Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

28.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102360

Oberlandesgericht Celle: Beschluss vom 15.07.2010 – 13 Verg 9/10

1. Will ein Auftraggeber statt einer ausgeschriebenen Leistung eine andere Leistung in einem neuen Vergabeverfahren beschaffen, kann er nicht verpflichtet werden, das ursprüngliche Verfahren fortzusetzen und das neue Verfahren zu beenden, wenn es sich um unterschiedliche Leistungsgegenstände handelt.


2. Für Architektenplanungen muss dabei entscheidend sein, ob die ausgeschriebenen Leistungen sich in solchen Elementen unterscheiden, die wesentlichen Einfluss auf das Charakteristische einer planerischen Lösung haben können. Wenn es nicht mehr damit getan ist, einen planerischen Entwurf an eine veränderte Situation anzupassen, sondern eine völlig neue planerische Konzeption im Raum steht, handelt es sich nicht mehr um denselben Leistungsgegenstand.


B e s c h l u s s
In dem Vergabenachprüfungsverfahren
K. P. Architekten, vertreten durch die Architekten K. K. und A. P., S. 4/5, H.,
Antragsteller und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte H. F. K., K. 1, B.,
Y. architects vertreten durch Prof. E. Y. Y., Architekt, H. 57 a, K.,
Beigeladene,
gegen
Land Niedersachsen, letztlich vertreten durch das Staatliche B. H., C. Straße 7, H.,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte S., W. Wall 1, C.,
Geschäftszeichen:
hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K., den Richter am Oberlandesgericht B. und die Richterin am Oberlandesgericht Z. am 15. Juli 2010 beschlossen:
Der Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde zu verlängern, wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller erhalten keine weitere Akteneinsicht in die Akten des Antragsgegners.
G r ü n d e:
I.
Im Jahr 2002 lobte der Antragsgegner einen Realisierungswettbewerb für die Neukonzeption des Plenarbereichs des Niedersächsischen Landtags aus. Mindestens mit den Leistungsphasen 2 – 5 HOAI sollte einer der Preisträger beauftragt werden. Die Entscheidung über die Realisierung und Beauftragung sollte der 2003 neu gewählte Landtag treffen. Die Antragsteller gewannen den ersten Preis.
Eine Entscheidung über die Realisierung wurde nicht getroffen. Der Antragsgegner entschied sich im Jahr 2009, einen neuen Realisierungswettbewerb durchzuführen. An diesem Wettbewerb beteiligten sich die Antragsteller nicht. Den ersten Preis gewann der Beigeladene.
Mit dem vorliegenden Nachprüfungsantrag haben die Antragsteller beantragt, dem Antragsgegner zu untersagen, das 2009 begonnene Vergabeverfahren fortzusetzen, hilfsweise unter Aufhebung dieses Verfahrens das 2002 begonnene Verfahren zu Ende zu führen, zumindest aber den Antragsgegner zu verpflichten, die Antragsteller zu den Auftragsverhandlungen betreffend das Verfahren 2009 zuzulassen.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
Dagegen wenden sich die Antragsgegner mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie ihre vor der Vergabekammer verfolgten Anträge im wesentlichen weiter verfolgen.
Außerdem beantragen sie, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde zu verlängern.
II.
Der Senat verlängert die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nicht (§ 118 Abs. 1 S. 3 GWB), weil das Rechtsmittel keine Erfolgsaussichten hat.
Mit dem 2009 ausgeschriebenen Wettbewerb hat der Antragsgegner nicht das im Jahr 2002 eingeleitete Vergabeverfahren fortgesetzt, sondern ein neues Vergabeverfahren eingeleitet. Die Beschwerde kann nur begründet sein, wenn die Antragsteller als Preisträger des ersten Wettbewerbs aus dem Jahr 2002 in dem ersten Vergabeverfahren eine Rechtsposition erlangt haben, die eine anderweitige Vergabe der Architektenleistungen in dem zweiten Vergabeverfahren ausschließt oder zumindest bewirkt, dass auch sie in die sich an den Wettbewerb aus dem Jahr 2009 anschließenden Vergabeverhandlungen einzubeziehen sind. Das ist schon deshalb nicht der Fall, weil die Antragsteller aus ihrem Wettbewerbserfolg 2002 keine Rechte mehr herleiten können (1.). Unabhängig davon handelt es sich bei den Wettbewerben 2002 und 2009 um unterschiedliche Vergabegegenstände mit der Folge, dass die Antragsteller Rechte aus ihrem ersten Preis im Wettbewerb 2002 nicht in dem mit dem Wettbewerb 2009 eingeleiteten neuen Vergabeverfahren geltend machen können (2.).
1. Die Antragsteller haben keinen Anspruch darauf, als Sieger des Wettbewerbs 2002 mit Architektenleistungen beauftragt zu werden. Die vom Antragsgegner mit der Auslobung des Wettbewerbs 2002 eingegangene Verpflichtung, einen Preisträger mit den Architektenleistungen zu beauftragen, stand unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB). Diese Bedingung ist nicht eingetreten.
Die Auslobung für den Realisierungswettbewerb 2002 enthält folgende Bestimmung:
„A 15. Weitere Bearbeitung (GRW 7.1, 7.2) …
A 15.1 Weitere Bearbeitung
Die Entscheidung über die Realisierung und Beauftragung trifft der im Jahre 2003 neu gewählte Landtag.´
Eine Bedingung iSv § 158 BGB liegt dann vor, wenn die Rechtswirkungen eines Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht werden. Das war hier der Fall: Schon aus GRW 7.1 Abs. 1 (Fassung 1995) ergab sich, dass der Antragsgegner nur dann verpflichtet sein konnte, einen Preisträger zu beauftragen, wenn die dem Wettbewerb zugrunde liegende Aufgabe tatsächlich realisiert wurde. Abschnitt A 15.1 der Auslobung grenzte dies weiter dahin ein, dass der 2003 neu gewählte Landtag eine entsprechende Entscheidung traf. Auch aus der Sicht der Wettbewerbsteilnehmer war damit nicht nur der bloße zeitliche Rahmen angesprochen, innerhalb dessen eine Realisierungsentscheidung zu erwarten war. Vielmehr wurde ausdrücklich das Gremium benannt, dem die Entscheidung obliegt. Bedingung war, dass gerade der 2003 neu gewählte Landtag (und nicht etwa ein später gewählter) den Beschluss fasste, den Wettbewerbsentwurf zu realisieren. Damit war vorgegeben, dass sich innerhalb der Legislaturperiode des 2003 neu gewählten Landtags das weitere Schicksal des mit dem 2002 ausgelobten Realisierungswettbewerbs eingeleiteten Vergabeverfahrens entschied. Nur eine solche Verfahrensweise war auch interessengerecht, weil der der Realisierung unzuträgliche und für die Beteiligten belastende Schwebezustand damit zeitlich begrenzt wurde.
Da der 2003 gewählte Landtag eine Realisierungsentscheidung nicht getroffen hat, ist die Bedingung nicht eingetreten und kann auch nicht mehr eintreten. Dass die Mitglieder des Präsidiums des Niedersächsischen Landtags sich am 1. April 2003 „einvernehmlich mit Rücksicht auf die katastrophale Finanzlage des Landes Niedersachsen darauf verständigt haben, in der laufenden Wahlperiode von einem Umbau des Plenarsaalbereichs abzusehen´ (Pressemitteilung des Niedersächsischen Landtags vom 10. April 2003), bedeutet nicht, dass der Schwebezustand über das Ende der Legislaturperiode des 2003 gewählten Landtags hinaus verlängert wurde. Es ist schon nicht ersichtlich, dass das Landtagspräsidium die Kompetenz hatte, Vorgaben für das Vergabeverfahren zu ändern. Die Vergabeakten enthalten auch keine entsprechende Dokumentation. Unabhängig davon enthält die in der Pressemitteilung referierte Entscheidung keine Aussage dazu, ob überhaupt und ggf. wann das Umbauvorhaben noch verwirklicht werden sollte.
2. Selbst wenn man fortbestehende Rechte der Antragsteller aus dem Wettbewerb 2002 unterstellte, könnten sie dennoch mit ihren Anträgen keinen Erfolg haben.
Eine Verpflichtung des Antragsgegners, das 2009 eingeleitete Vergabeverfahren abzubrechen und das 2002 begonnene Verfahren zu Ende zu führen, kann nur dann bestehen, wenn der Antragsgegner die 2002 ausgeschriebenen Leistungen weiterhin beschaffen will. Nur dann kommt auch in Betracht, die Antragsteller, die sich an dem 2009 eingeleiteten Verfahren nicht beteiligt haben, in die in diesem Verfahren geführten Verhandlungen einzubeziehen. Der Antragsgegner hat indessen unzweideutig zu erkennen gegeben, dass er endgültig davon Abstand nimmt, die 2002 ausgeschriebenen Leistungen zu beschaffen. Dabei kann dahin stehen, ob es vergaberechtlich zulässig ist, die betreffende Ausschreibung aufzuheben.
a) Aus Gründen des allgemeinen Vertragsrechts, in dessen Rahmen auch ein einen öffentlichen Auftrag ausschreibender öffentlicher Auftraggeber rechtsgeschäftlich tätig wird, kann aus dem Umstand der Ausschreibung nicht abgeleitet werden, dass ein Ausschreibender, der nach den maßgeblichen Vergabevorschriften keinen Grund zur Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens hat, gezwungen werden kann und darf, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag an einen geeigneten Bieter zu erteilen. Es liegt damit auch nicht in der Kompetenz der Nachprüfungsinstanzen, im Rahmen des § 114 Abs. 1 GWB zur Beseitigung einer Rechtsverletzung eine Maßnahme zu treffen, die für einen öffentlichen Auftraggeber, der trotz Einleitung eines Vergabeverfahrens einen Auftrag nicht mehr erteilen will, einen rechtlichen oder tatsächlichen Zwang bedeutete, sich doch vertraglich zu binden (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2003, X ZB 43/02, zit. nach Juris, Rn. 19). Will ein Auftraggeber statt einer ausgeschriebenen Leistung eine andere Leistung in einem neuen Vergabeverfahren beschaffen, kann er nicht verpflichtet werden, das ursprüngliche Verfahren fortzusetzen und das neue Verfahren zu beenden, wenn es sich um unterschiedliche Leistungsgegenstände handelt.
b) Diese rechtlichen Grundsätze ziehen auch die Antragsteller nicht in Zweifel. Sie machen geltend, der Antragsgegner müsse die Antragsteller weiterhin einbeziehen, weil er nach wie vor die ausgeschriebene Leistung, nämlich die Neukonzeption des Plenarbereichs des Niedersächsischen Landtags, in Auftrag geben wolle. Danach kommt es entscheidend darauf an, ob es sich bei den 2002 und 2009 ausgeschriebenen Leistungen inhaltlich um denselben Auftrag handelt. Das ist nicht der Fall.
Ob eine Ausschreibung denselben Leistungsgegenstand hat, kann nicht allein nach seiner Bezeichnung beantwortet werden. Es kann also nicht entscheidend sein, dass beide Wettbewerbe mit „Realisierungswettbewerb - Niedersächsischer Landtag in Hannover – Neukonzeption des Plenarbereiches“ (2002) bzw. „Realisierungswettbewerb zur Neukonzeption des Plenarbereichs – Niedersächsischer Landtag in Hannover“ (2009) nahezu dieselben Bezeichnungen tragen. Auch der Umstand, dass sich beide Wettbewerbe inhaltlich mit der Neukonzeption des Plenarbereichs des Niedersächsischen Landtags befassen, kann für einen identischen Leistungsgegenstand nicht genügen.
Umgekehrt kann nicht jede – auch noch so geringfügige – Abweichung im Leistungsgegenstand oder Leistungsumfang dazu führen, unterschiedliche Leistungsgegenstände anzunehmen.
Entscheidend muss sein, ob die ausgeschriebenen Leistungen sich in solchen Elementen unterscheiden, die wesentlichen Einfluss auf das Charakteristische einer planerischen Lösung haben können. Wenn es nicht mehr damit getan ist, einen planerischen Entwurf an eine veränderte Situation anzupassen, sondern eine völlig neue planerische Konzeption im Raum steht, handelt es sich nicht mehr um denselben Leistungsgegenstand.
So liegt der Fall hier. Die Vergabekammer hat in dem angefochtenen Beschluss (S. 13 bis 17) im Einzelnen aufgeführt, worin sich die Aufgabenstellung im Wettbewerb 2002 von derjenigen im Wettbewerb 2009 unterschieden hat. Hierauf wird Bezug genommen. Hervorzuheben ist insbesondere, dass 2009, anders als 2002, nicht nur Baumaßnahmen innerhalb des Bestandes „in Anknüpfung der ursprünglichen Konzeption von O.“ zu planen waren, sondern Planungsleistungen sowohl auf der Grundlage des Erhalts bzw. teilweisen Erhalts und einer Änderung des Bestandes als auch auf der Grundlage von Konzepten ausgeschrieben waren, die eine Ergänzung des Bestands oder den Vorschlag eines Abbruchs und Neubaus vorsahen. Die Sollflächen betrugen 2009 mit 8.422 m² weit mehr als das Doppelte der Sollflächen 2002 (3.260 m²). Anders als 2002 ließ der Wettbewerb 2009 auch Eingriffe in den Außenraum des Landtages grundsätzlich zu. Die Aufgabenstellung des Wettbewerbs 2009 umfasste als zusätzliche Bereiche das Restaurant und den Außenbereich mit Park und Stellplätzen. Diese grundlegenden Unterschiede können jedenfalls in ihrer Gesamtheit keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass der Leistungsgegenstand der beiden Wettbewerbe nicht derselbe, sondern unterschiedlich war.
Die Vergabekammer hat diesen Vergleich allerdings mit dem Prüfungsmaßstab „wichtiger Grund“ im Sinne von § 25 Abs. 9 VOF 2006 (= § 25 Nr. 8 VOF 2002) angestellt. Auch die Frage, ob ein Auftraggeber ausnahmsweise davon absehen kann, einen Preisträger mit der Realisierung zu beauftragen, stellt sich aber nur bei identischem Leistungsgegenstand. Für das einen anderen Leistungsgegenstand betreffende Auslobungsverfahren 2009 waren denkbare Bindungen gem. § 25 VOF aus dem Wettbewerb 2002 von vornherein unerheblich. Deshalb und weil sich die Antragsteller am Wettbewerb 2009 nicht beteiligt haben, ist es auch unschädlich, dass der Antragsgegner seine Entscheidungen allenfalls rudimentär und dann auch nicht immer zeitnah dokumentiert hat und den Antragstellern auch keine Gelegenheit gegeben hat, ihren Entwurf an die geänderte Situation anzupassen.
Ob die mit dem Wettbewerb 2009 ausgelobten Planungsleistungen gegen Vorgaben des Denkmalschutzes verstießen oder das Urheberrecht des ursprünglichen Planers, des Architekten O., verletzten, ist für das vorliegende Verfahren schon deshalb unerheblich, weil diese Belange keinen bieterschützenden Charakter haben.
3. Weitergehende Akteneinsicht ist den Antragstellern nicht zu gewähren, weil die Akten außer den Antragstellern bekannte Schriftstücke keine weiteren Bestandteile enthalten, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

RechtsgebietVOFVorschriften§ 25 VOF

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr