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07.10.2010 · IWW-Abrufnummer 101293

Landessozialgericht Bayern: Urteil vom 17.03.2010 – L 13 R 550/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


L 13 R 550/09
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 3. Dezember 2008 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 20. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2005 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger als "Aerobic-Instructor" der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.
Der 1972 geborene Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger. Er hatte am 17. August 2001 einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige mit einem Auftraggeber gestellt. Als seit 1. Juni 2000 nebenberuflich ausgeübte Tätigkeit hatte er "Aerobic-Instructor" angegeben. Hierfür hatte er nach eigenen Angaben einen Grundausbildungskurs sowie Weiterbildungen und Workshops absolviert. Er instruiere Bewegungsabläufe in Step- und Cardioaerobic, in Thae Bo und Bodyworkouts, Push & Pull, Spinning, Wirbelsäulengymnastik und Boxout. Diese Tätigkeit übe er regelmäßig weniger als 15 Stunden wöchentlich aus. Das Arbeitseinkommen übersteige regelmäßig 630.- DM im Monat. Er beschäftige keinen Arbeitnehmer. Auch sei er nicht nur für einen Arbeitgeber tätig. Ferner würden ihm hinsichtlich der Ausführung (Art und Weise) seiner Tätigkeit keine Weisungen erteilt. Die Verträge seien branchenüblich mündlich abgeschlossen.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2001 hatte die Beklagte den Antrag auf Befreiung abgelehnt. Der Kläger gehöre als Trainer zu einer Berufsgruppe, die von der Vorschrift des § 2 S. 1 Nr. 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) erfasst werde. Über die Versicherungspflicht aufgrund der selbstständigen Tätigkeit erhalte er einen gesonderten Bescheid. Den Widerspruch hatte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2002 zurückgewiesen.
Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (Az.: S 12 RA 291/02) hatte der Kläger weiterhin die Ansicht vertreten, dass keine Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI bestehe. Die Tätigkeit als Aerobic-Instructor und als Fitnesstrainer in einem Fitnessstudio sei keine Lehrtätigkeit im Sinne dieser Vorschrift. Er vermittle kein Wissen, sondern sei lediglich eine Art Vorturner, d.h. er mache die Übungen vor und animiere andere dazu, dies möglichst identisch nachzuahmen. Die Fitnesscenterbesucher kämen nicht, um sich neues Wissen anzueignen, sondern um ihr Wohlbefinden zu steigern. Es gehe auch nicht um das Erlernen einer Sportart.
In der mündlichen Verhandlung vom 26. November 2004 hatten die Beteiligten einen gerichtlichen Vergleich geschlossen. Darin erklärte sich die Beklagte bereit, aufgrund der vorgelegten und eventuell noch vorzulegenden Unterlagen zu überprüfen, ob es sich bei der von dem Kläger ausgeübten Tätigkeit um eine geringfügige Tätigkeit handelt, und hierüber mit rechtsbehelfsfähigem Bescheid zu entscheiden.
Der Kläger legte eine Zusammenstellung seiner Einnahmen für die Jahre 2000 bis 2004 sowie die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2004 vor. Mit Bescheid vom 20. Juli 2005 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab 1. Juni 2000 nach § 2 S. 1
Nrn. 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig sei. Sie listete die Beitragshöhe ab 1. Januar 2001 auf und forderte ausstehende Beiträge in Höhe von 3.903,27 EUR nach. Mit weiterem Bescheid vom 20. Juli 2005 stellte sie fest, dass in der Zeit vom 1. Juni 2000 bis
31. Dezember 2000 Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI bestanden habe, weil nur eine geringfügige selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Ab 1. Januar 2001 bestehe jedoch wieder Versicherungspflicht, ab 1. Januar 2004 hingegen wieder Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI, weil nur eine geringfügige selbstständige Tätigkeit ausgeübt worden sei. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom
15. September 2005 zurück. Die Tätigkeit als Aerobic-Instructor unterliege kraft Gesetzes nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI der Versicherungspflicht.
Auch hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht München Klage eingereicht und die Aufhebung des Bescheides vom 20. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2005 beantragt. Er wende sich gegen die Feststellung der Rentenversicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Die Tätigkeit als Aerobic-Instructor bzw. als Fitnesstrainer in einem Fitnessstudio sei keine Lehrtätigkeit im Sinne dieser Vorschrift. Die Norm sei nach ihrem Zweck auszulegen. Die Vorschrift sei bislang auf nebenberuflich Tätige praktisch nicht angewandt worden, weil erkennbar ein schutzbedürftiger Kreis von sonst ungeschützten Lehrern erfasst werden sollte. Bei nebenberuflich Tätigen wie ihm, fehle es regelmäßig am Sicherungsbedürfnis. Seine Tätigkeit sei ferner darauf beschränkt, vorzuturnen. Eine lehrende Tätigkeit liege nicht vor. Es gehe nicht um Wissensvermittlung, sondern um eine Form des Entertainments. Insbesondere handele es sich um Kurse mit ständig wechselnden Kursteilnehmern. Der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. Juni 2005 (Az.: B 12 RA 6/04 R bzw. B 12 RA 14/04) habe ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. In vergleichbaren Fällen sei der Feststellungsbescheid angesichts der Nebentätigkeit als Aerobic-Instructor aufgehoben worden (vgl. SG A-Stadt, Az.: S 12 R 4291/03). In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger u.a. angegeben, dass die Übungen des Programms vom Betreiber des Studios zusammengestellt würden. Er selbst habe nur die Aufgabe, die Befehle für diese Übungen zu geben.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 3. Dezember 2008 stattgegeben und den Bescheid vom 20. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2005 aufgehoben. Bei den Übungen, die der Kläger vorgeführt habe, handele es sich um einfachere Handlungsweisen, die ein normaler Teilnehmer am Kurs in der Regel nach einmaligem Vormachen und gelegentlichen kleineren Korrekturen selbstständig ausüben könne. Es handele sich deshalb nicht um eine Lehrertätigkeit im Sinne des § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI. Insoweit unterscheide sich der Sachverhalt auch von dem vom BSG entschiedenen Rechtsstreit. Der unterschriebene Urteilsentwurf ist am 13. Mai 2009 beim Schreibdienst bzw. am 20. Mai 2009 bei der Geschäftsstelle eingegangen und am 27. Mai 2009 versandt worden.
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung hat die Beklagte dargelegt, dass sich die Versicherungspflicht des Klägers aus § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI ergebe. Die Ausführungen des Sozialgerichts, dass eine Lehrtätigkeit nur dann anzunehmen sei, wenn es sich um die Einübung komplizierter, komplexer Handlungsweisen handele, bei denen das einmalige Vormachen nicht ausreiche und die Einübung viele Stunden, unter Umständen Jahre erfordere, stünden im Gegensatz zu der BSG-Rechtsprechung; das BSG lege den Lehrbegriff weit aus. Wie durch mehrere Entscheidungen auch der Landessozialgerichte (u.a. auch des Bayer. Landessozialgerichts vom 20.12.2006, Az.: L 19 R 304/05) ausgeführt, stehe bei Fitnesstrainern die Vermittlung der notwendigen Bewegungsabläufe und der notwendigen Trainingsmaßnahmen stets im Vordergrund. Nach dieser Rechtsprechung stelle bereits das Vormachen bzw. Vorturnen von Übungen und Bewegungsabläufen eine Lehrtätigkeit dar. Weitere Anforderungen bestünden nicht.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 2. Februar 2010 auf die zeitliche Spanne zwischen Urteilsverkündung und Eingang des Urteilsentwurfs bei der Geschäftsstelle hingewiesen. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 17. Februar 2010 erklärt, dass eine Rüge wegen Überschreitens der Fünf-Monats-Frist nicht erhoben werde.
Die Firma D. hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, die konkreten Übungen der jeweiligen Kursstunde stelle immer der Trainer persönlich zusammen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zwei Programme zu Trainingsmaßnahmen in dem Studio in D-Stadt überreicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 3. Dezember 2008 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 20. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2005 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Akten der Beklagten, der Gerichtsakte des Sozialgerichts München sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet.
Trotz Überschreitung der Fünfmonatsfrist nach §§ 134, 136 SGG ist das Urteil nicht aufzuheben und an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Das Urteil soll grundsätzlich vor Ablauf eines Monats, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übermittelt werden (§ 134 Abs. 2 S. 1 SGG). Allerdings ist ein Verstoß gegen diese Soll-Vorschrift unschädlich (vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 134 Rdnr. 4). Dies ändert sich jedoch, wenn das Urteil nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung schriftlich niedergelegt, von dem Richter unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden ist (GemS, NJW 1993, 2603). Hierbei handelt es sich aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit um eine feste zeitliche Grenze. Ist diese Grenze überschritten, gilt das Urteil als nicht mit Gründen versehen (§§ 136 Abs. 1 Nr. 6, 202 SGG in Verbindung mit § 547 Nr. 6 Zivilprozessordnung). Der Verfahrensfehler ist aber nur auf Rüge zu beachten (BSG NJW 1995, 1983).
Die Fünfmonatsfrist ist vorliegend überschritten, da das Urteil am 3. Dezember 2008 verkündet wurde, der unterzeichnete Urteilsentwurf nach Aktenlage jedoch erst am 13. bzw. 20. Mai 2009 bei der Geschäftsstelle eingegangen ist. Eine Rüge wurde jedoch von den Beteiligten nicht erhoben; die Beklagte hat ausdrücklich auf die Rüge verzichtet.
Es steht gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG ferner im Ermessen des Senats, wegen Vorliegens eines wesentlichen Mangels den Rechtsstreit zurückzuverweisen (zur Zurückverweisung in vergleichbaren Fällen z.B.: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. Juni 2008, Az.: L 8 R 36/08; Bayer. LSG, Urteil vom 20.01.1998, Az.: L 5 RJ 525/97). Allerdings kann der Mangel durch das Urteil in zweiter Instanz geheilt werden (so auch: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 136 Rdnr. 7 h). Vorliegend ist von einer Zurückverweisung abzusehen, da der Sachverhalt bereits Gegenstand eines sozialgerichtlichen Verfahrens war, das mit einem gerichtlichen Vergleich abgeschlossen wurde, aufgrund dessen eine erneute Verwaltungsentscheidung herbeigeführt wurde, und der Sachverhalt in den beiden Verfahren umfassend aufgeklärt wurde. Ferner liegt es im Interesse der Beteiligten, für den zurückliegenden Zeitraum Rechtsklarheit herzustellen. Der Senat entscheidet deshalb in der Sache.
Streitgegenstand ist die grundsätzliche Feststellung der Versicherungspflicht durch Bescheid vom 20. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2005, nicht die nur teilweise Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2
SGB VI, die durch gesonderten Bescheid vom 20. Juli 2005 erging. Zwar war der Widerspruch des Klägers noch gegen beide Bescheide gerichtet, die Klage vor dem Sozialgericht betraf jedoch ausdrücklich nur die "Feststellung der Rentenversicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI" und richte sich nur gegen diesen einen Bescheid vom 20. Juli 2005.
Nicht streitgegenständlich ist ferner der Bescheid vom 30. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2002, der aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 26. November 2004 durch die nachfolgenden streitgegenständlichen Bescheide ersetzt wurde.
Der Klage fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Aufgrund der vorliegenden Einkommensnachweise stellte die Beklagte allerdings mit weiterem Bescheid vom 20. Juli 2005 Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI für die Zeiten vom 1. Juni bis 31. Dezember 2000 und ab 1. Januar 2004 fest, weil der Kläger in dieser Zeit nur eine geringfügige selbstständige Tätigkeit ausgeübt hatte. Der weitere Bescheid vom 20. Juli 2005 stellte Versicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI für die Zeit ab 1. Juni 2000 fest. In Kombination beider Bescheide ist damit noch die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2003 streitig.
Die Tätigkeit des Klägers als Aerobicinstrukteur bzw. Fitnesstrainer ist versicherungspflichtig im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Es handelt sich um die Tätigkeit eines Lehrers im Sinne dieser Vorschrift.
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers jeweils um eine selbstständige Tätigkeit handelte und somit keine Beschäftigung nach § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI vorlag. Dies ist auch im Rahmen einer Gesamtabwägung im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 103 SGG nicht zu beanstanden. Dafür spricht insbesondere, dass der Kläger für mehrere Studios (zwei in A-Stadt, eines in D-Stadt) arbeitete und nicht weisungsabhängig war. Soweit der Kläger nun vorbringt, er habe bei der Durchführung der Kurse fast keine Freiheiten gehabt und sei an die Vorgaben des Studios gebunden gewesen, widerspricht dies seinen Erstangaben im Rahmen des Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Hierbei gab er stets an, dass ihm hinsichtlich der Ausführung (Art und Weise) seiner Tätigkeit keine Weisungen erteilt wurden. Diesen Erstangaben kommt grundsätzlich besondere Bedeutung zu. Im Rahmen der Gesamtwürdigung kann das Gericht den zeitlich früheren Aussagen aufgrund des Gesichtspunktes, dass sie von irgendwelchen versicherungsrechtlichen Überlegungen ggf. noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren Aussagen zumessen, muss es aber nicht (BSG vom 11. November 2003, SozR 4-2700 § 4 Nr. 1).
Die Versicherungspflicht ergibt sich aus § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI in der jeweiligen Fassung, d.h. zunächst in der Fassung des Art. 1 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261; 1990 I S. 1337; derzeitige Fassung gemäß Gesetz vom 20. April 2007, BGBl. I 554). § 2 SGB VI erfasst selbstständig tätige Personen, die kraft Gesetzes pflichtversichert sind. In den dort abschließend genannten Berufsgruppen sieht der Gesetzgeber ein besonderes Schutzbedürfnis für gegeben an. Versicherungspflichtig sind danach selbstständig tätige Lehrer, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen (§ 2 S. 1 Nr. 1
SGB VI). Dabei ist der Begriff des Lehrers in weiterem Sinne zu verstehen, d.h. Lehrer sind Personen, die durch Erteilung von theoretischem oder praktischem Unterricht anderen Allgemeinbildung oder spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2000 (Az.: B 12 RA 2/99 R) dargelegt, dass die Vorschrift alle Selbstständigen erfasst, soweit ihre Tätigkeit der Art nach darin besteht, anderen Unterricht zu erteilen. Sie erfasse auch Personen, die über keine besondere pädagogische Ausbildung verfügen (s.a. BSGE 20, 6; BSG, Die Beiträge 1977, 144). Lehrtätigkeit ist damit das Vermitteln von Wissen, Können und Fertigkeiten. Dies ist im Einzel- oder im Gruppenunterricht möglich.
Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass die Frage der Versicherungspflicht im Hinblick auf den Zweck der Norm beurteilt werden muss (KassKomm-Gürtner, § 2 SGB VI Rdnr. 10). Insbesondere muss die Beschäftigung ihrem Grunde nach versicherungspflichtig sein. Der Gesetzgeber hat Lehrer, die keinen Angestellten bzw. versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und die allein auf den Einsatz ihrer eigenen Arbeitskraft angewiesen sind, in die staatlich organisierte Rentenversicherung einbezogen und als bedürftig angesehen (siehe bereits den Entwurf eines Invalidenversicherungsgesetzes vom 19. Januar 1899, RT-Drucks. Nr. 93, S. 240, 241). Das BSG hat klargestellt, dass sich diese Einschätzung seit der erstmaligen Begründung von Versicherungspflicht bis heute nicht geändert hat (BSG, SozR 4-2600 § 2 Nr. 1 m.w.N. und zur Darlegung der rechtspolitischen und -geschichtlichen Entwicklung).
Die Tätigkeiten des Klägers bestanden im Instruieren von Bewegungsabläufen in verschiedenen Bereichen wie Aerobic, Thae Bo, Bodyworkouts, Push & Pull, Spinning, Wirbelsäulengymnastik und Boxout. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag in der Angabe der Übungen, dem Vormachen sowie der Korrektur bei den Teilnehmern. Einen Trainingsplan für die einzelnen Teilnehmer erstellte er zwar nicht. Es ist aber davon auszugehen, dass der Trainer die Übungen der jeweiligen Kursstunde zusammenstellt, also die Kursstunde eigenverantwortlich plant, die Übungen vormacht und kontrolliert. Dass dies auch im Falle des Klägers so war, wird einerseits durch die Auskunft der Fa. D. bestätigt, wonach die konkreten Übungen der jeweiligen Kursstunde immer der Trainer persönlich zusammenstellt. Dies deckt sich andererseits auch mit den oben bereits ausgeführten Erstangaben des Klägers, nicht weisungsgebunden gewesen zu sein. Dem stehen auch die vom Kläger vorgelegten Kurzprogramme nicht entgegen. Dabei handelt es sich zum einen lediglich um einen nicht unterzeichneten "Programmentwurf", zum anderen um einen nicht weiter gekennzeichneten Programmablauf. Hieraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass ein Dritter dem Kläger den konkreten Ablauf der von ihm übernommenen Übungsstunden im Einzelnen vorgegeben hat. Ohne Zweifel gibt es für jede Kursart zahlreiche Programmvorschläge z.B. auch in der Fachliteratur oder in Fachkreisen, ggf. auch durch einen Dritten in einem Fitnessstudio. Dabei handelt es sich aber regelmäßig um Anregungen oder Arbeitserleichterungen, wie es auch bei anderen, "typischen" Lehrtätigkeiten wie an Schulen der Fall ist. Unter Berücksichtigung der Erstangabe des Klägers, nicht weisungsgebunden hinsichtlich der Art und Weise seiner Tätigkeit zu sein, mit der sich die Auskunft des Gesundheitsparks D-Stadt deckt, hatte der Kläger die ausreichende Freiheit, die Kurse selbst zu gestalten. Der Kläger hatte mit einer Grundausbildung für Step-Aerobic und Spinning sowie durch die Teilnahme an Weiterbildungen und Workshops auch entsprechende Fachkenntnisse, um den Kursinhalt und die -durchführung eigenverantwortlich zu gestalten. Die Angabe des Klägers, die Übungen würden vom Studioinhaber vorgegeben, er gebe nur Befehle für die Übungen, ist damit nach Überzeugung des Senats widerlegt. Regelmäßig wäre dies auch nicht mit der vom Kläger beanspruchten Selbstständigkeit der Tätigkeit vereinbar.
Das BSG (a.a.O.) hat ausgeführt, dass die Tätigkeit als Aerobictrainer jedenfalls dann unter den Begriff des Lehrers zu subsumieren ist, wenn er Kenntnisse zu Bewegungsabläufen und zum Training sämtlicher Muskelgruppen vermittelt und das auf die durchschnittlichen Fähigkeiten der jeweiligen Kursteilnehmer abgestellte Kursangebot von ihm in einem Trainingsplan mit entsprechender Musikbegleitung vor dem jeweiligen Kursbeginn schriftlich festgehalten wird. Darüber hinaus stelle sich die ausgeübte Tätigkeit indes auch dann als Lehrtätigkeit dar, wenn die
"Tätigkeit tatsächlich allein darauf gerichtet sein sollte, den ständig wechselnden Kursteilnehmern in ihrer jeweiligen Gesamtheit isoliert auf die Zeit der unmittelbaren Begegnung eine aktuelle und mit sonstigen Einheiten nicht abgestimmte Anleitung zur gemeinsamen Körperbewegung zu vermitteln, deren Inhalt keinerlei Gedächtnisspuren hinterlässt und demgemäß außerhalb des Kurses nicht reproduzierbar ist. Auch dann handelt es sich um die Vermittlung einer - wenn auch flüchtigen - speziellen Fähigkeit durch praktischen Unterricht in der organisierten Form eines Kurses im institutionellen Rahmen des jeweiligen Studios. ( ...) Auf die Abgrenzbarkeit des Rechtsbegriffs des Lehrers im Sinne des Sozialversicherungsrechts von einem in sonstigen rechtlichen und tatsächlichen Kontexten gebrauchten Begriff des Lehrers kommt es insofern nicht an." (BSG vom 22. Juni 2005,
Az.: B 12 RA 6/04 R)
Dieser weite Begriff entspricht im Übrigen auch der steuerrechtlichen Rechtsprechung (BFHE 173, 331).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist diese Rechtsprechung auch für den vorliegenden Fall prägend, da auch die Tätigkeit des Klägers über das bloße Vormachen bzw. Vorturnen hinausgeht. Gerade am Beispiel der Step-Aerobic (Auf- und Absteigen auf ein einstufiges Podest zu einem bestimmten Musik-Rhythmus) wird deutlich, dass das vorherige Überlegen einer Choreografie sowie deren Vermittlung von wesentlicher Bedeutung sind. Die Schritte auf und über das Stepboard sowie die verschiedenen Schrittfolgen müssen vom Trainer vorgemacht und gemeinsam mit den Teilnehmern eingeübt werden, ferner müssen diese auf die Musik abgestimmt werden. Je nach Niveau der Teilnehmer (Anfänger, Fortgeschrittene) müssen verschiedene Blöcke erarbeitet, wiederholt und zum Schluss verbunden werden. Der Trainer muss - schon um das Verletzungsrisiko zu minimieren - gegebenenfalls korrigierend bei den einzelnen Teilnehmern eingreifen, motivieren und das Niveau der Gruppe beobachten und beachten. Dabei entsteht ähnlich wie beim Tanzen ein zunehmender Lerneffekt durch Wiederholung und Aneignung bestimmter Fertigkeiten. Es handelt sich damit um die Vermittlung einer speziellen Fähigkeit durch praktischen Unterricht in der organisierten Form eines Kurses im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung.
Zuzugestehen ist, dass die Art der Tätigkeit auch von der Gymnastikart abhängig ist. So kommt es beim Spinning (Art Radfahren mit Musik) vor allem auf die Motivation der Teilnehmer zur Leistungsbereitschaft an. Das vorherige Planen des Unterrichtsablaufs und die Einübung bestimmter Bewegungsabläufe stehen weniger als bei der Step- oder Cardio-Aerobic im Vordergrund. Dennoch steht bei gebotener Gesamtbetrachtung der vom Kläger übernommenen vielfältigen Kursangebote - wie auch bei Push & Pull oder Wirbelsäulengymnastik - die Vermittlung von Bewegungsabläufen und der jeweils notwendigen Trainingsmaßnahmen durch ihn als Trainer im Vordergrund (so auch Bayer. LSG, Urteil vom 20. Dezember 2006, Az.: L 19 R 304/05). Überwiegend war der Kläger damit als Lehrer im Sinne des § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI tätig.
Der Umfang der Tätigkeit im Sinne einer Nebentätigkeit ist nicht ausschlaggebend (KassKomm-Gürnter, a.a.O., Rdnr. 6). Ausreichend ist, dass eine aktive, auf Dauer angelegte Betätigung zur Erzielung von Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch vorliegt. Dies ist vorliegend zu bejahen, worauf auch die zum Teil hohen Bruttoeinnahmen vor allem im Jahre 2001 in Höhe von 21.378,80 DM hinweisen. Eine Geringfügigkeit ist erst maßgeblich, wenn dies zur Annahme einer geringfügigen Tätigkeit im Sinne des § 8 SGB VI mit der Folge der Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI führt.
Gegen die weite Auslegung des Lehrerbegriffs bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (zur Verfassungsmäßigkeit der Versicherungspflicht von selbstständigen Lehrern: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. Juni 2007, NZS 2008, 142 ff; s.a. Nichtannahmebeschluss vom 2. April 2009, Az.: 1 BvR 2405/06). Der Senat verweist insoweit ferner auf die Ausführungen des BSG in den Entscheidungen vom 27. September 2007 (BSG, Die Beiträge, Beilage 2008, S. 60 ff), vom 22. Juni 2005 (BSG SozR 4-2600
§ 2 Nr. 1), vom 5. Juli 2006 (BSG SozR 4-2600 § 2 Nr. 9) sowie vom 12. Oktober 2000 (BSG SozR 3-2600 § 2 Nr. 5 S. 31 f). Es liegt danach weder ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Berufung der Beklagten zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils führte.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.

RechtsgebietRentenversicherungVorschriften§ 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI; § 5 Abs. 2 SGB VI

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