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19.02.2010 · IWW-Abrufnummer 100495

Sozialgericht Karlsruhe: Urteil vom 28.07.2009 – S 15 AS 1493/08

Unter den Voraussetzungen der Nr. 1008 VV RVG erhöht sich auch die im Nr. 2499 VV RVG bestimmte Kappungsgrenze.


Tenor

1. Die Beklagte wird unter Abänderung ihres Kostenfestsetzungsbescheides vom 08.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2008 verpflichtet, den Klägern zu erstattende Kosten für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 09.07.2007 in Höhe von insgesamt 395,08 EUR festzusetzen.

2. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger trägt die Beklagte.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand




Die Beteiligten streiten um die Höhe der der Klägerin zu 1. und ihrem minderjährigen Sohn, dem Kläger zu 2., zu erstattenden Kosten in einem Widerspruchsverfahren.


Mit Bescheid vom 14.03.2007 lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger auf Leistungen nach dem SGB II zeitlich unbeschränkt ab. Hiergegen legten die anwaltlich vertretenen Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte zum Az. WL 435/07 mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2007 als unbegründet zurückwies.

Noch vor Bescheidung des Widerspruchs stellten die insoweit nicht anwaltlich vertretenen Kläger im Juli 2007 erneut einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, den die Beklagte mit Bescheid vom 09.07.2007 ebenfalls ohne zeitliche Beschränkung ablehnte. In der Rechtmittelbelehrung wurden die Kläger auf die Möglichkeit eines Widerspruchs verwiesen.


Daraufhin legten die Kläger mit Anwaltschreiben vom 16.07.2007 auch gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, der bei der Beklagten unter dem Az. WL 1693/07 geführt wurde, und beantragten Akteneinsicht. Mit Anwaltsschreiben vom 19.07.2007 legten sie zum Az. WL 435/07 umfassend dar, dass der Bescheid Gegenstand dieses laufenden Widerspruchverfahrens geworden und der Widerspruch daher entsprechend der falschen Rechtsmittelbelehrung nur vorsorglich erhoben worden sei.


Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2007 wies die Beklagte diesen Widerspruch zum Az. WL 1693/07 zurück, erkannte die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren als notwendig an und erklärte die Erstattung der im Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen dem Grunde nach. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Widerspruch sei unzulässig, da der Bescheid Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens WL 435/07 gegen den Bescheid vom 14.03.2007 geworden sei. Die Kostenentscheidung beruhe auf der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung.


Daraufhin beantragten die Kläger mit Anwaltsschreiben vom 26.11.2007 die Erstattung der durch die Beauftragung des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren WL 1693/07 entstandenen Kosten in Form einer Geschäftsgebühr von 312 EUR (Nr. 2400, 1008 VV RVG) und einer Auslagenpauschale von 20 EUR (Nr. 7200 RVG) zzgl. 19 % Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG), mithin insgesamt 395,08 EUR.


Mit dem streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsbescheid vom 08.02.2008 setzte die Beklagte die den Klägern zu erstattenden Kosten in Höhe von insgesamt 166,60 EUR fest (Geschäftsgebühr 120 EUR, Post-/Telekommunikationsgebühr 20 EUR, zzgl. Mwst). Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Erhöhung der Gebühr wegen zweier Auftraggeber nach Nr. 1008 VV RVG um 30% komme nicht in Betracht, da es sich um eine fremdnützige Mandatierung durch die Mutter zugunsten des Kindes gehandelt habe und das Kind deshalb nicht als eigenständiger Auftraggeber anzusehen sei. Es sei auch nur eine Gebühr in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr angemessen, da die Bevollmächtigten in weiteren Verfahren tätig waren.


Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2008 zum Az. WL 254/08 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Kostenfestsetzungsbescheid als unbegründet zurück. Ergänzend zur Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, die mit Schreiben vom 19.07.2007 vorgebrachte Begründung sei im Verfahren WL 435/07 erforderlich gewesen, der Aufwand hierzu könne auch nur bei der Bemessung der dortigen Gebühren berücksichtigt werden.


Mit ihrer am 04.04.2008 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die Kläger beantragen,


die Beklagte unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbescheides vom 08.02.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.03.2008 zu verpflichten, den Klägern die Kosten für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 09.07.2007 in Form einer Geschäftsgebühr von 312 EUR und einer Auslagenpauschale von 20 EUR zzgl. 19% Mehrwertsteuer in Höhe von insgesamt 395,08 EUR zu erstatten.


Die Beklagte beantragt,


die Klage abzuweisen.


Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakten (4 Bände) verwiesen.


Entscheidungsgründe



Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 08.02.2008 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Die Kläger haben einen Anspruch auf Erstattung ihrer im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid der Beklagten vom 09.07.2007 entstandenen Kosten in der von ihnen beantragten Höhe von 395,08 EUR.


Soweit ein Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Ihre Erstattungspflicht hat die Beklagte dem Grunde nach im Widerspruchsbescheid vom 15.11.2007 anerkannt. Die geltend gemachten Kosten gehören zu den vom Erstattungsanspruch umfassten notwendigen Aufwendungen. Die Zuziehung der Prozessbevollmächtigten wurde ebenfalls im Widerspruchsbescheid vom 15.11.2007 als notwendig anerkannt. Die Höhe der zu erstattenden Kosten richtet sich daher nach dem Rechtsanwaltvergütungsgesetz.


Nach § 3 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, und entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, Abs. 2, Betragsrahmengebühren. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen, § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, Satz 4.


Die vom Bevollmächtigten der Kläger zugrunde gelegten Gebühren sind nicht unbillig.
1.

Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG, § 2 Abs. 2 RVG. Nach Nr. 2400 VV RVG beträgt der Betragsrahmen für die Geschäftsgebühr 40 EUR bis 520 EUR, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren nicht vorausgegangen ist (vgl. Nr. 2401 VV RVG). Die mittlere Gebühr beträgt mithin 280 EUR (Regelmittelgebühr). Nach Satz 2 kann jedoch eine Gebühr von mehr als 240 EUR nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Bei der Bestimmung der Geschäftsgebühr ist von dieser sog. Schwellengebühr bzw. Kappungsgrenze von 240 EUR auszugehen, d.h. nur bei Vorliegen besonderer Umstände ist von dieser Gebührenhöhe abzuweichen. Die Annahme eines die Schwellengebühr rechtfertigenden Durchschnittsfalls durch den Bevollmächtigte der Kläger verstößt nicht gegen die Billigkeit, sondern entspricht der Bedeutung der Angelegenheit, dem Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Auftraggeber.


Die Bedeutung der Angelegenheit war, gemessen an dem Durchschnitt der sozialgerichtlichen Verfahren und dem Durchschnitt der sozialgerichtlichen Verfahren gegen die Agenturen für Arbeit, eher überdurchschnittlich, denn die Kläger begehrten nicht lediglich höhere Leistungen nach dem SGB II, sondern wandten sich gegen die umfassende und zeitlich unbegrenzte Ablehnung ihres Antrags auf Gewährung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit waren durchschnittlich. Zwar handelte es sich bei der Begründung im Anwaltsschreiben vom 19.07.2007 nicht um eine Begründung des Widerspruchs, sondern um eine Begründung dessen Unzulässigkeit. Eine Begründung in der Sache, die sich wohl auf eine Verweisung auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren WL 435/07 hätte erschöpfen können, erfolgte vor diesem Hintergrund nicht. Gleichwohl waren auch diese Ausführungen zur prozessualen Rechtslage verfahrensfördernd und sachgerecht, da sie auf eine Klärung der mit der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung verursachten Unstimmigkeit hinwirkten. Dabei ist unerheblich, dass als Zeichen der Beklagten das Widerspruchsverfahren WL 435/07 angegeben wurde, denn die Ausführungen bezogen sich unmittelbar auf den Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 09.07.2007. Auch die vorausgegangene Verkennung der Rechtslage durch die Beklagte und die durch die Ausführungen des Bevollmächtigten der Kläger vermiedenen Folgen einer Nichtberücksichtigung des Bescheides bei einer Entscheidung über den Widerspruch zum Az. WL 435/07 lassen Schwierigkeit und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit nicht als unterdurchschnittlich erscheinen. Schließlich ergibt sich die vom Kläger-Vertreter im Schriftsatz vom 19.07.2007 dargelegte und sodann von der Beklagten geteilte Rechtsauffassung auch nicht unmittelbar aus dem Gesetz, denn nach dem Wortlaut des § 86 SGG wird nur ein den Verwaltungsakt abändernder Bescheid Gegenstand des Vorverfahrens, nicht aber ein diesen ersetzender Bescheid, während das Bundessozialgericht im Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - einen Leistungen nach dem SGB II (wiederum) ablehnenden Bescheid als nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens gegen die vorausgehende Leistungsversagung geworden ansah, weil diese Ablehnung für den späteren Zeitraum den früheren Ablehnungsbescheid im Sinne des § 96 SGG ersetzt habe. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger waren unterdurchschnittlich. Auch weil es sich hierbei angesichts der Stellung in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG um ein untergeordnetes Kriterium handelt, hindert dies nicht die Annahme einer insgesamt durchschnittlichen Angelegenheit.
2.

20
Auch soweit der klägerische Prozessbevollmächtigte die zu erstattende Geschäftsgebühr von 240 EUR um 30% erhöht, begegnet dies nach Auffassung der Kammer keinen Bedenken.


Sind Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen, erhält der tätige Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal, § 7 Abs. 1 RVG. Es erhöhen sich aber bei der Bestimmung der Geschäftsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag um 30% für jede weitere Person.


Die Kläger begehrten Leistungen als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft und machten jeweils eigene Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Auch der minderjährige Kläger zu 2. war, gesetzlich vertreten durch die Klägerin zu 1. selbständiger Auftraggeber; die Mandatierung des Prozessbevollmächtigten durch die Klägerin zu 1. erfolgte im eigenen und im fremden Namen in derselben Angelegenheit. Ob die Klägerin zu 1. dem Prozessbevollmächtigten die gesamte oder nur anteilige Vergütung schuldet, kann dahingestellt bleiben. Auftraggeber im Sinne des § 7 Abs. 1 RVG ist hiervon unabhängig derjenige, in dessen Angelegenheit der Rechtsanwalt tätig wird (s.a. Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 4, 8 m.w.N.; LSG NRW, Urt. v. 28.07.2008 - L 19 AS 24/08 -; LSG Meckl.-Vorp., Urt. v. 29.11.2007 - L 8 AS 39/06 -).


Hieraus ergibt sich zur Überzeugung der Kammer eine Geschäftsgebühr von 312 EUR. Nach dem Wortlaut der Nr. 1008 VV RVG erhöht sich für jede weitere Person bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag um 30%. Der Betragsrahmen umfasst somit bei zwei Auftraggebern 52 EUR bis 676 EUR; die Regelmittelgebühr beträgt 364 EUR statt 280 EUR, die Schwellengebühr 312 EUR statt 240 EUR.


Der 3. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 22.10.2008 zum Az. L 3 AS 2648/08 die Auffassung vertreten, aus Nr. 1008 VV RVG resultiere keine Erhöhung der in Nr. 2400 VV RVG festgelegten Kappungsgrenze von 240 EUR. Nr. 2400 VV RVG sei insoweit lex specialis. Eine Gebühr von mehr als 240 EUR könne auch bei Vorliegen der Voraussetzungen der Nr. 1008 VV RVG nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die Vertretung mehrerer Auftraggeber könne sich im Zusammenhang mit der Kappungsgrenze nur dann auswirken, wenn dies dazu führe, dass die Tätigkeit umfangreich oder schwierig wird. Dies sei in jedem Einzelfall zu prüfen.


Diese Auffassung teilt das erkennende Gericht nicht. Mit der Erhöhung des Gebührenrahmens ist vielmehr auch die Kappungsgrenze neu zu bestimmen. Für eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob und in welchem Ausmaß die mehreren Auftraggeber auch im Einzelfall einen erhöhten Aufwand an Zeit und Mühe, erhöhte Allgemeinkosten, erhöhte Verantwortung und erhöhte Haftungsgefahr mit sich bringen. Das Vergütungsverzeichnis unterstellt vielmehr unwiderlegbar eine solche Mehrbelastung, dem durch eine Gebührenerhöhung Rechnung getragen wird (BGH, Urt. v. 06.10.1983 - III ZR 109/82 -, NJW 1984, 2296; , BVerwG, Urt. v. 10.04.2000 - 6 C 3/99 - ; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, Nr. 1008, Rdnr. 3). So erhöht sich bei einer unabhängig von der Zahl der Auftraggeber einfachen Angelegenheit, bei der zunächst eine Geschäftsgebühr unterhalb der Kappungsgrenze entsteht, diese Gebühr in Anwendung des Nr. 1008 VV RVG für jeden weiteren Auftraggeber, ohne dass mit der Anzahl der Auftraggeber ein Mehraufwand im Einzelfall messbar sein muss. Die Mindestgebühr beträgt bei mehreren Auftraggebern zwischen 52 EUR und 80 EUR. Liegt andererseits bereits unabhängig von der Zahl der Auftraggeber eine nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG überdurchschnittliche Angelegenheit vor, und war die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig, erhöht sich die die Kappungsgrenze übersteigende Gebühr nach Nr. 1008 VV RVG bei mehreren Auftraggebern auf bis zu 1.040 EUR, auch wenn tatsächlich kein Mehraufwand durch die Mehrheit der Auftraggeber festzustellen ist. Vor diesem Hintergrund kann nichts anderes gelten, wenn es sich um eine unabhängig von der Zahl der Auftraggeber nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG durchschnittliche Angelegenheit handelt.


Die ausgehend von der unveränderten Maßgeblichkeit der Kappungsgrenze von 240 EUR vom 3. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vorgenommene Korrektur, wonach die Kappungsgrenze dann überschritten werden könne, wenn gerade die Mehrzahl der vertretenden Auftraggeber die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig mache, erscheint darüber hinaus nicht überzeugend. Werden derartige Umstände als maßgeblich im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bzw. relevant für den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nach Nr. 2400 VV RVG angesehen, würden dieselben Umstände bei der Gebührenbemessung ggf. doppelt Berücksichtigung finden. Eine Beschränkung der Maßgeblichkeit dieser Umstände auf Fälle, in denen ohne Berücksichtigung der aus der Mehrfachvertretung resultierenden Mehrbelastung nach Auffassung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg die Kappungsgrenze von 240 EUR greift und deshalb nach Nr. 1008 VV RVG keine Gebührenerhöhung um 30% für jeden weiteren Auftraggeber eintritt, findet im Gesetz keine Stütze.


In dem hier vertretenen Sinne sah bereits die bis zum Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes am 01.07.2004 geltende Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung bei Gebühren, die nur dem Mindest- und Höchstbetrag nach bestimmt sind, in § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO eine Erhöhung des Mindest- und Höchstbetrages durch jeden weiteren Auftraggeber um drei Zehntel vor, was sich wie bei jeder anderen Angelegenheit auch bei solchen durchschnittlicher Art auswirkte, da eine von der Mittelgebühr abweichende Kappungsgrenze nicht bestand. Mit dem einschränkenden Zusatz in Nr. 2400 VV RVG soll nach der gesetzgeberischen Absicht nur die für durchschnittliche Fälle rechnerisch 280 EUR betragende Mittelgebühr auf einen etwas geringeren Betrag begrenzt werden. Die Absicht einer darüber hinaus gehenden Beschränkung der Gebührenerhöhung bei mehreren Auftraggebern ist den Gesetzgebungsmaterialien gerade nicht zu entnehmen.


Ein solches Normverständnis ist auch nicht unvereinbar mit dem Wortlaut der Nr. 1008 VV RVG, der zwar nur eine Erhöhung des Gebührenrahmens vorsieht, die Kappungsgrenze der Nr. 2400 VV RVG aber auch nicht als hiervon unberührt bestätigt. Ausgehend vom Zweck des Zusatzes in Nr. 2400 VV RVG, für durchschnittliche Fälle die Gebühr auf einen die rechnerische Mittelgebühr aus dem Betragsrahmen leicht unterschreitenden Betrag zu beschränken, bedurfte es auch keiner weiteren Erwähnung, dass sich mit einer Verschiebung des Betragsrahmens nach Nr. 1008 VV RVG auch die Kappungsgrenze verschiebt.


Schließlich können auch systematische Erwägungen nach Auffassung der Kammer eine Kappungsgrenze von 240 EUR unter den Voraussetzungen der Nr. 1008 VV RVG nicht begründen. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat hierzu ausgeführt, Nr. 1008 VV RVG stehe gewissermaßen im allgemeinen Teil des Vergütungsverzeichnisses und betreffe die allgemeinen Gebühren. Nr. 2400 VV RVG befinde sich demgegenüber im Teil 2 der VV RVG und sei daher eine Sonderregel. Diese Ausführungen stützen jedoch nicht die Annahme, dass damit auch unter den in Nr. 1008 VV RVG genannten Voraussetzungen die in Nr. 2400 VV RVG festgesetzte Kappungsgrenze von 240 EUR maßgeblich wäre. Nr. 2400 VV RVG bezieht sich einschließlich der hier festgesetzten Kappungsgrenze nach Auffassung der Kammer vielmehr von vornherein auf die einfache Geschäftsgebühr bei einem Auftraggeber und steht insoweit bereits nicht in Konkurrenz zu Nr. 1008 VV RVG. Hieraus ergibt sich auch, dass bei mehreren Auftraggebern in derselben Angelegenheit innerhalb des nach Nr. 1008 VV RVG zu ermittelnden Betragsrahmens bei Umständen nach § 14 Abs. 1 RVG durchschnittlicher Art keine Mittelgebühr in Höhe der Mindestgebühr zzgl. der Hälfte der Differenz zur Höchstgebühr zu bilden ist, sondern weiterhin die - allerdings um für weitere Auftraggeber entsprechend erhöhte - Schwellengebühr nach Nr. 2400 VV RVG gilt.


Die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 des Vergütungsverzeichnisses von 20 EUR und die Umsatzsteuer in Höhe von 19% nach Nr. 7008 VV RVG sind zwischen den Beteiligten nicht streitig, so dass die Kostenforderung des klägerischen Prozessbevollmächtigten über 395,08 EUR insgesamt nicht zu beanstanden ist.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Berufung bedarf der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR nicht übersteigt und auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind, §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG. Sie ist zuzulassen, weil die Rechtssache die über den Einzelfall hinaus relevante, grundsätzliche Frage des Verhältnisses der Nr. 1008 VV RVG zur Kappungsgrenze in Nr. 2500 VV RVG aufwirft, zu der eine gefestigte obergerichtliche bzw. höchstrichterliche Rechtsprechung nicht vorliegt. Die Ausschlussregelung des § 144 Abs. 4 SGG greift nicht ein, da streitgegenständlich nicht die Kosten des Verfahrens, sondern die Kosten eines isolierten Widerspruchsverfahrens nach § 63 SGB X sind (vgl. BSG, Urt. v. 25.03.2004 - B 12 KR 1/03 R -).

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