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02.02.2010 · IWW-Abrufnummer 100333

Oberlandesgericht Celle: Beschluss vom 07.07.2009 – 14 U 45/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


14 U 45/09

Oberlandesgericht Celle

B e s c h l u s s

In dem Rechtsstreit

....

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende
Richterin am Oberlandesgericht König, die Richterin am Oberlandesgericht Apel und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Wessel am 7. Juli 2009 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig beschlossen:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. Februar 2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Berufung ist aus den im Beschluss des Senats vom 22. Mai 2009 genannten Gründen, worauf gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, unbegründet. Die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 2. Juli 2009 rechtfertigen keine andere Beurteilung.

1. Dass der Senat die Entscheidung auf einen vom Landgericht nicht angesprochenen Gesichtspunkt (fehlender Kündigungsgrund) stützt, steht der Zurückweisung der Berufung der Beklagten durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen. Denn das erforderliche rechtliche Gehör ist der Beklagten durch den Senatsbeschluss vom 22. Mai 2009 gewährt worden. Die Beklagte hat dadurch die Möglichkeit erhalten, zu den im bisherigen Verlauf des Rechtsstreits nicht näher problematisierten Gesichtspunkten weiter vorzutragen. Ihr insoweit ergänzter (und gemäß § 530, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO vom Senat im Berufungsverfahren auch zu berücksichtigender) Vortrag rechtfertigt jedoch weiterhin im Ergebnis keine Abänderung des angefochtenen landgerichtlichen Urteils. Deshalb kann die Entscheidung über die unbegründete Berufung der Beklagten im Beschlusswege ergehen, denn dabei darf auch die Begründung des Ersturteils ausgewechselt werden (vgl. Zöller Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 522 Rdnr. 36 m. w. N.).

2. Die Beklagte macht geltend, es habe wegen Verzuges mit der Einhaltung einer vertraglich vereinbarten Einzelfrist (Fertigstellung verschiedener Gewerke insbesondere der Maurer und Betonarbeiten bis 30. April 2004) ein Kündigungsgrund nach § 5 Nr. 4 Fall 2 und 3 VOB/B vorgelegen. Diese Auffassung teilt der Senat auch nach neuerlicher Prüfung nicht.

a) Zum einen erscheint bereits fraglich, ob eine wirksam vereinbarte vertragliche Einzelfrist im Sinne des § 5 Nr. 1 VOB/B hier überhaupt vorliegt, weil die Beklagte lediglich ein von der Klägerin noch nicht unterschriebenes Vertragsexemplar vorgelegt und die Klägerin ihrerseits mit der Klagschrift eine ihre Unterschrift tragende Kopie desselben Vertragstextes zur Akte gereicht hat (vgl. Anlage K 1, Bl. 14 f. d. A.), in der die Einzelfristen "30.04.2004" und "28.02.2005" handschriftlich durchgestrichen sind. Ferner erscheint die Fristenregelung unklar, denn die Beklagte hatte in ihrem Schreiben vom 11. Mai 2004 (Anlage B 1, Bl. 208 f. d. A.) im vorletzten Absatz auf eine Gesamtfertigstellungsfrist vom 29. Oktober 2004 Bezug genommen, welche im Vertragstext indessen der "Fertigstellung der öffentlichen Ausschreibung" zugeordnet war und zeitlich noch vor der Einzelfrist für "Titel 1.6 bis 1.10 des LV" am 28. Februar 2005 ablief. Außerdem liegen die in der Fristenregelung in Bezug genommenen EVM (B) BVB Nr. 1.4 nicht vor, sodass der konkrete Charakter der Fristen bisher nicht feststellbar ist.

Einer weiteren Aufklärung dieser Punkte bedarf es indessen nicht, weil die Kündigung der Beklagten vom 26. Juli 2004 auch dann nicht gerechtfertigt ist, wenn man die wirksame Vereinbarung einer vertraglichen Einzelfrist für die Fertigstellung der Maurer und Betonarbeiten bis 30. April 2004 unterstellt.

b) Einen Kündigungsgrund nach § 5 Nr. 4 Fall 2 VOB/B stellt der Verzug mit der Einhaltung einer vertraglichen Einzelfrist nach Ansicht des Senats nicht dar. Denn unter "Vollendung" ist dort wegen des systematischen Zusammenhangs und der Abgrenzung zur Einzelfrist nach § 5 Nr. 1 Satz 2 VOB/B nach zutreffender Auffassung nur die Ausführung des Gesamtwerks zu verstehen (vgl. Motzke in Beck`scher VOB und Vergaberechtskommentar, VOB Teil B, 2. Aufl., § 5 Nr. 4 Rdnr. 49). Die Nichteinhaltung einer Einzelfrist für sich genommen ist in § 5 Nr. 4 Halbsatz 1 VOB/B nicht sanktioniert. Eine Kündigung kann sich deshalb nur in Verbindung mit den weiteren Voraussetzungen des § 5 Nr. 3 VOB/B rechtfertigen (vgl. Motzke, a. a. O.).

Selbst wenn man dies anders sehen wollte (so etwa allerdings ohne jede inhaltliche Begründung Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. Aufl., B § 5 Rdnr. 17 i. V. m. Rdnr. 7 und Nicklisch/Weick, VOB, Teil B, Kommentar, 3. Aufl., § 5 Rdnr. 24), fehlt es im Hinblick auf die Nichteinhaltung einer vertraglich vereinbarten Einzelfrist hier jedoch an einer ausreichenden Kündigungsandrohung. Denn darin muss die Vertragswidrigkeit möglichst genau aufgeführt werden; der Auftragnehmer muss aus ihr zweifelsfrei ersehen können, was im Einzelnen beanstandet und was von ihm verlangt wird (Heiermann/Riedl/Rusam, a. a. O., Rdnr. 24; Nicklisch/Weick, a. a. O., § 5 Rdnr. 39). Da § 5 Nr. 4 VOB/B eine Aufforderung zur "Vertragserfüllung" verlangt, muss also die Fristsetzung mit der Aufforderung zur Erbringung der geschuldeten Leistung verbunden sein; eine Frist zur Aufnahme der Arbeiten reicht hingegen grundsätzlich nicht (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 7. Teil Rdnr. 29 i. V. m. 6. Teil Rdnr. 126).

Die Beklagte hat in ihren beiden Androhungsschreiben vom 11. Mai 2004 (Anlage B 1, Bl. 208 f. d. A.) und 30. Juni 2004 (Anlage K 5, Bl. 21 f. d. A.) die Klägerin (nur) aufgefordert, "ungeachtet der noch zu überprüfenden Übertragung der Maurer und Betonarbeiten an einen Nachunternehmer [...] die Arbeiten unverzüglich, spätestens jedoch am 24.05.2004 (bzw. 19.07.2004) wieder aufzunehmen und sämtliche Arbeiten nunmehr bis spätestens zum 29.10.2004 (bzw. 29.11.2004) fertig zu stellen." Damit war der Klägerin zur Fertigstellung aller der von ihr nach dem Bauvertrag zu erbringenden Arbeiten insgesamt eine Frist bis (zunächst) 29. Oktober 2004 gesetzt, die anschließend von der Beklagten sogar noch bis 29. November 2004 verlängert wurde. Dass Teilleistungen (hier: Maurer und Betonarbeiten) schon zu einem früheren Zeitpunkt fertiggestellt sein sollten, ist der Kündigungsandrohung nicht zu entnehmen. Auch die - bereits verstrichene Einzelfrist für die Maurer und Betonarbeiten aus dem Ursprungsvertrag wird nicht erwähnt. Für die Klägerin war den beiden Schreiben der Beklagten deshalb nicht zu entnehmen, dass diese an den Ablauf der betreffenden Einzelfrist die Rechtsfolge einer Kündigung knüpfen wollte. Vielmehr ging es der Beklagten nach dem objektiven Inhalt ihrer Schreiben ausschließlich um die Wiederaufnahme der Tätigkeit der Klägerin auf der Baustelle und die fristgerechte Gesamtfertigstellung.

Das fruchtlose Verstreichen der gesetzten Frist für den Wiederbeginn der ruhenden Arbeiten (die aus den im Senatsbeschluss vom 22. Mai 2009 ausführlich dargelegten Gründen, an denen der Senat weiter festhält, von der Beklagten wegen ihrer Zustimmung zu dem Termin zur Besprechung der Angelegenheit am 21. Juli 2004 konkludent bis zum 22. Juli 2004 verlängert worden war) hätte wie eingangs ausgeführt eine Kündigung für sich genommen nicht rechtfertigen können. Diese Frist hätte lediglich in der Weise eine eigenständige rechtliche Bedeutung erlangen können, dass die anschließende Reaktion der Klägerin als nachhaltige Verweigerung der Vertragserfüllung zu qualifizieren gewesen wäre mit der Folge, dass nunmehr die Kündigung seitens der Beklagten ausnahmsweise auch ohne weitere Fristsetzung und Kündigungsandrohung als außerordentliche fristlose Kündigung hätte erfolgen können (vgl. dazu Kniffka/Koeble, a. a. O.; BGH, BGHZ 142, 278 juris Rdnr. 19 zur vergleichbaren Situation bei der Ablehnungsandrohung nach § 634 Abs. 1 BGB a. F.). Hierfür reicht jedoch bei dem hier festzustellenden fristgerechten Beginn der Weiterarbeit die zunächst noch unzureichende Ausstattung der Baustelle mit einer genügenden Anzahl eigener Leute der Klägerin allein nicht aus, solange die Einhaltung der Gesamtfertigstellungsfrist nicht gefährdet war. Letzteres hat die Beklagte indessen trotz entsprechender Hinweise im Senatsbeschluss vom 22. Mai 2009 nach wie vor weder behauptet noch gar mit Substanz dargelegt.

c) Auch die Kündigungsvoraussetzungen des § 5 Nr. 4 Fall 3 VOB/B liegen nicht vor. Da die Beklagte ihre Kündigungsandrohungen nicht auf die schon abgelaufene Einzelfrist für die Ausführung der Teilgewerke "Maurer und Betonarbeiten" gestützt und in ihrer für eine wirksame Kündigung erforderlichen Nachfristsetzung nur eine einheitliche Frist zur Gesamtherstellung aller Arbeiten gesetzt hatte, fehlt es auch insoweit an einem die ausgesprochene Kündigung rechtfertigenden Grund.

3. Ein sonstiger wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ist ebenfalls nicht dargetan. Hierzu verweist der Senat auf seine ausführlichen Ausführungen unter Abschnitt 2. c) des Beschlusses vom 22. Mai 2009, an denen er weiterhin festhält. Darin hat der Senat die von der Beklagten vermisste "Gesamtbetrachtung" angestellt. Die abweichende Würdigung des Gesamtgeschehens durch die Beklagte beruht auf der fehlerhaften Annahme, die Beklagte habe der Übertragung der Maurer und Betonarbeiten auf die Firma V. von Anfang an nicht zugestimmt gehabt (was indessen aus den Gründen unter Abschnitt 2 a) des Beschlusses vom 22. Mai 2009 nicht zutrifft). Damit fehlt es aber an "vorhergehenden Pflichtverletzungen", in deren Zusammenhang das Verlangen der Klägerin nach Mehrvergütung wegen des in Aussicht genommenen Nachunternehmerwechsels die Unzumutbarkeit einer Fortsetzung der Zusammenarbeit für die Beklagte hätte begründen können.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

RechtsgebieteBGB, VOB/BVorschriftenBGB § 127; VOB/B § 4 Nr. 8, § 5 Nr. 3, 4, § 8 Nr. 3 Abs. 1

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