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28.04.2010 · IWW-Abrufnummer 101159

Amtsgericht Erlangen: Urteil vom 21.10.2009 – 1 C 1561/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Amtsgericht Erlangen
Az.: 1 C 1561/09
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
XXX
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht Erlangen durch die Richterin am Amtsgericht XXX auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2009 folgendes
Endurteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 4.335,17 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Bestehen eines Nutzungsersatzanspruchs der Klägerin.
Der Beklagte kaufte mit Kaufvertrag vom 24.05.2007 von der Klägerin ein Kraftfahrzeug, einen Touran Highline 2,0 l TDI mit der Fahrgestell-Nr. XXX, zu einem Gesamtbetrag von 29.344,54 € Netto. In den folgenden 14 Monaten nach der Gebrauchsüberlassung des Fahrzeugs zeigten sich an dem Fahrzeug mehrere Mängel. Das mangelhafte Fahrzeug wurde von der Klägerin wieder zurückgenommen. Im Dezember 2008 erhielt der Beklagte ein anderes Neufahrzeug, einen Touran Highline 2,0 l TDI mit der Fahrgestell-Nr. XXX. Das am 17.10.2008 bestellte Fahrzeug wurde am 16.12.2008 zugelassen.
Der Beklagte fuhr mit dem Fahrzeug insgesamt 24.828 km. Die Klägerin forderte Nutzungsersatz für die Zeit, in der der Beklagte das zurückgenommene Fahrzeug benutzte. Der Beklagte ist der Aufforderung der Klägerin vom 17.03.2009 zur Zahlung von Nutzungsersatz in Höhe von 4.335,17 € bis zum 24.03.2009 nicht nachgekommen.
Die Klägerin meint, das Schreiben des Beklagten vom 30.09.2008 enthalte eine unmissverständliche Rücktrittserklärung des Beklagten vom mit der Klägerin am 24.05.2007 geschlossenen Kaufvertrag. Der Beklagte habe ein neues anderes Auto als Folge einer erneuten Neuwagenbestellung und nicht als Folge eines Nachlieferungsverlangens erhalten. Demgemäß finde die Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil v. 26.11.2008 - VIII ZR 200/05, NJW 2009, 427), nach der § 439 Abs. 4 BGB unter Beachtung des Urteils des EuGH vom 17.04.2008 (NJW 2008, 1433 ff.) im Wege der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung in Fällen des Verbrauchsgüterkaufs gem. § 474 Abs. 1 S. 1 BGB einschränkend anzuwenden sei, keine Anwendung.
Die Klägerin meint, der der BGH-Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt sei im vorliegenden Fall gerade nicht gegeben, da der Beklagte keine Nachlieferung verlangt habe. Die Klägerin ist folglich der Ansicht, ihr Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von Wertersatz für die Nutzung des mangelhaften Fahrzeugs sei nicht ausgeschlossen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten bezüglich der Berechnung des Nutzungsersatzes wird auf die Schriftsätze der Klägerin sowie auf die Anlagen Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt:
I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.335,17 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegend seit dem 25.03.2009 zu bezahlen.
II. Der Beklagte wird weiterhin verurteilt 446,13 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte behauptet, die Rücknahme des mangelhaften Fahrzeugs durch die Klägerin und die Lieferung eines neuen Fahrzeugs als Ersatz sei lediglich aus formalen Gründen auf Seiten der Klagepartei im Wege einer „Neubestellung“ erfolgt. Der Beklagte ist der Auffassung, dass es sich der Sache und dem Interesse der Parteien nach nicht um einen Rücktritt vom Vertrag gehandelt habe. Ein solcher hätte einen gegenseitigen Austausch der empfangenen Leistungen zur Folge gehabt, was hier aber nicht der Fall gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Beklagte ist der Klägerin nicht gem. §§ 346 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 100 BGB zum Ersatz der seit Übergabe des Fahrzeugs gezogenen Nutzungen verpflichtet.
Zwar bestand ein gesetzliches Rücktrittsrecht des Beklagten gem. §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB aufgrund einer mangelhaften Leistungserbringung der Klägerin.
Die Parteien schlossen am 24.05.2007 unstreitig einen Kaufvertrag über das Fahrzeug. Das Fahrzeug wies nach der Übergabe auch unstreitig mehrere Sachmängel auf.
Auch die Rechtsprechung des BGH und des EuGH stehen dem Anspruch der Klägerin, infolge eines Rücktritts wegen Sachmangels Nutzungsersatz gem. §§ 346 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 100 BGB zu verlangen, nicht entgegen.
Nach der Entscheidung des BGH vom 26.11.2008 (NJW 2009, 427 ff.) ist § 439 Abs. 4 BGB unter Beachtung des Urteils des EuGH vom 17.04.2008 (NJW 2008, 1433 ff.) im Wege der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung in den Fällen eines Verbrauchsgüterkaufs gem. § 474 Abs. 1 S. 1 BGB einschränkend, mit der Maßgabe anzuwenden, dass die in Bezug genommenen Vorschriften §§ 346-348 BGB nur für die Rückgewähr der mangelhaften Kaufsache selbst gelten, dass sie hingegen nicht zu einem Anspruch des Verkäufers gegen den Käufer auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache führen. Dass § 439 Abs. 4 BGB mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass Nutzungen nicht herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen sind, wird jetzt auch durch den neu eingefügten § 474 Abs. 2 BGB ausdrücklich klargestellt.
Diese Rechtsprechung betrifft jedoch nur den Nutzungsersatz bei der Nacherfüllung in Form der Nachlieferung im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs. Die Verpflichtung des Käufers gem. §§ 346 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 100 BGB zum Nutzungsersatz infolge eines Rücktritts wegen Sachmangels wird dagegen nicht ausgeschlossen (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 379; Lorenz, DAR 2008, 330; LG Mosbach BeckRS 2009 05141).
Der Gesetzgeber hat durch die Einfügung des § 474 Abs. 2 BGB zum einen klar zu erkennen gegeben, dass der Nutzungsersatz lediglich im Fall der Nachlieferung beim Verbrauchsgüterkauf ausgeschlossen sein soll, nicht hingegen beim Rücktritt.
Zum anderen ist eine Verpflichtung des Käufers zum Nutzungsersatz infolge Rücktritts auch europarechtskonform (LG Mosbach BeckRS 2009 05141; Lorenz DAR 2008, 330). Eine richtlinienkonforme Einschränkung der §§ 346 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 100 BGB bei einem Rücktritt ist nicht geboten, da nach Erwägungsgrund 15 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie die Regelungen über die Durchführung der Vertragsauflösung von den Mitgliedstaaten festzulegen sind und es diesen überlassen ist, der Benutzung der Ware durch den Verbraucher seit ihrer Lieferung durch entsprechende Regelungen Rechnung zu tragen.
Hier liegt jedoch tatsächlich kein Rücktritt vom Vertrag gem. §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB vor.
Die beweispflichtige Klägerin konnte sich zwar für das Vorliegen einer Rücktrittserklärung gem. § 349 BGB auf das Schreiben des Beklagten vom 30.09.2008 berufen. In dem Schreiben verlangte der Beklagte ausdrücklich nach einer Rückgängigmachung des Kaufs.
Zur Überzeugung des Gerichts steht aber fest, dass es sich trotz der ausdrücklichen Bezeichnung nicht um einen Rücktritt vom Vertrag, sondern vielmehr um eine Nacherfüllung in Form einer Nachlieferung handelte, mit der Folge, dass die Rechtsprechung des BGH Anwendung findet.
Unstreitig ist zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Geld mehr hin und her geflossen. Der Beklagte hat den Kaufpreis des ersten Fahrzeugs bei dessen Lieferung bezahlt. Nach der „Rücktrittserklärung“ hat der Beklagte weder den Kaufpreis zurückbekommen noch hat er für das neue Fahrzeug etwas bezahlt. Ein gegenseitiger Austausch der empfangenen Leistungen (Rückgabe des Fahrzeugs und Rückgabe des Kaufpreises), wie er normalerweise nach der wirksamen Ausübung eines Rücktrittsrechts stattfindet, ist damit nicht erfolgt.
Das Schreiben des Beklagten vom 30.09.2008 ist laiengünstig auszulegen, damit es zu keiner Umgehung der Rechtsprechung des BGH und des EuGH kommt. Dies ist angezeigt, da es sich bei dem zwischen dem Beklagten als Verbraucher und der Klägerin als Unternehmerin geschlossenen Vertrag vom 24.05.2007 um einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 474 Abs. 1 S. 1 BGB handelt.
Das Interesse des Beklagten war nicht wie beim Rücktritt auf „Ware gegen Geld“, sondern auf „mangelhafte Ware gegen neue Ware“ gerichtet. Der Beklagte wollte das am 25.04.2007 gekaufte Fahrzeug aufgrund seiner Mangelhaftigkeit nicht mehr behalten und hierfür ein neues mangelfreies Fahrzeug geliefert bekommen.
Die Lieferung des neuen Fahrzeugs im Wege einer „Neubestellung“, d.h. durch einen neuen Kaufvertragsabschluss, steht der Annahme einer Nacherfüllung im Wege der Nachlieferung nicht entgegen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Beklagte sich nicht erst nach vollzogenem Rücktritt dazu entschlossen hat, wieder ein Fahrzeug bei der Klägerin zu kaufen und dass die Lieferung des neuen Fahrzeugs lediglich aus formalen Gründen auf einer „Neubestellung“ beruht.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich das neue Fahrzeug gegenüber dem am 24.05.2007 gekauften Fahrzeug in der Ausstattung unterscheidet, da die Unterschiede minimal sind. Es handelt sich bei beiden Fahrzeugen um einen Touran Highline 2,0 l TDI in derselben Farbe. Ein Unterschied besteht lediglich in den Punkten „Reifenkontrollanzeige “, „Multifunktions-Lederlenkrad (3 Speichen)“ sowie hinsichtlich des „Dauerfahrlichts“.
Die Klage war somit auch hinsichtlich der Nebenforderungen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11 ZPO.

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