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12.03.2010 · IWW-Abrufnummer 100850

Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 25.11.2009 – 5 K 102/07

Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten bei Veräußerung eines Mitunternehmeranteils nach dem sog. Zwei-Stufen-Modell kommt, wenn die Zeit zwischen dem Abschluss der beiden Verträge zur Erprobung des Eintretenden ausreichend ist, der Eintretende selbst sich zum Erwerb weiterer Anteile nicht verpflichtet hat und ihm ein Optionsrecht, das ihm rechtlich und wirtschaftlich den zeitnahen Erwerb weiterer Anteile gesichert hätte, nicht zusteht, nicht in Betracht.


Finanzgericht Hamburg v. 25.11.2009
5 K 102/07
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Gewinn des Klägers aus der Veräußerung eines Teils seines Mitunternehmeranteils an einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis steuerbegünstigt ist, nachdem er unter Gründung einer Personengesellschaft (GbR) einen Gesellschafter in sein Einzelunternehmen aufgenommenen und diesem zunächst nur eine minimale Beteiligung gegen geringe Ausgleichszahlung eingeräumt hatte (sog. Zwei-Stufen-Modell).
Der Kläger ist von Beruf Arzt für Chirurgie, für Sportmedizin, Durchgangsarzt, Chirotherapeut und - seit 2000 - Osteopath. Bis Mitte August 1997 betrieb er eine Einzelpraxis in Hamburg, X-Straße.
Am 17.08.1997 schloss der Kläger mit Herrn Dr. H, ebenfalls Chirurg und Durchgangsarzt, einen Vertrag über die Gründung einer GbR zum Zwecke der gemeinsamen Ausübung der privat- und kassenärztlichen Berufstätigkeit sowie der Tätigkeit als Durchgangsarzt. Die Vertragspartner vereinbarten die Ausübung der Arztpraxen in gemeinsamer Organisation und strebten eine möglichst gleichmäßige Arbeitsbelastung eines jeden Partners an (§ 1 Abs. 3 des Vertrages).
Der Gesellschaftsvertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen und begann am 15.08.1997. Jeder Gesellschafter konnte die Gesellschaft unter Einhaltung einer Frist von 9 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres kündigen mit der Folge, dass er aus der Gesellschaft ausscheidet (§ 3 Abs. 1). Im Fall einer vor dem 31.12.1999 erklärten Kündigung konnte immer der Kläger als ursprünglicher Inhaber des Praxissitzes wählen, welcher der Vertragspartner aus der Gesellschaft ausscheidet und welcher berechtigt ist, das Gesellschaftsvermögen zu übernehmen und am bisherigen Sitz eine ärztliche Tätigkeit fortzusetzen (§ 3 Abs. 3).
Nach § 5 Abs. 1 des Vertrages brachte der Kläger seine bisherige Einzelpraxis mit allen dazugehörigen Wirtschaftsgütern insgesamt, ausgenommen die Forderungen und Verbindlichkeiten, die mit dem Betrieb der Einzelpraxis vor dem 15.08.1997 zusammenhingen, zu Buchwerten in die Gesellschaft ein. Den materiellen Wert der bisherigen Einzelpraxis bestimmten die Vertragspartner übereinstimmend mit 200.000 DM (§ 5 Abs. 3). Den Goodwill der bisherigen Einzelpraxis bestimmten sie mit 400.000 DM (§ 5 Abs. 4).
H beteiligte sich zunächst mit 5 % am Gesellschaftsvermögen. Zu diesem Zweck übertrug der Kläger mit Wirkung vom 15.08.1997 auf H einen Anteil von 5 % am Vermögen seiner bisherigen Einzelpraxis und brachte insoweit seine bisherige Einzelpraxis auch für H in das Gesellschaftsvermögen ein. Im Gegenzug verpflichtete sich H zur Ausgleichszahlung in Höhe von 5 % des Wertes der eingebrachten Einzelpraxis, was 30.000 DM entsprach (§ 5 Abs. 6) und zu einer Beteiligung des Klägers in Höhe von 95 % und des H in Höhe von 5 % führte (§ 5 Abs. 7).
Nach § 5 Abs. 11 behielten sich die Vertragspartner vor, dass H zu einem späteren Zeitpunkt eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen von bis 1/2 erwirbt, worüber zu gegebener Zeit eine gesonderte Absprache getroffen werden sollte. Die Beteiligung sollte dergestalt erworben werden, dass der Kläger weitere Anteile auf H gegen eine dem anteiligen aktuellen Verkehrswert entsprechende Ausgleichszahlung überträgt. Der Kläger bot H bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses verbindlich an, auf diesen weitere 45 % Beteiligung am Gesellschaftsvermögen zu übertragen gegen eine Ausgleichszahlung von 270.000 DM unabhängig von Veränderungen im Bestand oder in der Bewertung des Gesellschaftsvermögens. Dieses Angebot konnte von H nicht vor dem 01.10.1998 und nicht nach dem 31.12.1999 angenommen werden (§ 5 Abs. 11).
In § 9 Abs. 1 vereinbarten die Vertragspartner, dass sämtliche durch die Tätigkeit im Rahmen dieser Gesellschaft erzielten Honorare Einnahmen der Gesellschafter sind. Am Gewinn und Verlust der Gesellschaft waren die Gesellschafter grundsätzlich zu gleichen Teilen beteiligt (§ 12 Abs. 1). Für die Zurverfügungstellung von Kapital sollte jeder Gesellschafter vorab aus den erwirtschafteten Erträgen eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals von jährlich 5 % erhalten, so dass der verbleibende Betrag den Gesellschaftern zu gleichen Teilen zuzuordnen war.
Für den Fall des Ausscheidens des H vor dem 01.01.2000 sollte dieser als pauschale Abfindung mindestens die von ihm anlässlich seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen geleistete Ausgleichszahlung nach § 5 Abs. 6 und gegebenenfalls die bei einer eventuellen Aufstockung seiner Beteiligung geleistete Ausgleichszahlung nach § 5 Abs. 11 zum Nennbetrag erstattet erhalten (§ 16 Abs. 4).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag (Akte Allgemeines) Bezug genommen.
H leistete am 19.08.1997 eine Zahlung in Höhe von 30.000 DM und überwies am 13.10.1998 einen Betrag von 270.000 DM an den Kläger.
Zum 31.12.2007 wurde die Gemeinschaftspraxis beendet; zu diesem Datum schied H aus der Gesellschaft aus.
In ihrer Feststellungserklärung für 1997 erklärten die Gesellschafter für die GbR entsprechend ihrer Einnahmen-Überschussrechnung für die Zeit vom 15.08.1997 bis 31.12.1997 einen laufenden Gewinn in Höhe von 128.699,93 DM und für den Kläger Sonderbetriebseinnahmen in Höhe von 33.396 DM; hierin enthalten war der Preis für die Veräußerung des 5 %-igen Anteils in Höhe von 30.000 DM. Mit Bescheid vom 27.12.2001 stellte der Beklagte die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nach Abzug von Sonderbetriebsausgaben erklärungsgemäß in Höhe von 102.083,63 DM fest; der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Für 1998 erklärten die Gesellschafter entsprechend der eingereichten Einnahmen-Überschussrechnung für 1998 u. a. einen laufenden Gewinn in Höhe von 844.800 DM sowie einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn in Höhe von 270.000 DM. Mit Bescheid vom 27.12.2001 stellte der Beklagte die Einkünfte erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO fest.
In der Zeit von Oktober 2002 bis Juli 2004 fand für die Streitjahre eine Betriebsprüfung statt; auf den Bericht über die Außenprüfung vom 21.09.2004 wird Bezug genommen. Die Betriebsprüferin nahm im Zusammenhang mit dem Hinzuerwerb von weiteren 45 % der Beteiligung an der GbR einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO an. Bereits im Gesellschaftsvertrag sei nicht nur die Beteiligung von 5 %, sondern zugleich das unwiderrufliche Optionsrecht für den weiteren Bruchteilserwerb von 45 % bis zur Höhe einer hälftigen Beteiligung in einem kurzen Zeitraum eingeräumt worden; dabei seien die Höhe der Beteiligung und der Kaufpreis bereits festgelegt worden. Die zwischenzeitlichen Veränderungen der Buchwerte und die Ansammlung von stillen Reserven bis zur Ausübung der Option seien hierbei unberücksichtigt geblieben. Auch das gleichberechtigte Stimmrecht und die hälftige Finanzierung von Investitionen ließen darauf schließen, dass von vornherein eine hälftige Beteiligung geplant gewesen sei. Gleiches gelte zu Planungen von Anschaffungen, Mietvertrag, Berufsausübung, Vertretung, Haftung, Verfügungsmacht über Bankkonten und Ausscheiden der Gesellschafter. Entscheidend sei die hälftige Beteiligung am Gewinn und Verlust, die bereits ab Gründung der Gesellschaft begonnen habe und abweichend von den tatsächlichen Beteiligungsverhältnissen so auch durchgeführt worden sei. Eine solche Gewinnverteilung praktizierten Gesellschafter, die gleichberechtigt arbeiten wollten. Hätte der Kläger nur eine Beteiligung von H in Höhe von 5 % geplant, wäre eine Gewinnverteilung 95:5 zuzüglich eines festen monatlichen Betrages für die Arbeitsleistung von H möglich gewesen. Die Zahlung von 270.000 DM in 1998 habe keine Auswirkungen auf die Gesellschaftsverhältnisse gehabt; sie stelle eine Kaufpreisstundung dar.
Schließlich weist der Prüfer auf ein Schreiben zwischen Steuerberatern des Klägers und H vom 03.11.1998 hin, in dem es heißt: „Eine höhere Beteiligung kam seinerzeit wegen der steuerlichen Folgen nicht in Betracht... Wenn Herr Dr. H aber überhaupt sich hälftig beteiligen will, wäre es schon fast treuwidrig, wenn er es nicht noch in diesem Jahr tut, da sonst Herr Dr. K eine wesentlich höhere Steuerlast zu tragen hätte.” Auch dieses sei ein Indiz dafür, dass nur aus steuerlichen Gründen die 5 % Beteiligung gewählt worden sei.
Entsprechend den Feststellungen und rechtlichen Würdigungen der Betriebsprüfung stellte der Beklagte die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit mit Bescheiden vom 02.11.2004 für 1997 auf 293.528,28 DM und für 1998 auf 765.677,33 DM gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert fest. Für 1997 berücksichtigte er Sonderbetriebseinnahmen des Klägers in Höhe von 225.420,97 DM. Diese enthalten den Gewinn des Klägers aus der Veräußerung von 5 % der Beteiligung (30.000 DM abzgl. 7.797,55 DM Buchwert) sowie weiterer 45 % der Beteiligung (270.000 DM abzgl. 70.177,95 DM Buchwert).
Gegen die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1997 und 1998, jeweils vom 02.11.2004, legte die GbR am 23.11.2004 (1997) und am 26.11.2004 (1998) Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.06.2007 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung wurde der GbR am 12.06.2007 zugestellt. Mit Schreiben vom 09.07.2007, eingegangen am 10.07.2007, hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor:
Im Streitfall sei das 2-Stufen-Modell nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen und nach der tatsächlichen Durchführung nicht rechtsmissbräuchlich gewesen.
Die Aufstockung der Beteiligung von H sei zum 01.10.1998 erfolgt. Er, der Kläger, habe von seinem Sonderkündigungsrecht gemäß § 3 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages nicht Gebrauch gemacht. Das hier eingerichtete 2-Stufen-Modell habe quasi als Probezeit beider Gesellschafter der Prüfung der Frage gedient, ob sie dauerhaft in einer Praxisgemeinschaft arbeiten könnten. Beide Gesellschafter hätten sich vorher nicht gekannt. Sie seien gestandene Mediziner in Hamburg und hätten grundsätzlich gleichberechtigt zusammenarbeiten wollen. Die Erprobung der Zusammenarbeit bei Freiberuflern sei nicht nur üblich, sondern auch dringend geboten. Er, der Kläger, habe H bei fachlichen Veranstaltungen kennen gelernt. Er habe zunächst klären müssen, ob H konnte, was er vorgegeben habe. Es sei sehr bald die Frage aufgetaucht, ob eine Zusammenarbeit mit ihm auf Dauer möglich sei. Noch im Winter nach Eintritt des H in die Praxis habe es einen Vorfall gegeben, der Anlass gewesen sei, H von bestimmten Eingriffen zu entbinden. Eine Probe- und Überlegenszeit, ob man mit einem Kollegen zusammen arbeiten könne, sei insbesondere für das Erkennen der fachlichen Fähigkeiten unbedingt notwendig. Zu Beginn der Zusammenarbeit mit H sei die Arbeitslast ziemlich gleichmäßig verteilt gewesen. Dies habe sich im Laufe der Jahre dahingehend entwickelt, dass er, der Kläger, die ganz überwiegende Arbeit bestritten habe.
Zwar habe H ein unwiderrufliches Optionsrecht auf Erwerb weiterer 45 % Anteile gemäß § 5 Nr. 11 des Gesellschaftsvertrages erworben; er sei aber nicht verpflichtet gewesen, dieses auszuüben. Er, der Kläger, habe kraft eines Sonderkündigungsrechts innerhalb bestimmter Fristen H heraus kündigen können. Deshalb sei er auch nicht unwiderruflich gebunden gewesen. Danach habe das Optionsrecht von H keinen Wert, wenn insgesamt die Beteiligung hätte gekündigt werden können. Ziel einer Option sei es, das mit der Option erworbene Recht zu behalten und die Gesellschaft fortzuführen. Dieses Recht aber habe H mit der Ausübung der Option wegen des Sonderkündigungsrechts durch den Kläger nicht besessen.
Auch wenn die Gesellschafter im Streitfall von Anfang an eine gleichberechtigte Gesellschaftsbeteiligung angestrebt hätten, führe das 2-Stufen-Modell nicht zu einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung. Die Vermutung des Finanzamts, dass die Ausübung der Option fest vereinbart und die mögliche Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses durch den Kläger als eher abwegig anzusehen gewesen sei, sei nicht zutreffend, wie sich aus § 5 Abs. 11 ergebe. Auch das unter den Steuerberatern der GbR ausgetauschte Schreiben vom 03.11.1998 sei für sich genommen nicht ausreichend, um einen Gestaltungsmissbrauch anzunehmen. Jeder Steuerbürger könne seine Gestaltungen so wählen, wie sie für ihn steuerlich am günstigsten seien. Das 2-Stufen-Modell sei unter Freiberuflern ein gängiges Modell gewesen.
Dass die Beteiligten von Anfang an ein gleichberechtigtes Stimmrecht hätten ausüben können, diene grundsätzlich nur der Erprobung beider Partner hinsichtlich ihrer Geschäftsführung und Stimmrechtsausübung. Gleichwohl habe er, der Kläger, über § 6 Abs. 8 des Gesellschaftsvertrages für die ersten 12 Monate ein Letztentscheidungsrecht bei Stimmengleichheit gehabt.
Die hälftige Beteiligung der Gesellschafter am Gewinn sei darin begründet, dass jeder Arzt die Umsätze der Praxis durch höchstpersönliche Arbeitsleistung am Patienten erbringe. Dabei scheide die Einbringung von Mitarbeitern oder freien Mitarbeitern in den produktiven Teil des Honoraraufkommens von Arztpraxen nahezu aus. Zwar hätte die Vergütung als Vorweggewinn so vereinbart werden können, dass als Restgewinn lediglich eine Verzinsung des eingesetzten Praxiswerts verblieben wäre. Dies allerdings hätte vorausgesetzt, dass die Höhe des Gewinns der Praxis mit hinreichender Sicherheit hätte geschätzt werden können. Zwar habe er, der Kläger, seine Praxis bekannt und eine derartige Einschätzung wohl zutreffend abgeben können; H indes habe sie nicht gekannt, so dass eine genaue Einschätzung des zu erwartenden Gewinns unsicher gewesen sei. Deshalb sei man den umgekehrten Weg gegangen und habe zuerst die Verzinsung des eingesetzten Kapitals durchgeführt und den Restgewinn durch die Anzahl der Partner geteilt. Mit dieser Umkehr der Standardregelung sei das Problem der Unsicherheit hinsichtlich der Höhe des zu erwartenden Gewinns in vernünftiger wirtschaftlicher Weise gelöst worden. Denn gemäß § 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages sei die Arbeitskraft von Anfang an gleich hoch gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Bescheide für 1997 und 1998 über Einkommensteuer, jeweils vom 02.11.2004 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.06.2007, dahingehend zu ändern, dass
die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit für 1997 um 199.822,05 DM herabgesetzt werden und dieser Minderungsbetrag dem Kläger bei seinen Sonderbetriebseinnahmen zugerechnet wird und
die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit für 1998 um 199.822,05 DM heraufgesetzt werden und dieser Erhöhungsbetrag dem Kläger als Veräußerungsgewinn zugerechnet wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor:
Die im Streitfall gewählte Gestaltung habe allein dem Zweck der Steuerersparnis gedient und sei danach rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 42 AO. In Streitfall sei in dem Gesellschaftsvertrag sowohl die Gesellschaftsgründung als auch die Abwicklung der Aufstockung der Anteile des H verbindlich geregelt worden. Zwar sei die Ausübung der Option frühestens nach circa einem Jahr nach Vertragsabschluss möglich gewesen. Dass mit der Ausübung des Optionsrechts jedoch fest zu rechnen gewesen sei, ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass sie überhaupt vereinbart worden sei. Denn der Kläger habe H vertraglich ein Recht zur Aufstockung seiner Anteile eingeräumt, welches er nicht mehr habe kündigen können. Dieses habe die GbR auch mit Schreiben vom 08.02.2005 so gesehen; sie habe eingeräumt, dass das Optionsrecht unwiderruflich sei. Die Ausübung der Option hätte lediglich dann noch umgangen werden können, wenn das Gesellschaftsverhältnis insgesamt beendet worden wäre. Zwar könne eine vorzeitige Beendigung der Gesellschaft nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Davon, dass die Vertragspartner diese Möglichkeit aber bereits bei Vertragsschluss in Betracht gezogen haben könnten, sei jedoch nicht auszugehen. Deshalb hätten sich beide Vertragspartner an die Ausübung der Option unwiderruflich gebunden, so dass bereits bei Abschluss des ersten Vertrages festgestanden habe, dass es zur Aufstockung der Beteiligung des H auf 50 % kommen würde.
Auch die Tatsache, dass die Ausgleichszahlung für die erst frühestens in einem Jahr auszuübende Option nach dem Wert des Praxisvermögens zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bemessen und unwiderruflich festgelegt worden sei, lasse sich entnehmen, dass sich beide Gesellschafter bereits bei Vertragsabschluss über eine hälftige Beteiligung und somit über die Ausübung der Option einig gewesen seien. Dass steuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung maßgeblich gewesen seien, lasse sich zudem aus dem Schreiben des Rechtsanwalts der GbR vom 03.11.1998 entnehmen. Daran ändere auch das Sonderkündigungsrechts des Klägers nichts. Diese vereinbarten Kündigungsregeln entsprächen vielmehr lediglich den allgemeinen Kündigungsvorschriften des BGB, insbesondere § 723. Dass der Kläger als alteingesessener Partner für den Fall einer Vertragskündigung in seinen ursprünglichen Räumlichkeiten verbleiben konnte, sei keinesfalls unüblich. Ein gesondertes Recht, von der Ausübung der Option abzusehen, ergebe sich hieraus jedoch wieder für den Kläger noch für H.
Des unwiderruflichen Optionsrechts hätte es auch nicht bedurft, um den Partner zu erproben und die Gesellschaft beendigen zu können. Zudem wäre eine Vertragskündigung auch nicht durch eine von Anfang an vereinbarte hälftige Beteiligung erschwert worden. Denn im Betriebsvermögen einer gemeinschaftlichen Arztpraxis würden innerhalb eines entsprechenden Zeitraums von circa einem Jahr keine derart hohen stillen Reserven geschaffen. Die Erprobung des H als Geschäftspartner wäre somit auch bei einer von Anfang an vereinbarten hälftigen Beteiligung unproblematisch und möglich gewesen.
Die vorliegende Vertragsgestaltung sei auch schon deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Gesellschafter nach den vertraglichen Ausführungen zum Gesellschaftszweck und der Geschäftsführung von Anfang an eine hälftige Beteiligung angestrebt und über ein gleichberechtigtes Stimmrecht verfügt sowie Investitionen hälftig finanziert hätten. Eine andere rechtliche Beurteilung ergebe sich auch nicht aus den Regelungen zu geplanten Anschaffungen, der Fortsetzung des Mietvertrages, den Fragen der Berufsausübung und der Geschäftsführung, einschließlich Fragen der Vertretung und Haftung sowie der Verfügungsmacht über die Bankkonten.
Insbesondere ergebe sich eine von Anfang an geplante hälftige Beteiligung auch daraus, dass von Anbeginn an eine hälftige Beteiligung am Gewinn und Verlust vereinbart worden sei. Dies entspreche zwar § 722 BGB; allerdings sei ein angemessener Ausgleich für den Kläger nicht vereinbart worden. H habe somit de facto bereits mit Eintritt in die Gesellschaft alle Rechte (und Pflichten) erlangt, die einem gleichwertig Beteiligten zustehen. Durch die Aufstockung seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen bei Ausübung der Option habe H - abgesehen von der Verzinsung des eingebrachten Vermögens - keine weiteren Vorteile. Die gewählte Gestaltung komme im Ergebnis einer Stundung des Ausgleichsbetrages gleich. Der Kläger und sein Mitgesellschafter hätten bei Vertragsabschluss eine feste Vergütung entsprechend dem Beteiligungsverhältnis gewinnunabhängig vereinbaren können. Eine solche Vereinbarung hätte auch kein größeres Risiko dargestellt als die vereinbarte Gewinnbeteiligung.
Am 15.05.2009 hat ein Erörterungstermin stattgefunden; auf die Niederschrift über diesen Termin wird Bezug genommen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Dem Gericht haben die Akte Allgemeines, die Gewinnfeststellungsakten Band I, die Gewinnermittlungsakten Band I, die Rechtsbehelfsakten, die Betriebsprüfungsakten Band I und die Bp-Arbeitsakten, jeweils zur Steuernummer .../.../..., vorgelegen.
Gründe
Das Gericht entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Das Gericht hat von einer Beiladung des früheren Gesellschafters der vollbeendeten GbR, H, abgesehen, weil die Beteiligten über einen dem Kläger als Sonderbetriebseinnahmen zuzurechnenden Veräußerungsgewinn streiten. Da sich die Sonderbetriebseinnahmen auf den Gesamtgewinn der GbR auswirken, ist die Feststellung einheitlich zu treffen; dies hat bei einer voll beendeten Personengesellschaft grundsätzlich die notwendige Beiladung des nicht klagenden Gesellschafters nach § 60 Abs. 3 FGO zur Folge. Von einer Beiladung ist im Streitfall indes abzusehen, da der nicht mehr selbst klagende ehemalige Gesellschafter unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vom Ausgang des Klageverfahrens steuerrechtlich betroffen ist (vgl. Bundesfinanzhofs (BFH) Beschluss vom 14.01.2003 VIII B 108/01, BFHE 201, 6, BStBl 2003 II S. 335).
I. Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist durch die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1997 und 1998, jeweils vom 02.11.2004 und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.06.2007, in seinen Rechten verletzt. Insbesondere war bei der Feststellung der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils von 45 % an H nicht als laufender Gewinn in 1997, sondern als Veräußerungsgewinn in 1998 zu berücksichtigen und dem Kläger als Sonderbetriebseinnahmen zuzurechnen.
Den Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils der Praxis des Klägers von 5 % (22.202,45 DM) in 2007 hat der Beklagte zu Recht als laufenden Gewinn den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zu Grunde gelegt und dem Kläger als Sonderbetriebseinnahmen zugerechnet.
Gemäß § 18 Abs. 3 EStG gehört zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit auch der Gewinn, der bei der Veräußerung des Vermögens oder eines selbstständigen Teils des Vermögens oder eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbstständigen Arbeit dient. Dieser Veräußerungsgewinn wird zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er die Freibeträge des § 16 Abs. 4 EStG i. V. m. § 18 Abs. 3 S. 2 EStG übersteigt. Ferner unterliegt er den als außerordentliche „Einkünfte” zuzurechnenden Gewinn dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG.
Im Streitfall war der Kläger vor Aufnahme des H Alleininhaber der freiberuflichen Praxis. Somit bestand kein Anteil eines Gesellschafters (Mitunternehmers) des Betriebs im Sinne der §§ 18 Abs. 3, 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG, den der Kläger an H hätte veräußern können. Die entgeltliche Aufnahme eines Sozius in eine freiberufliche Einzelpraxis, die die Einbringung eines freiberuflichen (Einzel-)Unternehmens gegen Ausgleichszahlung in eine Personengesellschaft darstellt, ist danach nicht als eine steuerbegünstigte Veräußerung im Sinne des § 18 Abs. 3, § 16 Abs. 1, Abs. 4, § 34 EStG) zu beurteilen. Denn in diesem Fall verfügt der bisherige Alleininhaber nicht über seinen Betrieb im ganzen oder über einen selbstständigen Teilbetrieb. Erst mit der Gründung der Personengesellschaft werden nach § 16 Abs. 1, § 18 Abs. 3 EStG steuerbegünstigte Veräußerungsgegenstände (Mitunternehmeranteile) geschaffen. Vor diesem Zeitpunkt lagen in der Hand des Einzelunternehmers selbstständige Teile seines Betriebs (Vermögens), über die er - unabhängig von der Einbringung des Gesamtbetriebs - hätte verfügen können, nicht vor (vgl. BFH Beschluss vom 18.10.1999 GrS 2/98, BFHE 189, 465, BStBl 2000 II S. 123). Der von dem Kläger erzielte Gewinn aus der Veräußerung von 5 % seiner Einzelpraxis in Höhe von 22.202,45 DM in Zusammenhang mit der Einbringung der Praxis in die mit H gründete Personengesellschaft stellt danach in Übereinstimmung mit der Auffassung der Beteiligten einen laufenden und dem Kläger als Sonderbetriebseinnahmen zuzurechnenden Gewinn dar.
Der Gewinn aus der im Oktober 1998 erfolgten Veräußerung von 45 % der Anteile des Klägers an der zum 15.08.1997 gegründeten GbR in Höhe von 199.822,05 DM stellt sich hingegen als begünstigter Veräußerungsgewinn im Sinne des § 18 Abs. 3, § 16 Abs. 1, Abs. 4, § 34 EStG dar.
a) Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20.12.2001 (Bundesgesetzblatt I 2001, 3858) wurde § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG in der Weise geändert, dass nur noch die Übertragung des gesamten Gesellschaftsanteils zu einem Veräußerungsgewinn führt; die Teilanteilsveräußerung ist danach nicht mehr begünstigt. In der für die Streitjahre geltenden Fassung führte indes nach der ständigen Auffassung des BFH, der sich der Senat anschließt, - über den Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. hinaus - auch die Veräußerung eines Anteils an einem Mitunternehmeranteil zu einem steuerlich begünstigten Veräußerungsgewinn (BFH Urteile vom 27.05.1981 I R 123/77, BFHE 133, 412, BStBl 1982 II S. 211; vom 14.09.1994 I R 12/94, BFHE 176, 520, BStBl 1995 II S. 407; Beschluss vom 18.10.1999 GrS 2/98, a. a. O.). Das galt auch für die Veräußerung eines Teilanteils am Vermögen, das der freiberuflichen Arbeit diente (§ 18 Abs. 3 EStG). Danach unterlag der von dem Kläger erzielte Gewinn aus der Veräußerung von 45 % der Anteile an der GbR grundsätzlich der begünstigten Besteuerung gemäß § 18 Abs. 3, § 16 Abs. 1, Abs. 4, § 34 EStG.
b) Eine abweichende Beurteilung folgt im Streitfall auch nicht aus der Anwendung des § 42 AO. Es stellt insbesondere keinen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar, dass der Kläger nach Veräußerung eines Praxisanteils von 5 % mehr als ein Jahr später einen GbR-Anteil in Höhe von 45 % an H entgeltlich übertrug.
aa) Nach § 42 Satz 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Von einer Umgehung ist auszugehen, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH Urteil vom 08.05.2003 IV R 54/01, BFHE 202, 219, BStBl 2003 II S. 854). Eine rechtliche Gestaltung ist unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorgegebene typische Gestaltung zur Erreichung bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, sondern hierfür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (BFH Urteil vom 16.01.1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl 1992 II S. 541 Jahre). Die Unangemessenheit einer Rechtsgestaltung tritt insbesondere zutage, wenn diese keinem wirtschaftlichen Zweck dient (vgl. BFH Urteil vom 08.05.2003 IV R 54/01, a. a. O.).
bb) Im Streitfall liegt ein wirtschaftlicher Grund in der Notwendigkeit einer Erprobungsphase zu Beginn der Zusammenarbeit zweier Freiberufler. Ein wirtschaftlicher Grund dafür, zunächst eine Beteiligung von nur 5 % zu vereinbaren und die Erhöhung der Beteiligung erst ein Jahr später vorzunehmen, entspricht dem Bedürfnis, die Zusammenarbeit in der Sozietät zunächst zu erproben. Der wirtschaftliche Sinn einer solchen Probezeit ist besonders beim Zusammenschluss von Freiberuflern nachvollziehbar, da die Tätigkeit stark vom persönlichen Einsatz der Sozien bestimmt ist. Wesentlich für den Erfolg einer solchen Sozietät ist zum einen die fachliche Qualifikation der Sozien, aber auch die persönliche Beziehung zueinander.
Der Kläger hat zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass es gerade im Rahmen einer chirurgischen Gemeinschaftspraxis (Mitunternehmerschaft) erforderlich ist, sich ein Bild über die fachliche Qualifikation des Mitgesellschafters in der täglichen Arbeit zu verschaffen. So war es im Streitfall noch in der Erprobungsphase aufgrund eines Vorfalls erforderlich geworden, darüber zu entscheiden, ob die Gesellschaft beendet oder fortgeführt werden sollte. Das Geschehen während einer von H durchgeführten Operation hatte hierzu Anlass gegeben. Der Kläger entschied sich zwar nach Rücksprache mit Praxisangehörigen nicht zur Beendigung der Gesellschaft. Infolge dieser Erfahrungen wurden aber Maßnahmen zur Qualitätssicherung ergriffen, mit denen eine Gefährdung der Patienten und auch mögliche Haftungsansprüche gegenüber ihm, dem Kläger, ausgeschlossen werden konnten. Ebenso ist es vorstellbar, dass in dem organisatorischen und persönlichen Miteinander Konflikte auftreten könnten, die eine Beendigung der GbR nahe gelegt hätten. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass beispielsweise auch die korrekte Abrechnung und der verabredete Umfang des Arbeitseinsatzes eine Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander darstellen. Darauf, dass eine Erprobung auch bei einer von Anfang an vereinbarten hälftigen Beteiligung möglich gewesen wäre, kommt es - entgegen der Auffassung des Beklagten - für die Beurteilung des wirtschaftlichen Grundes nicht an; denn es obliegt den Vertragspartnern zu entscheiden, mit welchem wirtschaftlichen Risiko sie sich mehr oder weniger schnell an einen Mitgesellschafter binden wollen.
cc) Im Streitfall fehlt es auch nicht aus weiteren Gründen an einem wirtschaftlichen Grund für die stufenweise Übertragung der Anteile.
Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten käme nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 16.09.2004 IV R 11/03, BFHE 207, 274, BStBl 2004 II S. 1068), der sich der Senat anschließt, auch dann in Betracht, wenn entweder die Zeit zwischen Abschluss der beiden Verträge zur Erprobung des Eintretenden unzureichend gewesen wäre oder wenn bereits bei Abschluss des ersten Vertrags festgestanden hätte, dass es zur Aufstockung der Beteiligung kommen werde.
Die Gründung einer Sozietät im sog. Zwei-Stufen-Modell stellt sich regelmäßig dann nicht als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten dar, wenn zwischen dem Vertrag über die Aufnahme des Sozius in die Einzelpraxis und dem über die Erhöhung des Anteils ein Zeitraum von mindestens einem Jahr liegt und wenn sich nicht mindestens einer der Vertragschließenden bei Gründung der Sozietät unwiderruflich verpflichtet hat, einen weiteren Anteil zu erwerben bzw. zu veräußern. Eine den Missbrauch im Sinne des § 42 AO ausschließende Gestaltung erfordert danach, dass zwischen den beiden Verträgen ein Zeitraum von einem Jahr liegt, dem Erwerber kein unwiderrufliches Optionsrecht eingeräumt wird und dieser sich auch nicht seinerseits unwiderruflich verpflichtet, seinen Anteil zu erhöhen (BFH Urteil vom 16.09.2004 IV R 11/03, a. a. O.; BFH Beschluss vom 24.04.2007 XI B 35/06, BFH/NV 2007, 1268).
(1) In der Streitsache lag zwischen dem Eintritt des H in die Einzelpraxis des Klägers und der Vereinbarung einer Aufstockung des Anteils des H an der somit begründeten GbR ein Zeitraum mehr als einem Jahr. H zahlte den Aufstockungsbetrag von 270.000 DM am 13.10.1998. Da H das im Gesellschaftsvertrag vom 17.08.1997 gemachte Aufstockungsangebot des Klägers nicht schriftlich annahm, geht das Gericht - in Übereinstimmung mit den Beteiligten - davon aus, dass die Annahme dieses Angebots mit Zahlung am 13.10.1998 konkludent erfolgte.
(2) Bei Abschluss des Vertrags über den Erwerb einer 5 %-igen Beteiligung an der Gemeinschaftspraxis (17.08.1997) stand noch nicht fest, dass es zur Aufstockung der Beteiligung um 45 % kommen werde.
Zwar hatten der Kläger und H bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages am 17.08.1997 unzweifelhaft ins Auge gefasst, den Anteil von H an der Gemeinschaftspraxis nach Ablauf eines Jahres auf 50 % zu erhöhen. Dies folgt bereits aus den vertraglichen Gestaltungen vom 17.08.1997, wonach der Kläger H die Aufstockungsmöglichkeit „verbindlich” anbot. Gleichwohl kann dies im Streitfall das Fehlen eines wirtschaftlichen Grundes für den zweistufigen Anteilserwerb nicht begründen.
Insbesondere stand dem H - unabhängig davon, dass er selbst sich zum Erwerb weiterer Anteile nicht verpflichtet hatte - kein Optionsrecht zu, das ihm rechtlich und wirtschaftlich den zeitnahen Erwerb weiterer Anteile gesichert hätte.
Die in § 3 des Gesellschaftsvertrags getroffene Vereinbarung über die Möglichkeiten zur Kündigung steht dem entgegen. Gemäß § 3 Abs. 1 konnte jeder Gesellschafter die Gesellschaft unter Einhaltung einer Frist von neun Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres kündigen mit der Folge, dass er aus der Gesellschaft ausscheidet und der Verbleibende die Praxis gem. § 16 Abs. 1 weiterzuführen berechtigt war. Abweichend hiervon hatten die Vertragspartner in Abs. 3 geregelt, dass für eine Kündigung, die vor dem 31.12.1999 erklärt wurde, immer der Kläger als ursprünglicher Inhaber des Sitzes wählen konnte, welcher der Vertragspartner aus der Gesellschaft ausscheidet und welcher berechtigt ist, das Gesellschaftsvermögen zu übernehmen und am bisherigen Praxissitz seine ärztliche Tätigkeit fortzusetzen. Diese Regelung ermöglichte dem Kläger, einseitig über den Verbleib von H in der Gesellschaft innerhalb des Zeitraums zu entscheiden, in dem dieser das Angebot über die Aufstockung annehmen konnte. Diese Vereinbarung verhinderte, dass sich der Kläger aufgrund seines „verbindlichen” Angebots der Möglichkeit begab, sich von H unter Rückbehalt der Praxis zu lösen. Denn der Kläger konnte H innerhalb der Sperrfrist für die Annahme des Aufstockungsangebots durch seine Kündigung jederzeit aus der Gesellschaft drängen. Zwar war der Kläger ungeachtet der Kündigungsregelung in § 3 Abs. 3 des Vertrages an sein Aufstockungsangebot gebunden und konnte H dieses Angebot innerhalb des vorgesehenen Zeitraums annehmen. Selbst wenn H die Annahme des Angebots zum Erwerb weiterer 45 % der Anteile erklärt hätte, hätte er im Falle der Kündigungserklärung des Klägers diese jedoch gegen entsprechendes Entgelt zurück übertragen müssen. Daher war das Optionsrecht für H wirtschaftlich wertlos. Es ist fernliegend anzunehmen, dass ein Gesellschafter nach Kündigung eines Gesellschaftsverhältnisses seine Anteile noch aufstocken wollte, um diese sogleich wieder zurück übertragen zu müssen. Schließlich kommt es in diesem Zusammenhang - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht darauf an, ob die Beteiligten bei Vertragsabschluss die Kündigungsmöglichkeit in Betracht gezogen haben. Verträge werden regelmäßig in der Annahme geschlossen, dass sie erfüllt werden; gleichwohl bestand die zuvor beschriebene Kündigungsmöglichkeit für den Fall, dass die Notwendigkeit der Trennung gesehen worden wäre. Die Vereinbarung, dass der Kläger als ursprünglicher Inhaber des Praxissitzes wählen konnte, welcher der Vertragspartner aus der Gesellschaft ausscheidet und welcher berechtigt sein sollte, das Gesellschaftsvermögen zu übernehmen und am bisherigen Praxissitz seine ärztliche Tätigkeit fortzusetzen, entspricht - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch nicht der allgemeinen Kündigungsvorschrift des § 723 BGB, sondern stellt eine die Interessen des Klägers als ehemaliger Praxisinhaber einseitig begünstigende Vereinbarung dar.
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der für den Anteil von 45 % gezahlte Kaufpreis dem des Erwerbs auf der ersten Stufe entspricht und eventuelle zwischenzeitliche Wertveränderungen nicht berücksichtigt wurden. Der Kaufpreis für freiberufliche Praxen bestimmt sich gewöhnlich nach dem durchschnittlichen Umsatz der vorangegangenen Jahre. Es ist wirtschaftlich sinnvoll, dass bei der Kaufpreisbemessung der Umsatz der Jahre zugrunde gelegt wurde, in denen der Kläger den Praxiswert geschaffen hat. Es ist auch unschädlich, dass die Vertragschließenden den Kaufpreis für die Anteilserhöhung bereits bei der Gründung der Gemeinschaftspraxis festgelegt haben, da sie frei in der Entscheidung waren, ob die Anteilserhöhung durchgeführt werden sollte (vgl. BFH Urteil vom 16.09.2004 IV R 11/03, a. a. O.). Das Jahr zwischen dem Beitritt zur Gemeinschaftspraxis und der Erhöhung der Beteiligung gab H Gelegenheit zu prüfen, ob der Kaufpreis im Hinblick auf die zu erwartenden Gewinne angemessen war.
Für die Beurteilung eines wirtschaftlichen Grundes spielt ferner keine Rolle, dass H im ersten Jahr seiner Beteiligung zur Hälfte am Gewinn des freiberuflichen Unternehmens beteiligt war und in entsprechender Höhe notwendige Investitionen zu finanzieren hatte. Ärzte, die im gleichen Umfang ihre Arbeitskraft schulden und die mit einem vergleichbaren Berufsprofil (Ärzte für Chirurgie etc.) arbeiten, werden auch in vergleichbarer Höhe ihren Gewinnanspruch begründen können. Eine Beteiligung in Höhe von 5 % am Praxisgewinn wäre indes offenkundig unzureichend gewesen, um die Arbeitsleistung des H zu vergüten. Dem Beklagten ist auch darin zu widersprechen, dass H durch die Aufstockung seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen bei Ausübung der Option - abgesehen von der Verzinsung des eingebrachten Vermögens - keine weiteren Vorteile gehabt habe. Zum einen wird die Höhe der Beteiligung relevant für den Fall der Auseinandersetzung der Gesellschafter; zum anderen kommt es für die hier zu beurteilende Frage darauf nicht an. Schließlich obliegt es der Disposition der Vertragspartner zu entscheiden, ob eine Festvergütung gewählt oder eine entsprechende Gewinnbeteiligung bevorzugt vereinbart wird.
Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen kommt es deshalb auch nicht darauf an, dass in einem Schreiben vom 03.11.1998 zwischen den Steuerberatern der GbR auf die steuerlichen Vorteile bei der gewählten Gestaltung hingewiesen wurde. Denn liegen wirtschaftliche Gründe - wie im Streitfall - vor, begründet die Vertragsgestaltung auch unter Berücksichtigung steuerlicher Rechtsfolgen keinen Tatbestand im Sinne des § 42 AO.
c) Der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile von 45 % beträgt 199.822,05 DM. Der Veräußerungspreis von 270.000 DM war dabei gemäß § 18 Abs. 3, 16 Abs. 2 EStG um den Wert des Anteils am Betriebsvermögen zu mindern. Dieser betrug unstreitig - entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung - 70.177,95 DM.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs.1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO sowie aus §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

RechtsgebieteAO, EStGVorschriftenAO § 42 EStG § 16 EStG § 18 Abs. 3 EStG § 34 Abs. 2 Nr. 1

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