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18.12.2009 · IWW-Abrufnummer 094148

Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 17.11.2009 – 9 U 53/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


9 U 53/09
20 O 437/06 LG Köln
Verkündet am 17.11.2009
OBERLANDESGERICHT KÖLN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln
auf die mündliche Verhandlung vom 27.10.2009
durch XXX f ü r R e c h t e r k a n n t :
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06.05.2009 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 20 O 437/06 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägerinnen auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
(abgekürzt nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO )
I. Mit der vorliegenden Klage begehren die Klägerinnen als Erben des am 19.07.2005 verstorbenen Herrn H K aufgrund der bei der Beklagten abgeschlossenen Gebäudeversicherung auf der Grundlage der VGB 62 Entschädigung wegen eines Brandes vom 29.12.2004 im Hause … in ….
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerinnen 11.600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.04.2006 zu zahlen. Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass nach den Umständen Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung vorliege. Außerdem beruft sie sich auf Obliegenheitsverletzungen sowie Gefahrerhöhung und trägt Einwendungen zur Schadenshöhe vor. Die Klägerinnen verteidigen das angefochtene Urteil.
II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist begründet.
1. Den Klägerinnen steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Entschädigung nach den §§ 1 a), 3 Nr. 1, 7, 19 VGB 62 zu.
a) Dass der Versicherungsfall Brand vorgelegen hat, ist nicht im Streit. Es besteht jedoch Leistungsfreiheit wegen arglistiger Täuschung.
b) Nach § 18 Nr. 2 VGB 62 ist der Versicherer leistungsfrei, wenn sich der Versicherungsnehmer bei den Verhandlungen über die Ermittlung der Entschädigung einer arglistigen Täuschung schuldig gemacht hat. Der Begriff der arglistigen Täuschung im Sinne des Bedingungswerkes umfasst auch den Versuch der arglistigen Täuschung (RGZ 124, 343; Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., X III 1; Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 18 VGB 62 Rn 2; § 16 AFB 30 Rn 10).
Eine arglistige Täuschung durch Vorlage irreführender Belege und Unterlagen ist dann anzunehmen, wenn der Versicherungsnehmer bei dem Versicherer anlässlich der Regulierungsverhandlungen einen unrichtigen Eindruck hervorrufen will (vgl. Senat, r+s 2006, 421; VersR 2003, 101; VersR 2001, 893).
Wenn ein Sachverständiger eingeschaltet ist, können sowohl falsche Angaben gegenüber dem Gutachter Täuschung sein, um den Versicherer zu beeinflussen, als auch das bewusste Herbeiführen einer Täuschung durch den Sachverständigen (vgl. Martin, a.a.O., X III 9).
Gibt der Versicherungsnehmer insoweit objektiv falsche Erklärungen „ins Blaue hinein“ ab, so ist von arglistiger Täuschung auszugehen (vgl. OLG Oldenburg r+s 1993, 428; Kollhosser, a.a.O., § 18 VGB 62 Rn 2). Maßgebend ist, ob Beweisschwierigkeiten vermieden werden sollen, um die Regulierung zu beschleunigen oder ob allgemein auf die Regulierungsentscheidung des Versicherers Einfluss genommen werden soll, wobei es auf Bereicherungsabsicht nicht ankommt (vgl. Senat VersR 2004, 907; Knappmann, a.a.O., § 22 VHB 84 Rn 1; Rüffer/Halbach/Schimikowski, HK-VVG § 16 VHB 2008 Rn 8, 9). So liegt es hier.
Entscheidend ist im vorliegenden Fall auf die Person des Herrn L T abzustellen, der von den Erben mit der Schadensabwicklung und zur Abgabe von Erklärungen für den Versicherungsnehmer betraut war. Er ist sog. Wissenserklärungsvertreter (vgl. BGH VersR 1993, 960). In diesem Fall wird eine Täuschung nach § 166 BGB dem Versicherungsnehmer zugerechnet. Wie sich aus dem Gutachten des Sachverständigen X H (Bl. 2 ff. AH) ergibt, ist Herr T Auftraggeber des Gutachtens gewesen. Er hat auch die „Dokumentation und Kostenzusammenstellung des Brandschadens“, die mit einer Summe von 46.400,00 € endet, an die Beklagte übersandt und gleichzeitig „um entsprechende Regulierung“ gebeten.
Dass diese Dokumentation, die Brandschäden in Ober- und Erdgeschoss beschreibt und bewertet, zum Teil inhaltlich falsch ist, hat die Vernehmung der Zeugen vor dem Landgericht ergeben. Im Erdgeschoss war nämlich erkennbar kein Brandschaden in Form von Ruß oder Löschwasser vorhanden. Vielmehr zeigten sich deutlich im ganzen Haus Spuren von Verwahrlosung, weil der frühere Versicherungsnehmer und Erblasser infolge einer psychischen Erkrankung die Räume hatte verkommen lassen. Die Kostenzusammenstellung über brutto 46.400,00 € betrifft dementsprechend in unzutreffender Weise auch Schäden im Erdgeschoss, obwohl dort keine brandbedingten Schäden festzustellen waren.
Der Zeuge U hat glaubhaft ausgesagt, dass im Erdgeschoss keinerlei brandbedingte Schäden erkennbar gewesen seien, weder Rußschäden noch Wasserschäden. Es sei dort einfach nur schmutzig gewesen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Zeuge T erklärt habe, es müsse alles neu gemacht werden, sei er noch einmal durch das ganze Haus gegangen und habe sich alles genau angesehen. Im Erdgeschoss seien keine Rußspuren festgestellt worden. Der Zeuge U hat ergänzend angegeben, dass er Frau T gegenüber erklärt habe, dass wohl nicht viel auf den Brandschaden entfallen würde, und einen Entschädigungsbetrag von 4.000,00 € angeboten habe.
Der Zeuge Dr. C, der als Chemiker und Sachverständiger tätig ist, hat in Übereinstimmung damit ausgesagt, dass im Erdgeschoss keine Rußbeaufschlagungen zu erkennen gewesen seien, weder an Wänden noch an Decken. Dieses optische Ergebnis sei durch die entnommenen Materialproben bestätigt worden. Er habe zum Beispiel im Erdgeschoss eine Materialprobe des Türrahmens entnommen. Dort sei nur Schmutz nachzuweisen gewesen und kein Ruß. Das Erdgeschoss sei betriebsbedingt sehr sanierungsbedürftig gewesen. Er habe auch optisch keine Löschwasserspuren wahrgenommen. Der Zeuge I, der Architekt und Bausachverständiger ist, hat in Einklang damit bekundet, dass bei seiner Besichtigung im November 2005 in Anwesenheit der Herren Dr. C und T im Erdgeschoss keinerlei Rußspuren festgestellt worden seien. Das Haus sei von Unrat betroffen und nicht bewohnbar gewesen. Er habe versucht, mit Herrn H Rücksprache zu nehmen, nachdem das Gutachten vorgelegt worden sei. Er habe mit ihm die Problematik des Erdgeschosses besprechen wollen, wo keine Brandschäden festgestellt worden seien. Von Mitarbeitern des Büros H sei auf seine Frage, warum auch das ganze Erdgeschoss aufgenommen worden sei, erklärt worden, das sei so beauftragt worden. Drei oder vier Wochen später sei ein Rückruf von Herrn H erfolgt; er sei jedoch nicht bereit gewesen, die Angelegenheit zu besprechen.
Damit ist in der Übersendung des Gutachtens H an die Beklagte in Kenntnis der wahren Situation im Haus mit der Bitte um entsprechende Regulierung ein arglistige Täuschung im Sinne des Bedingungswerkes zu sehen. Wenn die Klägerinnen geltend machen, Herr T habe Herrn H beauftragt, diejenigen Kosten gutachterlich zu schätzen, die „insgesamt anfallen würden, um das Gebäude wieder bewohnbar zu machen“ (Schriftsatz vom 03.05.2007), steht dieser Umstand der Täuschung nicht entgegen. Vielmehr ergibt sich daraus gerade, dass Herrn T bewusst war, dass sich nicht nur brandbedingte Kosten in der Zusammenstellung des Gutachtens befinden, ohne dies kenntlich zu machen. Kosten der Wiederbewohnbarmachung eines heruntergekommenen Hauses und Kosten der Brandschadensbeseitigung sind zweierlei Dinge, die sich im Umfang unterscheiden. Auch im Hinblick auf die erhebliche Höhe der Kosten von 46.400,00 € im Gutachten H im Gegensatz zu den vom Gerichtsgutachter I geschätzten brandbedingten Kosten von 15.748,00 € erscheint das nicht zweifelhaft. Ob der Gutachter die Bewertung mit Herrn T abgestimmt hat, ist nicht entscheidend. Abweichender Vortrag der Klägerinnen in der Berufungserwiderung zu den Umständen der Übersendung des Gutachtens H ist vom Senat nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen.
Wenn Herr T diese erkannten Umstände bewusst nicht offen legt, sondern das Gutachten H gegenüber der Beklagten selbst als „Dokumentation und Kostenzusammenstellung des Brandschadens“ bezeichnet und um „entsprechende Regulierung“ bitte, liegt darin eine arglistige Täuschung. Zumindest ist bewusst „ins Blaue hinein“ vorgegangen worden, was sich ebenfalls als arglistige Täuschung im Sinne der Bedingungen darstellt, weil auf die Regulierungsentscheidung des Versicherers Einfluss genommen werden soll.
Dass der Zeuge U die Örtlichkeit zuvor besichtigt hatte, steht der Annahme eines Täuschungsversuchs nicht entgegen. Nach seiner glaubhaften Bekundung hat er auf Grund des Gutachtens und der Besichtigung noch eine weitere Überprüfung vornehmen wollen, so dass durchaus noch Raum für eine Täuschung war.
Der Schriftsatz der Klägerinnen vom 09.11.2009 hat vorgelegen, gibt jedoch keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung der Sache oder zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
2. Auf die Frage der Folgen von Obliegenheitsverletzungen wegen verspäteter Anzeige des Versicherungsfalles (§ 15 Nr. 1 a)VGB 62) und vorzeitiger Räumung (§ 15 Nr. 1 c) VGB 62) sowie Gefahrerhöhung durch Verwahrlosenlassen des Hauses (§ 8 VGB 62) kommt es nicht mehr an.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert im vorliegenden Einzelfall die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 11.600,00 €

RechtsgebieteVersicherungsrecht, Gebäudeversicherung Vorschriften§ 18 Nr. 2 VGB 62

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