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11.05.2010 · IWW-Abrufnummer 101514

Landgericht Bielefeld: Beschluss vom 25.02.2010 – 1 Qs-6 AR 45/09-78/10

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Bielefeld

01 Qs-6 AR 45/09-78/10

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 24.04.1998 zum Aktenzeichen 10 Ls 56 Js 1512/96 – M 3/98 wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er hatte im Zeitraum von Juni 1993 bis Juni 1996 rund 100.400 unverzollte und unversteuerte Zigaretten an eine Abnehmerin persönlich übergeben und dadurch einen Abgabenschaden i.H.v. insgesamt rund € 12.500,00 verursacht. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 12.02.1999.
Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 18.02.2000 zum Aktenzeichen 10 Ls 6 Js 539/99 – 27/99 wurde der Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung für 5 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beschwerdeführer übernahm am 09.10.1998 von einer anderen Person mindestens 1.000 Stangen unversteuerter und unverzollte Zigaretten, um diese gewinnbringend weiterzuverkaufen. Dadurch verursachte er einen Abgabenschaden i.H.v. rund € 25.000,00. Der Strafbefehl ist rechtskräftig seit dem 24.11.2000.
Mit Beschluss vom 28.05.2001 bildete das Amtsgericht Bielefeld aus den beiden vorgenannten Verurteilungen nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten, deren Vollstreckung weiterhin zur Bewährung ausgesetzt wurde, und zwar bis zum 13.12.2005. Die Entscheidung ist rechtskräftig seit dem 20.06.2001. Die Strafaussetzung zur Bewährung wurde durch Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 30.07.2007 aufgrund der nachstehenden Entscheidung des Amtsgerichts Bielefeld vom 07.11.2006 widerrufen. Der Beschluss ist rechtskräftig seit dem 19.09.2007.
Durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 07.11.2006 wurde der Beschwerdeführer zum Aktenzeichen 6 Js 936/05 10 Ls 899/06 wegen gemeinschaftlicher gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung in 8 Fällen schuldig gesprochen. Er wurde zum einen wegen 4 der Fälle unter Einbeziehung eines anderweitigen Urteils des Amtsgerichts Bielefeld vom 27.06.2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten und zum anderen wegen weiterer 4 Fälle zu einer weiteren Gesamtfreiheitstrafe von ebenfalls 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt. Dem Beschwerdeführer kam als Mitglied einer organisierten Tätergruppe die Aufgabe zu, unversteuerte und unverzollte Zigaretten, die durch einen Fahrer von Polen nach Deutschland transportiert worden sind, in Bielefeld in Empfang zu nehmen und sie unter Beteiligung weiterer Personen an die jeweiligen Abnehmer weiterzugeben. Im Zeitraum vom 09.06.2005 bis zum 08.08.2005 setzte der Beschwerdeführer rund 2.669 Stangen unverzollter und unversteuerter Zigaretten um und verursachte dadurch einen Gesamtabgabeschaden i.H.v. ca. € 97.000,00; die durch die Einzeltaten verursachten Schäden lagen zwischen € 11.000,00 und € 13.000,00.
Mit Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 17.02.2009 (23b StVK 206/09 und 23b StVK 207/09) wurden die Reststrafen aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 28.05.2001 und aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 07.11.2006 zur Bewährung ausgesetzt.
Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, gemäß § 81g StPO anzuordnen, dass dem Beschwerdeführer zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht werden.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass es sich bei gewerbsmäßiger Steuerhehlerei bzw. Steuerhinterziehung um erhebliche Straftaten handele, die dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen und geeignet seien, den Rechtsfrieden empfindlich zu stören und das Gefühl der Rechtssicherheit der Allgemeinheit erheblich zu beeinträchtigen.
Es bestehe auch die Gefahr, dass der Beschwerdeführer erneut erhebliche Straftaten begehen werde. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass er wieder einschlägige Straftaten begangen habe, obwohl er unter Bewährung gestanden habe.
Es sei auch damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer bei erneuter Tatbegehung DNA-Spuren hinterlasse, da er bei den vorangegangenen Taten im Zuge der Weitergabe der Zigarettenpackungen unmittelbaren Körperkontakt mit der Ware gehabt habe.
Der Beschwerdeführer hat dem Antrag widersprochen und dazu ausgeführt, es handele sich vorliegend nicht um einen Fall erheblicher Kriminalität. Insbesondere sei Zigarettenschmuggel nicht geeignet, den Rechtsfrieden empfindlich zu stören, da es sich um ein Delikt handele, welches nur in eingeweihten Kreisen stattfinde. Ferner seien die Schadenssummen rein fiktiv.
Eine negative Zukunftsprognose sei ihm nicht zu stellen. Dies zeige sich bereits an der Entscheidung des Landgerichts Bielefeld vom 17.02.2009, wo ihm eine Strafaussetzung zur Bewährung bewilligt wurde.
Schließlich sei auch nicht zu erwarten, dass künftig DNA-Spuren von ihm zu erlangen seien, da er keine Taten mehr begehen werde.
Mit Beschluss vom 01.01.2010 hat das Amtsgericht Bielefeld zum Aktenzeichen 9 Gs – 6 AR 45/09 – 5394/09 antragsgemäß angeordnet, dass dem Beschwerdeführer zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht werden.
Der Beschwerdeführer sei in der Vergangenheit wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung verurteilt worden, die angesichts der Höhe des Schadens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen seien.
Aufgrund der Persönlichkeit und der einschlägigen strafrechtlichen Vorbelastungen des Beschwerdeführers und der Tatsache, dass er trotz laufender Bewährung Straftaten begangen habe, bestehe auch Grund zu der Annahme, dass gegen ihn erneut Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen seien. Dieser Annahme stehe die vom Landgericht bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung nicht entgegen, da insoweit ein anderer Maßstab gelte.
Gegen diesen ihm am 08.01.2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 12.01.2010 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er auf seinen bisherigen Vortrag Bezug genommen und darüber hinaus nochmals darauf abgestellt, dass es sich bei gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung in der Form des Zigarettenschmuggels – insbesondere in Fällen, in denen jeweils nur ein Steuerschaden i.H.v. € 10.000,00 entstanden sei – nicht um Fälle erheblicher Kriminalität handele.
Das Amtsgericht Bielefeld hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat in seinem Beschluss vom 01.01.2010 zu Recht gem. § 81g StPO angeordnet, dass dem Beschwerdeführer zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch untersucht werden. Die Voraussetzungen des § 81g StPO liegen vor.
1.
Eine erhebliche Straftat i.S.d. § 81g I StPO liegt vor. Der Beschwerdeführer ist – wie oben im Einzelnen dargestellt – wiederholt wegen mehrfacher gewerbsmäßiger Steuerhehlerei bzw. Steuerhinterziehung verurteilt worden.
Gewerbsmäßige Steuerhehlerei bzw. Steuerhinterziehung sind erhebliche Straftaten im Sinne des § 81g StPO. Erheblich sind bereits Straftaten, die dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind, den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 81g, Rn 7a).
Dass der Gesetzgeber die gewerbsmäßige Steuerhehlerei als erhebliche Straftat ansieht, ergibt sich bereits aus dem insoweit gem. § 374 II AO vorgesehenen erhöhten Strafrahmen von Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren.
Ferner zeigt sich die Erheblichkeit der Straftaten in dem bislang durch die Straftaten des Beschwerdeführers verursachten Abgabenschaden, wobei insbesondere die letzte Verurteilung des Amtsgerichts Bielefeld vom 07.11.2006 mit einem in kurzer Zeit verursachten erheblichen Abgabeschaden i.H.v. insgesamt € 97.000,00 hervorzuheben ist. Abgabenschäden in einer derartigen Höhe stören den Rechtsfrieden empfindlich und sind geeignet, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Diesbezüglich hat das Amtsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die (organisierte) Steuerhinterziehung bzw. -hehlerei in erheblichem Umfang dazu beiträgt, dass sich die Abgabenlast ehrlicher Bürger erhöht.
Selbst wenn die gewerbsmäßige Steuerhehlerei bzw. Steuerhinterziehung für sich allein genommen nicht als erhebliche Straftat i.S.d. § 81g I 1 StPO ansehen werden würde, lägen jedenfalls die Voraussetzungen der wiederholten Begehung sonstiger – nicht erheblicher Straftaten – vor, § 81g I 2 StPO. Der Beschwerdeführer ist wegen einer Vielzahl von einzelnen Fällen wegen steuerrechtlicher Vergehen verurteilt worden, zuletzt wegen Steuerhinterziehung in 8 Fällen. Aufgrund dessen ergibt die insoweit vorzunehmende Gefahrenprognose, dass gegen ihn auch künftig Strafverfahren wegen mehrerer sonstiger – möglicherweise für sich allein genommener nicht erheblicher – Straftaten zu führen sein werden, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit einer erheblichen Straftat gleichstehen (vgl. dazu Karlsruher Kommentar-Senge, StPO, 6. Aufl., § 81g, Rn. 7).
2.
Es besteht auch Grund zu der Annahme, dass gegen den Beschwerdeführer künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind.
Maßgeblich für diese Bewertung sind dabei insbesondere Anlasstat, Vorstrafen, Rückfallgeschwindigkeit, Prägung in Richtung bestimmter Delikte, Motivationslage bei früheren Straftaten, das Verhalten des Betroffenen in einer Bewährungszeit oder nach einem Straferlass sowie frühere und derzeitige Lebensumstände (Karlsruher Kommentar-Senge, StPO, 6. Aufl., § 81g, Rn. 10). Der anzulegende Prognosemaßstab ist nicht identisch mit jenen Prüfungskriterien, die einer Prognoseentscheidung der Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde liegen. Ferner sind diese in anderem Zusammenhang getroffene Prognoseentscheidungen anderer Gerichte bei der Entscheidung nach § 81g StPO nicht bindend, so dass positive Bewährungsentscheidungen einer Negativprognose nach § 81g StPO nicht entgegenstehen (Karlsruher Kommentar-Senge, StPO, 6. Aufl., § 81g, Rn. 10).
Vor diesem Hintergrund ist zunächst unschädlich, dass das Landgericht Bielefeld dem Beschwerdeführer im Zuge der Entscheidung vom 17.02.2009 eine günstige Sozialprognose gestellt und die Vollstreckung der Reststrafen zur Bewährung ausgesetzt hat.
Ungeachtet dessen ist dem Beschwerdeführer in diesem Verfahren eine negative Prognose zu stellen. Dies ergibt sich insbesondere aus seinen mehrfachen und einschlägigen Vorbelastungen. Er hat in der Vergangenheit wiederholt gewerbsmäßige Steuerhehlerei bzw. Steuerhinterziehung begangen, indem er illegale Geschäfte mit unversteuerten und/oder unverzollten Zigaretten getätigt hat, wobei er diese Taten zum Teil sogar während laufender Bewährungszeit verübt hat. Folglich haben weder einschlägige Vorverurteilungen noch laufende Bewährungen einen derart hinreichenden Eindruck auf ihn gemacht, dass er keine Straftaten mehr begeht. Es ist nicht ersichtlich, dass sich an diesen Umständen etwas geändert hat, so dass Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn in Zukunft Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind.
3.
Schließlich ist auch damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer bei erneuter Tatbegehung DNA-Spuren hinterlässt. Geschäfte mit unversteuerten und/oder unverzollten Zigaretten werden zumeist durch Übergabe einer Probepackung angebahnt, wobei regelmäßig Hautpartikel und/oder Haare auf die Konterbande übertragen und daher auswertbare DNA-Spuren hinterlassen werden. Dies wird dadurch untermauert, dass der Beschwerdeführer bei den bislang von ihm verübten Taten im Zuge der Weitergabe der Zigarettenpackungen unmittelbaren Körperkontakt mit der Ware hatte.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 I StPO.

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