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25.05.2010 · IWW-Abrufnummer 101488

Kammergericht Berlin: Urteil vom 29.10.2009 – 1 U 41/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


1 U 41/08
Tenor
Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. Juni 2008 - 4.0.378/07 - wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Berlin vom 24. Januar 2008 - 4.0.378/07 - wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits sowie im Berufungsverfahren die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers des Beklagten zu tragen.
Hiervon ausgenommen sind die Kosten der Säumnis des Beklagten in der ersten Instanz; diese Kosten hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die zulässige, insbesondere frist- und formgerecht erhobene und begründete Berufung, vgl. §§ 511, 517, 519, 520 ZPO, hat in der Sache Erfolg.
1. Die von der Klägerin geltend gemachte und durch das angefochtene Urteil des Landgerichts bestätigte Forderung auf Rückabwicklung des am 13. September 2007 geschlossenen Kaufvertrags über einen gebrauchten PKW ist unbegründet.
Gemäß §§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB kann der Käufer von dem Vertrag zurückgetreten, wenn die erworbene Sache mangelhaft und eine dem Verkäufer gesetzte angemessene Frist zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn die Klägerin hat den Beklagten zu keinem Zeitpunkt zur Beseitigung der an dem Pkw vorhandenen Mängel aufgefordert. Allerdings ist eine solche Fristsetzung entbehrlich, wenn der Pkw einen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als Bagatellschäden gekommen ist (BGH, NJW 2008, 53, 54). Im Verfahren vor dem Landgericht ist es unstreitig geblieben, dass der Pkw einen Unfall erlitten hatte. Jedoch hat die Klägerin im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 14. Januar 2009 klargestellt, dass insoweit am 25. August 2003 der rechte vordere Kotflügel und die rechte Tür repariert worden war. Ob es sich dabei um Bagatellschäden gehandelt hatte, kann dahinstehen. Jedenfalls ist der Einwand des Beklagten berechtigt, die Klägerin könne wegen der Unfalleigenschaft des Pkw von dem Kaufvertrag nicht mehr zurücktreten, weil sie zuvor bereits die Minderung erklärt habe. Die Minderung ist ein Gestaltungsrecht, das durch eine einseitige und empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt und mit Zugang der Erklärung unwiderruflich wird (Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, 2004, § 441, Rdn. 5; Westermann, in: MüKo, BGB, 5. Aufl., § 441, Rdn. 4). Das ursprünglich bestehende Wahlrecht zwischen Rücktritt und Minderung, vgl. § 437 Nr. 2 BGB, erlischt (Faust, in: BeckOK, 2007, § 437, Rdn. 171). So war es hier. Die Klägerin hatte wegen des Frontschadens rechts mit Schreiben ihres Prozessvertreters vom 12. Oktober 2007 gegenüber dem Beklagten die Minderung des Kaufpreises um 1.000,00 EUR erklären lassen. Zuvor war sie von der ... -Werkstatt darüber informiert worden, dass dieser Schaden von einem Unfall herrührte. Im Zeitpunkt der Erklärung der Minderung war der Klägerin danach der in der Unfalleigenschaft des Pkw liegende Mangel bekannt. Den später erklärten Rücktritt konnte sie deshalb hierauf nicht stützen.
Allerdings kann der Käufer trotz von ihm bereits erklärter Minderung erneut von dem zwischen Rücktritt und Minderung bestehenden Wahlrecht Gebrauch machen, wenn er nachträglich weitere Mängel erkennt (Matusche-Beckmann, a.a.O., Rdn. 39; Westermann, a.a.O., Rdn. 10; Faust, a.a.O., § 441, Rdn. 27). Das war hier der Fall, wie die Klägerin schlüssig hat vortragen lassen. Erst durch das Gutachten des Sachverständigen ... seien ihr weitere, auf der linken Fahrzeugseite sowie an der Lenkung vorhandene und nicht reparierte Schäden bekannt geworden, wegen derer der Pkw nicht verkehrstauglich sei. Gleichwohl war die Klägerin zum sofortigen Rücktritt ohne Fristsetzung zur Nachbesserung nicht berechtigt. Anders als bei der Unfalleigenschaft eines gebrauchten Pkw, die aus tatsächlichen Gründen einer Nachbesserung nicht zugänglich und auch durch Ersatzlieferung nicht beseitigt werden kann, so dass der Käufer sogleich zurücktreten kann, §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB, handelt es sich bei den weiteren von der Klägerin behaupteten Schäden jeweils um solche, die der Beklagte hätte reparieren lassen können. Das hat das parallel zum erstinstanzlichen Verfahren geführte selbständige Beweissicherungsverfahren, gegen dessen Verwertung im Berufungsverfahren keine verfahrensrechtlichen Bedenken bestehen, ergeben. Soweit der Sachverständige... die von der Klägerin behaupteten Schäden überhaupt bestätigen konnte, hat er jeweils den für eine Reparatur erforderlichen Kostenaufwand berechnet. Dieser beträgt unter Einrechnung der von dem Sachverständigen an sich nicht für erforderlich gehaltenen Vermessung des Rahmens und der von der Klägerin noch gar nicht bemerkten Beschädigung an der Kühleraufnahme 1.989,91 EUR.
Eine Fristsetzung war vorliegend auch nicht aus anderen Gründen entbehrlich. Solche gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 2 BGB lagen nicht vor, insbesondere hatte der Beklagte eine Nachbesserung nicht ernsthaft und endgültig verweigert. Er war von der Klägerin vielmehr hierzu gar nicht aufgefordert worden. Eine Nachbesserung durch den Beklagten war der Klägerin auch nicht unzumutbar, § 440 S. 1 BGB. In der Person des Beklagten liegende Gründe hat die Klägerin nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass er die Minderung nicht akzeptiert und sich im hiesigen Rechtsstreit gegen die Rückabwicklung des Kaufvertrags gewandt hat, kann nicht ausreichen. Auch die Anzahl der Mängel stellt keinen ausreichenden Grund dar. Allerdings soll bei mehreren verschiedenen Mängeln die Nachbesserung unzumutbar sein, weil das Vorliegen weiterer, noch unentdeckter Mängel zu befürchten sei (Faust, a.a.O., § 440, Rdn. 38). Zwar hat sich der von der Klägerin beauftragte Sachverständige... entsprechend geäußert. Dies ist aber durch den Sachverständigen ... gerade nicht bestätigt worden. Der Sachverständige ... hat insbesondere eine Rahmenbeschädigung ausgeschlossen. Seine Ausführungen sind überzeugend. Ihnen ist, im Gegensatz zu denen des Sachverständigen ..., zu entnehmen, welche konkreten Bestandteile des Pkw untersucht worden sind und welches Ergebnis sich aus dieser Untersuchung schließen lässt. So hat der Sachverständige ... hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Rahmenbeschädigung ausgeführt, hierzu die Bodengruppe untersucht zu haben, die keinerlei Veränderungen aufgewiesen habe. Einen Anschlag gegen Boden- oder Achsteile habe er nicht feststellen können. Soweit der Sachverständige ... auf Spachtelmasse hinter der linken Fahrertür hingewiesen hat, konnte der Sachverständige ... keine weiteren Schäden feststellen, nachdem er diese Stelle von innen untersucht hatte, wo keinerlei Veränderungen, Bearbeitungsspuren oder sonstige Merkmale von Unfallbeschädigungen zu erkennen gewesen seien. Dass der Sachverständige ... den Pkw ebenso gründlich untersucht hat, lässt sich dessen Ausführungen nicht entnehmen. Danach war die Befürchtung der Klägerin hinsichtlich weiterer Mängel lediglich spekulativ, was ihr ein vorheriges Nachbesserungsverlangen gegenüber dem Beklagten nicht unzumutbar machte.
2. Da die Klägerin nach den obigen Ausführungen zu 1. zum Rücktritt nicht berechtigt war und somit den Pkw auch nicht an den Beklagten herauszugeben hat, kann sie keinen Ersatz für ihre Aufwendungen verlangen, §§ 437 Nr. 3, 284 BGB. Dies betrifft die Aufwendungen für die Hauptuntersuchung sowie den Garantievertrag (830,00 EUR) sowie die Kosten für Reparaturen und Anschaffungen (312,90 EUR). Dagegen spricht nicht, dass ein Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen grundsätzlich unabhängig von einem Rücktritt des Käufers wegen Mängel der Sache ist (BGH, NJW 2005, 2848, 2849). Aufwendungen im Sinne von §§ 437 Nr. 3, 284 BGB sind in der Regel vergeblich, wenn der Käufer die Kaufsache wegen ihrer Mangelhaftigkeit zurück gibt oder sie jedenfalls nicht bestimmungsgemäß nutzen kann und deshalb auch die Aufwendungen nutzlos sind (BGH, a.a.O., 2850). Das ist hier nicht der Fall. Die Klägerin muss den Pkw nicht zurückgeben. Die Aufwendungen waren auch nicht nutzlos, weil der Pkw seit nunmehr zwei Jahren von der Klägerin nicht genutzt werden konnte. Dieser Umstand beruht auf ihrer eigenen Entscheidung, sofort den Rücktritt zu erklären. Hätte sie, wie es erforderlich gewesen wäre, den Beklagten zunächst zur Nachbesserung aufgefordert, wäre der Pkw repariert worden und die Klägerin hätte ihn nutzen können. Die Aufwendungen für die Hauptuntersuchung, die zwischenzeitlich allerdings wegen Zeitablaufs zu wiederholen sein dürfte, wären nicht vergebens gewesen. Entsprechendes gilt für die Leistungen aus dem Garantievertrag. Die von ihr selbst beauftragten Reparaturen sowie die sonstigen Anschaffungen waren ohnehin nicht vergebens, da die Klägerin den Pkw nicht zurückzugeben hat. Etwas anderes wäre es gewesen, wenn der Beklagte einem Nachbesserungsverlangen nicht oder nicht ordnungsgemäß entsprochen hätte. Erst dann wäre die Klägerin zum Rücktritt berechtigt und die Voraussetzungen für einen Aufwendungsersatzanspruch wären möglicherweise erfüllt gewesen.
3. Schließlich besteht auch kein Ersatzanspruch hinsichtlich der Kosten, die für die Erstellung des außergerichtlich von der Klägerin eingeholten Gutachtens entstanden sind. Zwar steht nach den Feststellungen des Sachverständigen ... zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Pkw bei Übergabe an die Klägerin mangelhaft, insbesondere nicht verkehrstauglich war. Soweit der Sachverständige ... Mängel festgestellt hat, stehen diese in Übereinstimmung mit den Angaben den Sachverständigen ..., die dieser in zeitlich engem Zusammenhang mit der Übergabe des Pkw an die Klägerin getroffen hat. Die Schäden sind danach nicht erst nach der Übergabe entstanden. Der Beklagte hat danach seine aus § 433 Abs. 1 S. 2 BGB bestehenden Pflichten, den Pkw mangelfrei zu liefern, verletzt und wäre grundsätzlich der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB, wenn er sich nicht hinsichtlich des nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermuteten Verschuldens entlastet hätte. Das aber ist vorliegend der Fall. Der Verkäufer hat die Lieferung einer nicht mangelfreien Sache dann zu vertreten, wenn ihm vorzuwerfen ist, den Mangel verursacht oder ihn nicht bis zur Lieferung beseitigt zu haben (Faust, a.a.O., § 437, Rdn. 76 und 140). Die Klägerin hat dem Beklagten nicht vorgeworfen, die Schäden an dem Pkw verursacht zu haben. Der Vorwurf, einen Mangel bis zur Lieferung nicht beseitigt zu haben, setzt zunächst Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von dem Mangel voraus, § 276 Abs. 1 BGB. Dass der Beklagte die Mängel gekannt hätte, ist nicht ersichtlich. Aber auch fahrlässige Unkenntnis kann nicht angenommen werden, nachdem der Pkw vor Auslieferung an die Klägerin zur Hauptuntersuchung vorgestellt worden war und bis auf einen von dem Beklagten beseitigten Fehler an der Hupe unbeanstandet geblieben ist. Zwar ist das Ergebnis der Hauptuntersuchung im Hinblick auf die Gutachten der Sachverständigen ... und ... kaum verständlich und lässt auf eine sehr nachlässige Arbeit des Prüfers schließen. Jedoch bestehen keine Anhaltspunkte, dass sich der Beklagte auf das Ergebnis der Prüfung nicht hätte verlassen können und besonderer Anlass bestanden hätte, den Pkw darüber hinaus auf Mängel zu untersuchen. Eine allgemeine Untersuchungspflicht traf den Beklagten nicht (BGH, Urteil vom 11. Juni 1979 – VIII ZR 224/78 – Juris; NJW 1981, 928, 929). Vor diesem Hintergrund kann ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für das Gutachten des Sachverständigen ... auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Beklagte die Klägerin über die vorhandenen Mängel pflichtwidrig nicht aufgeklärt hat, weil eine Haftung auch insoweit nur bei Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis der Mängel in Frage kommen kann (Faust, a.a.O., § 437, Rdn. 144).
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1, 344 ZPO, wobei eine gesonderte Entscheidung über die im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten nicht erforderlich war; diese gehören zu den Kosten des Rechtsstreits (vgl. Huber, in: Musielak, ZPO, 7. Aufl., § 494a, Rdn. 1). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgte nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

RechtsgebietBGBVorschriften§ 323 Abs 1 BGB, § 434 Abs 1 S 2 Nr 1 BGB, § 437 Nr 2 BGB, § 437 Nr 3 BGB, § 440 S 1 BGB

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