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05.03.2010 · IWW-Abrufnummer 100697

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 29.04.2009 – L 8 R 145/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landessozialgericht NRW
L 8 R 145/08
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.05.2008 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten (noch) darum, ob die Beklagte berechtigt war, auch für den Zeitraum vom 01.12.2001 bis 30.11.2002 Beiträge für eine selbstständige versicherungspflichtige Tätigkeit der Klägerin nach § 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu fordern.
Die Klägerin wurde am 00.00.1968 geboren und ist Mutter eines am 00.00.2003 geborenen Sohnes. Nach Abschluss eines Studiums der Sportwissenschaften absolvierte sie eine Zusatzausbildung zur Sporttherapeutin beim Behindertensportverband. Seit 1999 übte sie in diesem Bereich Tätigkeiten in Form der Betreuung von sog. Herzsportgruppen aus. In den Jahren 1999 und 2000 arbeitete sie dabei mit dem Reaktiv/Gesundheitsforum C zusammen. Im Übrigen betreute sie als "freiberufliche Mitarbeiterin" Herzsportgruppen bei dem "S I e.V.", wo sie vom 01.08.2001 bis 25.09.2003 (Beginn des Mutterschutzes) auch als "Angestellte" für Bürotätigkeiten arbeitete. Bezogen auf die zuletzt genannte Tätigkeit wurden auch Sozialversicherungsbeiträge für die Klägerin abgeführt. Außerdem betreute sie bis zum Jahr 2003 noch Herzsportgruppen bei dem Deutschen Sportclub (DSC) X.
Aus der Leitung von (Herz-)Sportgruppen, die sie als selbstständige Tätigkeit angab, erzielte sie in den Jahren 1999 bis 2005 Einkünfte zwischen 273,00 EUR (2004) und 11.900,00 EUR (2002) jährlich. Das Bruttoarbeitseinkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit schwankte in diesem Zeitraum zwischen 0,00 EUR und 3.926,00 EUR. Die Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit beliefen sich in den Jahren 2001 und 2002 auf 23.348,00 DM und 11.900,00 EUR. Nach der Geburt ihres Sohnes am 00.00.2003 nahm die Klägerin bei ihrem Arbeitgeber, dem "S I e.V.", Elternzeit in Anspruch. Im Hinblick auf das Ende dieser Elternzeit zum 31.10.2006 wandte sie sich erstmals unter dem 23.08.2006 mit der Frage an die Beklagte, ob es möglich sei, wie bisher eine Tätigkeit als Angestellte für Büroarbeiten und parallel dazu eine freiberufliche Tätigkeit im Rahmen der Betreuung von Herzsportgruppen bei dem "S I e.V." durchzuführen. Die Beklagte übersandte ihr mit Schreiben vom 26.10.2006 ihren Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige und wies in dem Anschreiben darauf hin, es sei zu prüfen, ob die Klägerin als selbstständig Tätige der Versicherungspflicht unterliege. Nachdem die Klägerin den Fragebogen zurückgereicht hatte, forderte die Beklagte unter dem 28.11.2006 noch weitere Unterlagen, u.a. die Einkommensteuerbescheide ab Beginn der selbstständigen Tätigkeit, bei der Klägerin an und bat gleichzeitig noch um Mitteilung, wann genau die Klägerin die selbstständige Tätigkeit aufgenommen habe. Dieser Bitte kam die Klägerin mit am 16.01.2007 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben nach. Die Beklagte erließ sodann unter dem 24.01.2007 zwei Bescheide. Zum einen stellte sie die Versicherungspflicht der Klägerin als Selbstständige für die Zeit ab 01.01.1999 nach § 2 Satz 1 "Nr. 1 bis 3" SGB VI fest. Diesem Bescheid fügte sie eine Beitragsrechnung für den Zeitraum vom 01.12.2001 bis 31.12.2003 i.H.v. 3.665,45 EUR bei. Darin war für den Zeitraum vom 01.12.2001 bis zum 30.11.2002 ein Betrag i.H.v. 2.273,52 EUR enthalten. In dem zweiten Bescheid forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Beiträge für die Zeit ab dem 01.12.2001 zu zahlen. Gleichzeitig stellte sie wegen Geringfügigkeit der Tätigkeit Versicherungsfreiheit für den Zeitraum ab dem 01.01.2004 fest (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI). Mit gesondertem Schreiben legte die Klägerin am 06.02.2007 Widerspruch gegen beide Bescheide ein. Zur Begründung verwies sie auf die zum 01.01.2004 von der Beklagten ausgesprochene Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit der Tätigkeit und darauf, dass sie aus wirtschaftlicher Sicht nicht in der Lage sei, die Beitragsforderung i.H.v. 3.665,45 EUR zu begleichen. Ergänzend berief sie sich auf Verjährung. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.05.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, für die Beitragsberechnung vom 01.12.2001 bis 31.12.2003 seien die Einkommensteuerbescheide für die jeweiligen Jahre berücksichtigt worden. Erst ab dem 01.01.2004 liege das Einkommen unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze. Es bestehe die Möglichkeit, den offenen Forderungsbetrag in monatlichen Raten zu begleichen.
Mit der am 26.06.2007 zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie sei nicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig gewesen, da ihre Tätigkeit gerade nicht auf die Vermittlung von praktischen Kenntnissen und Fähigkeiten gerichtet gewesen sei. Auch habe sie keine Trainingspläne oder sonstiges auf die jeweiligen Kursteilnehmer speziell ausgerichtet. Ebenso wenig übe sie eine Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Versicherungspflicht von Physiotherapeuten, Ergotherapeuten oder Masseuren aus.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 24.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2007 aufzuheben und Versicherungsfreiheit für ihre selbstständige Tätigkeit in der Zeit vom 01.01.1999 bis 31.12.2003 festzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten, die Klägerin sei jedenfalls nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des BSG zu Masseuren und medizinischen Bademeistern bzw. Physiotherapeuten/Krankengymnasten sowie Ergotherapeuten/Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten, die überwiegend aufgrund ärztlicher An- oder Verordnung tätig werden.
Mit Bescheid vom 03.07.2007 hat die Beklagte die Rücknahme "des Bescheides" vom 24.01.2007 abgelehnt und hiermit auf einen bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides eingegangenen Schriftsatz der Klägerin vom 23.03.2007 und einen weiteren Schriftsatz vom 26.06.2007 reagiert, in denen sich die Klägerin auf Verjährung der vor dem 01.01.2003 entstandenen Beitragsforderungen berufen hatte.
Das SG hat der Klage durch Urteil vom 06.05.2008 insoweit stattgegeben, als es die angefochtenen Bescheide für den Zeitraum vom 01.12.2001 bis zum 30.11.2002 aufgehoben hat. Es hat dabei die Auffassung vertreten, für die Zeit vor dem 01.12.2002 sei die Beitragsforderung verjährt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Mit der am 08.07.2008 eingelegten Berufung gegen das ihr am 12.06.2008 zugestellte Urteil begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage in vollem Umfang. Sie meint, dass die Verjährung der Beitragsforderung durch das von ihr im Jahr 2006 eingeleitete Beitragsverfahren gemäß § 198 Satz 2 SGB VI gehemmt worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.05.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. § 198 SGB VI sei durch Art 8 Nr. 12 Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze (HZvNG) v. 21.06.2002 (BGBl I S. 2002, 2167) neu gefasst worden und daher erst ab diesem Zeitpunkt, nicht jedoch auf bereits zuvor entstandene Ansprüche anzuwenden. Im Übrigen sei kein Verfahren im Sinne des § 198 Satz 2 SGB VI im Jahre 2006 anhängig gewesen, weil ein entsprechendes Handeln der Beklagten gemäß § 8 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu diesem Zeitpunkt für die Klägerin noch nicht nach außen hervorgetreten sei. Sie habe vielmehr erstmals durch den Bescheid vom 24.01.2007 hiervon erfahren. Es sei für sie auch nicht erkennbar gewesen, dass sich die Beklagte mit ihrer Versicherungspflicht für die Vergangenheit beschäftigt habe, nachdem diese sie nicht einmal im Wege der Anhörung über den Umfang ihrer Prüfung informiert habe. Schließlich sei die Verjährung auch nicht nach § 25 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) i.V.m. § 203 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gehemmt worden.
Die Klägerin ist hinsichtlich des genauen Inhaltes ihrer Tätigkeit bzw. des Ablaufes und der Abrechnung der Herzsportkurse von dem Berichterstatter nochmals persönlich angehört worden. Ferner hat der Senat die Arbeits- und Honorarverträge der Klägerin mit dem "S I e.V." vom 31.07.2001 bzw. 17.12.1998 beigezogen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die beiden Bescheide vom 24.01.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2007. Diese Bescheide stellen eine einheitliche Regelung dergestalt dar, dass die Beklagte mit dem "Beitragsbescheid" nicht nur die Versicherungspflicht dem Grunde nach für die Zeit vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2003 festgestellt, die für die Zeit vom 01.12.2001 bis 31.12.2003 zu zahlenden Beiträge der Höhe nach festgesetzt und gleichzeitig auf die Zahlung von Beiträgen für die Zeit bis zum 30.11.2001 wegen Eintritts der Verjährung verzichtet hat.
Ebenso wie das Klageverfahren insgesamt ist allerdings der Umfang und Gegenstand des Berufungsverfahrens aufgrund der Dispositionsmaxime (§ 123 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) abhängig von den Anträgen der Beteiligten (§ 202 SGG i.V.m. § 528 Zivilprozessordnung). Da nur die Beklagte Berufung eingelegt hat, kann das Urteil des SG daher nicht zu ihrem Nachteil geändert werden (statt aller: BSG, Urteil v. 02.12.2008, B 2 KN 3/07 U R, m.w.N.; zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die angefochtenen Bescheide sind somit vom Berufungsgericht nur insoweit zu prüfen, als das SG sie aufgehoben hat, d.h. für den Zeitraum vom 01.12.2001 bis zum 30.11.2002.
Darüber hinaus ist auch der vom SG übergangene Bescheid vom 03.07.2007 nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, obwohl es sich dabei dem Willen der Beklagten nach um einen Überprüfungsbescheid gemäß § 44 SGB X handelt. Hätte die Beklagte mit diesem Bescheid ihre ursprüngliche Entscheidung über die Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin geändert, so hätte eine Einbeziehung außer Zweifel gestanden. Dann aber muss auch ein Bescheid, mit dem die Beklagte während eines Gerichtsverfahrens ablehnt, nach § 44 SGB X tätig zu werden, Gegenstand des Verfahrens werden. Nur so kann vermieden werden, dass - durch welcherart Vorgehen auch immer - über denselben Streitgegenstand mehrere gerichtliche Verfahren nebeneinander geführt werden (vgl. BSG, Urteil v. 20.07.2005, B 13 RJ 37/04 R, m.w.N., juris). Da das SG über die im Bescheid vom 03.07.2007 geregelte Frage, nämlich den (Nicht-)Eintritt der Verjährung der Beitragsansprüche für die Zeit vor dem 01.12.2001, ausdrücklich mit entschieden hat und die Beteiligten im Berufungsverfahren maßgeblich über diese Frage gestritten haben, bestehen auch keine Bedenken, dass der Senat jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des "Heraufholens von Prozessresten" über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides befindet.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die angegriffenen Bescheide sind auch für den Zeit vom 01.12.2001 bis zum 30.11.2002 nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat auch in diesem Zeitraum als Selbstständige der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen (dazu 1.). Die Beklagte hat auf dieser Grundlage die von der Klägerin zu zahlenden Beiträge zutreffend berechnet (dazu 2.). Die Beitragspflicht der Klägerin ist auch weder erloschen, noch stehen ihrer Durchsetzung Einwendungen oder Einreden entgegen (dazu 3.).
1. Die Klägerin war (auch) im noch streitbefangenen Zeitraum als Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig.
Dies steht bereits bestandskräftig fest, weil die angefochtenen Bescheide, soweit sie die Versicherungspflicht der Klägerin dem Grunde nach feststellen, auch für den noch streitbefangenen Zeitraum bindend geworden sind (§ 77 SGG), nachdem die Klägerin ihrerseits das Urteil des SG nicht angegriffen hat. Im Übrigen hält die Feststellung der Beklagten des SG, dass die Klägerin als Selbstständige der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt, aber auch einer inhaltlichen Überprüfung stand. Die Versicherungspflicht der Klägerin dem Grunde nach ergibt sich für den Zeitraum vom 01.12.2001 bis zum 30.11.2002 aus § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Betreuerin von Herzsportgruppen selbstständig und nicht etwa im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV abhängig beschäftigt gewesen ist. Die Umstände des Falles bieten keinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Einschätzung unzutreffend sein könnte. Denn weder der Inhalt des Honorarvertrages der Klägerin mit dem "S I e.V." noch die von ihr geschilderten Umstände der Ausführung der Tätigkeit legen die Annahme nahe, dass sie entgegen der vertraglichen Abrede in diesem Bereich wie eine abhängig Beschäftigte in die Betriebsabläufe des "S I e.V." oder des DSC X eingegliedert oder weisungsgebunden gewesen wäre.
Die Klägerin war zudem als Lehrerin im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI selbständig tätig.
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG legt der Senat den Begriff des "Lehrers" im Sinne dieser Bestimmung weit aus, um den von dieser Vorschrift typisierend erfassten sozial schutzbedürftigen Personenkreis möglichst vollständig zu erfassen (vgl. BSG, Urteil v. 22.06.2005, B 12 RA 6/04 R, SozR 4-2600 § 2 Nr. 1; BSG v. 22.06.2005, B 12 RA 12/04 R, SozR 4-2600 § 2 Nr. 2; diese Auslegung ist nach BVerfG, Beschluss v. 25.07.2007, 1 BvR 2134/05, verfassungsgemäß). Danach kommt es weder darauf an, ob eine besondere pädagogische Ausbildung durchlaufen wurde, noch ob die ausgeübte Tätigkeit einem geregelten Berufsbild entspricht, noch ob sie innerhalb eines eigenen Betriebs ausgeübt wird. Vielmehr reicht es aus, wenn - sei es auch nur flüchtige - spezielle Fähigkeiten durch praktischen Unterricht in organisierter Form vermittelt werden.
Diesen Anforderungen genügt die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen der Betreuung von Herzsportgruppen. Bei den von ihr geleiteten Kursen hat es sich um Rehabilitationssport im Sinne der §§ 43 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. 44 Abs. 1 Nr. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch und der heutigen "Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining" (dazu: BSG, Urteil vom 17.06.2008, Az. B 1 KR 31/07 R; in dem hier fraglichen Zeitraum: "Gesamtvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining" [RehaSpGVb]) gehandelt. Den §§ 2 Abs. 1 Satz 6, 2 Abs. 2 Satz 1 und 11 RehaSpGVb lässt sich entnehmen, dass dabei dem Übungsleiter (also hier der Klägerin) die Aufgabe zukommt, den Teilnehmern bestimmte Fertigkeiten und Kenntnisse zu vermitteln, die sie in die Lage versetzen, Übungen eigenständig und ohne Schaden für die Gesundheit durchzuführen. Dies spiegelt sich auch in dem von der Klägerin vorgelegten Beispielsprotokoll einer Therapiestunde mit Herzpatienten sowie den Ausführungen zu ihrer Tätigkeit im Allgemeinen wider. Im Hinblick darauf folgt der Senat dem Einwand der Klägerin, ihre Tätigkeit sei nicht auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten gerichtet gewesen, nicht. Dies gilt umso mehr, als nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) keine besonderen Umstände vorliegen müssen, um eine auf die Vermittlung von Kenntnissen und/oder Fertigkeiten gerichtete Tätigkeit als Lehrtätigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung zu qualifizieren.
Die Klägerin hat zudem im Rahmen der Betreuung von Herzsportgruppen keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt.
In ihrer Tätigkeit als Selbstständige im Sinne von § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI war die Klägerin auch nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI i.V.m. § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) versicherungsfrei. Die Geringfügigkeitsgrenze i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB IV belief sich im Streitzeitraum auf 630,00 DM (2001) bzw. 325,00 EUR (2002) monatlich. Ausweislich der aktenkundigen Steuerbescheide hatte die Klägerin in dem fraglichen Zeitraum monatliche Einkünfte in Höhe von 1.945,66 DM (2001) bzw. 991,66 EUR (2002), die die Grenzbeträge deutlich überstiegen. Weitere Gründe, aus denen eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Selbstständige in Betracht käme, sind nicht erkennbar.
2. Die von der Beklagten in den angefochten Bescheiden für den jetzt noch zu beurteilenden Zeitraum ermittelte Beitragssumme von 2.273,52 EUR ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die für die Klägerin maßgebenden Beitragssätze beliefen sich für die Jahre 2001 (Beitragssatzverordnung v. 31.12.2000, BGBl. I S. 1877) und 2002 (Gesetz zur Bestimmung der Schwankungsreserve v. 20.12.2001, BGBl. I S. 4010) jeweils auf 19,1 %. Unter Berücksichtigung der oben unter 1), c) genannten Einkünfte der Klägerin errechnet sich daraus für das auf die einzelnen Monate verteilte Jahreseinkommen der Klägerin ein Monatsbeitrag i.H.v. 371,62 DM (= 190,01 EUR, 2001) bzw. 189,41 EUR (2002). Aus § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB VI ergibt sich kein anderes Ergebnis, weil die Einkünfte der Klägerin in dem hier fraglichen Zeitraum die Hälfte des Betrages der monatlichen Bezugsgröße (2001: 4.480,00 DM monatlich; 2002: 2.345,00 EUR monatlich) unterschritten.
3. Es ist weder erkennbar, noch von der Klägerin vorgetragen, dass sie die Beitragsforderung bereits beglichen hat und die Forderung deswegen inzwischen (analog § 362 BGB) erloschen wäre. Sie ist auch durchsetzbar. Der Durchsetzung stehen weder die von der Klägerin erhobene Verjährungseinrede noch der Einwand der Verwirkung entgegen.
a) Zunächst hat das SG zu Unrecht angenommen, die Beitragsforderung für den Zeitraum vom 01.12.2001 bis 30.11.2002 sei gemäß §§ 25 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV mit Ablauf des 31.12.2006 verjährt. Denn die Verjährung ist spätestens durch das Schreiben der Beklagten vom 28.11.2006 (Anforderung der Einkommensteuerbescheide für die Vergangenheit) und das dadurch eingeleitete Verwaltungsverfahren i.S.v. § 8 SGB X gemäß § 198 Satz 2 SGB VI gehemmt worden.
Nach § 198 Satz 2 SGB VI i.d.F. Art 8 Nr. 12 HZvNG wird die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Beiträgen (§ 25 Abs. 1 SGB IV) durch ein Beitragsverfahren oder ein Verfahren über einen Rentenanspruch gehemmt. Diese Vorschrift ist nach § 115a SGB IV i.d.F. von Art 6 Nr. 11 HZvNG i.V.m. Art 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) auch auf solche Beitragsansprüche anwendbar, die - wie im vorliegenden Fall - z.T. zwar schon vor dem 01.01.2002 entstanden, aber an diesem Tag noch nicht verjährt waren.
Die Voraussetzungen des § 198 Satz 2 SGB VI n.F. liegen vor. Denn noch vor dem Ablauf der Verjährungsfrist am 31.12.2006 hat ein Beitragsverfahren im Sinne des § 198 Satz 1 1. Alt. SGB VI n.F. begonnen, das zur Hemmung der Verjährung geführt hat. Dabei bedarf die in der Literatur umstrittene Frage, ob der im Gesetz nicht definierte Begriff des "Beitragsverfahrens" weit auszulegen ist, insbesondere ob hierunter auch schon Beratungs- oder Auskunftersuchen fallen (vgl. zum Streitstand Finke in Hauck/Noftz, SGB VI, § 198 Rdnr. 9; Peters in KassKomm, § 198 SGB VI Rdnr. 4; Störmann in Lilge, SGB VI, § 198 Anm. 5; a.A. Mutschler in jurisPK-SGB IV, § 198 Rdnr. 24), im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn unstreitig liegt ein Beitragsverfahren dann vor, wenn bereits ein Verwaltungsverfahren i.S.v. § 8 SGB X begonnen hat, das auf die Feststellung der Beitragspflicht nach Grund oder Höhe oder auf die Zahlung der Beiträge selbst gerichtet ist (so auch Mutschler a.a.O. auf der Grundlage seiner engeren Auffassung). Das ist hier jedoch der Fall.
Ein Verwaltungsverfahren im Sinne des § 8 SGB X ist "die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist". Es ist in Beitragssachen auch von Amts wegen einzuleiten (§ 18 Satz 2 SGB X i.V.m. § 76 Abs. 1 SGB IV). Nach überwiegender, in der Literatur vertretener Auffassung ist dabei nicht erforderlich, dass es auch nach außen erkennbar geworden sein muss (vgl. Krasney in KassKomm-Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB X Rdnr. 5 f.). Ob abweichend hiervon im Rahmen des § 198 SGB VI zum Schutz des Versicherten zu fordern ist, dass das Verwaltungsverfahren für diesen auch erkennbar sein muss, kann dahingestellt bleiben. Denn mit der Übersendung der Formularvordrucke und der Nachfrage zu den Einkommensverhältnissen der Klägerin durch das allgemein formulierte Schreiben vom 26.10.2006, spätestens aber durch das Schreiben vom 28.11.2006, in dem die Beklagte die Steuerbescheide auch für die Vergangenheit nachgefordert hat, ist deren auf Durchführung des Beitragsverfahrens gerichteter Wille objektiv für die Klägerin erkennbar nach außen getreten. Die Klägerin hat im Erörterungstermin vom 03.12.2008 eingeräumt, diese Schreiben erhalten zu haben. Es ist vom objektiven Horizont des Empfängers einer solchen Anforderung nicht ersichtlich, welchen anderen Zweck als die Überprüfung der Beitragspflicht die Behörde damit verfolgen könnte. Welche subjektiven (Fehl-)Vorstellungen sich die Klägerin im konkreten Fall gemacht hat, ist daher unerheblich.
Schließlich ist nach dem 31.12.2001 auch kein Umstand eingetreten, bei dessen Vorliegen nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht eine vor dem 01.01.2002 eingetretene Unterbrechung als nicht erfolgt galt (vgl. zu solchen Umständen Heinrichs in Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, Art 229 EGBGB § 6 Rdnr. 9; Grothe in Münchener Kommentar-BGB, 4. Aufl. 2006, Bd. 11, Art. 229 § 6 Rdnr. 7).
Der Hinweis des SG, den Hemmungsregelungen im Zivilrecht (§§ 203 ff. BGB) ebenso wie der Vorschrift des § 52 SGB X sei gemeinsam, dass der jeweilige "Vertragspartner" bzw. Bescheidadressat positive Kenntnis von den Umständen habe, die zur Hemmung der Verjährung führten, hilft demgegenüber nicht weiter. Die hier als Spezialvorschrift maßgebende Bestimmung des § 198 SGB VI setzt eine solche Kenntnis aus den genannten Gründen nämlich nicht voraus.
b) Auch der Gesichtspunkt der Verwirkung (dazu: Heinrichs in Palandt, a.a.O, § 242 Rdnr. 93 ff.) steht der Geltendmachung der Beitragsforderung durch die Beklagte gegenüber der Klägerin hier aber nicht entgegen. Denn die Beklagte hat zeitnah mit dem Bekanntwerden der Tätigkeit der Klägerin die notwendigen Schritte für die Prüfung der Versicherungspflicht eingeleitet und unverzüglich nach Einreichung der erforderlichen Unterlagen durch die Klägerin binnen weniger Tage die Bescheide über die Beitragspflicht bzw. die Nachforderung von Beiträgen erlassen. Es fehlt damit schon an der Voraussetzung des "Zeitmomentes". Auch das "Umstandsmoment" ist nicht gegeben, da die Beklagte sich nicht so verhalten hat, dass die Klägerin berechtigterweise darauf hätte vertrauen dürfen, dass die Beklagte Beitragsansprüche nicht geltend macht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er die im vorliegenden Fall angesprochenen Rechtsfragen für über den Einzelfall hinaus bedeutsam hält.

RechtsgebietSGB VIVorschriften§ 2 SGB VI

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