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30.07.2010 · IWW-Abrufnummer 101926

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 12.03.2009 – 7 Sa 1258/08

1. Ob ein arbeitsvertraglich vereinbarter pauschalierter Nachtarbeitszuschlag auch bei Annahmeverzug des Arbeitgebers oder als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geschuldet ist, richtet sich ausschließlich nach arbeitsrechtlichen und nicht nach steuerrechtlichen Kriterien.

2. Nachtarbeitszuschläge stellen keinen Aufwendungsersatzanspruch dar, sondern gehören zum Arbeitsentgelt im weiteren Sinne, das grundsätzlich auch während eines Annahmeverzugszeitraums und als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall weiterzuzahlen ist.

3. Das gilt erst recht, wenn es sich nach dem Arbeitsvertrag um eine pauschalierte, stets in gleichbleibender Höhe zu zahlende Monatsleistung handelt.


Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.09.2008 in Sachen 9 Ca 3054/08 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es sich bei dem vom Arbeitsgericht ausgeurteilten Betrag um einen Bruttobetrag und nicht um einen Nettobetrag handelt.

Auf die Anschlussberufung des Klägers hin wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 40,92 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.11.2007 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits in I und II. Instanz werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der an den Kläger zu zahlenden Arbeitsvergütung für die letzten drei Monate eines beendeten Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger trat am 01.04.2002 als Lagerarbeiter und Fahrer in die Dienste der Beklagten. Das beklagte Unternehmen befasst sich mit dem Großhandel von Obst und Gemüse. Dementsprechend hatte der Kläger stets nachts auf dem Großmarkt zu arbeiten. Als Vergütung vereinbarten die Parteien in § 4 ihres Arbeitsvertrages u. a. Folgendes:

Absatz 1: "Der Arbeiter erhält ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 1.950,- EUR. Das Gehalt ist jeweils zum Monatsende zahlbar".

Absatz 2: "Der Arbeiter erhält für die Nachtarbeit (22.00 bis 6.00 Uhr) den Zuschlag von 306,78 EUR." (Bl. 8 d. A.)

Unter dem 22.08.2007 sprach die Beklagte dem Kläger eine fristlose und mit Schreiben vom 27.09.2007 hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum 30.11.2007 aus. Hierüber führten die Parteien den Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Köln mit dem Aktenzeichen 16 Ca 6855/07. Der Kündigungsschutzprozess endete durch rechtskräftigen Vergleich vom 22.01.2008. Hierin regelten die Parteien u. a. Folgendes:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung vom 28.09.2007 mit Ablauf des 30.11.2007 sein Ende gefunden hat.

2. Bis zum Zeitpunkt der Beendigung wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt. Die entsprechenden Lohnansprüche zahlt die Beklagte dem Kläger aus, soweit nicht geschehen und soweit diese nicht auf Dritte übergegangen sind."

Vom 06.08. bis 15.08.2007 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Für den Monat August 2007 rechnete die Beklagte im Nachhinein insgesamt 2.506,78 EUR brutto ab, bestehend aus 2.200,- EUR Gehalt und einem "Festbezug St/SV-frei" in Höhe von 306,78 EUR (vgl. Abrechnung wie Bl. 164 d. A.). Wie sich aus Bescheinigungen der A R ergibt, die der Kläger im Laufe des vorliegenden Verfahrens zur Akte gereicht hat, war der Kläger während der bis zum 30.11.2007 andauernden Kündigungsfrist auch in der Zeit vom 22.10. bis 25.10.2007 und vom 08.11. bis 30.11.2007 arbeitsunfähig erkrankt. Für die Monate September, Oktober und November 2007 zahlte die Beklagte dem Kläger lediglich 2.200,- EUR brutto monatlich.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte schulde auch für diese Monate über das Grundgehalt hinaus den in § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vereinbarten pauschalierten Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 306,78 EUR monatlich, wobei der Betrag steuer- und sozialversicherungsfrei zu zahlen sei.

Der Kläger hat beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 306,78 EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.10.2007 zu zahlen;

2) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 306,78 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.11.2007 zu zahlen;

3) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 306,78 EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.12.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass sie den Nachtarbeitszuschlag für den Zeitraum September bis November 2007 deshalb nicht zahlen müsse, weil der Kläger in dieser Zeit tatsächlich nicht gearbeitet habe.

Mit Urteil vom 10.09.2008 hat die 9. Kammer des Arbeitsgerichts Köln der Klage bis auf einen Restbetrag in Höhe von 40,92 EUR stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 28.11.2008 zugestellt. Sie hat hiergegen bereits am 09.10.2008 Berufung eingelegt und diese unter dem 27.01.2009 begründet.

Die Beklagte bleibt bei ihrer Ansicht, dass sie den Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 306,78 EUR monatlich nur für solche Zeiträume zahlen müsse, in denen der Kläger tatsächlich Nachtarbeit geleistet habe. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck von Nachtarbeitszuschlägen, aber auch aus dem Wortlaut von § 6 Abs. 5 ArbZG. So habe auch das Finanzamt bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung beanstandet, dass sie, die Beklagte, in den Vorjahren Zuschläge auch bei Krankheit oder Urlaub steuerfrei ausgezahlt habe. Sie, die Beklagte, habe daher ab 2007 die Praxis, den Nachtarbeitszuschlag auch während Urlaub und/oder Krankheitszeiten fortzuzahlen, eingestellt. Für die Entgeltfortzahlungsperioden vom 22.10. bis 25.10.2007 und vom 09.11. bis 30.11.2007 scheitere der Anspruch auch daran, dass der Kläger zu gegebener Zeit seine Arbeitsunfähigkeit entgegen § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG nicht unverzüglich angezeigt habe. Das - endgültige - Leistungsverweigerungsrecht ergebe sich aus § 7 Abs. 1 EFZG.

Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 27.01.2009 nebst ihren Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.09.2008, Aktenzeichen 9 Ca 3054/08, aufzuheben und dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt der Kläger und Berufungsbeklagte,

die Beklagte und Berufungsklägerin an den Kläger und Berufungsbeklagten 40,92 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.11.2007 zu zahlen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat. Darüber hinaus stehe ihm aber auch der vom Arbeitsgericht zu Unrecht abgewiesene Restbetrag zu. Auch für den Zeitraum vom 22.10. bis 25.10.2007 sei - jedenfalls jetzt - die bestehende Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen. Unabhängig davon sei der Betrag schon unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges geschuldet.

Die Beklagte und Anschlussberufungsbeklagte beantragt,

die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers sind zulässig. Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft und wurde innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet. Die Anschlussberufung des Klägers wurde innerhalb der Berufungserwiderungsfrist, und damit gemäß § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO ebenfalls fristgemäß, eingelegt.

II. Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet, während der Anschlussberufung des Klägers stattzugeben war.

1. Mit Zugang der fristlosen Kündigung vom 22.08.2007 hatte die Beklagte dem Kläger seinerzeit die Weiterarbeit verwehrt. Auf die vom Kläger daraufhin erhobene Kündigungsschutzklage haben die Parteien im gerichtlichen Vergleich vom 22.01.2008 die außerordentliche Kündigung vom 22.08.2007 der Sache nach für gegenstandslos erklärt und sich darauf geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.11.2007 enden und zu diesem Zeitpunkt "ordnungsgemäß abgewickelt" und "die entsprechenden Lohnansprüche ausgezahlt" werden sollten, soweit dies nicht bereits geschehen war und soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

Erweist sich eine arbeitgeberseitig ausgesprochene fristlose Kündigung im Nachhinein aufgrund einer arbeitnehmerseitig erhobenen Kündigungsschutzklage als rechtsunwirksam oder gegenstandslos, so befindet sich der Arbeitgeber - von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen - mit der Annahme der Arbeitskraft des Arbeitnehmers in Verzug. Dies hat gemäß § 615 S. 1 BGB zur Folge, dass der Arbeitnehmer "für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen" kann, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Dem Grunde nach ist zwischen den Parteien auch nicht streitig, dass für den hier interessierenden Anspruchszeitraum September bis November 2007 von einem Annahmeverzug der Beklagten und den hieraus für sie resultierenden Pflichten auszugehen ist.

2. Wie sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 615 S. 1 BGB ergibt, ist für die Berechnung des Annahmeverzugslohns das sog. Lohnausfallprinzip maßgebend: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, an den Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung zu zahlen, die dieser erhalten hätte, wenn er im Annahmeverzugszeitraum tatsächlich gearbeitet hätte.

a. Hätte der Kläger in der Zeit vom September bis November 2007 für die Beklagte gearbeitet, soweit er nicht arbeitsunfähig erkrankt war, hätte er unstreitig Nachtarbeit zu leisten gehabt. Der Kläger hat immer und nur in Nachtarbeit gearbeitet. Hätte somit kein Annahmeverzug bestanden und der Kläger tatsächlich gearbeitet, hätte die Beklagte selbst nach ihrer eigenen Rechtsauffassung an den Kläger den vertraglich vereinbarten Vergütungsbestandteil von 306,78 EUR monatlich, der arbeitsvertraglich als Nachtarbeitszuschlag ausgewiesen ist, zahlen müssen. Schon deshalb ist die gegenteilige Rechtsauffassung der Beklagten und Berufungsklägerin ersichtlich rechtsirrig.

b. Seit jeher ist anerkannt, dass zum Verzugslohn gemäß § 615 BGB sämtliche Leistungen zählen die Entgeltcharakter haben (z. B. HWK-Krause,

3. Auflage, § 615 BGB Rdnr. 81). Zum Verzugslohn gehört somit nicht nur das Arbeitsentgelt im engeren Sinne, sondern auch das sog. Arbeitsentgelt im weiteren Sinne (Staudinger/Richardi, BGB, § 615 BGB Rdnr. 121; HWK-Krause a. a. O.). Unter § 615 BGB fallen daher auch z. B. Leistungszulagen, Zeitzuschläge, Sozialzulagen, Gratifikationen, Tantiemen und eben auch Spät- und Nachtzuschläge (speziell hierzu: BAG vom 18.09.2002, 1 AZR 668/01, DB 2003, 1121; ferner für Gefahrenzulagen BAG vom 18.06.1958, 4 AZR 590/55, AP Nr. 6 zu § 615 BGB; für Tantiemen BAG vom 19.05.1983, 2 AZR 171/81, DB 1984, 298).

c. Vom Verzugslohn auszunehmen sind dagegen Zahlungen, deren Zweck darin bestehen, konkrete Aufwendungen des Arbeitnehmers abzugelten, die infolge der unterbliebenen Arbeit tatsächlich nicht entstanden sind (LAG Hamm DB 1989, 1577; BAG DB 2003, 1121; Personalbuch 2008/Griese, Stichwort Annahmeverzug Rdnr. 15 am Ende). Klassische Beispiele für solche reinen Aufwendungsersatzansprüche sind Fahrtkostenzuschüsse oder Verpflegungsersatz (BAG vom 30.05.2001, 4 AZR 249/00, EzA § 615 BGB Nr. 104; HWK-Krause a. a. O.).

Nachtzuschläge fallen ersichtlich nicht in diese Kategorie konkreten Aufwendungsersatzes.

d. Selbst echte Aufwandsentschädigungen können aber sogar ebenfalls unter den nach § 615 BGB fortzuzahlenden Verzugslohn zu zählen sein, nämlich dann, wenn sie nach der zugrundeliegenden arbeits- oder auch tarifvertraglichen Vereinbarung in einer stets gleichbleibenden pauschalierten Höhe, losgelöst von konkreten Aufwendungsfall, gezahlt werden (HWK-Krause, § 615 BGB Rdnr. 81; OLG Stuttgart, BB 1986, 2419; ferner auch BAG NZA 1989, 111; BAG NZA 1987, 315; BAG NZA 1989, 112). Werden vordergründig der Aufwandsentschädigung dienende Leistungen in stets gleichbleibender Höhe pauschaliert gezahlt, dienen sie in der Sache der Anhebung des allgemeinen Lebensstandards des Arbeitnehmers und gehören daher zum Arbeitsentgelt im Sinne von § 615 BGB (HWK-Krause a. a. O.; OLG Stuttgart

a. a.O.).

e. Die in § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vereinbarte Nachtzulage stellt eine pauschalierte Leistung dar, die ersichtlich unabhängig vom konkret anfallenden Umfang der Nachtarbeit in stets gleichbleibender Höhe von 306,78 EUR monatlich gezahlt werden sollte. Dies folgt schon daraus, dass die Kalendermonate eines jeden Jahres bekanntlich unterschiedlich viele Kalendertage und damit auch unterschiedlich viele Arbeitstage aufweisen. Dennoch sieht der Arbeitsvertrag eine stets gleichbleibende Monatspauschale vor. Selbst wenn es sich hier somit, was allerdings in Wirklichkeit nicht der Fall ist, bei dem arbeitsvertraglich vereinbarten Nachtarbeitszuschlag um eine Aufwendungsersatzleistung handelte, fiele sie schon wegen ihrer Pauschalierung gleichwohl unter den fortzuzahlenden Annahmeverzugslohn.

f. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch, wie bereits ausgeführt, bei dem vertraglich vereinbarten Nachtarbeitszuschlag nicht um einen Aufwendungsersatz, sondern um einen echten Vergütungsbestandteil, der eine besondere Gegenleistung dafür darstellt, dass an die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit des Klägers erhöhte Anforderungen gestellt werden, weil die Tätigkeit regelmäßig nachts zu erbringen ist. Dies wird gerade aus dem Zusammenspiel von § 4 Abs. 1 und Abs. 2 des Arbeitsvertrages sinnfällig deutlich: Wäre die in § 2 Abs.1 des Arbeitsvertrags vereinbarte Tätigkeit als Lagerarbeiter und Fahrer zu "normalen" Arbeitszeiten in Tagschicht zu leisten, so wäre sie nach den Vorstellungen der Arbeitsvertragsparteien über den Wert der vereinbarten Leistung und Gegenleistung mit dem in § 4 Abs. 1 ausdrücklich so genannten "Grundgehalt" in Höhe von zuletzt 2.200,- EUR brutto monatlich ausreichend vergütet. Der Umstand, dass die Arbeit aber in ständiger Nachtarbeit geleistet werden muss, bedingt nach der Systematik des Arbeitsvertrages einen in § 4 Abs. 2 geregelten "Vergütungsmehrwert" in Höhe von 306,78 EUR monatlich.

g. Entsprechend ihrer in § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages übernommenen Verpflichtung hat die Beklagte folgerichtig zunächst die für Nachtarbeit vereinbarte Zuschlagspauschale auch in Urlaubs- und Krankheitszeiten des Klägers weiter gezahlt. Entgegen ihrer Einlassung in der Berufungsbegründungsschrift hat sie diese Praxis auch im Jahre 2007 jedenfalls nicht durchgängig aufgegeben; denn der Kläger weist insoweit nachvollziehbar auf die Korrekturabrechnung für August 2007 hin, wonach die Beklagte in diesem Monat die volle Nachtarbeitspauschale gezahlt hat, obwohl der Kläger zwischen dem 07.08. und 15.08.2007 ebenfalls arbeitsunfähig erkrankt gewesen war.

h. Die Einlassungen der Beklagten, warum sie im Jahre 2007 die zuvor geübte Praxis, die Nachtarbeitspauschale auch bei Urlaubs- und Krankheitszeiten zu zahlen, nunmehr eingestellt hat, sind rechtlich unerheblich. Soweit die steuerrechtlichen Beanstandungen im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung sich überhaupt auf den Nachtarbeitszuschlag beziehen - in der von der Beklagten insoweit vorgelegten Unterlage ist nur von "Sonn- und Feiertagszuschlägen" die Rede - , so betrifft die Beanstandung nur den Umstand, dass die Beklagte die Nachtarbeitspauschale stets steuerfrei gezahlt hat. Dagegen liegt es weder in dem Willen, noch in der Kompetenz der Finanzbehörden, die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien danach zu beurteilen, ob und für welche Zeiträume die Beklagte dem Kläger überhaupt Nachtarbeitszuschläge schuldet. Hierfür ist ausschließlich der Arbeitsvertrag maßgeblich.

i. Im Lohnsteuerrecht wird das Privileg der Steuerfreiheit von Nachtarbeitszulagen nach § 3 b EStG in der Tat grundsätzlich nur auf solche Zuschläge in bestimmter Höhe bezogen, die für tatsächlich geleistete Nachtarbeit anfallen (umfassend und instruktiv hierzu: Personalbuch 2008/Huber/Seidel, Stichwort Sonn- und Feiertagsarbeit Rdnr. 17 ff.). Dass vorliegend ein Ausnahmetatbestand hiervon angenommen werden könnte - hierzu Personalbuch 2008 a. a. O., Rdnr. 27 f. d. A. - ist nicht ersichtlich. Daraus folgt jedoch lediglich, dass die Pflicht der Beklagten zur Zahlung der Nachtarbeitspauschale als Bruttobetrag und nicht als Nettobetrag geschuldet wird (zum Sozialversicherungsrecht: Personalbuch 2008/Schlegel, Stichwort Sonn- und Feiertagsarbeit, Rdnr. 32 ff.).

3. Die Pflicht der Beklagten zur Zahlung der Nachtarbeitspauschale bestand dabei auch in den Zeiträumen, in denen der Kläger während des Anspruchszeitraum, also vom 22.10. bis 25.10.2007 und vom 09.11. bis 30.11.2007 arbeitsunfähig erkrankt war. Die hiergegen gerichteten Einwände der Beklagten und Berufungsklägerin sind teils fernliegend, teils widersprüchlich.

a. Fernliegend ist der Einwand der Beklagten, weil der Kläger die vorgenannten Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht zeitnah und unverzüglich gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG mitgeteilt habe, sei sie, die Beklagte, nunmehr nach § 7 Abs. 1 EFZG von der Leistung befreit. § 7 Abs. 1 gewährt nur ein Zurückbehaltungsrecht. Dieses entfällt ohne Weiteres, sobald der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit erbracht ist.

b. Widersprüchlich ist der Einwand der Beklagten insoweit, als dann, wenn der Kläger in den fraglichen Zeiträumen in Wirklichkeit nicht arbeitsunfähig gewesen wäre, die entsprechende Fortzahlungspflicht schon aus dem allgemeinen Gesichtspunkt des Annahmeverzuges folgte (hierzu oben unter 2.).

c. Unabhängig davon gehört der nach § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages pauschalierte monatliche Nachtarbeitszuschlag aber ohnehin zu dem gemäß

§ 4 Abs. 1 EFZG fortzuzahlenden Arbeitsentgelt (BAG vom 13.03.2002, 5 AZR 648/00, AP Nr. 58 zu § 4 EFZG; HWK-Schliemann, § 4 EFZG, Rdnr. 31). Auf die obigen Ausführungen zum Annahmeverzugsentgelt kann entsprechend Bezug genommen werden.

4. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass das Arbeitsgericht die Beklagte zu Recht zur Zahlung von 879,42 EUR nebst Verzugszinsen verurteilt hat.

Jedoch handelt es sich hierbei um einen Brutto- und nicht um einen Nettobetrag.

Ebenso folgt aus den Ausführungen, dass die Anschlussberufung begründet ist. Der anteilige Nachtarbeitszuschlag steht dem Kläger auch während der Krankheitszeit vom 22.10. bis 25.10.2007 zu. Zum einen liegt über die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in diesem Zeitraum nunmehr ebenfalls ein Nachweis in Form einer A -Bescheinigung vor. Zum anderen kam es hierauf bei richtiger rechtlicher Würdigung gar nicht erst an (siehe oben unter 2. und 3. b).

III. Die Kosten der eigenen erfolglosen Berufung und der erfolgreichen Anschlussberufung des Klägers fallen der Beklagten gemäß §§ 91, 97 ZPO zur Last.

Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist ersichtlich nicht gegeben.

RechtsgebietBGB EFZG EStGVorschriften§ 615 Abs. 1 BGB § 4 Abs. 1 EFZG § 3b EStG

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