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28.07.2010 · IWW-Abrufnummer 101710

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 18.03.2010 – 10 Sa 643/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15. Juli 2009, Az.: 1 Ca 2747/08, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin unter Vorlage der Schlussabrechnung der Versicherung Auskunft über den Rückkaufswert der Direktversicherung bei der X. Lebensversicherung AG (Versicherungsnummer: 25 703 092 5), einschließlich bereits zugeteilter Überschussanteile, Schlussüberschussanteile und Gutschriften aus Bewertungsreserven wie bei Rückkauf ohne Abzüge, zum Übertragungsstichtag 31.12.2007 zu erteilen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf € 2.000,00 festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Wege der Stufenklage über Auskunfts- und Schadensersatzansprüche, nachdem die Beklagte eine Direktversicherung nicht mehr auf den neuen Arbeitgeber der Klägerin übertragen kann.
Die am 10.05.1954 geborene Klägerin war vom 01.07.1998 bis zum 31.12.2007 in der Kanzlei der Beklagten als Rechtsanwältin angestellt. Diese schloss für die betriebliche Altersversorgung der Klägerin eine Direktversicherung mit der „X. Lebensversicherung AG“ (Nr. 25 703 092 5) ab. Die Versicherung begann am 01.11.1999. Der monatliche Versicherungsbeitrag in Höhe von € 76,69 wurde von der Beklagten aufgrund Entgeltumwandlung statt Arbeitsentgelt gezahlt.
Die Klägerin steht seit dem 01.12.2007 in einem neuen Arbeitsverhältnis mit ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten. Mit Schreiben vom 23.10.2008 beantragte sie gemäß § 4 Abs. 3 BetrAVG die Übertragung der Direktversicherung auf die neue Arbeitgeberin. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 27.10.2008 mit der Begründung ab, die Klägerin habe keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben.
Mit ihrer am 10.11.2008 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Übertragung der Direktversicherung auf ihre neue Arbeitgeberin beantragt. Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 15.07.2009 teilte die Beklagte mit, sie habe den Versicherungsvertrag zwischenzeitlich gekündigt, der Rückkaufswert sei an sie ausgezahlt worden, eine Übertragung sei deshalb nicht mehr möglich.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe nach § 30 f Abs. 1 BetrAVG eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben. Die Beklagte habe sie so zu stellen, wie sie stünde, wenn die Direktversicherung fortgeführt worden wäre. Die Beklagte sei ihr zunächst zur Auskunft verpflichtet, weil sie ihren Schaden ohne das Abrechnungsschreiben der Versicherung nicht beziffern könne.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Beklagte mit Teil-Urteil vom 15.07.2009 verurteilt,
1. der Klägerin Auskunft über den exakten Inhalt der Schlussabrechnung der "X. Lebensversicherung" betreffend den Vertrag mit der Versicherungsnummer 25 703 092 5 nach Kündigung desselben durch die Beklagten bzw. einem von ihnen zu erteilen,
2. einer unmittelbaren Auskunft der "X. Lebensversicherung" betreffend den Vertrag 25 703 092 5 an die Klägerin zuzustimmen.
Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf Vorlage der entsprechenden Abrechnungen und Abgabe des Einverständnisses zur direkten Rücksprache mit dem Träger der betrieblichen Altersversorgung. Die Parteien hätten mit der Direktversicherung bei der X. Lebensversicherung AG eine betriebliche Altersversorgung im Sinne von §§ 1, 1 b Abs. 2 BetrAVG abgeschlossen. Diese Versorgungszusage sei gemäß § 30 f BetrAVG seit dem 01.01.2006 unverfallbar und habe deshalb durch die Beklagte nicht gekündigt werden dürfen, ohne dass dies entsprechende Ausgleichsansprüche gegenüber der Klägerin zur Folge hätte. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergebe sich aus § 4 a Abs. 1 Ziffer 2 BetrAVG. Der Anspruch auf Einverständnis zu direkter Rücksprache aus § 4 a Abs. 1 Ziffer 2 BetrAVG in entsprechender Anwendung bzw. in Verbindung mit der nachvertraglichen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.
Die Beklagte, der das Teilurteil am 02.10.2009 zugestellt worden ist, hat am 28.10.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese innerhalb der bis zum 05.01.2010 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 05.01.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Sie führt aus, die Direktversicherung sei nicht unverfallbar gewesen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die Vertragsurkunden beiderseitig nicht unterzeichnet worden seien. Die vertraglichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe bei ihrem Ausscheiden zwar das 35. Lebensjahr vollendet, die Versicherung habe jedoch keine zehn Jahre und das Arbeitsverhältnis keine zwölf Jahre bestanden. Die Klägerin könne sich nicht auf das Betriebsrentengesetz in der Fassung vom 26.06.2001 berufen. Diese Fassung habe bei Abschluss des Versicherungsvertrages im Jahr 1999 keine Anwendung gefunden. Die im Versicherungsvertrag vereinbarten Unverfallbarkeitsfristen spiegelten die damalige Sach- und Rechtslage wider. Die seinerzeit geltenden Fristen müssten auch weiterhin Bestand haben. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 05.01.2010 (Bl. 77- 79 d. A.) verwiesen.
Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.07.2009, Az. 1 Ca 2747/08, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 12.01.2010 (Bl. 90-91 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.
II. In der Sache hat die Berufung nur teilweise Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß § 4 a BetrAVG ein Auskunftsanspruch zu. Die Klägerin hat jedoch kein berechtigtes Interesse daran, dass die Beklagte der Einholung einer „unmittelbaren Auskunft“ bei der Lebensversicherungsgesellschaft zustimmt. Insoweit war die Klage abzuweisen.
1. Die Beklagte ist der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, von der Beklagten so gestellt zu werden, als wäre die Direktversicherung nicht gekündigt, sondern zum Stichtag 31.12.2007 auf ihre neue Arbeitgeberin übertragen und bis zum Eintritt des Versorgungsfalls aufrechterhalten worden.
Die Klägerin hat eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erlangt. Sie hat die in der Übergangsvorschrift des § 30 f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG geregelte Unverfallbarkeitsfrist bei ihrem Ausscheiden am 31.12.2007 erfüllt. Nach dieser Vorschrift, die die Beklagte übersieht, bleibt die Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, die - wie hier - vor dem 1. Januar 2001 zugesagt worden sind, „auch erhalten, wenn die Zusage ab dem 1. Januar 2001 fünf Jahre bestanden hat und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 30. Lebensjahr vollendet ist.“
Nach § 30 f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG genügt es, wenn „die Zusage ab dem 1. Januar 2001 fünf Jahre bestanden hat“. Die Unverfallbarkeitsfrist des § 30 f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrAVG war vorliegend mit Ablauf des 31. Dezember 2005 erfüllt. Die Klägerin hatte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten am 31.12.2007 das 30. Lebensjahr vollendet, die Versorgungszusage bestand seit November 1999 und damit - gerechnet ab dem 1. Januar 2001 - sechs Jahre.
Die nach der bisherigen Gesetzesfassung geltenden, in § 30 f Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BetrAVG übernommenen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen müssen nicht zusätzlich zu denen des Halbsatzes 2 erfüllt sein. Die in Halbsatz 2 verwandten Worte „in diesen Fällen“ beziehen sich nur auf den Anwendungsbereich des Halbsatzes 1, also auf die dort definierten Übergangsfälle. Halbsatz 2 gilt ebenso wie Halbsatz 1, wenn „Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vor dem 1. Januar 2001 zugesagt worden sind“. Die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen der beiden Halbsätze müssen jedoch nicht kumulativ, sondern alternativ vorliegen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Halbsatzes 2 („bleibt t… auch erhalten, wenn …“) und entspricht dem Gesetzeszweck. Eine Schlechterstellung der „Altzusagen“ gegenüber den „Neuzusagen“ sollte verhindert werden (vgl. dazu BAG Urteil vom 26.05.2009 - 3 AZR 816/07 - AP Nr. 61 zu § 2 BetrAVG).
2. Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB), weil die Beklagte die Direktversicherung - trotz ihrer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft - gekündigt hat.
Zwar kann die Klägerin, obwohl sie eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erlangt hat, von der Beklagten nicht Ersatz des ihr ausgezahlten Rückkaufswerts der Lebensversicherung verlangen (BAG Urteil vom 26.05.2009 - 3 AZR 816/07, a.a.O.). Bei einer Direktversicherung verpflichtet § 1 b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG den Arbeitgeber dazu, das versicherungsrechtliche Bezugsrecht des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers nach Eintritt der Unverfallbarkeit bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zu widerrufen. Dabei handelt es sich um eine schuldrechtliche Verpflichtung. Wenn diese Pflicht verletzt wird, ist der Versorgungsberechtigte im Wege der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 Satz 1 BGB) so zu stellen, wie er ohne den Widerruf des Bezugsrechts stünde.
Die Beklagte hat durch die Kündigung des Versicherungsvertrages den Anspruch der Klägerin auf Übertragung der betrieblichen Altersversorgung nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG bei Arbeitgeberwechsel (sog. Portabilität) unmöglich gemacht. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG gibt dem Arbeitnehmer das Recht auf Übertragung, wenn die betriebliche Altersvorsorge bisher - wie hier - über eine Direktversicherung durchgeführt worden ist. Dieses Recht kann innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden beim alten Arbeitgeber geltend gemacht werden. Der Anspruch auf Übertragung ist auf Anwartschaften begrenzt, deren Wert die im Jahr der Übertragung geltende Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (2007: € 63.000,00) nicht übersteigt. Die Klägerin hat vorliegend die Übertragung mit Schreiben vom 23.10.2008 und mit ihrer am 19.11.2008 zugestellten Klageschrift fristgerecht geltend gemacht. Ihre Anwartschaft übersteigt die Beitragsbemessungsgrenze nicht. In 98 Monaten (01.11.1999 bis 31.12.2007) sind Versicherungsbeiträge von je € 76,69; mithin insgesamt € 7.515,62, eingezahlt worden.
3. Die Klägerin hat gemäß § 4 a Abs. 1 Ziffer 2 BetrAVG und §§ 241 Abs. 2, 242 BGB gegen die Beklagte im Rahmen der Stufenklage (§ 254 ZPO) einen Auskunftsanspruch. Nach § 4 a Abs. 1 Ziffer 2 BetrAVG, der im Zusammenhang mit der Neuregelung der Portabilität am 01.01.2005 durch das Alterseinkünftegesetz eingefügt worden ist, hat der (alte) Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei berechtigtem Interesse auf dessen Verlangen schriftlich mitzuteilen, wie hoch bei einer Übertragung der Anwartschaft nach § 4 Abs. 3 BetrAVG der Übertragungswert ist. Eine Übertragung ist aufgrund der Kündigung der Beklagten unmöglich geworden. Die Klägerin benötigt zur Bezifferung ihres Schadensersatzanspruchs Auskünfte darüber, wie hoch der Übertragungswert am 31.12.2007 gewesen wäre.
Soweit das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt hat, „Auskunft über den exakten Inhalt der Schlussabrechnung“ zu erteilen, ist klarzustellen, dass die Beklagte Auskunft über den Rückkaufswert der Direktversicherung (einschließlich bereits zugeteilter Überschussanteile, Schlussüberschussanteile und Gutschriften aus Bewertungsreserven wie bei Rückkauf ohne Abzüge) zum Übertragungsstichtag 31.12.2007 zu erteilen hat. Nach dem Versicherungsabkommen zur Übertragung von Direktversicherungen bei Arbeitgeberwechsel (Text des Abkommens unter www.gdv.de abrufbar) überweist der übertragende Versorgungsträger an den übernehmenden den Rückkaufswert der Versicherung (einschließlich bereits zugeteilter Überschussanteile, Schlussüberschussanteile und Gutschriften aus Bewertungsreserven wie bei Rückkauf ohne Abzüge). Diese Auskünfte benötigt die Klägerin zur Bezifferung ihrer Schadensersatzansprüche. Deshalb wurde der Tenor des Arbeitsgerichts zur Klarstellung neu gefasst.
4. Der Auskunftsanspruch gemäß § 4 a Abs. 1 BetrAVG besteht nicht nur gegenüber dem (alten) Arbeitgeber, sondern ausdrücklich auch gegenüber dem Versorgungsträger. Die Klägerin kann deshalb die benötigten Auskünfte unmittelbar bei der X. Lebensversicherung AG einholen. Einer Zustimmung der Beklagten bedarf es nicht. Deshalb war der Klageantrag zu 2) abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

RechtsgebietUnverfallbarkeitsfrist - Übergangsregelung - Direktversicherung

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