vorweisen kann.



2. § 14c UStG erfasst nur Rechnungen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, da nur insoweit eine Gefährdung des Steueraufkommens durch den Umsatzsteuerausweis zu besorgen ist.



3. Als Belegnachweis für eine steuerfreie Ausfuhrlieferung genügt es nicht, dass der Unternehmer den Beleg mit dem Sichtvermerk der Ausgangszollstelle eingescannt hat, nur noch auf einem Datenträger aufbewahrt und nach Vernichtung der Originalbelege nur noch eine entsprechende Datei oder den Ausdruck derselben, nicht aber den Originalbeleg zur Verfügung stellen kann.


FG München v. 19.05.2010

3 K 1180/08

Tatbestand

Gründe
I.

Streitig ist, ob Dateien, die durch Einscannen von Ausfuhrbelegen erstellt wurden, den Belegnachweis für steuerfreie Ausfuhrlieferungen erbringen können.

Mit Schreiben vom 11. September 2007 legte die GmbH dem beklagten Finanzamt (FA) Ausdrucke eingescannter Unterlagen, insbesondere Ausfuhrkassenzettel gemäß § 6 Abs. 3a Umsatzsteuergesetz (UStG), § 17 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vor (Bl. 19 ff. USt-Akte).

1. Laut Scanausdruck einer Rechnung vom 3. Februar 2004 verkaufte die GmbH an einen Herrn W, CH, zwei Gegenstände für 89,65 EUR zuzüglich 16% Mwst in Höhe von 14,34 EUR.

2. Laut einem weiteren Scanausdruck einer Rechnung vom 4. September 2004 verkaufte die GmbH an einen in der Rechnung nicht benannten Abnehmer einen Gegenstand für 300,86 EUR zuzüglich 16% Mwst in Höhe von 48,14 EUR (zusammen 349 EUR). Nach dem beigefügten Scanausdruck eines Ausfuhrkassenzettels war Abnehmer ein K aus Ankara, Türkei.

3. Laut einem dritten Scanausdruck einer Rechnung vom 23. September 2004 verkaufte die GmbH an eine Frau K, Mosambik, mehrere Gegenstände für 176,72 EUR zuzüglich 16% Mwst in Höhe von 28,27 EUR.

Bei den vorgenannten Belegen handelte es sich um Ausdrucke aus einem „optischen Belegarchiv”. Die Originale in Papierform waren nach dem Scanvorgang vernichtet worden.

Mit unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2004 vom 16. November 2007 für die GmbH versagte das FA die Steuerbefreiung aus den vorgenannten Umsätzen. Die GmbH war bis zum … 2005 umsatzsteuerliche Organträgerin der …, die als GmbH geführt wurden.

Gegen diesen Änderungsbescheid erhob die GmbH am 7. Dezember 2007 Einspruch.

Am 19. Dezember 2007 wurde die Klägerin, die GmbH, infolge übertragender Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der GmbH.

Mit Einspruchsentscheidung vom 4. März 2008 wies das FA dieser gegenüber den Einspruch als unbegründet zurück.

Dagegen ist die Klage gerichtet. Zur Klagebegründung trägt die Klägerin vor, die hier streitigen, jeweils mit Dienststempelabdruck der Grenzzollstelle versehenen Ausfuhrnachweise hätten der Klägerin tatsächlich vorgelegen und seien nach dem Einscannen durch einen externen Dienstleister elektronisch archiviert worden. Die §§ 8 ff. UStDV stünden der Steuerbefreiung der Ausfuhr nicht entgegen; sie verlangten nicht, dass die betreffenden Dokumente einer kriminaltechnischen Prüfung auf Echtheit zugänglich sein müssten. Die elektronische Archivierung von Ausfuhrnachweisen sei nach § 147 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) zulässig, dessen Anforderungen – wie ein unabhängiger Bestätigungsvermerk belege – vorliegend erfüllt seien. Wenn und soweit bei Ausfuhrnachweisen mittels Grenzzollstempel erst kriminaltechnische Untersuchungen notwendig seien, um die Echtheit des Stempels abschließend beurteilen zu können, hätte die Klägerin jedenfalls auf die Steuerbefreiung ihres Umsatzes vertrauen können, da es eine unzumutbare Belastung der Klägerin wäre, sie zur Durchführung kriminaltechnischer Untersuchungen zu zwingen.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 27. Juni und 1. Oktober 2008 sowie 12. Mai 2010 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 16. November 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. März 2008 die Umsatzsteuer für 2004 auf … herabzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf den Schriftsatz des FA vom 15. Juli 2008 wird ebenfalls verwiesen.

Es wird ferner Bezug genommen auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung.



Gründe

II.

Die Klage ist teilweise begründet.

1. a) Es kann dahinstehen, ob die Lieferung an Herrn W gemäß § 6 UStG steuerfrei ist, da die Klägerin – sollten die gescannten Belege die Wirklichkeit wieder geben – die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG – der dem vormaligen § 14 Abs. 2 UStG entspricht – schuldet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1992 V R 48/90, BStBl II 1993, 251; Abschn. 190c Abs. 1 Satz 5 Nr. 2, Abs. 7 UStR 2008).

Eine Berichtigung des Steuerausweises gegenüber dem Leistungsempfänger W durch Zugang einer berichtigten Rechnung im Streitjahr (vgl. § 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs.1 UStG) hat die Klägerin nicht nachgewiesen (vgl. EuGH-Urteil vom 18. Juni 2009 Rs. C 566/07 – Stradeco; http://curia.europa.eu, Rn. 47).

Aus Vereinfachungsgründen verzichtet die Verwaltung auf die Rechnungsberichtigung, wenn der ausländische Abnehmer die ursprüngliche Rechnung bzw. den ursprünglichen Kassenbon an den Unternehmer zurückgibt und dieser den zurück erhaltenen Beleg aufbewahrt (Abschn. 190c Abs. 7 Satz 3 UStR 2008; BMF-Schreiben vom 28.5.2004, BStBl 2004 I S. 535 Tz. 2). Darin liegt indes nicht die gesetzlich geforderte Rechnungsberichtigung durch den Aussteller gegenüber dem Leistungsempfänger (vgl. § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG). Das Gericht kann dahinstehen lassen, ob die Rückgabe der Originalrechnung dem Regelungsziel, eine Gefährdung des Steueraufkommens zu vermeiden, nicht ebenso entspricht (vgl. EuGH Stradeco, Rn. 38). Da die Klägerin den zurückerhaltenen Beleg nicht aufbewahrt hat, sondern nur eine (digitale) Kopie vorliegt, kann die Klägerin den Beweis nicht antreten, dass sie die Originalrechnung zurückerhalten hat (oder der vorliegende Beleg nur eine Kopie der Originalrechung darstellt). Der Senat neigt dazu, dass die zurückgegebene Rechnung die Rechnungsberichtigung gegenüber dem Rechnungsempfänger nur dann ersetzen kann, wenn der Rechnungsaussteller das Original der zurückerhaltenen Rechnung vorweisen kann. Letztlich kann dies aber dahinstehen, da die Klage insoweit im Streitfall auch mangels Nachweises der Steuerbefreiung keinen Erfolg haben könnte (siehe unten).

b) Hingegen löst die Rechnung (vom 4. September 2004), die die Klägerin dem Abnehmer K zuordnet, keine Steuerschuld nach § 14c UStG aus, weil die Rechnung nicht den Namen und die Anschrift des Leistungsempfängers enthält, keine Kleinbetragsrechnung ist (vgl. § 33 UStDV) und somit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG; Art. 18 i.V.m. Art. 22 Abs. 3 Buchst. b fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG [in der im Streitjahr geltenden Fassung]). § 14c UStG erfasst aber nur Rechnungen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, da nur insoweit eine Gefährdung des Steueraufkommens durch den Umsatzsteuerausweis zu besorgen ist (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 1995 V R 29/94, BStBl II 1995, 747; a.A. Abschn. 190c Abs. 2 und 3 UStR 2008 und BMF-Schreiben vom 29.1.2004, BStBl 2004 I S. 258 Rn. 82). Eine nach § 14 UStG ausgestellte Rechnung liegt nur vor, wenn diese die nach § 14 Abs. 4 UStG erforderlichen Pflichtangaben enthält (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2008 XI R 62/07, BStBl II 2009, 432). Zwar ergeben sich Name und Anschrift des Herrn K aus dem Ausfuhrkassenzettel, der aber nicht von der Klägerin als leistende Unternehmerin stammt, und auch von der Rechnung nicht in Bezug genommen ist.

c) Die Rechnung (vom 23. September 2004) an Frau K bewirkt ebenso wenig eine Steuerschuld nach § 14c UStG, weil die Rechnung nicht die vollständige Anschrift der Leistungsempfängerin enthält (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG; Art. i.V.m. Art. 22 Abs. 3 Buchst. b fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG). Es fehlt die Angabe von Straße und Hausnummer der Leistungsempfängerin.

2. Die Steuerbefreiung für eine Ausfuhrlieferung an die Abnehmer K und K kann das Gericht nicht schon deshalb zusprechen, weil die Klägerin die erforderlichen Belegnachweise erbracht hätte und keine konkreten Zweifel an den Voraussetzungen der Steuerbefreiung bestehen würden.

Aus den von der Klägerin vorgelegten Belegen (insbesondere den Bescheinigungen i.S.d. § 6 Abs. 3a UStG) ergibt sich – wie die mündliche Verhandlung bestätigt hat – ihr Sachvortrag, dass die Abnehmer den Gegenstand der Lieferung im persönlichen Reisegepäck in das Drittlandsgebiet (Türkei, Mosambik) befördert und nicht für unternehmerische Zwecke erworben haben.

a) Insoweit ist zum einen Voraussetzung für eine steuerfreie Ausfuhrlieferung, dass bei einer Lieferung der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG (was vorliegend nicht in Betracht kommt), befördert hat und ein ausländischer Abnehmer ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG). Ein ausländischer Abnehmer ist ein Abnehmer, der seinen Wohnort oder Sitz im Ausland hat (§ 6 Abs. 2 Satz Nr. 1 UStG).

Wird der Gegenstand der Lieferung nicht für unternehmerische Zwecke erworben und durch den Abnehmer im persönlichen Reisegepäck ausgeführt (wovon die Klägerin offensichtlich ausgeht), liegt eine Ausfuhrlieferung ferner nur vor, wenn der Abnehmer seinen Wohnort oder Sitz im Drittlandsgebiet hat und der Gegenstand der Lieferung vor Ablauf des dritten Kalendermonats, der auf den Monat der Lieferung folgt, ausgeführt wird (§ 6 Abs. 3a UStG).

Erstreckt sich die Lieferung auf Gegenstände zur Mitführung im persönlichen Gepäck von Reisenden, so gilt diese Steuerbefreiung gemäß Art. 15 Nr. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG nur, wenn der Reisende u.a. nicht in der Gemeinschaft ansässig ist und die Gegenstände vor Ablauf des dritten auf die Lieferung folgenden Kalendermonats nach Orten außerhalb der Gemeinschaft befördert werden. Insoweit gilt als nicht in der Gemeinschaft ansässiger Reisender ein Reisender, dessen Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt sich nicht in der Gemeinschaft befindet (Art. 15 Nr. 2 Unterabs. 3 Spiegelstrich 1 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Zur Anwendung dieser Bestimmung gilt als „Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort” der Ort, der im Reisepass, im Personalausweis oder in jedem sonstigen Dokument eingetragen ist, das in dem Mitgliedstaat, in dem die Lieferung erfolgt, als Identitätsnachweis anerkannt ist (Art. 15 Nr. 2 Unterabs. 3 erster Gedankenstrich Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG).

b) Die vorgenannten Voraussetzungen müssen vom Unternehmer (hier also der Klägerin) beleg- und buchmäßig nachgewiesen werden (§ 6 Abs. 4 Satz 1 UStG, §§ 8 ff. UStDV). Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer die Nachweise zu führen hat (§ 6 Abs. 4 Satz 2 UStG; vgl. §§ 8 ff. UStDV), wobei die Nachweise nicht mehr als materielle Voraussetzungen der Steuerbefreiung zu beurteilen sind (BFH-Urteil vom 28. Mai 2009 V R 23/08, BFHE 226, 177). Der Unternehmer kann die Steuerbefreiung beanspruchen, wenn er die Nachweisanforderungen erfüllt und keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Nachweise bestehen (BFH-Urteil vom 31. Juli 2008 V R 21/06, BFHE 222, 143).

Im Streitfall hat die Klägerin jedoch den gesetzlichen Nachweis dafür, dass es sich bei den streitigen Lieferungen um steuerfreie Ausfuhrlieferungen handelt, nicht erbracht, da sie den Abnehmernachweis bei Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr (§ 17 UStDV) nicht im Original vorlegen und damit den entsprechenden Urkundenbeweis nicht führen kann.

Bei Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr soll der Beleg nach § 9 UStDV neben Namen und Anschrift des Abnehmers eine Bestätigung der Ausgangszollstelle eines Mitgliedstaats enthalten, dass Name und Anschrift des Abnehmers mit den Eintragungen in dem vorgelegten Pass oder sonstigen Grenzübertrittspapier desjenigen übereinstimmen, der den Gegenstand in das Drittlandsgebiet verbringt (§ 17 UStDV).

Dieses Nachweiserfordernis ist im Lichte der Regelung in Art. 15 Nr. 2 Unterabsatz 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG zu sehen, wonach insoweit der Nachweis der Ausfuhr durch Rechnungen oder entsprechende Belege erbracht wird, die mit dem Sichtvermerk der Ausgangszollstelle der Gemeinschaft versehen sein müssen. Unter Sichtvermerk versteht die deutsche Finanzverwaltung – nach Auffassung des Gerichts richtlinienkonform – den Dienststempelabdruck der Ausgangszollstelle mit Namen der Zollstelle und Datum auf der vorgelegten Rechnung oder dem vorgelegten Ausfuhrbeleg (Abschn. 137 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 2 UStR 2008).

Jeder Mitgliedstaat hat der Kommission ein Muster des von ihm für die Erteilung des in Art. 15 Nr. 2 Unterabsatz 3 zweiter Gedankenstrich genannten Sichtvermerks verwendeten Stempelabdrucks zu übermitteln (Art. 15 Nr. 2 Unterabsatz 4 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Die Kommission leitet diese Information an die Steuerbehörden der übrigen Mitgliedstaaten weiter (Art. 15 Nr. 2 Unterabsatz 4 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG). Diese Vorkehrungen belegen die besondere Bedeutung, die die Richtlinie 77/388/EWG in diesen Fällen dem Stempelabdruck und dessen Überprüfung beimisst.

Der mit dem Sichtvermerk der Ausgangszollstelle versehene Beleg muss vom Steuerpflichtigen als Beweisurkunde der zuständigen Finanzbehörde nach Maßgabe des § 97 AO und in einem anschließenden gerichtlichen Verfahren dem Gericht (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 2, § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 97 Abs. 1 und 3 AO) im Original vorgelegt werden, damit diese Echtheit und Wahrheit der Urkunde und hier insbesondere – wie sich aus den Regelung des Art. 15 Nr. 2 Unterabsatz 4 der Richtlinie 77/388/EWG erschließt – die Authentizität des Stempelabdrucks prüfen können. Das bloße Abstempeln einer Bescheinigung durch einen Zollbediensteten bewirkt auch ohne Beifügung seines Namens das Herstellen einer öffentlichen Urkunde (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 21. August 2002 Az. 1 Ss 93/01 I 5/02, NStZ-RR 2004, 172). Die Ablichtung einer Urkunde ist als solche keine Urkunde im Sinne der §§ 415 ff. ZPO ( BGH-Urteil vom 21. Januar 1992 XI ZR 71/91 , NJW 1992, 829). Dies gilt umso mehr für die hier vorliegenden Ausdrucke (nach Angaben der Klägerin) gescannter Urkunden.

Der Senat hat Zweifel, ob der Sichtvermerk der Ausgangszollstelle und der Beleg nach § 9 UStDV, der den Sichtvermerk enthält (vgl. § 17 Nr. 2 UStDV), als „Unterlagen” i.S.d. § 147 AO anzusehen sind. Falls dies zu bejahen ist, kann insoweit angesichts der Bedeutung des Sichtvermerks allenfalls ein Beleg i.S.d. § 147 Abs. 1 Nr. 4 AO und nicht lediglich eine sonstige, für die Besteuerung bedeutsame Unterlage i.S.d. § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO vorliegen (so offenbar auch Abschn. 131 Abs. 4 UStR 2000 bzw. 2008).

Nach § 147 Abs. 2 AO können die in § 147 Abs. 1 AO aufgeführten Unterlagen, insbesondere „Buchungsbelege”, auch auf Datenträgern aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und insbesondere „sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten mit den Buchungsbelegen bildlich und mit den anderen Unterlagen inhaltlich übereinstimmen, wenn sie lesbar gemacht werden” (Abschnitt 131 Abs. 4 Satz 2 UStR 2000).

Ausgehend von der vorgenannten Regelung des Art. 15 Nr. 2 Unterabsatz 4 der Richtlinie 77/388/EWG genügt es insoweit nicht, dass die Klägerin im Streitfall den Beleg mit dem Sichtvermerk der Ausgangszollstelle eingescannt hat, nur noch auf einem Datenträger aufbewahrt und nach Vernichtung der Originalbelege nur noch eine entsprechende Datei oder den Ausdruck derselben, nicht aber den Originalbeleg zur Verfügung stellen kann. Bei digitalisierten Ausfuhrbelegen, die Zollstempel enthalten, ist in diesem Fall nicht hinreichend feststellbar, ob der Stempelabdruck durch einen Originalstempel aufgebracht oder nur aufgedruckt (vgl. zu Fälschungen durch Aufdrucken von Zollstempeln BGH-Beschluss vom 28. Juli 1999 Az. 5 StR 684/98, HFR 2000, 535) bzw. aufkopiert wurde. Anhand der Stempelabdrucke – ggf. der vom anderen Mitgliedstaat übermittelten – kann in diesem Fall nicht mehr überprüft werden, ob der Originalstempelabdruck aufgebracht oder nur aufgedruckt oder aufkopiert wurde (vgl. auch BFH-Beschluss vom 26. März 2009 V B 179/07, BFH/NV 2009, 1477). Insoweit fehlt es an einer „bildlichen” Übereinstimmung der digitalen Daten, wenn sie lesbar gemacht werden, mit dem Originalbeleg, da bei der Lesbarmachung die vorgenannten Manipulationen nicht erkennbar würden. Überdies werden die Stempel im Streitfall auch nicht in der richtigen Größe (dem richtigen Stempeldurchmesser) wiedergegeben. Bei der optischen Archivierung im Streitfall handelt es sich zudem nur um Schwarz-Weiß-Kopien ohne Farbauflösung und Farbtreue. Eine Überprüfung des Stempelabdrucks auf Farbabweichungen wurde daher durch die Aufbewahrungsmethode der Klägerin ebenfalls unmöglich gemacht.

Es ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass die zuständigen Finanzbehörden der Klägerin „für einzelne Fälle”) oder allgemein „für bestimmte Gruppen”) gemäß § 148 AO Erleichterungen bewilligt haben. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hatte die Klägerin keine Gestattung der Finanzbehörden für die von ihr vorgenommene Belegarchivierung.

c) Ob die Klägerin etwa vorliegende Stempelfälschungen ohne kriminaltechnische Untersuchungen nicht hätte erkennen können, lässt sich schon mangels Vorliegens der Originalsichtvermerke nicht feststellen. Im Übrigen bestünde auch kein Vertrauensschutz analog § 6a Abs. 4 UStG bei der Steuerfestsetzung.

3. Dennoch erkennt das Gericht die Steuerbefreiung für die Ausfuhrlieferung an Herrn K, nicht aber die Steuerbefreiung für eine Ausfuhrlieferung an Frau K an.

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 Abs. 1 UStG greift auch dann ein, wenn trotz der Nichterfüllung der Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die materiellen Voraussetzungen einer steuerfreien Ausfuhrlieferung vorliegen (BFH-Urteil vom 28. Mai 2009 V R 23/08, a.a.O., und vom 19. November 2009 V R 8/09, juris).

a) Im Fall der in der streitgegenständlichen Rechnung vom 4. September 2004 abgerechneten Lieferung steht nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der objektiven Beweislage fest, dass bei der Klägerin die materiellen Voraussetzungen einer steuerfreien Ausfuhrlieferung vorliegen, der Liefergegenstand also in das Drittlandsgebiet gelangt ist und der Abnehmer ein ausländischer ist, der seinen örtlichen Lebensmittelpunkt im Drittland hat; denn Wohnort i.S.d. § 6 Abs. 3a UStG ist – wie auch aus den obengenannten Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG folgt, der Ort, an dem der Abnehmer für längere Zeit seine Wohnung genommen hat und der nicht nur aufgrund subjektiver Willensentscheidung, sondern auch bei objektiver Betrachtung als der örtliche Mittelpunkt seines Lebens anzusehen ist (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 XI R 70/93, BStBl II 1995, 515).

Das Gericht geht davon aus, dass die Scanausdrucke des Ausfuhrkassenzettels und der Rechnung aufgrund des sachlichen Zusammenhangs (nämlicher Gegenstand, eine Digitalkamera), des zeitlichen Zusammenhangs (Datum jeweils der 4. September 2004) und des örtlichen Zusammenhangs (…markt T-Flughafen L) zusammengehören und Herr K der Abnehmer der Ware ist. Nach den Feststellungen des FA in den Akten ist Herr K erst 2006 aus der Türkei zugezogen, wo er sich seit 1996 aufhielt. Es ist daher auch glaubwürdig, dass er eine Digitalkamera im Reisegepäck in die Türkei mitnahm.

b) Das Gericht vermag die Steuerbefreiung für eine Ausfuhrlieferung an Frau K nicht zu erkennen, da sich aus den FA-Akten kein aussagekräftiger Hinweis ergibt, dass Frau K im Streitjahr ihren Lebensmittelpunkt in Mosambik hatte. Die mangelnde Erweislichkeit der Steuerbefreiung muss sich aber nach den Grundsätzen der Feststellungslast zu Ungunsten der Klägerin auswirken. Dies gilt auch im Fall des Herrn W, der als Steuerpflichtiger anscheinend erst 2005 gelöscht wurde.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung. Die Zulassung der Revision beruht auf § 135 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

RechtsgebieteUStG, UStDV, EWGRLVorschriftenUStG 1999 § 6 Abs. 3a UStG 1999 § 14c Abs. 1 S. 2 UStG 1999 § 14 Abs. 4 UStDV 1999 § 8 UStDV 1999 § 17 AO § 147 Abs. 2 EWGRL 388/77 Art. 15 Nr. 2 UAbs. 4

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