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02.08.2010 · IWW-Abrufnummer 101987

Finanzgericht München: Urteil vom 23.02.2010 – 13 K 1694/07

1. Sind nach Ergehen des auf § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG gestützten Aufhebungsbescheides bereits Änderungsbescheide ergangen, welche die bisher nicht berücksichtigten Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Spekulationsgeschäften einbeziehen, entfällt dadurch nicht der mit dem Aufhebungsbescheid verbundene Nachteil. Die Klagebefugnis für die Anfechtungsklage gegen den Aufhebungsbescheid ist gegeben.



2. Erreicht der Steuerpflichtige durch unvollständige Angaben in den Einkommensteuererklärungen hinsichtlich der erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen und Spekulationsgeschäften, dass überhöhte Verlustvorträge gem. § 10d Abs. 3 EStG 1990 bzw. Abs. 4 EStG 1997 vor dem Stichtag des § 1 Abs. 7 StraBeG festgestellt werden, liegen mit der Bekanntgabe der Verlustfeststellungsbescheide vollendete Taten i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 1 StraBEG vor.



3. Überhöhte Verluste, die dem Steuerpflichtigen durch einen gesonderten Feststellungsbescheid zugewiesen werden, stellen einen nicht gerechtfertigten Vorteil i. S. d. § 370 Abs. 1 2. Alt. AO dar.



4. Da § 4 Abs. 1 S. 1 StraBEG nicht verlangt, dass das Jahr der Tatvollendung mit dem Jahr, in dem sich die Tat auf entstandene Steueransprüche auswirkt, identisch ist, hat sich die Steuerstraftat der überhöhten Verlustfeststellungsbescheide für die Jahre 1996 bis 2002, welche in den Jahren 1999 bis 2003 ergangen sind, auf entstandene Steueransprüche ausgewirkt, wenn dadurch die ESt für 2002 in 2004 bzw. 2005 zu niedrig festgesetzt wird.



5. Einnahmen i. S. d. § 1 Abs. 2 StraBEG sind im Fall, dass die unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben zunächst nur zu einer überhöhten Verlustfeststellung gem. § 10d Abs. 3 bzw. Abs. 4 S. 1 EStG geführt haben, für das Jahr zu erklären sind, in dem sie zugeflossen sind.


FG München v. 23.02.2010

13 K 1694/07

Tatbestand

Gründe
Streitig ist, ob die Aufhebung der mit der Abgabe einer strafbefreienden Erklärung bewirkten Steuerfestsetzungen zu Recht erfolgte.

I.

Der Kläger, von Beruf Gastwirt, wurde von dem Beklagten – dem Finanzamt – in den Streitjahren 1996 bis 2001 mit Einkünften aus Gewerbebetrieb, nichtselbstständiger Arbeit sowie teilweise aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Bis zum Veranlagungszeitraum 1999 erfolgte die Veranlagung des Klägers zusammen mit seiner damaligen Ehefrau, seit dem Veranlagungszeitraum 2000 wird der Kläger einzeln zur ESt veranlagt.

Die ESt-Erklärungen für die Veranlagungszeiträume 1996 bis 2001 gingen am 30. April 1998 (für 1996), am 20. Mai 2000 (für 1997), am 26. Januar 2001 (für 1998), am 23. November 2001 (für 1999), am 26. November 2002 (für 2000) und am 30. April 2003 (für 2001) beim Finanzamt ein. Einkünfte aus Spekulationsgeschäften wurden nicht und Einkünfte aus Kapitalvermögen lediglich für 1998 (in Höhe von 192.898 DM), für 2000 (in Höhe von 1.791 DM) und für 2001 (in Höhe von 2.983 DM) erklärt. In den daraufhin ergangenen ESt-Bescheiden für 1996 bis 2001 wurde die ESt aufgrund hoher Verluste aus Gewerbebetrieb bzw. aufgrund der Berücksichtigung von Verlustabzügen jeweils mit null DM festgesetzt, wie sich im Einzelnen aus der nachfolgenden Tabelle ergibt:

Veranlagungszeitraum (Vz) Datum des ESt-Bescheides Gesamtbetrag der Einkünfte (DM) berücksichtigter Verlustabzug (DM) festgesetzte ESt (DM)
1996 12. November 1999 -1.649.198 0
1997 13. Juni 2000 -3.191.889 0
1998 8. März 2001 -847.359 0
1999 29. Januar 2003 12.207 0
2000 29. Januar 2003 1.708.335 1.133.273 (neues Recht) 557.227 (Altverluste) 0
2001 30. Mai 2003 2.028.448 2.013.598 (Altverluste) 0

Der zum 31. Dezember der Veranlagungszeiträume 1996 bis 2001 jeweils verbleibende Verlustabzug bzw. (ab 1999) – vortrag wurde mit Bescheiden über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs/-vortrags zur ESt wie folgt festgestellt:

Verlustabzug/-vortrag zum 31. Dezember Datum des Verlustfeststellungsbescheides festgestellter verleibender Verlustabzug/-vortrag (DM)
1996 12. November 1999 1.649.198
1997 13. Juni 2000 4.841.087
1998 8. März 2001 5.688.446
1999 29. Januar 2003 1.133.273 (neues Recht) 5.688.446 (Altverluste)
2000 29. Januar 2003 0 (neues Recht 5.131.219 (Altverluste)
2001 30. Mai 2003 3.117.621 (Altverluste)

Am 7. März 2005 ging beim Finanzamt für die Jahre 1993 bis 2001 eine strafbefreiende Erklärung des Klägers vom 3. März 2005 nach dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (Strafbefreiungserklärungsgesetz – StraBEG) ein. Darin wurden bisher in den ESt-Erklärungen für diese Jahre nicht angegebene und nicht der Besteuerung zu Grunde gelegte Einnahmen aus Kapitalvermögen sowie aus Spekulationsgeschäften in Höhe von insgesamt 1.031.755,65 EUR erklärt. Von diesem Betrag entfiel auf in den Jahren 1996 bis 2001 zugeflossene Einnahmen ein Betrag von 799.362,92 EUR. Die zu entrichtende Abgabe wurde mit 361.114,48 EUR (dies entspricht 35 v.H. des erklärten Gesamtbetrages) berechnet und am 16. März 2005 vom Kläger bezahlt.

Mit Bescheid vom 6. September 2006 hob das Finanzamt die mit der strafbefreienden Erklärung bewirkten Steuerfestsetzungen für die Jahre 1996 bis 2001 gemäß § 10 Abs. 3 Stra-BEG auf. Zur Begründung führte es aus, dass sich auch unter Berücksichtigung der mit der strafbefreienden Erklärung erklärten Einnahmen keine festzusetzende ESt für die Jahre 1996 bis 2001 ergäbe. Das Verschweigen der entsprechenden Einkünfte in den ESt-Erklärungen für die Jahre 1996 bis 2001 habe nur zu überhöhten Verlustfeststellungen für diese Jahre geführt. Ob der Kläger hierdurch einen anderen nicht gerechtfertigten Vorteil i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG erlangt habe, könne dahinstehen, weil für diesen ebenfalls gemäß § 4 Abs. 1 StraBEG gelte, dass er sich auf Steueransprüche des Erklärungszeitraumes beziehen müsse. Die überhöhten Verlustfeststellungen wirkten sich erst auf die Steueransprüche der Jahre 2002 ff. aus. Für das Jahr 2002 sei jedoch keine Strafbefreiungserklärung abgegeben worden und für ab dem Jahr 2003 entstandene ESt-Ansprüche trete nach dem StraBEG weder Straffreiheit noch eine Erlöschenswirkung ein.

Gegen den Aufhebungsbescheid vom 6. September 2006 legte der Kläger erfolglos Einspruch ein (Einspruchsentscheidung vom 19. April 2007). Zur Begründung seiner Auffassung verwies das Finanzamt auf § 1 Abs. 7 StraBEG, wonach die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung ausgeschlossen ist, wenn die Tat nach dem 17. Oktober 2003 begangen worden ist. Dies sei hier der Fall, da die im Streitfall maßgebliche Tat, nämlich die ESt-Verkürzung für die Jahre 2002 und 2003, erst durch die Abgabe der ESt-Erklärungen für diese Jahre, in denen auf der Anlage VA die überhöhten Verlustabzüge geltend gemacht worden seien, am 27. Februar 2004 bzw. am 12. August 2004 begangen worden sei.

Am 5. Oktober 2006 erließ das Finanzamt geänderte ESt-Bescheide für 2000 und 2001, in denen es die Kapitaleinkünfte und die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften entsprechend den nachgemeldeten Daten aus der strafbefreienden Erklärung berücksichtigte. Die festgesetzte Steuer betrug – wie bereits vorher – 0 EUR. Diese Bescheide wurden nach einer beim Kläger für die Jahre 2000 bis 2003 durchgeführten Außenprüfung, ohne dass sich die festgesetzte Steuer änderte, mit unter Vorbehaltsaufhebung ergehenden Bescheiden vom 11. September 2007 (für 2000) und vom 14. September 2007 (für 2001) und nochmals mit Bescheiden vom 7. Mai 2008 geändert. Für die Jahre 1996 bis 1999 ergingen keine geänderten ESt-Bescheide.

Ebenfalls am 5. Oktober 2006 erließ das Finanzamt geänderte Bescheide über die gesonderte Verlustfeststellung zum 31. Dezember 1996, 1997, 1998 und 1999. Zugleich erließ das Finanzamt geänderte Verlustfeststellungsbescheide für die Jahre 2000 bis 2003. Diese wurden für die Jahre 2000 und 2001 aufgrund einer beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung aus hier nicht streiterheblichen Gründen mit Bescheiden vom 11. September (für 2000) bzw. 14. September 2007 (für 2001) und zuletzt mit Bescheiden jeweils vom 7. Mai 2008 nochmals geändert.

Der unter Berücksichtigung der in der strafbefreienden Erklärung angegebenen Einnahmen und der sich dadurch ergebenden Einkünfte verbleibende Verlustabzug bzw. -vortrag wurde in den vorgenannten Bescheiden wie folgt festgestellt:

Verlustabzug/-vortrag zum 31. Dezember Datum des Verlustfeststellungsbescheides Festgestellter verbleibender Verlustabzug/-vortrag (DM)
1996 5. Oktober 2006 1.256.713
1997 5. Oktober 2006 3.909.287
1998 5. Oktober 2006 4.426.228
1999 5. Oktober 2006 874.080 (neues Recht) 4.175.016 (Altverluste)
2000 7. Mai 2008 0 (neues Recht)
2.078.408 (Altverluste)
2001 7. Mai 2008 173.036 (Altverluste)

Über die mit Schreiben vom 31. Oktober 2006 gegen sämtliche vorgenannten Verlustfeststellungsbescheide vom 5. Oktober 2006 (für die Jahre 2000 und 2001 in Gestalt der Bescheide vom 7. Mai 2008) gerichteten Einsprüche ist noch nicht entschieden. Der Kläger hat insoweit Untätigkeitsklage (Az. 13 K 3272/07) erhoben.

Die ESt für 2002 und 2003, die bisher mit 0 EUR festgesetzt war (für 2002: mit ESt-Bescheiden vom 23. März 2004 und 22. März 2005, für 2003 mit ESt-Bescheiden vom 2. September 2004, 9. Februar 2005 und 22. März 2005), wurde durch geänderte ESt-Bescheide jeweils vom 5. Oktober 2006 unter Berücksichtigung der geändert festgestellten Verlustvorträge zunächst auf 48.219 EUR (für 2002) und 329.215 EUR (für 2003) festgesetzt und später aufgrund der beim Kläger für die Jahre 2000 bis 2003 durchgeführten Außenprüfung nochmals herauf gesetzt (ESt-Bescheide für 2002 vom 20. September 2007 und für 2003 vom 26. September 2007 sowie mit ESt-Bescheide vom 7. Mai 2008 für 2002 und 2003).

Mit seiner gegen den Bescheid vom 6. September 2006 über die Aufhebung der mit der strafbefreienden Erklärung bewirkten Steuerfestsetzungen gerichteten Klage begehrt der Kläger die Aufhebung dieses Bescheids. Hierbei weist er darauf hin, dass hinsichtlich der Zulässigkeit dieser Klage – vom Beklagten zu verantwortende – Zweifel bestünden, die daraus resultierten, dass der Beklagte es verabsäumt habe, gleichzeitig mit der Einspruchsentscheidung hinsichtlich der Aufhebung der strafbefreienden Erklärung auch über die Einsprüche gegen die geänderten Verlustfeststellungsbescheides zu entscheiden. Dadurch werde der Kläger gezwungen, isoliert gegen den Aufhebungsbescheid nach § 10 Abs. 3 StraBEG gerichtlich vorzugehen, obwohl unklar sei, ob für eine derartige isolierte Klage überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe.

Die Klage sei aber jedenfalls begründet, da die maßgebliche Tat i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG vor dem 18. Oktober 2003 (§ 1 Abs. 7 StraBEG) begangen worden sei. Denn hierfür sei nicht der Zeitpunkt des Erfolgseintritts, sondern der Tathandlung entscheidend, wie sich aus der Ratio legis dieser Vorschrift, der den Beklagten bindenden Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 3. Februar 2004 (Az.: IV A 4-S 1928-18/04), dem einschlägigen rechtswissenschaftlichen Schrifttum sowie einem Vergleich mit der Vorschrift des § 8 StGB ergebe. Die damit für die in den Jahren 2002 ff. eingetretene Steuerverkürzung maßgebliche Tathandlung, nämlich das Verschweigen der in den Jahren 1996 bis 2001 erzielten Kapitaleinkünfte und Spekulationsgewinne in den ESt-Erklärungen für diese Jahre, sei lange vor dem Stichtag des § 1 Abs. 7 StraBEG erfolgt. Im Übrigen liege sogar eine vor diesem Stichtag bereits vollendete Steuerhinterziehung nach § 370 AO vor. Denn der Kläger habe bereits mit der Bekanntgabe der überhöhten Verlustfeststellungsbescheide zum 31. Dezember der Jahre 1996 bis 2001 nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Diese Auffassung sei zwischenzeitlich durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 1 Str 322/08, HFR 2009, 615) bestätigt worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 6. September 2006 über die Aufhebung der mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung vom 3. März 2005 bewirkten Steuerfestsetzungen für 1996 bis 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2004 aufzuheben,hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt es aus, dassdie Klage unter Berücksichtigung des Urteils des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2006 (Az.: 6 K 214/05) zwar zulässig, jedoch unbegründet sei. Denn durch die Abgabe der strafbefreienden Erklärung habe keine strafbefreiende Wirkung für die Jahre 1996 bis 2001 erzielt werden können, da aufgrund der in diesen Jahren erzielten Verluste auch unter Einbeziehung der bisher nicht erfassten Kapitalerträge keine ESt festzusetzen wäre. Ein Steuerstraftatbestand oder einer Ordnungswidrigkeit durch Verkürzung von Steuerbeträgen in den Jahren 1996 bis 2001, für die der Kläger Straffreiheit hätte erlangen können, liege daher nicht vor. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 StraBEG für eine Aufhebung der mit der strafbefreienden Erklärung bewirkten Steuerfestsetzungen seien daher gegeben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 13. Februar 2010 über die Klage 13 K 3272/07 entschieden.



Gründe

II.

Die zulässige Klage ist begründet. Das Finanzamt war nicht berechtigt, die mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung vom 3. März 2005 bewirkten Steuerfestsetzungen für die Jahre 1996 bis 2001 gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG aufzuheben. Der Aufhebungsbescheid vom 6. September 2006 ist daher aufzuheben.

1. Die Klage ist zulässig.

1.1. Der Kläger ist durch den angefochtenen Aufhebungsbescheid beschwert und damit klagebefugt i.S. von § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Zwar erschöpft sich der Regelungsgehalt eines auf § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG gestützten Aufhebungsbescheids darin, die durch die strafbefreiende Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung aufzuheben. Eine weitergehende Bedeutung hat § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG nicht (Bundesfinanzhof-BFH-Urteile vom 26. November 2008 X R 20/07, BStBl II 2009, 388; vom 17. Dezember 2008 III R 22/06, BFH/NV 2009, 1087). Nach der Rechtsprechung des BFH reicht es für das Vorliegen einer Beschwer jedoch aus, wenn der Steuerpflichtige durch einen Bescheid, mit dem eine Steuerfestsetzung beseitigt wird, anderweitige Nachteile befürchten muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 7. April 1976 I R 24/75, BStBl II 1976, 501; vom 19. Mai 1981 VIII R 143/78, BStBl II 1981, 665; BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1987 V B 152/87, BStBl II BStBl 1987 II S. 1988, BStBl 1987 II S. 286). Eine solche Situation ist dann gegeben, wenn das Finanzamt aufgrund der seiner Auffassung nach nicht eingetretenen Straf- und Bußgeldfreiheit – einen Aufhebungsbescheid gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG erlässt (BFH-Beschluss vom 7. November 2007 X B 103/05, BStBl II 2008, 279; BFH-Urteil vom 12. Dezember 2007 X R 31/06, BStBl II BStBl 2006 II S. 2008, BStBl 2006 II S. 344). Denn der Steuerpflichtige muss in diesem Fall davon ausgehen, dass die Finanzbehörde die hinterzogenen Steuern gegen ihn festsetzen wird, soweit dies verfahrensrechtlich möglich ist (s. dazu Zanzinger in Leopold/Madle/Rader, Abgabenordnung, Vorbem. zu § 371 Rz. 38, 41). Dass im Streitfall nach Ergehen des auf § 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG gestützten Aufhebungsbescheides bereits – die bisher nicht berücksichtigten Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen und aus Spekulationsgeschäften einbeziehenden – Änderungsbescheide ergangen sind, lässt diesen mit dem Aufhebungsbescheid verbundenen Nachteil nicht wieder entfallen.

1.2. Es fehlt auch nicht am Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Klage. Der Kläger hat auch im Hinblick auf die Regelung des § 10 Abs. 4 StraBEG – ein schutzwürdiges Interesse daran, dass bereits jetzt und nicht erst in einem weiteren gerichtlichen Verfahren gegen den oder die Steuerbescheide, die unter Einbeziehung der bisher nicht berücksichtigten Einkünfte ergangen sind, vorhandene Zweifelsfragen geklärt werden (BFH in BStBl II 2008, 279 und in BStBl II 2008, 344).

2. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der mit der Abgabe der der strafbefreienden Erklärung bewirkten Steuerfestsetzungen für die Jahre 1996 bis 2001 (13 Abs. 2 Satz 1 Stra-BEG) lagen nicht vor.

Gemäß § 1 Abs. 1 StraBEG wird u.a. derjenige, der gegenüber den Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gemacht und dadurch Einkommensteuer verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat, nicht nach § 370 AO bestraft, soweit er nach dem 31. Dezember 2003 und vor dem 1. Januar 2005 die aufgrund seiner unterlassenen Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen gegenüber der Finanzbehörde erklärt und innerhalb von 10 Tagen nach Abgabe der Erklärung, spätestens aber bis zum 31. Dezember 2004 25 v.H. der Summe der erklärten Beträge entrichtet werden. Wird die Erklärung – wie im Streitfall – nach dem 31. Dezember 2004 und vor dem 1. April 2005 abgegeben, sind innerhalb von 10 Tagen nach Abgabe der Erklärung, spätestens bis zum 31. März 2005, 35 v.H. des erklärten Betrages zu entrichten (§ 1 Abs. 6 StraBEG). Nach § 1 Abs. 7 StraBEG ist die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung ausgeschlossen, soweit die Tat i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG nach dem 17. Oktober 2003 begangen worden ist.

Gibt jemand eine strafbefreiende Erklärung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 StraBEG unter Beachtung des § 3 StraBEG ab, steht diese gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Dies gilt auch dann, wenn der mit der Abgabe dieser Erklärung beabsichtigte Erfolg des Erlangens von Straf- oder Bußgeldfreiheit und des Erlöschens der in § 8 Abs. 1 Satz 1 StraBEG genannten Steueransprüche nicht eintritt. § 10 Abs. 2 StraBEG knüpft allein an das Vorliegen einer strafbefreienden Erklärung an, die in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StraBEG gesetzlich definiert ist (BFH in BStBl II 2009, 388). Tritt jedoch nach dem StraBEG keine Straf- oder Bußgeldfreiheit ein, ist vorbehaltlich des § 10 Abs. 3 Satz 2 StraBEG die nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG bewirkte Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern (§ 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG).

Im Streitfall ist Straf- oder Bußgeldfreiheit eingetreten, so dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung der mit der strafbefreienden Erklärung bewirkten Steuerfestsetzungen nicht vorlagen.

2.1. Der Kläger hat unstreitig nach dem 31. Dezember 2003 und vor dem 1. April 2005 eine Erklärung in der Form und mit dem Inhalt des § 3 StraBEG beim zuständigen Finanzamt abgegeben.

2.2. § 1 Abs. 7 StraBEG steht dem Eintritt des Straf- oder Bußgeldfreiheit nicht entgegen, da der Kläger bereits vor dem 18. Oktober 2003 eine Tat i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG begangen hat. Der Senat kann dabei offen lassen, ob für die Frage, ob die Tat i.S. des § 1 Abs. 1 StraBEG vor dem 18. Oktober 2003 begangen worden ist, der Zeitpunkt der Tathandlung (positives Tun oder Unterlassen) (so z.B. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 1 StraBEG Rz. 22; Rüping in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 1 StraBEG Rz. 20; BMF-Merkblatt zur Anwendung des StraBEG vom 3. Februar 2004 IV A 4 – S 1928 – 18/04, BStBl 2004 I S. 225 Tz 2.5) oder der Zeitpunkt der Tatvollendung (so Burchert, Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer – INF – 2004, 297) maßgeblich ist oder ob diesbezüglich zwischen einer Tatbegehung durch Unterlassen oder positives Tun zu differenzieren ist (so Zanzinger, a.a.O., Rz 10; wohl auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 20. August 2008 9 K 352/06, DStRE 2009, 693, Rev. anhängig unter dem Az. VIII R 31/08).

Denn im Streitfall lag vor dem 18. Oktober 2003 bereits eine vollendete Tat i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG (ggf. i.V.m. § 6 StraBEG) – eine vollendete Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs 1 AO (bzw. eine leichtfertige Steuerverkürzung gemäß § 378 Abs. 1 i.Vm. § 370 Abs. 1 AO – vor, so dass nach allen vorgenannten Auffassungen von einer Tatbegehung vor dem Stichtag des § 1 Abs. 7 StraBEG auszugehen ist. Zwar liegt eine strafbare Verkürzung von ESt (§ 370 Abs. 1 1. Alt. AO) für 1996 bis 2001 nicht vor, denn vorliegend ergab sich auch unter Berücksichtigung der nachträglich erklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen und Spekulationsgeschäften keine festzusetzende ESt für die Jahre 1996 bis 2001. Auch war die eingetretene Verkürzung der ESt für die Jahre 2002 f. infolge der unrichtigen Verlustfeststellungsbescheide auf den 31. Dezember der Jahre 1996 bis 2001 erst mit der Bekanntgabe der entsprechenden ESt-Bescheide vom 23. März 2004 (für 2002) und vom 2. September 2004 (für 2003) und damit nach dem Stichtag des § 1 Abs. 7 StraBEG vollendet. Der Kläger hat jedoch vor diesem Stichtag nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 2. Alt. AO, § 1 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StraBEG). Denn er hat erreicht, dass aufgrund seiner unvollständigen Angaben in den ESt-Erklärungen für 1996 bis 2001 hinsichtlich der von ihm erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Spekulationsgeschäften zunächst überhöhte Verlustabzüge bzw. – vorträge auf den 31. Dezember der Jahre 1996 bis 2001 festgestellt worden sind. Diese Taten waren mit der – jeweils vor dem 18. Oktober 2003 erfolgten – Bekanntgabe der entsprechenden Verlustfeststellungsbescheide vollendet.

2.2.1. Überhöhte Verluste, die dem Steuerpflichtigen durch einen gesonderten Feststellungsbescheid zugewiesen werden, stellen nach zutreffender Ansicht einen nicht gerechtfertigten Vorteil i.S. des § 370 Abs. 1 2. Alt. AO dar (Hardtke/Leip, Neue Zeitschrift für Strafrecht – NStZ – 1996, 217; Hardtke, Der AO Steuer-Berater – AO-StB – 2002, 93; Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 370 Rz. 122 unter Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 10. Dezember 2008 (1 StR 322/08, BGHSt 53, 99). Dies ist allerdings umstritten. Nach teilweise vertretener anderer Ansicht wird die Abgrenzung Steuerverkürzung/Erlangen ungerechtfertigter Steuervorteile nach Verfahrensabschnitten vorgenommen (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 548; Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 370 AO Rz. 120, 168, 299). Die Steuerverkürzung soll nur im Steuerfestsetzungsverfahren (§§ 155 ff. AO), das Erlangen von Steuervorteilen außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens, also im Steuererhebungsverfahren (§§ 218 ff. AO) oder im Beitreibungsverfahren (§§ 249 ff. AO) möglich sein. Nach dieser Abgrenzung stellt ein Verlustfeststellungsbescheid, der der Sache nach Teil des Festsetzungsverfahrens im weiteren Sinn ist (vgl. Hellmann, a.a.O, § 370 Rz. 299), keinen „Steuervorteil” i.S. von § 370 Abs. 1 2. Alt. AO (und damit i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StraBEG) dar. Zum gleichen Ergebnis kommt Rolletschke (in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, § 370 Rz. 118) mit der Begründung, dass für die Steuervorteilserlangung eine Verletzung des durch § 370 AO geschützten Rechtsguts erforderlich sei, weshalb nicht nur die Steuerforderung als solche, sondern letztlich die Substanz des staatlichen Vermögens beeinträchtigt werden müsse. Dies sei durch einen unrichtigen Feststellungsbescheid gerade nicht gegeben.

Der Senat folgt der erstgenannten Ansicht. Denn die Steuerhinterziehung ist zwar Erfolgsdelikt, jedoch nicht notwendig Verletzungsdelikt. Dies zeigt z.B. die Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO, wonach für eine Steuerverkürzung schon die zu niedrige Festsetzung von Steuern, also eine konkrete Gefährdung des Steueranspruchs genügt (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 Rz. 15). Der Senat teilt daher die Auffassung des BGH im Beschluss vom 10. Dezember 2008 (a.a.O.), dass die hinreichend konkrete Gefährdung des Steueranspruchs auch für die Annahme eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils ausreicht. Eine solche hinreichend konkrete Gefährdung ist nach zutreffender Ansicht des BGH (a.a.O.) beim Erlass eines unrichtigen Feststellungsbescheid zur einheitlichen und gesonderten Feststellung des Gewinns nach § 180 Abs. 1 Nr. 1 AO zu bejahen, da die – unrichtig – festgestellten Besteuerungsgrundlagen aufgrund der dem Gewinnfeststellungsbescheid als Grundlagenbescheid zukommenden Bindungswirkung (§ 182 Abs. 1 Satz 1 AO) ohne weiteres Zutun des Steuerpflichtigen in dem ESt-Bescheid als Folgebescheid einzubeziehen sind. Der Annahme eines mit dem Gewinnfeststellungsbescheid bereits erlangten Steuervorteils steht weder entgegen, dass ein solcher Bescheid regelmäßig noch keine abschließende Auskunft darüber gibt, in welcher konkreten Höhe der Steueranspruch tatsächlich beeinträchtigt wird, noch, dass das angestrebte Endziel der Steuerverkürzung erst mit der zu niedrigen Festsetzung der ESt im ESt-Bescheid erreicht wird. Die mit der Umsetzung der festgestellten unrichtigen Besteuerungsgrundlagen in den Folgebescheiden bewirkte Steuerverkürzung stellt lediglich einen weitergehenden Taterfolg dar, der insbesondere für den Zeitpunkt der Tatbeendigung und damit für den Verjährungsbeginn der Steuerhinterziehung von Bedeutung ist, die Tatvollendung durch Erlangen eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils jedoch nicht in Frage stellt (BGH, a.a.O.).

Diese Überlegungen des BGH treffen nach Ansicht des Senates auch für die im Streitfall erfolgten gesonderten Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG (für die Jahre 1996 bis 1998) bzw. -vorteils nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG (ab 1999) zu. Denn auch diese Bescheide stellen Grundlagenbescheide nach § 171 Abs. 10 AO dar, die für den nächsten ESt-Bescheid und den nächsten Verlustfeststellungsbescheid gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO bindend sind (vgl. Heinicke in Schmidt, EStG, 28. Aufl., § 10d Rz. 46). Ein anderes Ergebnis lässt sich nicht daraus herleiten, dass im Streitfall ein und dasselbe Finanzamt für den Erlass der Verlustfeststellungsbescheide und der ESt-Bescheide zuständig war, während bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung das für die Feststellung und das für die ESt-Besteuerung zuständige Finanzamt regelmäßig nicht identisch sind. Die Bindungswirkung gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO ist in beiden Fällen die gleiche; der jeweilige Verlustfeststellungsbescheid ist als Grundlagenbescheid zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 2004 VIII R 2/02, BStBl II 2004, 551 zur Bindung auch bei Fehlerhaftigkeit). Mit dem Erlass des Verlustfeststellungsbescheids liegt daher eine für das Erlangen eines Steuervorteils hinreichend konkrete Gefährdung des Steueranspruchs vor.

2.2.2. Der – steuerlich beratene – Kläger hat hinsichtlich der Erlangung der in den unrichtigen Verlustfeststellungsbescheiden liegenden Steuervorteile unstreitig auch vorsätzlich, zumindest aber leichtfertig (§ 378 AO, § 6 StraBEG) gehandelt. Die Möglichkeit und Wirkung gesonderter Verlustfeststellungen nach § 10 d EStG war dem Kläger mindestens seit dem Erlass des Verlustfeststellungsbescheides auf den 31. Dezember 1994 am 3. April 1997 – und damit bereits vor der Abgabe der ESt-Erklärung für 1996 am 30. April 1998 – bekannt.

2.3. Der sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 StraBEG (ggf. i.V.m. § 6 StraBEG) ergebende Umfang der Straf- oder Bußgeldbefreiung ist eingehalten.

Hiernach erstreckt sich die Straf- oder Bußgeldbefreiung auf alle Taten i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG, die sich auf nach dem 31. Dezember 1992 und vor dem 1. Januar 2003 entstandene Ansprüche auf Einkommensteuer beziehen, soweit die entsprechenden Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 2 bis 5 StraBEG in der strafbefreienden Erklärung berücksichtigt sind. Dieser sich hieraus ergebende Rahmen ist im Streitfall nicht überschritten.

2.3.1. Eine Tat i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG liegt vor (s. oben unter 2.2.). Diese bezieht sich auch auf Steueransprüche, die ab dem 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 2002 entstanden sind, mithin auf Steueransprüche der Veranlagungszeiträume 1993 bis 2002 (vgl. Zanziger, a.a.O., Vorbem. zu § 371 Rz. 9).

Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 StraBEG ist insoweit erforderlich, dass sich die begangene Steuerstraftat auf entstandene Steueransprüche der genannten Veranlagungszeiträume auswirkt. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass sich die Feststellungen der überhöhten Verlustabzüge bzw. -vorträge steuermindernd auf (einen oder mehrere) Steueransprüche der Veranlagungszeiträume 1993 bis 2002 auswirken müssen, damit Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt. Dies ist im Streitfall gegeben, da die unrichtigen, jeweils fortgeschriebenen Verlustfeststellungen auf den 31. Dezember der Jahre 1996 bis 2001 unstreitig dazu führten, dass die ESt für 2002 in den Bescheiden vom 23. März 2004 und am 22. März 2005 (festgesetzte Steuer jeweils 0 Euro) zu niedrig angesetzt wurde. Nach dem Gesetzeswortlaut ist hingegen nicht darüber hinaus Voraussetzung, dass das Jahr der Tatvollendung mit dem Jahr, in dem sich die Tat auf entstandene Steueransprüche auswirkt, identisch ist. Die gegenteilige Auslegung würde dazu führen, dass derjenige, der sich dadurch strafbar gemacht hat, dass er durch unrichtige etc. Angaben eine nicht gerechtfertigten Steuervorteil erlangt hat, der erst in einem zur späteren Veranlagungszeitraum zur Steuerverkürzung führt, schlechter steht als derjenige, bei dem die Steuerverkürzung bereits im gleichen Jahr eintritt. Dafür ist kein Grund ersichtlich.

2.3.2. Indem der Kläger für die Jahre 1996 bis 2001 eine strafbefreiende Erklärung abgab, in der er ihm in diesen Jahren zugeflossene und der Besteuerung nicht zu Grunde gelegte Einnahmen aus Kapitalvermögen und Spekulationsgeschäften nachmeldete, sind auch „die entsprechenden Einnahmen i.S. von § 1 Abs. 2 StraBEG in der strafbefreienden Erklärung berücksichtigt”.

§ 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG, der die zu erklärenden Einnahmen für den Fall der ESt-Verkürzung definiert, ist auch im Streitfall einschlägig, da es hier in den Jahren 2002 f. zu einer Steuerverkürzung gekommen ist. Nach dieser Vorschrift gelten als die in der strafbefreienden Erklärung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 StraBEG anzugebenden Einnahmen 60 v.H. der einkommensteuerpflichtigen Einnahmen, soweit sie aufgrund unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben zu Unrecht bei der Festsetzung der ESt der Veranlagungszeiträume 1993 bis 2002 nicht berücksichtigt wurden. In diesem Sinn „bei der Festsetzung der ESt nicht berücksichtigt” sind im Streitfall die dem Kläger in den Jahren 1996 bis 2001 zugeflossenen Einnahmen aus Kapitalvermögen und Spekulationsgeschäften, denn diese wurden vom Finanzamt aufgrund der diesbezüglich unvollständigen ESt-Erklärungen für diese Jahre nicht als Besteuerungsgrundlage der Besteuerung zu Grunde gelegt. Entsprechend dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG ist nicht weitergehend erforderlich, dass es sich darüber hinaus um Einnahmen handelt, die bei ihrer Berücksichtigung zu einer höheren Steuerfestsetzung in dem betreffenden Veranlagungszeitraum, in dem sie zugeflossen sind, geführt hätten. Dementsprechend geht auch das BMF (Merkblatt 2 vom 20. Juli 2004 IV A4 – S 1928 – 94/04, ergänzt durch IV A 4 – S 1928 – 120/04 vom 16. September 2004 – Ergänzende Informationen zum StraBEG, Frage 23) davon aus, dass die Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 2 StraBEG in dem Fall, dass die unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben (zunächst nur) zu einer überhöhten Verlustfeststellung gem. § 10d Abs. 3 (seit 1999 Abs. 4) Satz 1 EStG geführt haben, für das Jahr zu erklären sind, in dem sie zugeflossen sind. Würde man in diesem Fall demgegenüber verlangen, dass die strafbefreiende Erklärung für das oder die Jahre abgegeben wird, in dem bzw. in denen sich die festgestellten überhöhten Verlustabzüge/-vorträge tatsächlich steuermindernd ausgewirkt haben, und dass darin die Differenz des Verlustes, welchen die Finanzbehörde bei Kenntnis des wahren Sachverhaltes ermittelt hätte, zu dem tatsächlich festgestellten und berücksichtigten Verlust angegeben wird, würde man den Steuerpflichtigen zu u.U. komplizierten und aufwendigen Berechnungen zwingen. Dies stünde im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den zu entrichtenden Betrag im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit möglichst klar und nachvollziehbar zu gestalten (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 8. September 2003, Drucksache des Bundestags – BT-Drs. – 15/1521, S. 10).

2.4. Da der Kläger den nach dem Vorstehenden zutreffend ermittelten und erklärten Betrag innerhalb der Zahlungsfrist des § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 6 StraBEG gezahlt hat und auch keine für den Eintritt der Straf- oder Bußgeldfreiheit bestehenden Ausschlussgründe nach § 7 StraBEG ersichtlich sind, liegen im Streitfall alle Voraussetzungen für den Eintritt der Straf- oder Bußgeldfreiheit vor. Der Aufhebungsbescheid vom 6. September 2006 ist daher zu Unrecht ergangen und aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz beruht auf § 151 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs. FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

5. Die Revision war zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

RechtsgebieteEStG, StraBEG, FGO, AOVorschriftenEStG 1990/1997 § 10d Abs. 3 S. 1 EStG 1990/1997 § 10d Abs. 4 S. 1 StraBEG § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG § 1 Abs. 1 StraBEG § 1 Abs. 7 StraBEG § 4 Abs. 1 S. 1 AO § 370 Abs. 1 FGO § 40 Abs. 2

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