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07.07.2010 · IWW-Abrufnummer 102037

Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 18.02.2010 – 4 K 843/2009

Treten bei einer Vielzahl von Eintragungen in einer gewissen Regelmäßigkeit und Ähnlichkeit Fehler auf und ergeben sich zudem zu den Tankbelegen offenkundige Widersprüche, so ist das für das betreffende Kalenderjahr geführte Fahrtenbuch insgesamt als nicht ordnungsgemäß zu verwerfen.


Finanzgericht Nürnberg v. 18.02.2010

4 K 843/2009

Tatbestand
Streitig ist, ob ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch vorliegt.

Die Klägerin ist Gesellschafter-Geschäftsführerin einer GmbH. Laut Protokoll der Gesellschaftersitzung vom 12.02.2005 hatte sie im Streitjahr Anspruch auf die Gestellung eines Pkw der Klasse Sportwagen. Dieser Pkw durfte von ihr ohne Kostenbeteiligung auch privat genutzt werden.

Die Klägerin führte für das Fahrzeug Porsche 996 Targa ( ) in der Zeit vom 24.02.2005 (Anschaffung) bis zum 18.09.2007 (Unfall mit Totalschaden) ein Fahrtenbuch.

Im Rahmen einer u.a. für das Streitjahr durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß seien. So würden großteils Angaben über Reisezeit, Reiseroute und Gesprächspartner fehlen. Zudem habe eine Überprüfung des Fahrtenbuches anhand der Tankbelege ergeben, dass teilweise über mehrere Wochen keine Tankbelege vorgelegen haben, obwohl laut Fahrtenbuch Fahrten mit dem Pkw durchgeführt worden seien. Andererseits lägen Tankbelege von Orten vor, für die kein Eintrag im Fahrtenbuch erkenntlich sei. Nach einer Gegenüberstellung der vorgelegten Tankbelege mit den Fahrten laut Fahrtenbuch habe sich für den Porsche im Jahr 2005 ein Benzinverbrauch von 7,46 Liter je 100 Kilometer und im Jahr 2006 ein Verbrauch von 13,92 Liter je 100 Kilometer ergeben. Das Finanzamt ermittelte daher den geldwerten Vorteil der Kfz-Gestellung nach der 1%-Regelung, ausgehend von einem Neupreis des Pkw Porsche in Höhe von 99.358 €. Für das Streitjahr 2005 setzte das Finanzamt 10 Monate á 993 € an und brachte davon einen bereits versteuerten Anteil von 905 € in Abzug, so dass sich ein nicht versteuerter Anteil von 9.025 € ergab.

Diesen Feststellungen folgend erließ das Finanzamt am 02.07.2008 einen nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2005.

Das Einspruchsverfahren dagegen verlief erfolglos.

Mit der Klage beantragt der Klägervertreter, den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 02.07.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.05.2009 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 7.166 € und der Solidaritätszuschlag auf 343,31 € herabgesetzt wird. Weiter beantragt er für den Fall des Unterliegens die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 10.04.2008 VI R 38/06.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:

Das von der Klägerin geführte Fahrtenbuch sei ordnungsgemäß und daher der Besteuerung zugrunde zu legen. Es sei die Reisezeit angegeben, die Reiseroute sei durch den Zielort vorgegeben, die Gesprächspartner seien bekannt und ggf. auch nicht notwendig. Die unterschiedlichen Werte zum Benzinverbrauch könnten verschiedene Gründe haben, wie z.B. technische Schwierigkeiten oder eine geänderte Fahrweise. Auch könnten Benzinbelege anderer von der Klägerin oder deren Ehemann genutzter Betriebsfahrzeuge falsch erfasst worden sein. Dies sei dann aber ein Mangel der Finanzbuchhaltung und nicht des Fahrtenbuchs. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung würden zudem kleinere Mängel nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuches und zur Anwendung der 1%-Regelung führen, wenn die Angaben insgesamt wie im Streitfall plausibel seien. Nicht erforderlich sei es nach der Rechtsprechung, dass die Abfahrts- und Ankunftszeit angegeben werde. Einwände gegen die Berechnung würden nicht erhoben.

Das Finanzamt beantragt Klageabweisung.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:

Ein Fahrtenbuch sei nur dann der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn die Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten würden. Die Aufzeichnungen müssten mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Zwar würden kleinere Mängel nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuches und zur Anwendung der 1%-Regelung führen, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind, jedoch sei maßgeblich, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben sei und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich sei. Im Streitfall fehle die Plausibilität der im Fahrtenbuch gemachten Angaben, denn es würden über mehrere Wochen keine Tankbelege vorliegen, obwohl laut Fahrtenbuch Fahrten mit dem Pkw durchgeführt worden seien. Andererseits würden Tankbelege von Orten vorliegen, zu denen kein Eintrag im Fahrtenbuch vorhanden sei. Durch die offensichtlich fehlenden Tankbelege seien die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstandenen Aufwendungen nicht vollständig durch Belege nachgewiesen und damit eine Bewertung der anteiligen Kraftfahrzeugkosten und des geldwerten Vorteils nicht möglich.

Für das Jahr 2006 ist beim Finanzgericht Nürnberg unter dem Aktenzeichen 4 K 844/2009 ein Klageverfahren zwischen den Beteiligten anhängig, in dem ebenfalls streitig ist, ob das Fahrtenbuch ordnungsgemäß geführt wurde.

Dem Gericht liegen die vom Finanzamt überlassene Einkommensteuerakte für die Jahre 2005 und 2006, die Akte über die Lohnsteueraußenprüfung und eine Akte über das Rechtsbehelfsverfahren vor. Von der Klägerin liegt das von ihr geführte Fahrtenbuch im Original vor.



Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.

Das Finanzamt hat den geldwerten Vorteil der Klägerin für die private Nutzung des Fahrzeugs zu Recht nach der sogenannten 1%-Methode gemäß § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 2005 ermittelt. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass das von der Klägerin vorgelegte Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß ist und daher der Besteuerung nicht zugrunde zu legen ist.

Für die Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten gilt nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG 2005 ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs für jedes Kalendermonat mit einem Pauschalsatz von 1% des Betrages zu bemessen, der sich aus dem inländischen Listenpreis des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer ergibt (sogenannte 1%-Regelung). Abweichend hiervon kann nach Satz 3 der Vorschrift der Wert der privaten Nutzung mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Durch die Rechtsprechung des BFH sind jedoch die Voraussetzungen, die an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch zu stellen sind, im Wesentlichen geklärt (vgl. BFH-Urteile vom 09.11.2005 VI R 27/05, BStBl II 2006, 408; vom 16.11.2005 VI R 64/04, BStBl 2006 II S. 410 und vom 16.03.2006 VI R 87/04, BStBl II 2006, 625). Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss hiernach zeitnah und in geschlossener Form geführt werden. Die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes müssen im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden (BFH-Urteil in BStBl II 2006, 408). Dabei ist jede einzelne berufliche Verwendung grundsätzlich für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen (vgl. BFH-Urteil vom 10.04.2008 VI R 38/06, BStBl II 2008, 768; BMF-Schreiben vom 18.11.2009 IV C 6 – S-2177/07/10004, BStBl I 2009, 1326 Rz. 24). Das Fahrtenbuch muss Angaben über Reisezweck , Zielort und aufgesuchte Geschäftspartner enthalten (BFH-Urteil vom 16.03.2006 VI R 87/04, BStBl II BStBl 2004 II S. 2006, BStBl 2004 II S. 625; Schmidt/Glanegger, EStG, § 6 Rz. 422; Blümich/Glenk, EStG, § 8, Rz 120).

Die Aufzeichnungen im Fahrtenbuch müssen außerdem eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten. Sie müssen mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein. Weist das Fahrtenbuch inhaltliche Unregelmäßigkeiten auf, kann dies die materielle Richtigkeit der Kilometerangaben in Frage stellen (BFH-Urteil in BStBl II 2006, 625). Ebenso wie eine Buchführung trotz einiger formeller Mängel aufgrund der Gesamtbewertung noch als formell ordnungsgemäß erscheinen kann (vgl. dazu Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 158 AO Rz 13, m.w.N.), führen jedoch auch kleinere Mängel nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und zur Anwendung der 1%-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind (vgl. Blümich/Glenk, EStG, § 8, Rz 119; Schmidt/Drenseck, EStG, § 8 Rz 47). Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 10.04.2008 VI R 38/06, BStBl II 2008, 768; BFH-Beschluss vom 13.10.2008 VIII B 203/07, juris).

So wurden in der Rechtsprechung Fahrtenbücher anerkannt, bei denen eine Fahrt, für die eine Tankquittung vorliegt, nicht aufgezeichnet war oder der Kilometerstand laut Fahrtenbuch nicht mit dem Kilometerstand nach einer Werkstattrechnung übereinstimmt oder die Kilometeraufzeichnung mit der Kilometerangabe laut Routenplaner nicht übereinstimmt ( BFH-Urteil vom 10.04.2008 in BStBl II 2008, 768) oder Rechenfehler vorliegen (FG Düsseldorf, Urteil vom 07.11.2008 12 K 4479/07 E, EFG 2009, 324). Verworfen wurde ein Fahrtenbuch, bei dem an bestimmten Tagen die Zielorte regional erheblich von den zeitgleich ausgestellten Tankquittungen abweichen, da dies ein systematischer, über alle Streitjahre sich erstreckender Eintragungsmangel sei ( FG München, Urteil vom 14.05.2009 15 K 2945/09, EFG 2009, 1449). Ebenso wurde ein Fahrtenbuch verworfen, wenn kleinere Widersprüche bestehen und das Fahrtenbuch ein ziemlich einheitliches Schriftbild aufweist ( Hessisches FG, Urteil vom 30.06.2009 3 K 1810/05 , juris).

Bei Anlegung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist das von der Klägerin vorgelegte Fahrtenbuch nicht als hinreichend ordnungsgemäß anzusehen. Treten bei einer Vielzahl von Eintragungen in einer gewissen Regelmäßigkeit und Ähnlichkeit Fehler auf und ergeben sich zudem zu den Tankbelegen offenkundige Widersprüche, so ist das für das betreffende Kalenderjahr geführte Fahrtenbuch insgesamt als nicht ordnungsgemäß zu verwerfen. Im streitigen Fahrtenbuch fehlen durchgehend Aufzeichnungen zur Fahrtroute, sehr häufig Angaben zu den aufgesuchten Gesprächspartnern und Angaben zum Ort (z.B.: 28.02. und 24.03. (Fa. ), 29.03. und 06.10.2005 (Fa. ), 15.03., 21.03., 07.04. und 19.04.2005, (Bank)). Dies könnten für sich noch kleine und damit unschädliche Mängel sein, auch wenn sie eine Überprüfung der Richtigkeit des Fahrtenbuches erschweren. Jedoch ist nach einer Fahrt am 26.10.2005 nach 1 mit einem Kilometerstand bei Fahrtende von 17.441 in der darauf folgenden Spalte für den 23.10.2005 eine Fahrt nach 2 mit einem Kilometerstand bei Fahrtbeginn von 17.441 eingetragen. Damit fehlt ein fortlaufender Zusammenhang. Die Art der Eintragung deutet darauf hin, dass die Fahrt nach 2 nachgetragen wurde. Dann ist jedoch der km-Stand unrichtig und das Fahrtenbuch wurde nicht zeitnah geführt. Weiter ist das Fahrtenbuch zu verwerfen, da Tankbelege, die auf dem Betriebskostenkonto für das Fahrzeug gebucht wurden, von Orten vorliegen, zu denen kein Eintrag im Fahrtenbuch vorhanden ist (27.02.; 07.03.; 22.06.; 27.07.2005 (Tankstelle jeweils in 3 ); 10.09.2005 (Tankstelle in 4 ). Andererseits sind auf dem Betriebskostenkonto über mehrere Wochen keine Treibstoffkosten gebucht und liegen keine Tankbelege vor, obwohl laut Fahrtenbuch Fahrten mit dem Pkw durchgeführt wurden. In der Zeit zwischen dem 07.04.2005 und dem 29.04.2005 werden fast 2.000 km ohne einen Tanknachweis zurückgelegt und nach der Betankung vom 29.04.2005 in der Zeit vom 29.04. bis zum 22.06.2005 sogar 2.500 km ohne Tanknachweis. Weiter sind nach dem Betriebskostenkonto für das Fahrzeug und den Tankbelegen am 26.07.2005 um 9.43 Uhr 53,69 Liter und am 27.07.2005 um 12.10 Uhr 57,94 Liter für den Porsche getankt worden, obwohl laut Fahrtenbuch am 26.07.2005 nur eine Fahrt nach 1 (232 km) zurückgelegt wurde und für den 27.07.2005 keine Eintragung vorhanden ist. Schließlich liegen Tankbelege für Treibstoff am 05.09.2005 um 16.45 Uhr mit 53,92 Liter und 19.17 Uhr mit 44,33 Litern vor und sind für den Porsche gebucht, obwohl das Fahrtenbuch am 05.09.2005 nur eine Fahrt nach 5 mit 34 km ausweist. Im Streitfall weist das von der Klägerin und ihrem Ehemann geführte Fahrtenbuch somit eine Reihe von deutlichen Fehlern und offenkundigen Widersprüchen zu den übrigen Belegen auf, sodass es nicht als ordnungsgemäß anzusehen ist. Im Übrigen war das Fahrtenbuch für das Jahr 2006 wegen ähnlicher Mängel zu verwerfen (vgl. Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 18.02.2010; 4 K 844/2009).

Zudem war die Klage auch deshalb abzuweisen, weil die Klägerseite die insgesamt entstandenen Aufwendungen für das Fahrzeug wegen der bestehenden Widersprüche hinsichtlich der Tankbelege nicht plausibel dargelegt hat, und damit auch insoweit die Voraussetzungen für einen Einzelnachweis nicht erfüllt wurden.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Streitsache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Entscheidung folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen für das Führen eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 8 Abs. 2 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2

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